KARMA TO BURN (#76, 1999)
Als Karma To Burn 1997 ihre erste selbstbetitelte Platte veröffentlichten, traten sie genau in die Lücke, die Kyuss einige Zeit zuvor hinterlassen hatte. Karma To Burn waren allerdings kompakter, rockten dafür mehr und deuteten zumindest an, daß sie weit aggressiver waren. Bestätigt hat sich das, als die Band wenig später erstmals auf Tour kam. Man hatte zwar ein entscheidendes Mitglied – den Sänger nämlich – weniger, aber dennoch war die Band live ihrer eigenen LP meilenweit voraus. Was Bassist Richard vorher in einem Gespräch angedeutet hatte, war damit eindeutig bewiesen: Die Aufnahme eines Sängers in die Gruppe war nichts mehr als ein fauler Kompromiß, den die Band wegen der Plattenfirma und eines schlechten Vertrages eingehen mußte. Glücklicherweise haben solche Geschichten manchmal auch ein gutes Ende. Karma To Burn setzten sich schließlich durch, konnten eine Instrumental-LP namens “Wild, Wonderful… Purgatory” veröffentlichen – und sind damit besser als je zuvor. Wie das alles kam, kann Richard selbst erzählen…
Ich war überrascht, als ich festgestellt habe, daß ihr jetzt als Instrumental-Band weitermacht, aber ich fand es sehr gut, da ihr live so viel besser funktioniert habt als auf der ersten Platte…
Wir wollten unseren Sänger ganz einfach los werden. Bei der ersten Platte hatten wir schlichtweg keine Wahl, da wir bei Roadrunner einen Vertrag hatten. Sie hätten die Platte ohne Sänger nicht veröffentlicht. Wir hätten uns entweder auflösen oder ihre Forderung erfüllen müssen. Also holten wir einen Sänger in die Band.
Habt ihr nie gesagt “Mein Gott, wie blöde sind wir gewesen”?
Schon, aber wir hatten eben keine Wahl. Sie hatten eben eine gewisse Kontrolle über uns. Aber das ist vorbei.
Was hältst Du denn im Rückblick von der ersten CD?
Ich mag die Coverversion von Joy Division und die drei Instrumentaltitel, aber den Rest der Lieder nicht. Ich kann sie mir nicht anhören. Manchmal läuft einer der Titel hier im Radio, dann muß ich den Sender ausmachen.
Verglichen zu eurem Auftritt finde ich die LP auch enttäuschend, selbst wenn ich sie insgesamt noch gut finde. Aber sie bringt vielleicht die Hälfte von dem rüber, was euch live ausmacht.
Du bist der erste, mit dem ich rede, der uns versteht…
Ist das denn nun kommerzieller Selbstmord oder ein Schritt nach vorne?
Für uns ein Schritt nach vorne, weil mich das ohnehin nicht interessiert, wie die Platte läuft. Aber Roadrunner sind wohl ziemlich verängstigt.
Und wie haben Roadrunner reagiert, als ihr den Sänger rausgeschmissen habt?
Wir hatten ein Meeting mit ihnen in New York, bevor wir nach Europa kamen. Sie sagten, sie hätten gehört, daß wir den Sänger rausgeworfen hätten. Wir wiesen sie darauf hin, daß wir eigentlich immer eine Instrumentalband waren. Sie wollten uns aber kein Geld mehr für die Europa-Tour geben, wenn wir keinen Sänger in die Band holen. “Dann arbeiten wir eben als Tellerwäscher”, war unser Kommentar. Wir sind ja trotzdem nach Europa gekommen. Das Lustige war, daß wir unsere neue Platte dann alleine in fünf Tagen aufnahmen. Und plötzlich kamen Roadrunner, die uns vorher nicht mehr wollten, boten uns einen neuen Vertrag an und kauften uns die Platte ab. Hätten sie uns vorher schon machen lassen, hätten sie die Platte kostenlos bekommen.
Ich hatte Gerüchte gehört, daß John Garcia von Kyuss bei euch einsteigen würde.
Wir wollten ein Nebenprojekt auf Music For Nations starten. Er hat uns von Anfang an angelogen. Er behauptete, daß er keinen Plattenvertrag mehr hätte, was nicht stimmte. Wir warteten also ewig lange, bis er die Platte hätte machen können. Und soll ich erzählen, was dann passierte? Alles war klar, Music For Nations wollten uns 100.000 Dollar geben für die Platte. Die legten uns einen Vertrag vor, den John aber nicht unterschrieb. Sie gaben uns noch eine Woche, oder die Sache wäre vergessen. Ich rief also bei ihm an und hatte den Vater am Apparat. Ich fragte nach John, und der Vater sagte laut “Ist John hier?”. Ich wußte also, daß er da war. Der Vater wollte wissen, wer ich bin. Ich sagte also “Rich aus West Virginia”, was der Vater ebenfalls wiederholte. John war natürlich nicht da, obwohl klar, daß er wahrscheinlich auf der Couch daneben saß. Ich ließ dann ausrichten, daß John so ziemlich der feigste Mensch gewesen ist, mit dem ich je zu tun hatte. Der Vater war natürlich stinksauer und warf den Hörer auf die Gabel. Eine Woche später rief John an und entschuldigte sich. Seine Band hätte sich aufgelöst, wenn er die Platte gemacht hätte. Dabei war das nur ein Nebenprojekt!
Ihr hattet schon auf der ersten Platte seltsame Songtitel, aber jetzt sind sie noch bizarrer – einfach irgendwelche Nummern… Ist das nur ein Scherz?
Nein, keinesfalls. Das ist die Reihenfolge, in der wir die Songs geschrieben haben. Also als erstes kam Lied Nr. 1, und das neuste ist Lied Nr. 34, auch wenn auf der Platte nur Lieder bis Nr. 32 drauf sind. Die Songs Nr. 5, 19, 21 und 22 haben wir bisher noch gar nicht aufgenommen.
Macht ihr das auch, weil Songtitel bei Instrumentalstücken natürlich beeinflussen, was der Hörer in sie hinein interpretiert?
Genau. Man hat keinen Anhaltspunkt. Also muß man sich seine eigenen Gedanken machen.
Warum habt ihr drei Lieder noch mal aufgenommen?
Das haben wir gar nicht. Roadrunner haben das entschieden. Als sie akzeptiert hatten, daß wir eine Instrumentalband sind, sagten sie sich, sie könnten unsere erste Platte – eine 10” – mit auf die CD packen. Das sind die letzten drei Lieder Nr. 3, 7 und 8. Sie sind alle auf der ersten LP drauf, aber mit Gesang. Ich mag diese Versionen weit besser.
Wenn eure Platte der Soundtrack zu einem Film wäre, wie würde er aussehen?
Ich kann Dir ein paar Ideen für Videos erzählen… Wir würden sehr viele Mädchen zeigen, die sich für eine Party zurecht machen und in eine Art Studentenwohnheim gehen, wo ganz viele Jungs wären. Alle Mädchen gehen mit einem Jungen in einen abgetrennten Raum. Am Morgen verlassen alle zur gleichen Zeit das Haus durch die Hintertür. Sie rennen dann zum Strand, buddeln dort Löcher und legen Eier rein. Irgendwann krabbeln ganz viele Menschen aus dem Sand und rennen so schnell wie möglich zum Wasser, wo Walrösser versuchen, sie zu fressen. Was hältst Du davon?
…klingt sehr seltsam, aber ziemlich witzig. Welchen Song würdest Du dafür nehmen?
Irgendeinen. Ich glaube, die passen alle. Aber “31” wäre mein Favorit. Jetzt müssen wir nur noch Roadrunner davon überzeugen, daß wir dieses Video machen können. Das würde uns eine Menge helfen.
Wenn Du einen Regisseur dafür auswählen könntest, wen würdest Du dafür nehmen?
Das weißt Du doch, John Waters natürlich. Und wenn nicht ihn, dann John Paic. Er ist richtig gut, sein einziger langer Film ist “The Big Crime Move” – richtig klasse. Es ist ein sehr bizarrer Film. Wenn Du John Waters magst, weißt Du, was Du hier bekommst. Habe ich erzählt, daß ich mit einem Typen zusammenwohne, der im letzten Film von John Waters mitgespielt hat? Er war der blinde Künstler.
Hattet ihr denn mal die Chance, mit John Waters zu reden und ihn davon zu überzeugen, daß er ein Lied von euch verwendet?
Wir haben jetzt eine Publishing-Firma, die sich um solche Sachen kümmert. Natürlich versuchen wir, ihn zu überzeugen, was von uns zu nehmen. Aber momentan arbeitet er leider an keinem Film. Und für den letzten Film kamen wir zu spät.
Wie würdet ihr denn eure Musik beschreiben? Ist sie eher positiv oder negativ?
Ich denke, sie ist positiv. Wir können eine Menge Energie loswerden, die man vielleicht auf falsche Art einsetzt. Nach einer Show fühle ich mich total erlöst und beruhigt. Aber beim Publikum hat es auch schon negative Energien freigesetzt. Wir hatten mal eine Show in New Jersey. Ständig sprang so ein Typ auf die Bühne, der singen wollte. Also warf ich ihn immer wieder runter. Dann kam er rauf und schrie mich an, also habe ich zugeschlagen. Irgend jemand hat das auf Video aufgenommen, jedenfalls haben Roadrunner das Tape in die Finger bekommen. Und ich bin mir sicher, daß sie das auf irgendeine Weise veröffentlichen werden. Ich werde aussehen wie ein blöder Skinhead.
Interview: Dietmar Stork