Mai 1st, 2020

MI AMI (#144, 2010)

Posted in interview by Thorsten

Vielleicht erinnern sich die Älteren unter euch noch an die Black Eyes, über die ich vor rund sieben Jahren solches schrieb: „Zwei Bassisten, zwei Schlagzeuger und ein Gitarrist. Auf der Bühne verteilen sich die Rhythmus-Instrumente in die Ecken einer Raute und nehmen die Gitarre in die Mitte. Aus dieser Symmetrie heraus entwickeln Black Eyes einen spannungsgeladenen Post-Hardcore-Sound mit starkem Wave-Einschlag, sperrig, kantig, nervös, hysterisch. Neben El Guapo und Q & Not U bilden sie die Vorhut neuer toller Bands aus Washington DC. Ian MacKaye von Fugazi nahm ihr in diesem Jahr erschienenes Debüt auf und veröffentlichte es auf Dischord Records. Wagemut, Weitblick und Zorn schlagen sich in einer so mitreißenden wie eigenständigen Musik nieder.“
Jahre später landete dann „Watersports“ von Mi Ami in meinen Händen, die sich als Nachfolger der Washingtoner Band entpuppten – mit Daniel McCormick und Jacob Long waren hier zwei Ehemalige von Black Eyes zu hören, wie sie einen grandiosen Post-Punk-Funk spielen, der, ich zitiere mich noch einmal selbst, „einesteils geschult ist an Bands wie Gang Of Four, Minutemen und meinetwegen A Certain Ratio, diese musikalische Sprache aber erweitert um polyrhythmische Ausgestaltung, dubbige Tiefen, hypnotische, stark von improvisatorischen Anteilen geprägte Strecken.“ Als nun von ein paar Monaten mit „Steal Your Face“ ein neues, wieder ziemlich beeindruckendes Album erschien, hielt ich es an der Zeit, etwas nachdrücklicher auf Mi Ami aufmerksam zu machen. Im Folgenden das alte Frage-und-Antwort-Spiel in der Email-Variante, diesmal mit Daniel McCormick, Gitarrist und Sänger der Band.

Erzähl doch mal ein bisschen zur Geschichte von Mi Ami.

Daniel McCormick: Mi Ami begann 2006 als ein Duo mit mir und Damon Palermo. Wir benutzten Schlagzeug, Gesang, Gitarre, Elektronik und eine Drum-Machine. Wir hatten beide vorher eher „experimentelle“ Musik gemacht, aber hörten eigentlich vor allem Disco, Techno, House und ein bisschen Dub. Es erschien uns als das Beste, zu nehmen, was wir hatten, und zu versuchen, etwas mit einem tiefen Groove und einer Art körperlicher Interaktion zu spielen. Ungefähr ein Jahr später hatten wir wegen unserer beschränkten Ausrüstung einen toten Punkt erreicht und beschlossen, das Set-up zu erweitern, und so kam Jacob zu uns. Als er dazukam, waren Black Eyes eine entfernte Erinnerung. Er und ich hatten in einer Reihe von Bands zusammengespielt und wir redeten nie über irgendeine unserer alten Gruppen als wir versuchten herauszufinden, was wir mit Mi Ami tun sollten. Er und ich zogen zu verschiedenen Zeitpunkten und aus verschiedenen Gründen nach Westen. Ich wusste, dass ich San Francisco liebte, und suchte nach einem Tapetenwechsel. DC ist ziemlich klein, und ich wollte es Verrückter und Neues. Es gelang mir, ein Regierungsstipendium zu bekommen, das einen Teil meiner Universitätgebühren bezahlte, und beschloss, klassische Gitarre zu studieren. Ich wollte mein musikalisches Vokabular erweitern, neue Leute zum Spielen finden, neue Ideen ausprobieren und eine neue Geographie erkunden. Das war 2005, und bis jetzt war es großartig.

Wie seid ihr auf Damon Palermo gestoßen – und warum kommt mir sein Name so bekannt vor?

Ich traf ihn auf einer Vernissage, auf der wir beide spielten. Wir fingen an, uns über Disco zu unterhalten und wurden sofort Freunde. Sein Familienname wurde, glaube ich, seinem Großvater gegeben, als der nach Amerika kam. Weil er, der Großvater, aus Palermo in Sizilien kam, wurde das sein Familienname. Glaube ich.

Durch die Aufnahmen von Mi Ami (und Black Eyes, wenn ich das so sagen darf) zieht sich ein Gefühl von klanglicher Offenheit, ein Antrieb zum Tanz, eine implizite Kritik an traditionellen Rock-Strukturen. Inwieweit korreliert das mit eurer Politik als Band oder Individuen?

Ich glaube nicht, dass wir Rockmusik per se kritisieren, aber ich würde sagen, dass die traditionellen Tropen der Rockmusik weniger und weniger Kraft für mich haben, und Rock interessiert mich nur in wenigen Ausnahmefällen. Ich weiß nicht, ob ein Gefühl von Raum politisch ist, auch implizit, aber es hat für mich Bedeutung. Ich möchte in Musik hineinfallen können, darin eingeschlossen sein. Ich bin nicht daran interessiert, herumzuzappeln oder den ganzen Raum auszufüllen.

Ihr arbeitet auch mit elektronischer Musik. Wie fühlt sich das im Vergleich an? Für Thrill Jockeys „Techno“-Reihe habt ihr eine fast rein elektronische Maci produziert. Ist „Towers Fall“ nur ein einmaliges Experiment oder plant ihr mehr in dieser Richtung?

Wir haben andere elektronische Sachen gemacht – einen Remix für „Telepathe“ und die B-Seite von der „Cut Men“-12“ – und es ist für uns sehr aufregend. Aber es ist auch schwierig, das live zu vermitteln. Wir schreiben all unsere Songs als Live-Band, und es ist wichtig, auf der Bühne Raum zum Erforschen zu haben. Die Brücke zur Elektronik zu schlagen, hat sich in der Vergangenheit als ein wenig mühsam erwiesen, aber es ist für die Zukunft nicht ausgeschlossen.

Nochmal zurück zu Black Eyes: Ihr hattet auch einen Song über Pädophilie. Ich las, dass du an einem Noise-Projekt namens „Sex Worker“ arbeitest. Wie wichtig ist Sex als Thema für euch?

Amerika erscheint mir erschreckend abgekoppelt von seinem Körper. Zwischen einer Fettleibigkeitsepidemie, Essstörungen, einer Ein-Drittel-Wahrscheinlichkeit von sexuellen Übergriffen bei Frauen und einem ganzen Wust anderer ähnlicher Dinge scheint es mir, dass wir uns weiter und weiter von einem gesunden Verhältnis zu unseren Körpern entfernen. Insofern Sex eine grundlegende Körpererfahrung ist, die soviel menschliches Verhalten motiviert (wobei es irgendwie schockierend zu diskutieren ist, welches), das traumatisch oder sublim sein kann, würde ich sagen, dass es ein dauerhafter Druck ist. Das Thema taucht in einem Haufen Songs auf „Steal Your Face“ und auch „Watersports“ auf.

Text und Interview: Stone

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