März 16th, 2007

JEFF FEUERZEIG (#113, 08-2005)

Posted in interview by jörg

Ich kam zurück an den Tisch, als ich Daniel Johnston noch etwas zu seinem Bruder Dick und einer japanischen Freundin tuscheln hörte: „Nichts sagen“, war das einzige, was ich verstand. „Was ist los, Daniel?“, fragte ich. „Du darfst eine meiner Zeichnungen haben“, antwortete er. „Aber nur, wenn du dir das Bild tätowieren lässt.“ Klar, antwortete ich (scherzend), das geht schon in Ordnung – und bekam eines jener begehrten Bilder, die der Sänger auf seinen raren Konzerten und über das Internet verkaufen lässt.

Johnston bedankte sich mit dem Geschenk für zwei Tage „Arbeit“: Im Sommer 2003 war er auf einer seiner seltenen Touren in Europa, und ich hatte angeboten bekommen, das einzige Konzert in Deutschland zu organisieren. Zwei Tage lang war Daniel, begleitet von seinem Bruder und dessen zwei Söhnen, in der Stadt, und ich bot Dick an, mich am Tag vor der Show um Daniel zu kümmern.

Was nicht ganz einfach war: Der manisch-depressive 44-Jährige ist zum Beispiel Münzgeld aus den USA nicht gewöhnt. Sobald er irgendwo eine Cola kaufen ging, bezahlte er mit einem Zehn-Euro-Schein und liess das Wechselgeld liegen. Das mussten die Japanerin und ich heimlich einsammeln, um es hinterher dem Bruder zu geben. Solche Kleinigkeiten ergaben einen anstrengenden, aber interessanten Tag – was Daniel Johnston offensichtlich aber zu schätzen wusste.

Der Sänger ist und bleibt ein Rätsel. Schon recht früh begann Daniel, Songs zu schreiben, in der Hoffnung, mal Mitglied der Beatles zu werden. Irgendwann musste er allerdings feststellen, dass daraus nichts wird – „ich kann nicht singen“, sagt er selbst über sich.

Was nicht so ganz richtig ist: Die Lieder, die Daniel Johnston zu Hunderten schreibt, wirken wie eine fragile Version ruhiger Neil-Young-Songs. Bands wie Sonic Youth, Half Japanese oder die Butthole Surfers arbeiteten mit ihm zusammen, Tom Waits und David Bowie sind die bekanntesten Namen in einer Liste von Künstlern, die Johnston-Songs gecovert haben. Die Lieder – und daraus besteht ihr Charme – sind sehr unmittelbar, Johnston drückt seine Gefühle sehr direkt aus. Etliche Lieder sind beispielsweise einer Laurie gewidmet, seiner grossen, unerwiderten Jugendliebe.

Der Filmemacher Jeff Feuerzeig hat nun über den Sänger eine herausragende Dokumentation mit dem Titel „The Devil And Daniel Johnston“ gedreht, der auf dem Sundance-Festival seine Weltpremiere feierte und im Februar auch auf der Berlinale zu sehen war. Das war auch der Anlass zu diesem Interview mit dem Regisseur – ohne dass zum jetzigen Zeitpunkt feststehen würde, ob und wann der Film je in deutschen Kinos oder im Fernsehen laufen wird oder ob wir auf eine DVD-Veröffentlichung warten müssen.

***

Wir sollten in deinem Fall mit deiner Vorgeschichte anfangen. Wie kamst du zum Film, wie zur Musik, und wann hast du angefangen, beides zu kombinieren?

Jeff: Ich habe 1990 angefangen, einen Film über Half Japanese zu drehen . „The Band That Would Be King“. Der kam 1993 raus und wurde auch in Berlin gezeigt, wo der Film sehr gut ankam. Wir schafften es mit dem Film sogar in die Kinos, und er war auch in Deutschland im Kino zu sehen. Jemand nahm eine Kopie und tourte damit sozusagen durch Deutschland. Half Japanese spielen ja wohl oft in Deutschland und sind nicht ganz unbekannt. Ich liebe Musik, aber erst einmal bin ich Filmemacher. Es war spannend, das zu verbinden. Mit Dokumentarfilmen kann man meiner Meinung nach noch kreativer sein als mit Spielfilmen. Ich hoffe, dass die Leute deswegen „The Devil And Daniel Johnston“ auch einfach als tollen Film sehen.

Wann hast du denn angefangen, Filme zu machen?

Jeff: Das war 1984 im College, wo ich im Radio arbeitete, mich als Journalist versuchte und Kurse in Schnitt und Produktion hatte. Ich hab damals kleine Dokus fürs Kabelfernsehen gedreht – nichts besonders gute, ich hatte noch nicht viel Ahnung von Licht und Schnitt und lernte das alles noch. Aber da fing ich an, Journalismus als Erzählform zu nutzen und das mit Musik und Bildern zu verbinden.

Nach dem College arbeitete ich im Schnittbereich in der Filmindustrie. Kurz danach fing ich an, Werbung zu drehen – so ab 1988 war das. Werbung zu machen verbessert deine Fähigkeiten ungemein, weil man lernt, mit grossen Produktionsbedingungen umzugehen, Licht zu nutzen und ganz einfach zu drehen.

Ist Werbung weiterhin dein Brot und Butter, während die Musik-Dokumentationen deine Leidenschaft sind?

Jeff: Ja, so ungefähr. Damit habe ich meinen Lebensunterhalt verdient, und ich konnte Geld beiseite legen, mit dem ich dann die Half-Japanese-Doku komplett unabhängig drehte. Ich wusste, dass dafür 75000 Dollar reichen würde, während ich mir nicht vorstellen konnte, einen Spielfilm für diese Summe drehen zu können, den irgendjemand sehen wollte.

Danach dauerte es aber dennoch elf Jahre, bis „The Devil And Daniel Johnston“ herauskam.

Jeff: Der Half-Japanese-Film war zwar ein Kritiker-Erfolg und half mir, einen Namen zu machen, aber es ist nicht so, dass dieser Film die halbe Welt in Aufregung versetzte. Ich habe es dann nicht geschafft, das Geld für einen Spielfilm, den ich machen wollte, zusammenzubekommen.

Ich habe drei Jahre an dem Drehbuch geschrieben und bin sehr stolz darauf. Ich hoffe, dass ich ihn jetzt machen kann. Ausserdem startete ich meine eigene Band (Kickstand, u.a. ein Album auf dem Münchner Label Little Teddy Recordings, Anm. d. Verf.), obwohl ich bis dahin nicht mal ein Instrument spielen konnte. Ich war also für lange Zeit mit Musik beschäftigt. Ab 1999 wollte ich dann dem Film über Daniel Johnston drehen.

Wann wurde das konkret?

Jeff: So ungefähr vor vier Jahren, wobei mich die Musik seit ungefähr 1990 beschäftigt. Ich wusste, dass Daniel Johnston eine sehr spezielle Geschichte hat, aber bis dahin konnte ich ihn nicht mal live sehen, weil er nie tourte. 2000 sah ich ihn dann in New York. Er wirkte wie ein 64-Jähriger, war total aufgedunsen, aber er brachte das Publikum zum Lachen und zum Weinen. Es hat mein Hirn weggeblasen, Daniel wirkte wie ein Prophet. Ich sah einige grossartige Shows von ihm und wusste, dass es jetzt Zeit wäre, seine Geschichte zu erzählen. Also rief ich meinen Produzenten an und sagte, dass wir jetzt den Film machen sollten.

Wie hast du denn geschafft, das Geld zusammenbekommen? Du hast von 75000 Dollar für den Half-Japanese-Film geredet, was ein Mehrfaches dessen ist, was eine Indie-CD-Produktion kostet. Und zu einem Daniel-Johnston-Film kommen sicherlich keine Millionen Zuschauer.

Jeff: Das ist eine schwierige Angelegenheit. Ich denke, dass der Film toll geworden ist und dass er nicht nur als Musik-Dokumentation für ein kleines Publikum funktioniert. Wir haben eine grossartige Story über ein grossartigen Künstler. Wir habe eine Million Dollar in diesen Film gesteckt, weil mein Produzent Henry Rosenthal und ich verrückt sind. Daniel ist einer der ganz Grossen, und es ist nicht fair, dass er immer als dieser obskure kleine Künstler gesehen wird. Wir wollen, dass er daraus kommt.

Mir ist es dabei nicht wichtig, was Daniel als nächstes macht, wir wollen zeigen, welch grossartigen Sachen er schon gemacht hat. Diese bizarren Kassetten, die er aufgenommen hat, sind mit die beste Musik, die je entstanden ist. Und das möchte ich einem grossen Publikum nahe bringen. Vermutlich haben wir mehr Geld investiert als es irgendwer sonst getan hätte, aber dieser Film ist eben unsere Leidenschaft. Und deswegen ist es okay. Daniel hat das verdient, und ich hoffe, die Leute mögen den Film.

Lass uns darauf später zurückkommen. Lass uns erst mal darüber reden, wie du Daniel dazu bekommen hast, bei dem Film mitzumachen.

Jeff: Abgesehen von Daniels Geschichte wollte ich auch die von Jeff Tartakov, dem ehemaligen Manager von Daniel, erzählen. Ohne Jeff gäbe es Daniel nicht, er hat die Musik in die Welt hinausgebracht. Ausserdem hat er ein riesiges Archiv über Daniel Johnston. Er bekommt ständig Anfragen von Filmemachern, allerdings zumeist von Kids, die nur eine DVD-Kamera haben und keine Ahnung, was sie eigentlich tun wollen.

Ich hatte bereits den Half-Japanese-Film gemacht, weshalb Jeff mir vertraute. Er stellte mir Daniel vor – die beiden sind wieder befreundet -, und ich habe ihm und seiner Familie meine Ideen erzählt. Jad Fair von Half Japanese rief die Familie an, sie schauten sich die Dokumentation an und wussten, dass ich professionell arbeite. Ich wollte die Johnstons respektvoll behandeln, und genau das tat ich auch.

War das schwierig, einerseits genau diesen Respekt zu zeigen und andererseits eine gewisse Objektivität in deiner Dokumentation zu bewahren? Oder hat dich Objektivität ohnehin nicht interessiert?

Jeff: Ich möchte keine Dokumentation im traditionellen Sinne machen. Für mich ist ein Film wie eine Leinwand, auf der ich eine Geschichte male. Dabei zählt vor allem die Wahrheit, die aber natürlich subjektiv ist. Wichtig ist aber, dass die Fakten stimmen und die Ereignisse wirklich passiert sind. Ich zeige die Menschen, die die Geschichten erlebt haben, und lasse die die Geschichten erzählen. Ich finde es wichtig, dass ein Film nicht zu beschützend ist. Das ist eine Beleidigung an das Publikum. Deswegen erzähle ich meine subjektive Wahrheit. Man muss Daniel oder seine Kunst nicht lieben, wenn du diesen Film schaust. Das hängt von dir selber ab.

Wie viel Archiv-Material hast du dir anschauen müssen, um diesem Film machen zu können? Offensichtlich gibt es Mengen davon, weil Daniel diese ganzen Briefe auf Tapes aufgenommen und diese Kurzfilme gedreht hat.

Jeff: Ich komme ja aus dem Schnitt, insofern bin ich es gewohnt, so viel Material zu sichten. Also habe ich mich hingesetzt und habe hunderte an Stunden damit verbracht, diese ganzen Tapes zu hören und die Passagen auszuwählen, die ich verwenden wollte. Ich habe dann seine Kurzfilme genommen, sie geschnitten und Musik hinzugefügt. Diese eine Komödie, „It Must Be Monday“, habe ich kaum verändert, nur ein wenig beschleunigt, mit Toneffekten versehen und so. Diese Animation – „I Lost My Mind“ – aus seinem Skizzenheft habe ich verfilmt, mit Musik versehen, die von Daniel nie dafür vorgesehen war, und daraus etwas ganz Neues gemacht. Ich mag es, Material in einen neuen Kontext zu stellen, um dadurch eine tiefere Wahrheit zu finden – nicht nur zu meinem Vergnügen.

Gibt es denn noch einige Juwelen, die du nicht verwendet hast?

Jeff: Oh ja, wir hätten fünf Filme machen können. Daniel Johnston hat sein ganzes Leben aufgenommen – und ich meine nicht nur seine Musik. Es gibt stundenlange Kassetten voller Telefongespräche mit Freunden, die keine Ahnung haben, dass das aufgenommen wird. Er hat Aufnahmen seiner Mutter, die ihn anschreit, seiner Familie oder von seiner Festnahme in der Freiheitsstatue. Aber das Grossartigste, was er auf Tape hat, sind die Audio-Briefe von ihm und seinem besten Freund David Thornberry.

Die haben sich jahrelang 60 bis 90 Minuten lange Audio-Tapes geschickt. Da sind die intimsten Gedanken drauf, wie bei einem Tagebuch. Das ist brillant, und David stellte mir sein Archiv zur Verfügung. Für mich ist das Kunst, was Daniel da gemacht hat, auch wenn diese Kunst aus seiner manischen Depression und seiner Geisteskrankheit kommt. Aber er beutet diese Krankheit aus. Ein Lied wie „True Love Will Find You In The End“ ist zwar sehr unmittelbar, aber Daniel Johnston hat Kunst und Musik studiert. Er ist kein Outsider, man nennt ihn nur so.

Mich hat Daniel Johnston auch eher an Neil Young erinnert, der mit Sicherheit kein Aussenseiter ist, sondern auf seine ganz eigene Weise Mainstream.

Jeff: Daniel Johnston hatte seine kreativste Phase in dem Alter, als auch Neil Young oder Bob Dylan ihre besten Lieder geschrieben habe. Die meisten Künstler haben eine sehr kurze Phase, wo ihre beste Musik entsteht. Niemand kann über Jahre hinweg dieses Level halten. Für Daniel war diese Periode die Zeit, wo er all seine Kassetten aufnahm, wobei ich auch das 1990er Album, seine Gospel-Platte, für ein absolutes Meisterwerk halte.

Ich habe fast jedes Lied dieser Platte für den Film genommen. Und dazu Songs von den alten Kassetten. Ich denke zwar, dass Daniel immer noch gute Musik schreibt, aber ich werde nicht behaupten, dass sein letztes Album sein bestes wäre. Allerdings ist es grossartig, dass er überhaupt noch Musik macht, dass Daniel noch lebt und die richtigen Medikamente gefunden hat und dass seine Familie ihm hilft.

Wusstest du eigentlich von dem Archiv, oder hast du da sozusagen einen heiligen Gral entdeckt?

Jeff: Ich wusste von einem Teil. Tartakov hatte eine Liste mit dem Filmen, deswegen war mir bewusst, dass es sie gab. Daher ging ich auch davon aus, dass wir genügend Material für einen Film haben würden. Ich wusste auch, dass es diese Tapes gab, wo man seine Mutter ihn anschreien hört, weil das auf einigen Kassetten auf Stress Records war. Aber ich hatte keine Ahnung, dass ich einige hundert mehr von diesen Kassetten finden würden. Von den Audio-Briefen wusste ich nichts. von den Super-8-Filmen ebenfalls nicht. Und auch nicht, dass die Familie so penibel alles dokumentiert.

Das ist besonders beeindruckend: dass die Familie selbst den Flugzeug-Absturz, den Daniel Johnston auslöste, dokumentiert hat.

Jeff: Ja, das ist unglaublich. Aus der Kindheit von Bob Dylan oder John Lennon gibt es sehr wenig. Aber Daniels Vater, Bill, war Fotograf, abgesehen von seinem Job als Ingenieur. Er war sehr gut darin, die Fotos sehen aus wie von einem Profi, nicht wie Schnappschüsse. Der Vater hat hunderte Fotos von all seinen Kindern.

Die Johnstons sind eine sehr interessante und talentierte Familie, alle Mitglieder sind auf ihre Weise Künstler, sie sind tiefreligiös und sehr intelligent. Bill Johnston hat mir ein Versprechen abverlangt: Er wollte, dass der Film die Wahrheit zeigt. Ich sollte nichts weglassen – nicht die Drogen oder die Gewalt. Die Eltern wollten die Wahrheit zeigen, damit sie auf diese Weise vielleicht anderen Familien helfen können, die ebenfalls mit manischer Depression zu tun haben. Sie wollten nichts verstecken, was ich sehr mutig finde. Denn in vielen Aspekten ist die Geschichte eine Horror-Geschichte.

Da du Drogen erwähnst: Ich habe häufiger das Gerücht gehört, dass Gibby Haynes von den Butthole Surfers derjenige war, der Daniel LSD gegeben hat, was alles noch schlimmer machte. Offensichtlich kennst du die Geschichte, sie ist ja in der Szene mit ihm erwähnt.

Jeff: Ich bin 100-prozentig davon überzeugt, dass Gibby die Wahrheit sagt. Ich habe etliche Wochen in Austin verbracht und mit Leuten geredet, die diese fatale Daniel-Johnston-Show gesehen haben. Die Wahrheit ist ganz einfach: Gibby hat es nicht getan. Daniel Johnston hat ausserdem nicht nur einen Acid Trip eingeworfen, sondern eine ganze Menge. Er ist von den Gleisen abgekommen, weil manche Leute besser kein LSD nehmen sollten.

Und dazu gehört Daniel Johnston. Er war schon geistig krank, das hat nicht das LSD verursacht. Das Zeugs hat nur die Dämonen zutage gefördert. Ich habe die Butthole Surfers damals selber in New Jersey gesehen; das war ein psychedelische Erfahrung. Und während der Show waren eine Menge Leute auf Trips, ohne dass Gibby Haynes das Zeugs selber verteilt hätte. So hat Daniel eben auch LSD in die Finger bekommen.

Wer hatte denn die Idee, Gibby Haynes auf einem Zahnarztstuhl zu interviewen?

Jeff: Das war Gibbys Idee, weil er nur an diesem Tag Zeit hatte, wo er zum Zahnarzt musste. Also bot er an, ihn dort zu filmen. Damals, als ich die Butthole Surfers live gesehen habe, zeigten sie Operationen und medizinische Filme. Insofern war das eine sehr interessante Idee.

Eine andere Person, über die ich gerne reden möchte, ist Laurie – Daniels grosse Jugendliebe. War das eine bewusste Entscheidung, sie nicht zu zeigen, weil sie seine unerreichbare Begierde ist?

Jeff: Wir haben hin und her überlegt, was wir tun sollten. Wir wollten sie auf jeden Fall interviewen, aber dann fanden wir diesen wunderbaren Film mit Laurie, den Daniel gedreht hatte. Ausserdem begriffen wir, was Laurie ihm eigentlich bedeutete. Sie war seine Muse, auch wenn es irgendein Mädchen hätte sein können. Er hat den Film mit Laurie wieder und wieder gesehen, um sie so in seinen Erinnerungen zu behalten. Er hat sie sich so bewahrt, und genau so wollte ich sie auch bewahren.

Das war auch mein Eindruck: Wir sehen Laurie genau so, wie Daniel sie sehen will, und nicht, wie wir sie selber sehen würden, wäre sie interviewt worden.

Jeff: Eben. Alles andere wäre mir zu billig gewesen.

Aber ihr seid mit ihr im Kontakt.

Jeff: Ja, nachdem wir den Film beendet hatten. Sie war begeistert. Sie hat sogar ihr eigenes Daniel-Johnston-Archiv mit Zeichnungen und ihrem Notizbuch und so. Sie sagte uns, dass sie wüsste, dass Daniel etwas Besonderes sei. Deshalb hat sie alles behalten. Ich werde nun nach Ohio gehen, um sie zu interviewen, was dann als Bonus-Material auf die DVD kommt. Auf diese Weise bleibt der Film pur, während die Zuschauer später endlich Laurie treffen.

Wusste sie von ihrer Rolle für Daniel?

Jeff: Schwere Frage. Ja und nein. Sie wusste von Daniel, weil er auf dem Album „Artistic Vice“ ein Lied namens „Laurie“ singt. Irgendwo auf dem Album steht auch „PS: Laurie I love you“ oder so. Das hat sie auf jeden Fall beeindruckt.

Und Laurie kommt zum South By Southwest Festival, wenn ihr den Film dort zeigt?

Jeff: Genau. Und ich gehe davon aus, dass sie sich treffen werden. Sie möchte es auf jeden Fall. Daniel weiss aber davon nichts. Ich fände es sehr schön, ich freue mich darauf, sie zu treffen.

Du hast sie selber noch nicht kennen gelernt?

Jeff: Nein, nur mein Produzent Henry hat ein paar Mal mit ihr telefoniert. Ich kann es kaum erwarten, sie zu treffen. Wir haben sie so romantisiert, wir tragen alle ein wenig von ihr in uns. Das finde ich auch so toll an Daniels Lieder: Er ist ein Meister der unerwiderten Liebeslieder. Deshalb berührt seine Musik auch – weil wir alle jemanden lieben, der das nicht erwidert.

Die grosse „Wenn“-Frage: Wenn Daniel und Laurie damals ein Paar geworden wären, wäre alles anders geworden? Hätte es all diese Lieder niemals gegeben?

Jeff: Nach Ansicht seines besten Freundes Dave wäre genau das passiert. All seine Lieder und seine Kunst sind über dieses Mädchen. Daniels Herz musste gebrochen werden, damit er all das schaffen konnte. Er wäre bestimmt ein Künstler gewesen, aber wer weiss, was er dann geschaffen hätte.

Lass uns mal zu dem technischen Teil zurückkehren: Hast du denn schon einen Vertrieb?

Jeff: Der Film ist bereits nach England verkauft, und wir arbeiten zurzeit an allen anderen Regionen. In den USA wird ein grosser Vertrieb den Film in die Kinos bringen. Und ich verspreche, dass es in Deutschland einen Vertrieb geben wird. Darum wird es den Rest des Jahres gehen – den Film zu verkaufen.

Ist das schwierig für einen Film wie diesen?

Jeff: Der Film muss natürlich für sich selber sprechen. Wir bekommen grossartige Rezensionen, wovon wir total überrascht sind. Wir sind überzeugt, dass der Film gut ist, aber die Leute drehen direkt durch. Und wenn dieser Film so gut ist, dann wollen die Leute ihn auch sehen.

Der Film ist zweifellos klasse. Er berührt einen, und das ist weit mehr, als die meisten Filme schaffen.

Jeff: Das schafft schliesslich auch Daniel Johnstons Musik, also wollten wir das Gleiche erreichen. Wir wollten Daniels Magie in dem Film einfangen. Ich habe so schwer dafür gearbeitet, härter als für alles andere, was ich je in meinem Leben getan habe. Wenn ich nie wieder einen Film drehen sollte, ist das okay. Ich habe diesen Film gemacht. Das war die Chance meines Lebens.

Aber ich vermute doch, dass du noch einen machen wirst.

Jeff: Ich versuche es. Ich habe ein Drehbuch namens „The Fat Man“ geschrieben, nach einer wahren Begebenheit. Dann gibt es einen Biopic über den Autoren Terry Southern, den ich gerne machen würde. Und dann kann ich nur hoffen, dass jemand diese verrückten Ideen finanziert.

***

Interview: Dietmar Stork

Nachwort: Das South By Southwest Festival ist natürlich schon vorbei, der Film wurde dort gezeigt – und Laurie war da. Deswegen bat ich Jeff Feuerzeig, noch einmal von dem Treffen zu schreiben. Hier der Bericht:

„Laurie Allen kam incognito, wie von Henry Rosenthal geplant. Sie kam mit ihrem neuen Lebenspartner und wurde nach oben auf den Balkon bugisert, um irgendwelche unvorhergesehenen Begegnungen mit Daniel, der Johnston-Familie oder seinem Freund David Thornberry zu vermeiden.

Nach der Vorstellung, langem Applaus und einigen standing ovations starteten wir eine Frage-Antwort-Stunde, und nach kurzer Zeit kam die unvermeidliche Laurie-Frage. Ich sagte, dass wir einen besonderen Gast aus Ohio hätten, und bat sie auf die Bühne. Die Leute waren begeistert. Laurie war schön, artikuliert, sie ergoss sich über den Film und über Daniel – sie war perfekt. Wir waren begeistert, und die Leute liebten sie.

Dann haben wir Daniel auf die Bühne gebeten. Er kam zum Seitenflügel, wurde aufgeregt, zog sich die Jacke über den Kopf und sagte wieder und wieder „Das ist sie nicht – das ist ein Scherz.“ Dann lief er aus dem Kino, ohne je auf die Bühne gekommen zu sein, und fand sich in einem Deli wieder. Später bei einer Party für den Film war Daniel alleine auf der Veranda, als Laurie zu ihm ging, mit ihm redete und ihn umarmte.

Wir haben rund eine Stunde dieser Wiedervereinigung, an der auch David Thornberry teilnahm, aufgenommen, während sie sich an alte Zeiten erinnerten und unglaubliche Geschichten erzählten. Laurie erinnerte sich an alles und erzählte, wie Daniel sie 1983 dazu bewegte, Küsse in Richtung der Kamera zu werfen. Sie haben sich ewig festgehalten. Es war wie ein Traum, der wahr wurde für alle, die an dieser Geschichte teilhaben. Daniel hat viermal um ihre Hand angehalten. Eine grossartige Bonus-DVD ist in Arbeit.“

Links (2015):
Wikipedia
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