Februar 10th, 2020

Martin Sorrondeguy aus #196, 2019

Posted in interview by Jan

„Matan a la gente y no tienen vergüenza (sie töten Menschen und schämen sich nicht.)
Preguntamos lo que pasa pero se quedan callados (wir fragen uns, was los ist, aber man bleibt schweigsam)
Cubren la evidencia y nos siguen mintiendo (sie verbergen die Beweise und wir werden weiter belogen)
Piensan que no nos damos cuenta de que son (Sie denken, wir sähen nicht, wer bzw. was sie sind)

Bush, Pinochet, Hitler, Baby Doc, asesinos (… Mörder)
Bush, Pinochet, Hitler, Baby Doc, asesinos

No te quedes preguntando: que pasa? (Belasse es nicht dabei, zu fragen, was los ist)
Quieres engañar todos que sepan. (Du willst jeden verarschen, der es weiß.)
Tuy yo juntos empujamos (Du und ich, wir bringen den Stein gemeinsam ins Rollen)
Hasta la rebaja de los estados fascistas (bis zum Zerfall der faschistischen Staaten)

Bush, Pinochet, Hitler, Baby Doc, asesinos
Bush, Pinochet, Hitler, Baby Doc, asesinos
Bush, Pinochet, Hitler, Baby Doc, asesinos“
(Los Cruos – Asesinos, 1993, JR dankt Latino-Pole für Übersetzung)

„Tight pants and wallet chains
Hooded sweats and addidas drive me insane
Dread-locked crusties are hot and can’t be beat
Just double up the condom and stay away from their feet
I LOVE HARDCORE BOYS, I LOVE BOYS HARDCORE!

Bi-hawks and studs are really hot
Emo kids whine, but I’ll give em a shot
Tight pant-skinheads with bodies that stack
This whole damn scene makes my eyes roll back
I LOVE HARDCORE BOYS, I LOVE BOYS HARDCORE!

I love hardcore boys, it’s too good to be true
One on one or the whole damn crew
It’s all exciting for us so lets give it a whirl
I love hardcore boys cuz they make my toes curl

Romulin-looking Justin clones got style
But sports wearing edgers are who we’d like to pile
After being with a peace punk in black
We’re definite that you’re never turning back
I LOVE HARDCORE BOYS, I LOVE BOYS HARDCORE!“
(Limp Wrist – I Love Hardcore Boys, I Love Boys Hardcore, 2001)

***

Entrevista con Martin Sorrondeguy

Ja, stimmt, es gab im Trust # 140 von 2010 ein Interview mit Limp Wrist, bei denen Martin singt und die damals gerade u.a. in Deutschland tourten, aber ich hatte dann doch noch einige weitere Fragen an ihn (das Interview war damals auch nicht von mir), doch zunächst die üblichen Infos.

Hey Suburbia!
Die meisten kennen Martin Sorrondeguy als Sänger von LOS CRUDOS, der genialen Latino-HC-Band aus Chicago, die in den 90ern aktiv waren. Sie tourten viel in Südamerika, aber auch in USA, Kanada und Mexiko und spielten auch vor einiger Zeit wieder Konzerte in den Staaten und Europa, da gibt es hervorragendes Live-Material online. Ich stieß Anfang der 90er zuerst auf Martins Namen, weil von ihm Fotos von Screeching Weasel, die ja ebenfalls aus Chicago kamen, auf den Platten von `Weasel auftauchten.

Saufen ohne Ende
2008 war ich mit Andrea im Maximum RocknRoll (MRR) Zine Headquarter in San Francisco für ein Interview und Budweiser trinken mit den damaligen Koordinatoren. Martin war zufällig auch anwesend und als er „Trust-Leute sind da“ hörte, kam er aus den Tiefen des Archivs und begrüßte uns herzlich und wir plauderten ein wenig. Er fragte uns, woher wir kommen und nach unserer Antwort „Frankfurt am Main“ begab er sich eilig zurück ins Archiv und präsentierte uns dann seine Lieblings-Single aus der Gegend und zwar… Der Durstige Mann! Zu lustig, die absolute Sauf-Stumpf-Band (big great Hit „Saufen ohne Ende“) und er als Straight-Edger und politischer Aktivist liebt diese Band…

Er erzählte auch, wie toll er es in den 80er fand, dass das Trust damals einen Punk aus Lima/Peru interviewte, wir hätten früh die Fühler nach Südamerika ausgestreckt, ein Kontinent, dessen Punk-Szene ihm als Latino sehr am Herzen liegt, er wurde ja in Uruguay geboren. Andrea und ich wollten damals 2008 nach Nord-Kalifornien weiter, er gab uns noch die Telefon-Nummer seines Freundes, der im Großraum der Bay Area lebt, also falls wir eine Übernachtungsmöglichkeit brauchen und so. Very gentle!

MRR Zine, Lengua Armada und die „U.S. Latino Hardcore Punk Documentary“
Also, ich denke auch, dass manche ihn als Shitworker vom MRR Fanzine kennen, denn er zog vor vielen Jahren nach San Francisco und ist dort auch aktiv… Er singt of course auch bei den ebenfalls genialen Limp Wrist (Straight Edge Queercore, total geil, etwas humorvoller als die sehr ernsten Los Crudos), der inhaltliche Fokus lag nun verstärkt auf Homosexualität und „gay-positive“, denn er hatte sich ja (noch zu Los Crudos Zeiten) als Schwuler geoutet. Zudem hatte er noch das Label Lengua Armada Discos (die bekanntesten Bands waren für mich Look Back and Laugh, Charles Bronson, Severed Head of State und Sin Orden), er drehte auch einen tollen Film namens „Beyond The Screams: a U.S. Latino Hardcore Punk Documentary“ (2004), den gibt es for free online, lohnt!

Homo-Punk-Story I: Los Crudos und Limp Wrist
Zu den Anfängen von Los Crudos sagte Martin in einem älterem Interview: „Crudos starteten 1991 auf der Southside von Chicago. Wir sangen alle unsere Lieder auf Spanisch, um mit anderen Latino-Immigranten über unsere Frustrationen bezüglich der Art und Weise, wie Immigranten in den USA behandelt wurden, zu kommunizieren. Wir nahmen unsere Botschaft und engagierten uns sowohl für Punks als auch für das Nicht-Punk-Volk, also Künstler, Aktivisten und Sozialarbeiter innerhalb unserer Community. Wir hatten Allianzen mit vielen Leuten aufgebaut, haben Auftritte und Platten billig gehalten und uns an Meetings sowie an Aktionen beteiligt, um eben Veränderungen zu erreichen“.

Und über die Entstehung von Limp Wrist gab er an anderer Stelle zu Protokoll: „Eigentlich habe ich schon davon gesprochen, homosexuell zu sein, als Los Crudos aktiv waren, das war, als ich zum ersten Mal wegen des Konservativismus in den vielen Gemeinschaften es für wichtig hielt, über diese Themen zu sprechen und mein Coming Out hatte. Auf der Crudos-LP gab es zwei Lieder, die sich mit den Themen Liebe und Sexualität auseinandersetzen. Limp Wrist war auch immer ernst, aber wir haben uns für manchmal für einen humorvollen Blickwinkel entschieden, um unseren Standpunkt zu vertreten, also anstatt für einen reinen wütenden Ansatz, das funktionierte in den USA gut“.

Homo-Punk-Story II
Martin wurde auch gerade für das im Ventil Verlag erscheinende Buch „Homopunk History: Von den Sechzigern bis in die Gegenwart“ interviewt (der Autor ist Philipp Meinert vom Plastic Bomb Zine), das Buch hört sich sehr interessant an, ich check´s mal aus, darum geht es:

„Der urbane Sumpf, aus dem Punk hervorkroch, war alles andere als heterosexuell und männlich geprägt. Dort tummelten sich die New Yorker Prä-Punks von The Velvet Underground um den bisexuellen Lou Reed oder die mit Geschlechterrollen spielenden New York Dolls. Und auch als Punk Ende der Siebziger explodierte, war er geprägt von der gemeinsamen Vergangenheit mit der schwul-lesbischen Kultur. Die Schlüsselfiguren der späteren Londoner Punkszene trafen sich bevorzugt in Homo-Bars, die bürgerlichen Vorstellungen von „Männlichkeit“ und sexueller Identität wurden zusammen mit der Musikgeschichte entsorgt. Aber schnell wurden Punk und sein Subgenre Hardcore immer brutaler, lauter und männlicher. Viele Schwule, Lesben und Queers kehrten der Szene den Rücken oder verblieben ungeoutet im Schrank, bis mit Bruce LaBruce und G.B. Jones zwei Punks in Toronto Mitte der 80er die Queercore-Bewegung ins Leben riefen.

„Homopunk Story“ geht auf die Suche nach den Nischen, in denen Punk trotz allem abweichende sexuelle Identitäten möglich machte. Denn es gab weiterhin Refugien, in denen sich Punk seine Offenheit bewahrte. Die texanische Szene um Bands wie M.D.C, The Dicks und die Big Boys etwa provozierte die US-Szene, indem sie Genderrollen hinterfragte und sich auch nicht scheute, die Homophobie der Szene anzusprechen. Das Buch enthält exklusive Interviews mit Danny Fields, Jayne County, Wolfgang Müller, Mike Bullshit, Bruce LaBruce, Vaginal Creme Davis, Lynn Breedlove, Martin Sorrondeguy und vielen anderen“. Ich finde, hier wird es sich etwas zu einfach gemacht, so als ob 70er Punk IMMER „gay-positive“ war und HC dann IMMER anti-gay, vielleicht stimmt es für die Staaten hier und da (NY HC), aber für Europa doch nicht in der Form, nun, ich kenne das Buch noch nicht, Martin und ich werden aber darüber reden müssen.

Photo-Bücher, Ausstellungen und Gastvorträge
Zudem fotografiert Martin weiterhin (Konzerte), er stellt diese Bilder auch in Einzel- und Gruppen-Ausstellungen aus wie zum Beispiel in New York, Buenos Aires, Sao Paolo, Melbourne und Tokio, auch veröffentlichte er bereits drei Foto-Bücher („En busca de algo más“, Buenos Aires 2015; „Get Shot“ (A Visual Diary, 1985-2012), Los Angeles 2012; „Porqueria“, Tokio 2009) und yeah, „in it for life“, würde ich sagen. Checkt dafür auch seine Homepage aus, dort beschreibt er sich selber übrigens wie folgt: Martin Sorrondeguy erforscht die Underground- und Punk-Musikszenen seit den achtziger Jahren. Als Mitglied von Bands, die häufig unterwegs sind, konnte Sorrondeguy während der Tourneen Bilder von Menschen und Orten einfangen.

Vorab-Bemerkungen zum Interview
Martin ist auch manchmal im akademischen Vortrags-Gastlesungen-Bereich tätig und über manches wird nun also geredet werden, es war mir allerdings nicht möglich, ALLE Aspekte seines kreativen sozio-politischen Outputs zu berücksichtigen, ich bitte um Nachsicht! Wir führten das Interview in mehreren Blöcken, die ersten Fragen beantwortete er übrigens auf dem Weg im Flieger nach Kalifornien. Ich fragte ihn in unserem Gespräch, warum ex-MRR-Fans das Heft verlassen und ein eigenes Mag gründen, warum verbessern sie nicht das MRR und bleiben an Bord.

Dazu kurz: das MRR ist etabliert, hat einen weltweiten Ruf und die Back-Distro-Shitwork ist intakt. Mehr erreicht man durch ein eigenes Heft doch eh nicht, deshalb muss man doch nicht immer sein eigenes Jodel-Diplom machen, so meinte ich das. Und nun finally noch der Hinweis: ich habe viele Interviews mit ihm in all den Jahrzehnten gelesen und es gibt auch zahlreiche Dialoge mit ihm online (und auf Youtube). Er wird natürlich oft zu den Themenkomplexen „Wie ist es als schwuler Straight Edge-Latino mit Wampe so in der HC-Punk-Szene“.

Das sind weiterhin wichtige Fragen und sie kommen auch hier teilweise vor, nur vielleicht etwas anders als sonst… Schaut einfach im Netz nach, wenn euch diese Aspekte besonders interessieren. Dolf wurde ja von Martin für das vom MRR geplante Buch über das MRR interviewt, mal hören, ob da schon was konkreter wurde mit dem Opus… Aber dazu wie auch zu anderen Fragen (wann die angekündigte MRR-Record-Reviews-Datenbank online geht, war er vor zwei Jahren beim dem 30 Jahre Lookout Records Gig in der Gilman, wie ist das Verhältnis zwischen MRR und 924 Gilman nun eigentlich wegen dieser Boykott-Sache, hat er den “Turn it around: the story of east bay Punk”-Film gesehen, gibt es diesen Brunnen am Anfang jeder Al Bundy-“Married…. with Children“-Episode (die Serie spielte ja in Vororten von Chicago) noch, als ich 2004 in Spanien war, hörte ich bei einem Skatalites-Gig am Strand einen tollen alten spanischen Punk-Song vom DJ, ich vergaß ihn nach dem Bandnamen zu fragen, der Refrain war immer wie „Y yo no quiero trabajar, trabajar, No“ und es war mittlere Punk-Geschwindigkeit, weiß er vielleicht direkt, welche Band es hätte sein können…) wusste er nichts Neues bzw. nichts Passendes (kennt er nicht, weiß er nicht) zu beantworten.

***

Hey Martin, vielen Dank für deine Zeit! Du hast mir im MRR-HQ in San Francisco deine Lieblings-Single aus meiner Stadt Frankfurt gezeigt, das war „Der Durstige Mann“, das ist immer noch wirklich lustig, denn fast alle deren Songs handelten vom Saufen und du als Straight Edger magst sie und genau so muss es doch sein, Open Mindness rules und Genregrenzen sind beschissen! Du hast dich damals auch auch an eine Trust-Ausgabe aus den 80ern erinnert, in der ein Interview mit einem Punk in Peru war. Was sind eigentlich deine Tätigkeiten als shitworker beim MRR und warum bleibst du immer noch dabei?
Hallo nochmal, also, ich hatte schon immer eine Vorliebe für Musik, besonders für Punk/Hardcore. Die Idee, dass ich nur Bands hören und mögen sollte, die mich und meine Ideen exklusiv repräsentieren, das ist ein seltsames Konzept. Straight Edge ist nicht mehr Teil meines Lebens in Bezug darauf, nach diesen Regeln zu leben, aber als ich es noch war, da fühlte ich wirklich, dass es gut ist, sowohl Sick Pleasure, Eskorbuto und RIP als auch Minor Threat, SSD und Uniform Choice zu hören. Als Fan von Dingen, die Punk neben Platten produziert, wie zum Beispiel Fanzines, da schaue ich mir immer wieder Fanzines von früher und heute an, um interessante Artikel, Fotos, Bands, Grafiken und Szene-Berichte zu finden.

Ich fand es toll, dass ihr die frühe peruanische Szene abgedeckt habt, denn diese Bands sind erstaunlich toll und meiner bescheidenen Meinung nach mit die besten aus den frühen Tagen Lateinamerikas. Übrigens, ich brauche diese Ausgabe immer noch (haha, der Sammler in mir bewegt sich). Was das MRR angeht, so lebe ich nicht mehr in der Bay Area, also ist meine Beziehung zum MRR eine Fernbeziehung. Das Magazin hat mich immer noch als board-member dabei (quasi „Vorstandsmitglied“, JR) und da ich mit meinen Bands viel unterwegs bin, mache ich Interviews oder Fotos, die ich dann für potentielle Inhalte einreiche.

Ich liebe das MRR und ich mag Razorcake auch als alter Flipside-Leser. Manchmal schien es so, dass es zwischen dem MRR und Razorcake eine Art „Streit“ gibt, was ist deine Meinung dazu? Die Reviews sind zum Glück jetzt ausgewogener, yes!
Ich persönlich bin kein großer Fan von Streits zwischen Zines usw., denn es kann einfach nie genug Berichterstattung darüber geben, was global oder lokal im Punk passiert, also je mehr, desto besser, um ehrlich zu sein. In den letzten Jahren schien es einige neue Hefte zu geben, die cool sind, aber auch einige ältere (Nuts, Cretins OD, Mountza, Distort) und sie alle haben etwas Interessantes über internationalen Punk zu sagen und wie es dann eben so geschrieben und dargestellt wird.

Ich interviewte vor Jahren Mykel Board, er sagte über die Bedeutung vom MRR, dass es in den 80er Jahren die Bibel für Punk war, heute ist es eher marginal, siehst du das auch so? Was ich an MRR total toll finde ist, dass das Zine alle anderen Hefte überlebt hat, die von frustrierten MRR-Mitarbeitern/Lesern gegründet wurden. Das HeartattaCk ist tot genauso wie auch Punk Planet und Hit List… Ich meine, das waren manchmal gute Zines, aber jetzt sind alle weg. Ich habe nie verstanden, warum man sozusagen den Kreis immer wieder neu erfinden muss, warum nicht fürs MRR schreiben und mit konstruktiven Kritiken versuchen, es besser zu machen?
Nochmals, ich glaube wirklich, dass es nicht nur eine Quelle für Punk geben sollte und nicht jeder will fürs MRR schreiben. Also, ich finde es toll, wenn Leute etwas dazu beitragen, aber ich denke auch, dass es super ist, wenn Leute ihr eigenes Ding machen. Am Ende hat jedes Zine seinen Hauptkoordinator und so ist es diese Linse, durch die dann Punk repräsentiert wird, so dass ein Blick auf Punk durch verschiedene Linsen ein genaueres Bild von Punk ergeben kann, also, was eben so vor sich geht. Kein Zine alleine kann alles umfassen, also gibt es immer eine Notwendigkeit, dass mehrere Stimmen gehört werden müssen, also schreib es auf und mache dein eigenes Zine! Das Gleiche könnte man über Bands sagen, weil nur wenn ein paar Bands ein bisschen populärer werden, sollen dann alle anderen aufhören, sich musikalisch auszudrücken? Auf keinen Fall, mach weiter und deinen eigenen Shit.

Weißt du, ob das No Friends Zine aus Chicago noch publiziert? Auch total seltsam für mich, warum macht ein MRR-Typ ein neues Zine, das genau wie das MRR aussieht und sich um den gleichen Musikgeschmack dreht?
Das No Friends Zine gibt es nicht mehr, sie haben vor einer Weile aufgehört. Das wäre also eine Frage an den Herausgeber dieses Hefts.

Ich habe vor einiger Zeit ein Interview mit der damals neuen MRR-Koordinatorin geführt, sie erwähnte, dass Los Crudos allen Profit eurer „Doble”-2LP-Discografie ans MRR gespendet habt, wie verdammt toll von euch, muy respecto! Eine letzte Frage zum Thema MRR: warum wechseln die Koordinatoren so sehr? Klar, es ist eine harte Aufgabe, das verstehe ich, aber ich weiß nicht, ob diese Veränderungen am Ende wirklich effektiv sind…
Ja, die Los Crudos Doppel-LP-Diskographie – wir wollten dem MRR helfen, also haben wir ihnen erlaubt, eine einmalige Pressung der Doppel-LP zu machen, um sie ein wenig zu unterstützen. Bezüglich der Koordinatoren und ihre Wechsel; ich glaube, dass das MRR ein interessantes Zine eben dadurch ist, dass es von Tim Yo begonnen wurde und er offensichtlich nicht mehr dabei ist, aber viele Leute wirklich respektierten, was er tat und wie das MRR lief, also gibt es Leute, die das Zine am Laufen halten wollten und wollen.

Die alten Shitworker und „Vorstandsmitglieder“ der Zeitschrift verstehen, dass, wenn ein neuer Koordinator hereinkommt, um das Zine an den Start zu bringen, dass sich dann das Aussehen und das Gefühl des Zines ändert und verschiebt und im Allgemeinen ist es ja dann auch so, dass die individuellen Koordinatorengeschmäcker im Heft zu sehen und zu lesen sind, aber es ist auch klar, dass die meisten es nur vorübergehend tun werden. Es ist eine sehr schwierige Aufgabe und die Burnout-Qoute ist hoch. Ich verstehe es, dass der Job kein „Endstopp“ für den Koordinator ist, wenn es darum geht, ein Leben lang in dieser Position zu bleiben.

Normalerweise bleiben die Leute zwei Jahre und wenn sie gut trainiert sind und es länger machen können, dann machen sie das auch, aber in den meisten Fällen wollen sie etwas anderes mit ihrem Leben dann machen. Ich glaube auch, dass es etwas über ein Zine aussagt dass es noch viele Jahre nach dem Tod seines Gründers existiert. Der Einfluss, den Tim Yo auf den Punk vor allem in den USA hatte, war enorm und deshalb glaube ich, dass es das Heft aus diesen Gründen immer noch gibt.

Deinen Namen kannte ich nicht von einer Los Crudos Platte in den frühen 90ern , sondern zuerst von den Screeching Weasel-Platten, wo deine Fotos im Booklett abgedruckt wurden…. Fuck Mann, ich liebe diese goldene Ära der mächtigen `Weasels, ich habe sie nie live gesehen, waren sie damals live (in Chicago) gut?
Screeching Weasel waren eine gute Band, ich habe fast alle ihre frühen Shows in Chicago gesehen und auch einen Teil davon fotografiert. Ben hatte viel zu sagen und kam definitiv sozusagen „unter die Haut vieler Leute“. Ben veranstaltete auch Konzerte und war deshalb sehr stark dafür verantwortlich, dass so viele großartige Bands zu dieser neuen blühenden Szene dazu stießen, so dass wir Operation Ivy, Crimpshrine, all diese Bay Area Bands, aber eben auch Bands wie die Zero Boys, Sloppy Seconds, KGB (aus deinem Land), Toxic Reasons und viele andere sehen konnten. Ben und SW halfen dabei, eine Szene zu verjüngen, die kaum atmete und von gewalttätigen Arschlöchern dominiert wurde, also war das, was sie taten, fantastisch.

Wie ist deine Beziehung zu Ben Weasel heute? Ich meine, er hatte immer eine große Klappe und shit, aber nachdem ich Larry Livermore´s Buch über die Geschichte von Lookout und dem Kampf zwischen der Band und dem Label gelesen habe, da denke ich jetzt wirklich, dass Ben verrückt war, ein Arschloch und unfair von Anfang an ab Tag eins. Andererseits habe ich ihn auch interviewt, war cool und eines Tages muss ich für einen USA-Gig der heutigen SW einfliegen, ich muss sie einmal live sehen.
Ich sah SW vor nicht allzu langer Zeit und es war wahrscheinlich 20 Jahre her, seit ich sie zuletzt gesehen hatte. Ben und ich sagten hallo und es war etwas hektisch, so dass ich keine Gelegenheit hatte, wirklich mit ihm zu sprechen.

Pardon für diese blöde Frage, aber könntest du den Text des verdammten großen Los Crudos-Hit “Asesinos” nochmal erklären, die Botschaft auf den Punkt gebracht, ist “Faschismus gemeinsam bekämpfen”, richtig?
„Asesinos“ ist ein Lied, das ich geschrieben habe, um aufzuzeigen, was in dem Land, aus dem ich komme, also Uruguay, aber auch in so vielen anderen Ländern geschehen ist, die Diktaturen erlebt haben. Es geht um von außen aufgezwungene Gewalt, Angst und Einschüchterung ganzer Nationen, also war das Lied Ausdruck meiner Frustration und Wut über diese Machtsysteme, die ihre Ideen mit Gewalt projizierten.

Du bist von Montevideo in die “windy City“ Chicago gezogen und hast lange Zeit in der Hippie-City San Francisco gelebt. Und jetzt zurück ins gute alte Chicago? Dolf war kürzlich in der Bay Area zum BOB-Fest in Oakland, ein Bier kostet acht Dollar? Oh Mann. Vielleicht ist das Leben dort echt nicht mehr bezahlbar und möglicherweise Grund für dich gewesen, umzuziehen…
Chicago ist wieder mein Zuhause, ich bin seit drei Jahren zurück. Ja, die Bay Area ist nicht mehr derselbe Ort wie früher. Es ist eine schwierige Stadt, in der man nur überleben kann, wenn man einen wirklich hoch bezahlten Job bekommt. Es war lange Zeit eine Punkstadt, weil es billig und lustig war, dort zu sein, all die Verrückten, Freaks, Künstler, Kreativen und Rocker gingen dorthin, um sie selbst zu sein und zu überleben. Das meiste davon ist weg und es ist jetzt ein Yuppie-Spielplatz. Das ist natürlich eine Entwicklung, die, soweit ich es sehe, an vielen anderen Orten auch stattfindet und nicht einzigartig für San Francisco ist. Ich verließ die Stadt, weil wir unseren Wohnort verloren hatten, der seit Anfang der 90er Jahre ein Punkhaus war, aber ich fühlte auch, dass es Zeit für mich war, in der Nähe meiner Eltern zu sein, die älter wurden, es war einfach an der Zeit.

Die Los Crudos-Split EP mit Huasipungo aus New York ist immer noch so toll. Erinnerst du dich, wer die Idee zu dieser Split hatte, war es deshalb, um die damalige Latino-Punk-Szene zu dokumentieren? Vor kurzem sprach ich für unser Zine auch mit ihrem Sänger Ensneider über sein Engagement beim ABC NO RIO in New York und ich war so froh zu hören, dass es die mächtigen Huasipungo noch gibt!
Ich bin nicht mehr genau sicher, wie das Ganze passiert ist, aber die Leute von Huasipungo und Crudos begannen, zu kommunizieren und wir beschlossen, dass es eine gute Idee wäre, sowohl eine Split-Platte als auch eine Tour zu machen, und so geschah es dann auch.

Jimmy Alvardo von Razorcake (aus Los Angeles) erwähnte kürzlich in unserem Gespräch fürs Trust, dass einige Leute sagen, dass wenn eine Punk-Band von nicht-weißen Leuten gemacht wird und sie Bezüge zu einer Gang haben, dass so eine Band dann eine “Gang-Band” ist, aber wenn weiße Leute in einer Band sind und die auch Bezüge zu einer Gang haben, dann ist diese Band keine “Gang-Band”, er meinte, es sei eine Art subtiler Rassismus. Ich habe darüber nie nachgedacht, wahrscheinlich stimmt es, macht das Sinn für dich?
Chicago ist eine von Gangs infizierte Stadt und die meisten der Punks, die Latinos sind, sind in Gangvierteln aufgewachsen, Los Angeles ist in dieser Hinsicht sehr ähnlich. Das Gang- und Punk-Crossover war in Los Angeles ganz massiv, in Chicago haben wir versucht, das sehr getrennt zu halten, wir wollten es nicht in unserer Szene haben. Ich denke, wenn das so gewesen wäre, wie es in L.A. geschehen ist, dann wäre es hier in Chicago ganz anders zugegangen. Jimmy bringt aber hier einen guten Punkt rüber und ich glaube, was er sagt, ist wahr, also, dass es immer Verallgemeinerungen über Latinos in den USA gegeben hat und einige Punks sich auch an diesen Verallgemeinerungen beteiligt haben. Als ich früher zu den Shows in Chicago ging, kamen etwa zwanzig von uns aus der Nachbarschaft. Die Leute hatten Angst vor uns, als wir in die Züge stiegen, eben dass all diese jungen braunen Kinder wie ausgeflippte Leute aussahen und als wir dann beim Konzert ankamen, dann waren da die weiße, Punks, die Dinge wie „Yeah Suicidal!!“ sagten, hahaha, das war das einzige, an das sie denken konnten, als sie uns sahen.

Haha, großartig! Hey, echt beeindruckende Live-Youtube-Videos von den reaktivierten Los Crudos. Ich mag deine Bühnenpräsenz im Allgemeinen, wie du gute Ankündigungen machst, in einem mittel-lauten Ton und dann BÄM, die Musik geht los und du auch, verdammt gut! Hattest du von Anfang an diese Bühnenpräsenz?
Ziemlich, ja, aber dann wiederum auch nicht immer. Als junger Punk war ich eigentlich ziemlich schüchtern, sehr leise, was vielen Leuten seltsam erscheint, aber es ist wahr. Ich brauchte einige Zeit, um mich mit dem, was ich zu erreichen versuchte, vertraut zu machen, in erster Linie ging es um Selbstvertrauen.

Warum spielten Los Crudos in letzter Zeit wieder Auftritte? Die Band hat nie in Deutschland gespielt oder? Ihr müsst rüberkommen, bitte, Señor!
Ja, wir haben 1996 viele Konzerte in Deutschland gespielt. Wir machten eine 90 Tage 90 Show Tour im Winter 1996, haha, pretty fucking rough! Es gab mehrere Gründe, warum wir wieder zu spielen begannen, der Hauptmotivator war, unserer Trans-Freundin und langjährigen Punkerin bei ihrem Kampf gegen den Krebs zu helfen. Eine alte Freundin wollte eine Benefiz-Veranstaltung für Sarah Kirsch organisieren und sie fragte Los Crudos, ob wir helfen könnten.

Dein Film über Latino-Punks ist immer noch so inspirierend, hast du je daran gedacht, ihn mit Bonus-Material und so auf DVD wieder zu veröffentlichen, vielleicht auch mit einer Soundtrack-LP….?
Ich habe daran gedacht, ja, aber ich bin immer wieder mit so vielen Projekten unterwegs, dass es mir schwer fällt, die Dinge zu stoppen und zu überdenken. Ich habe jede Menge Bonusmaterial, was cool ist. Wer weiß, vielleicht in der Zukunft.

Gibt es dein Label Lengua Armada Discos noch? Ich vermute, dass Charles Bronson wahrscheinlich die meisten Verkäufe erzielten, sie waren sogar in meiner beschissenen Heimatstadtszene Leverkusen in den späten 90ern sehr beliebt. Weißt du noch, wie sie zu deinem Label kamen?
Ich veröffentliche ab und zu Platten, ich habe in den letzten Jahren mehrere Veröffentlichungen gemacht, aber ich betreibe das Label nicht wie ein Unternehmen. Ich bringe nur dann was raus, wenn ich es kann. Was CB betrifft, so war es nicht der „Bestseller“, weil wir nur eine begrenzte Auflage der Platte gemacht haben, die später von anderen Labels neu aufgelegt wurde. Crudos verkaufte mehr Platten auf dem Label. Am Ende teilten wir uns den gleichen Schlagzeuger, der auch für MK-Ultra spielte. Alle drei Bands spielten die ganze Zeit zusammen und wir haben die neueren, jüngeren Bands sehr unterstützt.

Als Limp Wrist vor Jahren durch Deutschland tourte (und wir ein Limp Wrist-Interview in Trust #140 von 2010 hatten), was geschah da im AJZ Bielefeld? Die Show musste abgebrochen werden, weil das Leder-Schwulen-Dressing der Band zu anstößig war? Ich konnte es nicht glauben, denn es gibt ein Foto von einem komplett nackten Dave Dictor auf der Bühne, also genau dort, weil Ende der 80er Jahre MDC in Bielefeld spielten. Was zum Teufel ist passiert, die 80er Jahre waren „toleranter“ als heute? Vielleicht waren die Leute schockiert von eurem Outfit, weil sie es vorher nicht wussten, ich meine, ich war zweimal in San Francisco und ich sah, wie die Schwulen in dem („gay-positive“) Stadtteil Castro mit Leder-Biker-Mode halbnackt und so rumlaufen, also war es für mich keine Überraschung, dass das Castro-Gay-Outfit vielleicht ein wenig „anders“ ist als das Gay-Dressing in Bielefeld, haha.
Ja, ich weiß nicht, was passiert ist. Ich glaube, die Leute waren verärgert, weil ein paar Leute in der Menge nackt waren. Nun, in meiner Welt, da bin ich dafür. Ich bin ein schwuler Mann und nackte Männer beleidigen mich nicht. Es ist lustig, wenn „Punks“ oder „Aktivisten“ so viele starre Regeln haben. Es ist genauso deine Welt wie meine, stell´dir vor, wenn ich eine Regel aufstellen würde, dass nur nackte Leute zu unseren Shows kommen können, das wäre dumm und würde sehr kritisiert werden. „In the end someone threw a fit“ (JR: Am Ende hatte jemand einen Anfall?), wir waren angepisst und es war eben einer dieser mehr anti-queer Momente dieser Tour und ich verstecke meine Queerness für niemanden. Beim nächste Mal, also um die starren, puritanischen Regeln der Leute zu schützen, solltest du vielleicht nicht Shows für queere Bands machen bzw. diese einladen. Das ist alles.

Verstehe, dazu noch: was war die beste Gay-Bar in San Francisco und was ist sie in Chicago und was ist der beste Gay-Porno-Film, also wohin müssen wir als weiße Heterosexuelle der gehobenen Mittelklasse in Deutschland unbedingt hin bzw. welchen sollten wir definitiv gesehen haben?
Hahaha, großartige Frage. Also, die besten Kneipen in San Francisco; ich mochte den „Eagle“, weil sie Punk-Bands dort spielen ließen, dort war echt eine coole Stimmung (denk daran, dass Veränderungen passieren können), dann mochte ich noch das „Truck“ (ich glaube, der Laden existiert nicht mehr) und im „The Stud“ habe ich auch ein paar coole Nächte verbracht. Das „Powerhouse“ war cool, das war jedoch nichts für die schwächeren Herzen – der Sex geht weiter, also wenn du prüde bist, bleib weg! Das „Hole in the Wall“ spielte gute Musik und hatte ein wenig einen „nasty“ Vibe .

In Chicago gefällt mir das „Touché“ und das „Jackhammer“, rau und schlüpfrig. Für eine mehr gechillte Stimmung mochte ich „Big Chicks“, das war ein freundlicher und lustiger Ort. Was Pornos angeht, da möchte ich nichts empfehlen, weil wir alle unsere kleinen freaky Vorlieben haben, so dass das, was ich mag, vielleicht nicht das ist, was jemand anderes mag, am besten einfach das Internet erkunden und genießen.

Hey, eine Anmerkung zu diesem wunderschönen Limp Wrist-Song „I Love Hardcore Boys“. Ich weiß echt nicht warum, aber ich muss immer wenn ich diese großartige Melodie hören, an das Zitat von Frank Drebbin in „Nackte Kanone 1“ denken: „Ich mag meinen Sex so wie ich Basketball spiele, eins-zu-eins mit so wenig Dribbling wie möglich“, haha.
Hahaha!

Du wurdest für das kommende Buch zur Homo-Punk-Geschichte im Ventil Verlag interviewt. Stimmt das wirklich, wenn man sagt, dass die alte Bohème-70er-Jahre-Punk-Szene schwulen-freundlicher war und dann die Macho-Gewalt-HC-Punk-Szene in den 80ern – vor allem dummer NY HC – ALLES ins Negative verändert hat? Ich meine, nicht ALLE Punkbands aus den 70ern waren total pro-gay, ich schaue mir gerade meine FEAR-Bootlegs an und sehe auch meine alten Descendents-Platten mit einigen sehr bösen Texten („You Fucking Homo“)…. Ich möchte nur betonen, dass man in jeder Zeit des Punk die üblichen dummen konservativen Bands hatte und hat, aber zu sagen, dass es zuerst TOTAL aufgeschlossen war und dann HC explodierte und ALLES zum Schlimmsten veränderte… Vielleicht gilt das für die Staaten in einigen Städten? Aber als Ami-HC Anfang der 80er Jahre in Europa landete, wurde die HC-Power mit britischen Anarcho-Punk-Lyrics vermischt, so dass HC-Punk zum Beispiel in Deutschland bis Ende der 80er Jahre eine viel positivere und liberalere Einstellung bedeutete, denn die alten „Deutsch-Punk“-Bands waren…. nicht „schwulenfeindlich“, aber oft Arschlöcher, verdrogt, kommerziell, gewalttätig. Es hat sich dann mit HC ein wenig geändert, als NY HC Anfang der 90er Jahre in Deutschland groß raus kam, ok, aber du weißt, was ich meine!?
Dies ist eine gute Frage und da sind einige richtige Punkte dabei, also, waren es ausgewählte Städte, die mehr offene Szenen hatten? Vielleicht. Ich würde zustimmen, dass es Leute gab, die in den ersten Tagen wahrscheinlich nicht so cool waren. In vielen Städten und Szenen gab es offene Queers, die auch Schlüsselfiguren in Bands waren. Es war eher die Ausnahme, ein Stricher zu sein, um Geld zu verdienen. Es gab aber Überschneidungen von der schwulen zur Punk-Szene, also eine Verbindung, zumindest in den Staaten gab es Gay-Bars, die es erlaubten, dass ihre Räume als Punk-Locations genutzt werden konnten. In Anbetracht all dessen wäre es schon sinnvoller, dass die Menschen es als viel offener empfinden würden.

Du hast bereits Sloppy Seconds erwähnt, eine Frage: ihr Sänger B.A. sagte mir in unserem Trust-Dialog, dass viele Schwule ihren Song „I Don´t Wanna Be A Homosexual“ lieben, und dass er auch den damaligen Antwort-Song von Screeching Weasel sehr gut fand. Magst du diesen Sloppy Seconds Song, ich meine, er ist, finde ich, nicht homophob oder fühlst bzw. fühltest du dich davon beleidigt?
Ich mag Sloppy Seconds, als junger „verschlossener“ Punk hat mich der Song zum Lachen gebracht, denn tief im Inneren wollte ich ein Homosexueller sein, die Verwendung von Edith Masseys Voice over Intro aus einem John Water-Film bei dem Song machte es noch lustiger. Eigentlich war ich gar nicht beleidigt, denn wenn man sich den Text ansieht, dann gibt es auch einen traurigen Ton in dem Song. Er ist ein einsamer Kerl und die Leute wollen ihn „stereotypisieren“. Es ist ein gutes Lied.

Lebt dein Freund noch außerhalb der Bay Area, ich erinnere mich, dass du mir und Andrea von Trust im Jahr 2008 seine Handynummer gegeben hast, weil unsere Route im Norden war….
Hahaha, mein „Friend“, also du meinst meinen Boy-Friend, LOL. Ja, er lebt immr noch im Central Valley.

Arbeitest du noch als Kunst- bzw. Foto-Lehrer?
Ich bin seit über zwanzig Jahren in zahlreichen Funktionen im Bildungsbereich tätig. Ich verließ die High School als Lehrer und arbeite jetzt in einem Alphabetisierungsprogramm für Erwachsene, das mit der Universität hier in Chicago verbunden ist. Ich arbeite hauptsächlich mit Migrantinnen, um ihnen zu helfen, ihren High School-Abschluss zu machen und den Müttern digitale Kompetenz zu vermitteln. Es ist ein cooler Job.

Was ist dein Standpunkt bezüglich safe spaces und Awareness-Teams bei Punk-Shows? Ich meine, natürlich, niemand sollte sich bei Auftritten unsicher usw. fühlen, aber manchmal denke ich, es geht zu weit. Ich erinnere mich an eine Buchbesprechung von Dolf, in der er beschrieb, dass ein Mann einen safe space auf einem Festival wollte, dieser safe space wurde dann eingerichtet und dann beschwerte sich derselbe Typ, dass es im safe space total langweilig ist, weil die Party und der Spaß woanders stattfindet….
Das ist eine Frage, die ich in der Vergangenheit auch angesprochen habe, weil niemand, der zu einem Gig geht, möchte geschlagen werden oder ist gekommen, um sich unwillkommen zu fühlen, das ist nicht der Punkt, wenn du ein Konzert sehen und dich an der Musik erfreuen möchtest. Ok, nachdem das gesagt ist: das erste Mal, dass ich bei einer Show in den 90ern mit einem safe space vertraut gemacht, das war, als die Veranstalter dieses Festivals mich darauf aufmerksam machten, dass es einen sicheren Raum für people of colour und einen queeren sicheren Raum gibt.

Ich so „wow, ich bin neugierig, lass es mich sehen“. Also brachten sie mich in einem langen Flur zu einem großen leeren Raum. Ja, scheiß drauf! Ich werde mit allen anderen im selben Raum sein und Arschlöcher müssen damit halt klar kommen, nein danke. Es hat mich immer verwirrt, dass die Leute dachten, das sei eine gute Idee oder eine Lösung. Ich existiere und werde nicht verbergen, wer ich bin und niemand sollte das tun. In einem größeren Zusammenhang gesagt: wenn langweilige, weiße Amerikaner sich nicht wohlfühlen mit Gemeinschaften, die sie marginalisieren, da gibt es eine Geschichte dazu.

Und ein letzter Punkt: ich verstand nie, wie einige Einzelpersonen denken, dass sie die Sicherheit garantieren können; in diesem Land sind wir doch alle Zeuge davon geworden, wie wiederholt die Sicherheit von Leuten gefährdet sein kann, das ist eine heikle Situation. Chicago ist eine aggressive Stadt, in der du immer auf der Hut sein musst, es ist nicht sicher, hier zu leben.

Kurze Fragen Antworten am Ende…The Plugz oder SKA-P?
PLUGZ PLUGZ PLUGZ FÜR IMMER!!! I liebe die PLUGZ!

Zeros („die mexikanischen Ramones“) oder „die echten“ Ramones?
Ooohhhh nein, unfair, ich liebe beide!

Slayer oder Metallica?
Keine von beiden, ehrlicherweise.

N.W.A. oder KRS-ONE?
KRS-ONE.

AC/DC oder KISS?
Ich war als kleiner Junge KISS-Fan, deshalb ist es KISS.

Warum haben viele Mainstream-Schwule so einen schrecklichen „Disco“-Musikgeschmack, haha?
Ich weiß, dass das scheiße ist! Ich mag gute Disco-Muisk und guten House, aber nichts davon läuft auf in Mainstram-Radios, hahaha.

„Tie your mother down“ oder „I want to break free“?
„I want to break free“, Queen rules!

„Hey Suburbia“ oder „Chicago“ als bester Screeching Weasel-Song über die Stadt?
„Hey Suburbia“ ist nicht über Chicago, es geht da um die Vororte, aber egal, es ist auf jeden Fall ein guter Song.

Lebt deine Band Needles noch?
Ja, im Moment ruhend, aber noch atmend.

Danke für deine Zeit, Martin!

Interview: Jan Röhlk
Kontakt: martinsorrondeguy.com

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