Dezember 9th, 2007

JULIETTE & THE LICKS (#123, 04-2007)

Posted in interview by jörg

Es ist schwierig eine Diskussion über die Band von Juliette Lewis zu führen ohne sich zu wiederholen. Es sei ihr gelassen, dass sie tatsächlich Musik über Film gewählt zu haben scheint, wo dort jedoch der grosse Unterschied liegen soll, ist an ihrer Bühnendarstellung nicht zu erkennen. Agil und doch steril schwitzt Frau Lewis alles aus was sie hat und biedert sich dennoch dem Männerdominierten Publikum an.

Als ein Fan auf die Bühne springt um sie anzufassen kann sie ihr Tough-Girl-Image nicht aufrecht erhalten. Anstatt sich selbst dem Herren zu entledigen reagiert sie gar nicht, bis sie endlich von den Sicherheitskräften befreit wird. Andererseits machen die Licks eben waschechten Stadion Rock, der nicht unbedingt auf ideelle Werte aus ist. So thematisieren ihre Songs hauptsächlich ihre eigene Attraktivität oder Verletzlichkeit. Eine neue Weiblichkeit schafft Juliette damit nicht und ich finde, wenn schon einstudiert, dann doch lieber Le Tigre.

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Ihr Gitarrist Todd Morse ist vielen noch von seiner Hardcore Band H20 ein Begriff. Darüber hinaus hat er ein Nebenprojekt namens The Operation, deren Album Anfang 2007 erscheinen soll, mit dem Bassisten von Sum 41. Obwohl das Projekt seit Jahren existiert, findet Todd immer weniger Zeit, da die Licks ihn sehr beanspruchen. Sie touren viel und er schreibt den Grossteil der Musik, dennoch ist es nicht seine Band in dem Sinne wie H20 es war, da er den Launen von Juliette unterworfen ist. “Im Gegensatz zu den Licks ist Operation einfach nur Spass, wann immer ein Konzert oder ein Interview ansteht machen wir einen Witz daraus.”

Obwohl H20 sehr lokalpatriotisch waren hat es Todd nicht das Herz gebrochen nach Los Angeles zu ziehen, “da es dort ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl unter Musikern und Schauspielern gibt, ausserdem ist es billiger”.

Es passt ja auch wie die Faust auf`s Auge wenn man seinen Stilwandel betrachtet. Von schleppendem Hardcore zu schleimigem 70er Jahre Sound. Als ich frage ob es etwas mit dem Alter zu tun hat, dass man für neues offen ist und auch versucht davon zu leben auch wenn man wie er oder Samantha Maloney immer im Untergrund angesiedelt war, beschwichtigt er.

“Ich wollte immer schon einfach nur Gitarre spielen, ich war ein Aussenseiter, also fühlte ich mich im Punk wohl und konnte hier in einer Band spielen auch wenn ich nicht gut war, aber ich habe durch Bands wie The Clash gelernt, dass man im Punk verwurzelt sein kann und trotzdem ganz andere Musik spielen”. Dennoch geben sich Juliette & The Licks Mühe mit Punk assoziiert zu werden.

“Das ist ihre Entscheidung, sie wollte alles selber machen und unabhängig bleiben. Da sie sich in Hollywood nie zu Hause fühlte hat sie auch dort eher unabhängige Filme gemacht. Ich weiss nicht wie die Musikindustrie arbeitet, sie trifft die Entscheidungen für uns. Ich will einfach nur spielen und Leute begeistern, wie wir das machen bleibt ihr überlassen.” Obwohl er also Musik als seinen Job ansieht ist es ihm wichtig in Kontakt mit seinen Fans zu bleiben.

“Myspace hat das möglich gemacht, es ist ein globales Fanzine oder eine Szene und wir wollen etwas über uns preisgeben damit die Leute sich näher zu uns fühlen.” Zu der Frage wie wichtig es ist, dass Juliette eine Karriere vor der Musik hatte, gibt er zu dass viele Türen dadurch geöffnet wurden es gleichzeitig aber auch negative Stimmung von Anfang an brachte.

“Witzigerweise sind die schlechten Rezensionen niemals auf die Musik bezogen, nur auf Juliette”. Diese Einstellung ist meines Erachtens schon im Namen der Band persifliert, Juliette & The Licks, und wenn man sich eben nicht für die Musik interessiert (was mir beim Grossteil des Publikums der Fall gewesen zu sein schien) hat man immer noch Juliette, wie bei Me First & The Gimme Gimmes, die auf Todds Hochzeit spielten.

“Mike und ich sind Freunde, wir scherzen immer darüber ob sie uns signen, aber er sagt ihr seid in Europa beliebt, da habt ihr aber schon ein Label.” Zu Beginn der Band war Patty Schemel von Hole am Schlagzeug. Das neue Album wurde von Dave Grohl eingespielt und auf Tour haben die Licks immer wechselnde Schlagzeuger. Die heterosexuelle Spannung, die die Licks auf der Bühne erzeugen baut darauf, dass Juliette mit dem Rest der Band flirtet. Da Patty lesbisch ist kann ich mir gut vorstellen, dass die Atmosphäre auf der Bühne dadurch anders war.

“Obwohl die Leute bei Juliette sagen man merkt ihr an dass sie spielt, würde ich sagen, dass niemand so ist wie sie auf der Bühne ist, ich auch nicht. Die Intensität des Hardcore ist auch ein Posing, die Tattoos und so, das ist Show. Es gibt Ausnahmen, die wirklich Hardcore sind, wie Freddy Madball, aber viele New Yorker sind grössere Schauspieler als Juliette.”

Während ich ihm da Recht gebe, hat mich Juliettes Set nicht berührt, obwohl die Platte recht gut ist, trotz der klischeehaften Songs, kann sie das Gefühl auf der Bühne für mich nicht transportieren. Sie ist eben nicht gerade aus dem Film getreten sondern singt seit fast fünf Jahren, und ich bin nicht überzeugt. Da Todd die Musik schreibt bevor Juliette ihre Textideen dazugibt ist er auch nicht immer begeistert. Bei Death of a Whore hatte er zum Beispiel eine ganz andere Vision für den Song,

“es hat nichts mit mir zu tun, ich vergesse sogar dass ich das geschrieben habe, es ist nicht meine Botschaft deswegen distanziere ich mich davon. Wenn ich etwas mache was ich hasse könnte ich direkt bei Starbucks arbeiten, aber es ist auch nicht so, dass ich immer alles gut finden muss, es ist ein Job. Natürlich fühle ich auch eine starke Verbindung mit den anderen und vor allem mit dem Publikum – Bands wie Bad Religion oder Ramones hassen sich und tourten trotzdem – das ist auch nicht Punk. Ich bereue es nicht, auch wenn ich zum Beispiel den Namen nicht mag, es gibt aber viele Bands & the ”.

An Siouxie & The Banshees kommen Juliette & the Licks aber leider wohl nie dran.

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Interview: Alva Dittrich

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