Februar 23rd, 2007

KEPONE (#54, 10-1995)

Posted in interview by andreas

Noise-Rock geht mir ja in letzter Zeit zunehmend auf den Geist, zuviel Kreischen und zuwenig Songintelligenz. Ausnahmen bestätigen mal wieder die Regel. Nachdem mir erst Girls Against Boys den Glauben an den Sinn des gebündelten Energieschubs wiedergegeben hatten, war ich beim Hören des Vorabtapes von Kepone zunehmend angetan. Ebenfalls diese ungeheuere Dynamik, das Pulsieren, Anschwillen und Explodieren.

Aber nicht auf Teufel komm raus, die Band hat ihren Sound unter Kontrolle, weiss, was wie zu klingen hat. Das ist nicht bei vielen Bands dieser Kategorie der Fall. Und als dann Robert von Efa fragte, ob das nicht ein Thema für ein Interview wäre, konnte die Antwort nur „Ja“ lauten. In Köln sass Bassist/Sänger Michael Bishop in seinem Hotelzimmer und stellte sich gutgelaunt dem ersten Deutschland-Interview.

Es gibt manchmal ärgerliche Momente im Leben eines Musikjournalisten. Eines dieser ärgernisse musste mir ausgerechnet beim Interview mit Kepone’s Bassisten Michael Bishop passieren. Mein innig geliebter Anrufbeantworter mit moderner Mitschneidefunktion spielte mir übel mit, indem er im Anschluss an das 40 minütige Interview seine Dienste quittierte und partout nicht das aufgezeichnete Gespräch wiedergeben wollte. Tolle Technik auch.

Also schnell an den Computer und die frischen Eindrücke runterschreiben solange sie noch frisch sind. Auf den exakten Wortlaut muss folglich verzichtet werden, trotzdem dürfte das Folgende inhaltlich in Ordnung gehen.

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In England seid Ihr ja ziemlich gut im Gespräch. Ihr habt dort auch getourt, wie weit seid Ihr da?

Michael: Da Touch & Go dort ihren europäischen Sitz haben und gute Arbeit machen, läuft es für uns ziemlich gut. Wir waren im Frühjahr auf Tour mit John Spencer’s Blues Explosion und Girls Against Boys, das lief sehr gut. Zusätzlich haben wir auch einige Shows alleine gespielt.

Euer Label Quarterstick ist ja ein Sub-Label von Touch & Go, worin besteht der Unterschied zu Touch & Go?

Michael: Eigentlich gibt es keinen grossen Unterschied, es sind dieselben Leute. Die Differenzierung besteht eher darin, dass Touch & Go eine gewisse Stilrichtung vertreten. Ausserdem kommen die meisten Bands auf Touch & Go aus Chicago, wo das Label ja auch beheimatet ist. Quarterstick hat sehr unterschiedliche Bands im Programm. Die Rachels klingen ganz anders als June of 44, die wiederum weit vom Denison/Kimball Trio entfernt sind und die wiederum haben wenig mit uns gemein.

Ihr kommt ja aus Richmond/Virginia. Von dort kenne ich in erster Linie Bands wie House of Freaks, Cracker, Michael Hurley oder Gutterball. Wie sieht es denn mit der Punk-Szene aus?

Michael: Die ist sehr vital, auch wenn es nur zwei gute Clubs gibt. Es ist eine angenehme Stadt mit ca. 500.000 Einwohnern. Die reichen Leute wohnen in den Vororten und in der Innenstadt leben die einfachen Leute. Ich habe mein ganzes Leben dort gelebt und will auch nicht wegziehen.

Ihr wart ja auf Tour mit Helmet und C.O.C. Diese Bands ziehen ja eher diese Metal-Meute an, wie kamt Ihr damit zurecht? Das ist ja sicher nicht unbedingt Euer Publikum.

Michael: Das ist richtig. Das sind eher die Kids, die auf die Konzerte rennen, weil sie deren Videos auf MTV gesehen haben. C.O.C. haben sich definitiv Richtung Metal entwickelt, wir kamen zwar bestens mit ihnen aus, aber unsere Musik ist doch ziemlich anders.

Da wir relativ aggressive Musik machen, hatten wir wenig Probleme, wir haben eben verstärkt unsere harten Nummern gespielt. Eigentlich sehen wir uns auch eher in der Underground/Punk-Ecke. Die Konzerte mit Jesus Lizard, Mule oder Girls Against Boys waren da auch eher auf unserer Linie. Andererseits kommst Du an diese Metal-Kids kaum vorbei, die gibt es überall.

Ihr habt vor Eurem ersten Longplayer unter anderem eine Single auf Jello Biafra’s Alternative Tentacles-Label veröffentlicht. Wie kam er auf Euch?

Michael: Er ist schon lange ein Freund von mir. Ich kenne ihn noch von Gwar-Zeiten her, also lud ich ihn zu uns ein. Wir hatten eine Menge Spass und schliesslich fuhr er mit zu einem unserer Auftritte in D.C. Es gefiel ihm und er pickte sich zwei Songs raus, die er für eine Single haben wollte. Das war ziemlich komisch, er sagte in etwa:‘ Ich möchte Song 1 und Song 4′.

Wieso hat er nicht gleich ein Album veröffentlicht?

Michael: Zum einen hatten wir die Aufnahmen für Quarterstick schon so gut wie fertig, ausserdem war sein ‚Relase schedule‘ bereits voll.

Was macht seine Knieverletzung?

Michael: Es geht schon besser, er hat zwar noch eine Schiene, aber es wird schon wieder, böse Sache.

Ihr habt Euch in einem Interview etwas über diesen Punk-Hype um Green Day ausgelassen. Da wurde vom Give-me-Green Day-or-give-me-Death-Syndrome gesprochen. Was hat es damit auf sich bzw. wie kamst Du überhaupt zum Punk-Rock?

Michael: Keine Ahnung, was es mit diesem Syndrom auf sich hat, das habe ich jedenfalls nicht von mir gegeben. Zum Punk kam ich erst später. Ich wuchs mit Metal und dann New Wave auf, viel New Wave. Dann hatte ich viele Freunde aus der Punk-Ecke und kam so dazu. Ich bestellte diese ganzen Mailorder-Kataloge, da ich ziemlich abgeschnitten war. Ich wohnte damals ausserhalb von Richmond auf dem Land. So kam auch mein Kontakt zu Alternative Tentacles zustande.

Noise-Rock ist heutzutage ja nichts Neues mehr. Bands wie Big Black oder Sonic Youth haben das Feld bereits ziemlich abgegrast. Wo siehst Du für eine Band wie Kepone, die in gewisser Weise auch diesem Sektor zuzuordnen ist, noch Aussichten? Was ist das Ziel?

Michael: Ich weiss nicht, ob wir unbedingt etwas Neues machen müssen oder wollen. Diese Aufgabe haben wir uns jedenfalls so nicht gestellt. In erster Linie sehen wir uns als Songwriter, was ja schonmal ein anderer Ansatz ist. Während viele dieser Noise-Rock-Bands von einem Sound ausgehen und mit Riffs arbeiten, sind bei uns die Gesangsparts immer auch sehr wichtig. Wir gehen bei vielen Songs von Stimmen und Akustik-Gitarren aus. Bei den meisten Noise-Bands entstehen die Stücke aus Jam-Sessions und der Gesang wird dann später eingefügt, das ist nicht unser Ansatz.

Auf Eurer neuen Platte finden sich neben den aggressiven, geladenen Powerstücken auch einige Ruhepausen, z.B. Piano-Intros oder Drum-Solos. Wollt Ihr damit Eure Vielseitigkeit unter Beweis stellen oder den Leuten nur etwas Ruhe gönnen vor der nächsten Attacke?

Michael: (lacht) Nein, der Bandsound und die Einflüsse der anderen Musiker sind ja sehr unterrschiedlich. Es macht uns auch einfach Spass etwas herumzuexperimentieren. Ausserdem wollen wir etwas Dynamik in die Sache bringen. Wenn wir die ganze Zeit mit voller Energie spielen würden, wäre das bald ziemlich langweilig. Auf der nächsten Platte werden sicher auch 2-3 ruhige, entspannte Songs sein.

Ihr mögt ja ziemlich gerne Instrumentalmusik, wie man bei Euren längeren Instrumentalteilen auch gut hören kann. Gibt es dafür bestimmte Gründe?

Michael: Zum einen hat Instrumentalmusik in Richmond eine lange Tradition, ausserdem spielte Tim, unser Gitarrist, lange in Reggae- und auch Salsa-Bands. Darüberhinaus ist es nicht immer produktiv, wenn man jeden Teil eines Songs mit Gesang überfrachtet. Das ist dann oft zuviel und man nimmt den Teilen ihre Wirkung.

Apropos musikalische Vergangenheit. Ihr gehörtet ja alle drei irgendwann Gwar an. Was gibt es noch dazu zu sagen?

Michael: Ich kam mit 18 zu Gwar und blieb 7 Jahre bei ihnen. Mindestens 3 Jahre zu lang. Jetzt kann ich endlich richtige Musik machen, das ist sehr befreiend. Tim Harris spielte ausserdem bei Burma Jam, einer Reggae-Band aus Richmond und war mit Eek-A-Mouse und H.R. auf Tour. Ed Trask, unser relativ neuer Schlagzeuger, spielte eine Show mit Gwar und spielte sonst bei den Holy Rollers aus Washington, D.C.

War die Entscheidung, ein Trio zu gründen bewusst gewählt oder ergab sich das einfach durch Zufall?

Michael: Wir haben damals eben zu dritt als Freunde angefangen und dabei blieb es. Mir war aber schon klar, dass ich neben Tim keinen zweiten Gitarristen haben wollte, das ist mir einfach zu stressig. Und so wie er spielt, wäre jede weitere Gitarre auch überflüssig.

Ich habe gehört, Ihr hattet bereits einige Angebote von Major-Labels, die Ihr abgelehnt habt. Stimmt das, und gibt es für Dich wirklich noch diesen tiefen Graben zwischen Indie und Major?

Michael: Wir hatten keine konkreten Gespräche mit Major-Labels, es waren wohl ein paar Leute bei unseren Shows in New York, das ist nicht ungewöhnliches dort. Allerdings haben wir überhaupt keine Absichten, zu einem Major zu gehen. Ich wollte immer zu Touch & Go, hier sind wir gut aufgehoben. Es ist uns wichtig, dass wir die Leute, mit denen wir zusammenarbeiten, kennen und mögen. Ich will nicht bloss immer über’s Geschäft mit denen reden müssen, sondern auch mal einfach nur nett reden können. Touch & Go wissen, wie sie mit Bands wie uns umzugehen haben, und wie sie uns langsam aufbauen.

Klar gibt es Bands wie Girls Against Boys oder Jesus Lizard, die beide auf Touch & Go waren und jetzt auf Majors veröffentlichen, aber bei denen war es einfach auch an der Zeit. Das sind Bands, die sich wirklich jahrelang den Arsch aufgerissen haben und ständig auf Tour waren, um sich über Wasser zu halten. Das geht nicht ewig, zeitweise haben die Leute jetzt Familie, da muss man schon schauen, dass man ein wenig Geld verdient. Denen kann man sicher keinen Ausverkauf vorwerfen.

Du hast Dich in einem Interview von dieser Hype-Maschine distanziert, die oft so schnell einsetzt. Wo ist denn die Grenze zwischen normaler Promo-Aktivität und dem Hype? Wie kann man das überhaupt steuern?

Michael: Gute Frage, das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Darüber mache ich mir natürlich auch so meine Gedanken. Einerseits will man Platten verkaufen und unternimmt erstmal alles, um dies zu erreichen, andererseits will man nicht verheizt werden. Das kann natürlich ganz schnell gehen, ohne das man es richtig mitbekommt.

Stell Dir vor, ich wache morgen auf und wir haben plötzlich in den Staaten eine Millionen Platten verkauft, was dann? Nein, aber ich glaube, dass Touch & Go schon ziemlich genau wissen, ab welchem Punkt man aufpassen muss. Ausserdem machen sie gewisse Geschäftspraktiken einfach nicht mit, z.B. diese Bestechungsgeschichten mit MTV oder den Charts. Das hat dann mit Musik nichts mehr zu tun.

Ihr habt doch auch ein Video gemacht zu „Ugly dance“? Wo ist das denn gelaufen und warum macht Ihr das, wenn Ihr mit MTV nicht anbändlen wollt?

Michael: Wir haben jetzt sogar unser zweites Video gemacht. „Ugly dance“ lief auch mal auf MTV in Amerika, aber das kannst Du echt vergessen. MTV Amerika sucks! Dadurch haben wir sicher keine weiteren Platten verkauft, in Europa ist die Programmzusammenstellung scheinbar noch etwas liberaler, darum haben wir auch unser neues Video auch hauptsächlich für Europa gedreht. Wir haben beide Videos selbst bezahlt. Dazu musst Du wissen, dass mich die Filmerei sehr interessiert und ich auch das Medium Video mag. Es hat also nicht nur den Promo-Charakter für mich.

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Im Anschluss ging es dann noch eine Weile um die Konzertsituation in den USA, ihre Stellung in der Underground-Szene und andere Dinge, die nicht unbedingt so brennend interessant sein dürften. Deshalb an dieser Stelle Stop und meine Empfehlung, das neue Album „Skin“ einmal anzutesten. (oder sich die Band diesen Monat gleich live anzusehen) Wer Girls Against Boys oder Jesus Lizard zu seinen Lieblingen zählt, der sollte auch an Kepone nicht vorbeihören.

Interview/Text: Markus Naegele

Links (2015):
Wikipedia
Discogs

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