März 13th, 2007

LOGICAL NONSENSE (#71, 08-1998)

Posted in interview by sebastian

santa fe, new mexico. von hier aus treiben seit nun schon mehr als 10 jahren logical nonsense ihre musikalische brutalität in die welt hinaus. vor dem deal mit biafra’s alternative tentacles label sind sie damit allerdings nicht sehr weit gekommen. zumindest in europa waren sie gänzlich unbe-schriebene blätter. dieses jahr aber schwappte die latinocore apokalypse das erste mal nach deutschland.

und wir vom trust wollten natürlich dabei sein, wenn logical nonsense dem staunenden beobachter ihr knochiges brett direkt über den schädel ziehen. die drohende gefahr im auge, von der musikalischen brachialität ihres live sets er-schlagen zu werden, haben wir vorher noch schnell ein interview gemacht. mehr oder weniger beteiligt waren

mm: michael miller (gesang) nv: nick valdez (gitarre/gesang) dr: dave rodriguez (gitarre/gesang) tm: tomas medina (samples) pr: pat rivera (drums) **: dolf als gastinterviewer

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warum um alles in der welt fabriziert eine hand voll gutaussehender, junger typen wie euch so hässliche, brutale musik? warum gründet ihr nicht einfach eine boygroup um direkt auf platz 1 in die charts einzusteigen?

nv: weil wir das, was um uns herum abläuft, die ganze gewalt, die aggressivität und die wut durch unsere musik reflektieren. dr: ja, wir reflektieren was um uns herum passiert. dies ist die musik mit der wir aufge-wachsen sind. das gehört zu unserem leben wie pommes frites…

pr: ich denke, das würde nicht zu uns passen. mm: top 40 musik hat mir nie etwas geben können. dieser kram hat mich nie inspirieren können. ich höre hardcore seit ich 16 bin und das gilt eigentlich für uns alle. wir sind mehr von kraftvoller, aggressiver musik inspiriert worden, und nicht von, nun, amerikanischer chart musik.

soweit ich weiss, seit ihr seit euren gründungstagen ende der achtziger in unveränderter besetzung zusammen. bedeutet das, dass sich eure band auf einer starken freundschaft begründet?

nv: im wesentlichen schon. tomas ist erst später zur band gekommen. aber er war auch vorher immer da. er war quasi schon in der band bevor er in der band war. dr: unser bassist konnte nicht mit nach europa kommen…

nv: weil er drüben in amerika auf bewährung ist.

(für wen das wichtig ist, er hat sich in oakland von den cops packen lassen, wie er voll breit einen truck zersemmelt hat. nun ist er für 2 jahre auf bewährung und muss sich regelmässig bei den bullen melden.)

aha, aber es sieht doch sehr danach aus, dass unter euch eine grosse freundschaft besteht.

alle: ja, LN sind so eine art familien ding. mm: seit ungefähr 10 jahren spielen wir in dieser besetzung. und als ich mit 16 zur band gestossen bin waren die anderen schon etwa 2 jahre zusammen.

nv: aber das war nichts ernsthaftes. erst als mikey zu uns gestossen ist sind wir eine richti-ge band geworden.

10 jahre sind eine ganz schön lange zeit. leute verändern sich, leben sich auseinander. gab es da niemals augenblicke bei euch, wo ihr am liebsten die band hin geschmissen hättet?

nv: nun ja, wir können uns schon streiten. wir streiten auch recht heftig untereinander… pr: wir sind musikalisch und menschlich im laufe der zeit zusammen gewachsen und wir lernen ja auch von einander.

nv: wir sind wie die finger an einer hand. jeder ist unterschiedlich, aber im grunde sind sie doch alle gleich und ergänzen sich.

mm: in der ganzen zeit haben wir uns auch ständig ziele gesetzt, z.b. in der gilman street oder mit neurosis zu spielen, oder nach europa zu kommen. und bislang haben wir es noch immer geschafft das zu erreichen was wir uns vorgenommen haben.

nach euren namen und eurem äusseren zu urteilen seid ihr latainamerikanischer abstammung. hat dieser fakt einen grossen einfluss auf eurer tägliches leben in amerika? habt ihr mit diskriminierung zu kämpfen?

mm: es gibt zu dieser situation in amerika sehr unterschiedliche meinungen. aber es ist sehr offensichtlich… es ist einfach ein fakt, dass es in new mexico einen enorm hohen latino anteil gibt, genau wie in texas und dem restlichen südwesten der vereinigten staaten. sehr viele leute suchen arbeit und machen den letzten scheiss, arbeiten die sonst niemand würde machen wollen, weil es sehr anstrengend und hart ist.

aber bislang triffst du in new mexico eigentlich nicht auf offenen rassismus. es kommt niemand und sagt dir `fuck you you fucking *?%$!` ins gesicht. was zur zeit allerdings passiert ist, dass reiche leute von ausserhalb nach santa fe ziehen, land und häuser kaufen und dadurch die preise in die höhe treiben. das sorgt für schlechte stimmung unter den latino familien, die schon seit jahr und tag dort leben.

tm: …vertreiben die ärmeren leute um ganze viertel aufpoliert an reiche weisse verkaufen zu können.

mm: anders als in den südstaaten, wo es organisierte ku-klux-clan gruppen gibt, hat new mexico kein wirkliches rassismus pro-blem. auf unserer letzten tour in amerika sind wir eigentlich, bis auf ein paar negative vibes, nicht mit rassismus konfrontiert worden. es hängt auch immer ein bisschen davon ab wo du dich aufhälst.

bist du zum falschen zeit-punkt am falschen ort, bam. das muss nicht unbedingt eine weisse gegend im süden sein. das kann genau so gut eine schwarze gegend in oakland sein.

unter den bands mit denen ihr verglichen werdet befinden sich neurosis. deren texte behandeln im wesentlichen spirituelle themen. hat bei euch die tatsache, dass ihr einer bevölkerungsgruppenminderheit angehört zu politischeren texten geführt?

nv: wie ich schon gesagt habe, wir schreiben einfach über das, was um uns herum passiert. mm: in der vergangenheit waren unsere texte sehr allgemeiner natur, nicht notwendiger-weise über spezielle persönliche dinge. aber mit zunehmender reife sind unserer texte…

pr: tiefergehend

mm: …persönlicher, mehr auf den punkt gebracht. anstelle vieler umschreibender wörter versuchen wir mehr unsere gefühle nach aussen zu kehren.

dr: mehr über innere probleme…

seid ihr sonst irgendwie in eurer community politisch aktiv, ausserhalb der band?

dr: ich war an eher kleineren sachen in meiner nachbarschaft, wie bekämpfung von polizei-brutalität, beteiligt. polizisten hatten dort jemanden erschossen und andere leute zu-sammengeschlagen.

wir habe versucht dagegen etwas zu tun und das problem zu lösen. nun, es ist nicht wirklich gelöst worden. wir waren auch an tierrechts protesten beteiligt. aber nicht mehr in letzter zeit.

pr: wir versuchen mehr punk rocker in die szene einzubinden.

nv: ja, wir versuchen in santa fe eine szene zu schaffen und sie am laufen zu halten.

mm: wir zeigen den leuten eine alternative zu beschissenen, grossen, 20 dollar teuren konzer-ten, weisst du? so können sie für 5 dollar ein paar kick-ass bands sehen.

euer letztes album klingt für mich als hätten napalm death und los crudos beschlossen neurosis mal kräftig in den arsch zu treten. war dieser apokalyptische sound von anfang an da, oder hat der sich im laufe der zeit entwickelt?

mm: als wir anfingen, waren wir von sehr vielen anderen bands beeinflusst, haben versucht unseren eigenen sound zu finden.

dr: wir orientieren uns nicht so sehr an anderen bands, um dann mit ihnen verglichen zu werden, wir versuchen unseren eigenen sound zu kreieren.

tm: auch wenn das nicht wirklich möglich ist.

mm: es gibt immer soundtechnische über-schneidungen mit anderen bands.

dr: das sind ja auch unsere freunde. los crudos sind unsere freunde, neurosis auch.

pr: früher haben wir einfach drauf los gespielt. das war in gewisser hinsicht einfacher. heute, mit all den gemachten erfahrungen, experi-mentieren wir mehr, um unseren eigenen sound zu finden.

`expand the hive’ ist in meinen augen eine der brutalsten und brachialsten platten, die gerade auf dem markt ist. sozusagen die spitze musikalischer brutalität. seht ihr möglichkeiten und wege diesen sound in noch brutalere richtungen weiter zu entwickeln? oder verfolgt ihr nicht dieses künstlerische ziel von grösst möglicher musikalischer aggressivität?

dr: wir versuchens, wir versuchen es heavier und härter zu machen. nv: unser hauptziel ist es musik zu machen. wir halten uns nicht an künstlerische ziele oder bestimmte style’s. es passiert einfach.

mm: ich denke unsere musik sollte immer irgendwie aggressiv bleiben, weil das im wesentlichen der grund ist weshalb ich diese musik mag. ich mag die geschwindigkeit und die power und die wut. ich könnte mir nicht vorstellen etwas anderes als das hier zu machen.

nv: ich habe das gestern abend schon gesagt. diese musik kanalisiert unsere aggressionen. ohne sie würden wir wahrscheinlich ganz schön viel scheisse bauen, in gangs sein, leute töten…

dr: nicht jeder, aber sehr viele von den leuten, mit denen ich aufgewachsen bin, haben schwierigkeiten mit dem gesetz, sind in gangs, verkaufen drogen, töten… und diese musik bewahrt uns davor.

nv: es ist eine positive möglichkeit unsere frustration zum ausdruck zu bringen

pr: als unser erstes album rauskam meinten die leute, das sei die brutalste scheibe die sie kennen. nun meinen die leute `expand the hive’ ist die brutalste. hoffentlich sagen sie das auch von unserem nächsten album.

würdet ihr sagen, dass ihr zu gleichen teilen von heavy metal und hardcore beeinflusst wurdet? ich frage das vor allem, weil euer neues album einen nicht zu verschweigen-den metal touch hat.

nv: wir lassen uns nicht nur auf metal und hardcore festlegen. wir haben einen sehr breit gefächerten geschmack. wir haben alle unterschiedliche einflüsse.

dr: ich höre meistens hip hop, ja da kannst du ruhig lachen. yo, ich brauch da bestimmt nicht drüber la-chen, hör ich nämlich selber.

dr: ich bin aufgewachsen bis ich 11 oder 12 war…

(alle grölend: ja und dann hat er damit aufgehört …)

dr: als ich 12 war kam ich zu hip hop danach zu heavy metal und hardcore, was auch immer heavy und aggressiv war. es gibt aggressive musik in sehr verschiedenen for-men. jede art von musik hat eine sehr unter-schiedliche mentalität, vibrations. und ich steh drauf.

mm: ich höre sehr viel metal, aber wenn du dir die leute anschaust, die das machen, triffst du auf pompöses gehabe und arroganz. leute die denken, nur weil sie ein millionen dollar equipment und einen riesigen truck haben, macht sie das zur einzigen ernsthaften band in der welt. ich höre zwar viel metal, aber ich mag die integrität der hardcore szene.

nv: wir werden lieber mit hardcore als mit metal in verbindung gebracht.

dr: ich hänge lieber mit punk rockern als mit metallern ab, das gilt für uns alle. **

ihr sagt, ihr möchtet lieber mit der hc szene in verbindung gebracht werden. mit welcher hc szene, ich meine heutzutage gibt es eine ganze reihe verschiedener szenen.**

mm: es sieht so aus als gäbe es sehr viel verschiedene arten. leute die eher konservati-ven punk machen, schnellere sachen, trashige sachen oder auch slomo sachen wie eye hate god. wir mögen alle möglichen sachen. dr: es geht um hardcore mentalität. **

das ist genau das was ich meine.**

(und nun geht zum wiederholten male alles schön durchein-ander, alles brabbelt wild drauf los. es fallen begriffe wie new york hc, straight edge und so krams)

dr: wir können uns nicht mit straight edge hc identifizieren.

mm: wir hören kaum so straight edge sachen. es gibt ein paar bands in new york die ähnli-che musik machen wie wir, aber das hat nichts mit youth of today und diesem ganzen kram zu tun.

nv: musikalisch gibt es da vielleicht mit eini-gen bands überschneidungen, aber textlich sind das ganz andere welten.

pr: zur zeit gibt es so viele schubladen, pop punk, emo punk, hardcore. wenn du eine schublade brauchst mit der du uns in verbindung bringen kannst, wäre das hardcore.

nv: wir legen aber keinen besonderen wert in dieser form kategorisiert zu werden.

mm: die leute nehmen uns auch sehr unterschiedlich auf. auf unserer letzten tour konn-test du lesen `logical nonsense hc from santa fe’. und beim nächsten stop war’s dann `logical nonsense total grind/death metal from new mexico’. die leute nehmen es unterschiedlich auf, alleine durch den sound. aber ich denke, dass der begriff hardcore uns immer noch am besten beschreibt. **

aber vielleicht könnt ihr dann mal definieren, was ihr unter hardcore versteht. für mich besteht da nämlich ein sehr grosser unterschied. und zwar nicht so sehr in musikali-scher hinsicht, sehr wohl aber in der attitüde. wahrscheinlich sind chumbawamba immer noch mehr hardcore…**

nv: textlich und im kopf auf jeden fall. leute wie neurosis, ich meine wir mögen sie sehr und werden häufig mit ihnen verglichen. auch wenn wir finden, wirklich nicht wie sie zu klingen. trotzdem fassen wir es jedesmal als grosses kompliment auf mit ihnen verglichen zu werden. und dann gibt es bands wie extreme noise terror, bands die uns beein-flussen, bands mit denen wir uns mental verbunden fühlen, los crudos, seeing red.

dr: dein innerstes den leuten vor die füsse zu werfen, alles zu geben, that’s fucking hard-core, the core of your heart. das ist was hard-core für mich bedeutet. die ganze wut, der ganze mist tief in dir drin. das alles nach aussen zu kehren und ehrlich dabei zu sein. das ist heavy und aggressiv, das ist was hardcore für mich bedeutet. **

wäre also biohazard hardcore?**

mm: ich verstehe biohazard nicht als hardcore

nv: nein, das ist new york style metal.

tm: es mag new york hardcore sein. **

ihr würdet nicht sagen, hey da sind unsere kumpel von biohazard! die sind hardcore…**

alle: no no!!

mm: bands die wir mit hardcore verbinden sind fucking heresy, his hero is gone…

dr: hardcore ist nicht dazu da jederman glücklich zu machen.

nv: es geht darum das zu sagen was man will, rassismus und faschismus stoppen…

dr: es ist eine bewegung, ein zustand in dei-nem kopf.

mm: ja, es ist eine weltweite sache. viele leute verbinden hc mit einer bestimmten gegend oder einem land. aber für mich ist es eine weltweite sache, ganz egal wo du bist, du kannst leute treffen mit den selben idealen.

nv: das ist mit sicherheit, was wir unter hard-core verstehen.

wie gross ist der show anteil bei einem logical nonsense konzert, der teil, der nicht aus wirklichen gefühlen, wahrer wut be-steht, also der gespielte anteil. mir kann niemand erzählen, dass auf einer 30 tägigen tour am ende immer noch hass und wut da ist die ins publikum geschrien werden muss.

pr: wenn wir auf die bühne kommen ist es, als würden wir in eine andere welt treten. es ist als würde ein verstärker eingeschaltet. wir sind auf der bühne so ehrlich und wirklich wie nur irgend möglich.

nv: es hängt auch vom publikum ab. an einigen abenden stehen wir nur auf der bühne rum. wenn das publikum aber mitgeht neh-men wir das auch auf.

aber ich dachte, das es wut ist, die ihr durch die musik ablasst, der ganze alltagsfrust. und wenn ihr das 30 tage hinausschreit…

nv: ist der frust irgendwann weg? mann, jeden tag, wohin du auch gehst, findest du dinge, die dich aufregen. und auf dieser tour haben wir eine menge über das wir uns aufregen können.

pr: unser equipment ist im arsch, wir sind im arsch.

mm: ich denke eine gute antwort darauf ist, dass wir nicht versuchen etwas zu faken. am anfang einer tour läuft meist alles noch nicht so rund. du musst dich sehr auf dein instru-ment konzentrieren. nach der hälfte der tour aber wird alles sehr tight und jeder griff sitzt. da kann man sich dann mehr auf seine stage performance konzentrieren. das wichtigste dabei aber ist, dass wir nichts faken. everything we do is real.

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interview: torsten meyer photos: stefan/celler loch & r.dziech

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