September 3rd, 2013

ITCHY POOPZKID (#158, 02-2013)

Posted in interview by jörg

Koblenz ist eigentlich nicht die erste Wahl für Bands, um aufzutreten. Trotzdem findet sich dann verrückterweise Itchy Poopzkid mal am deutschen Eck und ich habe die Möglichkeit, sie unter hundertfachem Polizeischutz und Sightseeing-Bimmelbahnen zu interviewen. Das neue Album kommt Anfang 2013.

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Was hat euch am Anfang inspiriert, Musik zu machen?

Max: Ihr konntet nichts anderes.

Sibbi: Also Musik haben wir schon sehr lange gemacht. Also meine Eltern haben mich in ne musikalische Früherziehung gesteckt. Wo man Flöte lernt und so. Im Endeffekt bin ich dafür sehr dankbar, weil ich hab dadurch schon von Kindesbein an Musik gemacht. Erst Flöte gespielt, dann Akkordeon, dann kam die E-Gitarre und so weiter. Deswegen war es nicht so, dass wir uns 2001 dachten „Lass uns mal Musik machen“. Es war der logische Schritt, weil wir halt der Rock-Musik nicht abgeneigt waren.

Panzer: Meine Eltern haben sich überhaupt keine Mühe gegeben, mir was beizubringen. Also schon, nur nicht in musikalischer Hinsicht. So lass uns den mal in den Fussballverein stecken, da kann er ein bisschen rumlaufen, Schule geht er eh irgendwie. Also ich hab gar nichts gelernt und hab dann irgendwann die Gitarre von meinem Vater gefunden und bin dann Punkrock Musik glücklicherweise verfallen, weil das war auch das Einzige, was man relativ schnell lernen konnte.

Man lernt halt drei, vier, fünf Akkorde und dann kannst du ja das meiste schon spielen. Das hat mich dann fasziniert, dass man das so schnell lernen kann, wenn man ein bisschen Rhytmusgefühl hat und dann haben wir halt irgendwann unser erstes Konzert gespielt und haben dann festgestellt, dass das total cool ist, wenn die Musik laut ist und die Leute kommen.

Was kann man von dem neuen Album erwarten?

Sibbi: Wir tippen mal so zwischen dritt- und viertbestes Album haha. Ein gutes Album mal wieder. Sagen wir jedes mal, fällt mir gerade so auf. Nein, also wir haben einen Haufen Lieder geschrieben, dreissig Stück insgesamt, auch in sehr grosser Bandbreite, weil wir privat auch sehr unterschiedliche Musik hören und haben viele harte Stücke, aber auch Balladen und wir haben einen Chor von hunderten von Leuten, die wir auf unserer Homepage aufgefordert haben, mitzumachen. Es wird Wahnsinn, wir sind das grade am zusammenschneiden. Was da für Einsendungen kamen. Wirklich von richtig gut bis „Was macht dieser Mensch?“

Panzer: Es gab Einen, der konnte den Rhytmus nicht halten, hat keinen Ton getroffen und konnte kein Englisch. Aber es kommt auch drauf.

Sibbi: Das Beste ist, wenn man das zusammenschneidet, hört sich das wirklich an wie ein Chor, was gut ist. Aber das ist dann bei uns auch so.

Wie kamt ihr dann drauf, da was mit Chor zu machen?

Panzer: Wir finden das halt bei Konzerten halt Wahnsinn, wenn wir ne neue Platte rausbringen und auf Tour gehen. Dann spielen wir das erste Konzert und man weiss natürlich nicht, wie das so ankommt, ob die Leute das neue Zeug genau so mögen wie das Alte. Dann fängt man an mit dem neuen Song und die Leute singen einfach mit und das ist so ein Moment, der dich einfach umhaut.

Deswegen haben wir gedacht, wieso wir das nicht von vorneherein schon so machen und es ist echt gut angekommen, also wir hätten nicht mit soviel positivem Feedback und so vielen Einsendungen gerechnet. Haben auch viele Leute in Gruppen gesungen oder ne Band aus Freiburg hat für den Tag extra en Studio gemietet, hat Kumpels eingeladen.

Sibbi: Der Song handelt quasi von uns und den Fans, von dem auf Tour sein. Da dachten wir, das passt eigentlich wie die Faust aufs Auge. Also wenn wir doch eh schon eine Art Gangshout oder sowas auf dem Album haben, lassen wir das doch einfach die Leute machen, so entstand sozusagen die Idee und wir freuen uns sehr drauf.

Wie habt ihr euch von ganz am Anfang – also Heart to Believe – bis jetzt zu Lights out London entwickelt?

Panzer: Musikalisch find ich. Also wenn ich Heart to Believe heute noch anhöre, dann finde ich, dass da noch echt gute Songs drauf sind. Es ist halt ein bisschen pubertär, aber auch sympatisch. Ich finde schon, dass wir bessere Songwriter geworden sind.

Sibbi: Unsere ersten Songs haben wir halt vor knapp zehn Jahren geschrieben. Dann ist halt klar, dass man sich von da an als Mensch und Songwriter entwickelt. Die Bands die man hört, ändern sich. Also es ändert sich halt das komplette Leben, was sich auch in der musikalischen Entwicklung wiederspiegelt. Wenn man sich die Alben hintereinander anhört, auch das neue jetzt, dann ist das so eine stimmige Entwicklung. Ist jetzt nicht so, dass wir in einem Album einen Country-Act, auf dem nächsten Album mehr Slayer sind.

Panzer: Also ich begreif das grade nicht. Vor der Bühne stehen grade mal zwanzig Leute und hier ist ein Aufgebot von 100 Polizisten.

Ihr seid ja sehr oft und sehr lange auf Tour – habt ihr noch ein Privatleben?

Panzer: Ja, also eigentlich ist es gar nicht so schlimm. Wir bringen halt ne Platte raus und dann gehen wir natürlich auf Tour und da ist man auch ein paar Wochen unterwegs. Im Sommer spielt man dann ein paar Festivals und das ist dann meistens auch nur am Wochenende.

Sibbi: Im Endeffekt haben wir sehr viel Freizeit. Was auch gut ist, wenn man so faul ist, wie wir haha. Wir arbeiten sehr hart für unsere Band. Es ist sehr abwechslungsreich, manchmal sitzen wir auch Wochen zu Hause und haben gar nichts zu tun. Aber dann gibts wieder einige Wochen, gerade jetzt, wo das neue Album veröffentlicht wird und wir ja auch unsere eigene Plattenfirma haben, sodass wir uns da um alles kümmern müssen, wird es auch wieder einige höllenstressige Wochen und Monate geben. Grade im Sommer ist es so, dass wir dann am Wochenende Konzerte spielen und unter der Woche auf der faulen Haut liegen.

Könnt ihr inzwischen von der Musik leben? (Es kommt eine Sightseeing-Bimmelbahn vorbei.) Itchy Poopzkid, meine Damen und Herren.

Sibbi: Ja, wir sinds! Keine Fotos (allgemeines Gelächter und verwirrte Blicke von alten Menschen)

Zurück zum Thema…

Sibbi: Seit sieben Jahren eigentlich. Das ist halt ein Traum, weil wir machen das unglaublich gerne, auf Tour gehen und so weiter. Dann ist es natürlich wunderschön, wenn man davon seine Miete und seinen Urlaub bezahlen kann.

Wie sind die Erfahrungen bislang von dem Label, ihr habt das ja vor zwei Jahren gegründet…

Sibbi: Zuerst der Gedanke, total gut jetzt haben wir alles in der Hand. Der ist immer noch da. Aber nach dem Entschluss, haben wir festgestellt, dass es ein Haufen Arbeit ist und wenn wir nichts machen, dann passiert auch nichts. Wir müssen uns halt um alles kümmern. Videos, Promotion… natürlich gibts dann Leute, die das machen. Es ist dann natürlich immer viel Arbeit vor dem Release, aber wir sind doch sehr froh, dass wir das dann gemacht haben. Das wir machen können, was wir wollen, unsere Musik gehört uns.

Panzer: Ich würde gerne was einwerfen zum Thema „Viel Arbeit“. Wir sassen am Tisch mit unserer Managerin und erzählten halt, dass wir das mit dem Label machen wollen, und sie sagte uns, dass es wirklich ne Menge Arbeit ist. Wir waren trotzdem extrem motiviert und dann einen Monat später sind Sibbi und Max erst mal drei Wochen in Urlaub gefahren, unsere Managerin sechs Wochen nach Australien und ich sitz daheim und bekomm Anrufe, Faxe und versteh eh nichts, hab irgendwelche Verträge unterschrieben…

Sibbi: …hast du eben nicht. Ich war halt mit Max tauchen und hab dann quasi während dem Tauchen SMS bekommen, ich schick dir nachher ein Fax und du musst das dann unterschreiben und mit dem Anwalt durchsprechen… und ich wollte einfach nur Tauchen. Dann komm ich halt nachmittags auf mein Zimmer und da blinkt schon mein Handy, weil tausend SMS drauf waren und da musste ich runter an die Rezeption musste ich für fünf Euro pro Seite ein Fax abschicken. Sein Faxgerät war kaputt,also hätte ich die fünf Euro auch in den Müll schmeissen können. Das ist der Eindruck vom eigenen Label.

Panzer: Das war meine Rache. So konnte ich denen wenigstens den Urlaub versauen.

Max, damit du auch mal was sagen kannst, kommst du nach den zwei Jahren, die du jetzt dabei bist, gut zurecht? Du warst ja schon vorher mit den beiden unterwegs.

Max: Es lief halt fast zu rund, auch mit den Fans. Da hab ich mir auch schon Gedanken gemacht, das spielt ja auch eine Rolle. Ich hab mich gleich wie zu Hause gefühlt. Bis jetzt. Mal sehen wie es heute Abend wird haha

Sibbi: Er war ja schon seit Jahren bei uns dabei, also kannten die meisten Fans ihn schon. Es hat also sehr gut gepasst.

Die Kampagne „Sonar Sucks“, die ihr unterstützt. Was waren die Beweggründe für gerade diese Organisation?

Panzer: Also es gab schon in den letzten Jahren ein paar Sachen, wo wir mal was gespendet haben oder mal ein Benefiz-Festival gespielt haben. Da haben wir relativ schnell gemerkt, dass es ein Tropfen auf dem heissen Stein ist. Deswegen haben wir uns bewusst eine Sache rausgesucht, für die wir uns alle drei interessieren, was uns allen am Herzen liegt.

Wie Sibbi vorhin erzählt hat, wir tauchen unglaublich gerne und Wale und Delfine sind einfach Tiere, die uns unfassbar faszinieren. Daher haben wir das zusammen mit der WDCS (Whale and Dolphin Conversation Society) auf die Beine gestellt und es war wirklich schön zu sehen, dass da soviel Power hinterwar, so gut anlief und so viele Leute dahinter waren – auch von den Leuten die unsere Musik hören. Ist auf jeden Fall eine gute Sache.

Was denkt ihr zu dem Outing von Laura Jane Grace Gabel (ehemalig Tom Gabel) von Against Me?

Panzer: Ich finds sehr gut, beziehungsweise ich finds krass, wie lang sie das mit sich rumgetragen haben muss. Eigentlich hätte sie es schon viel früher machen sollen, um sich wohler zu fühlen, aber sie hatte halt wahrscheinlich auch Angst. Ich find das auch total konsequent, dass sie jetzt auch im Kleid auf der Bühne steht und weiter ihr Ding durchzieht und immer noch so klingt wie früher.

Gibt es nach all den Jahren, Sachen die euch im Kopf geblieben sind?

Sibbi: Viel Bier (Gelächter)

Panzer: Da gibts vieles, was in zehn Jahren hängengeblieben ist. Wir machen das glücklicherweise so, dass wir von jedem Konzert immer einen Konzertbericht schreiben, auch relativ kurz danach. Somit haben wir nicht so viel Zeit, dass alles immer wieder zu vergessen. Das ist eine Sache, die ich total gut finde, denn manchmal les ich mir so ein paar Berichte von 2005 durch und will nur einen durchlesen, dann les ich aber zehn, weil es einfach echt interessant ist und wir bekommen echt tolles Feedback darüber.

Sibbi: Es sind so viele Sachen passiert, wir haben viele Leute kennen gelernt, waren in anderen Ländern mit der Band. Also man kann nichts rausfiltern.

Panzer: Ich kann vielleicht zwei Dinge, die zwar sehr gegensätzlich sind, aber wir wissen beides sehr zu schätzen. Das eine ist, wir haben einmal am Brandenburger Tor gespielt, vor wahrscheinlich 80000 bis 100000 Leuten. Das war dann abgefahren, wenn man so viele Leute sieht. Das andere war dann 2002 oder 2003, da haben wir auf einem kleinen Festival auf der schwäbischen Alb gespielt und da waren 30 Leute da, die sassen alle 50 Meter von der Bühne weg. Wir haben alles gegeben, weil es war eher am Anfang. Da kam dann ein Hund vor die Bühne und hat da einen Haufen hingesetzt.

Sibbi: Aber der Tag war gar nicht so schlimm, weil wir später dann noch das Band-Volleyball-Turnier gewonnen haben. Der Preis war ein Kasten Bier, also war der Tag dann doch nocht gelungen.

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Interview: Stefan Praml

Links (2015):
Wikipedia
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Discogs

 

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