März 29th, 2020

Isch geh Bundestag – Wie ich meiner Tochter versprach, die Welt zu retten, Philipp Möller

Posted in bücher by Dolf

Fischer Verlag, Hedderichstr. 114, 60596 Frankfurt, www.fischerverlage.de

Da ich immer noch sein wirklich gut lesbares, witziges und inhaltlich überzeugendes erstes Buch im Kopf hab (Isch geh Schulhof), habe ich mich auf sein neuestes Werk schon gefreut. Auch weil ich wusste das es leicht zu lesen sein wird und in der Hoffnung das er mit der Parteipolitik anhand selbst erlebter Erfahrungen entsprechend abrechnet. Dies wurde leider nur zum Teil erfüllt. Aber von Anfang an, der Autor verspricht seiner kleinen Tochter die Welt zu retten, weil es bei ihr in der Schule auf der Toilette stinkt und auch noch so einiges anderes im argen ist – so findet er für seine Familie in Berlin keinen größeren, bezahlbaren Wohnraum und das Klima ist ja auch bald so das man auf der Welt nicht mehr leben kann.

Er besorgt sich ein paar Praktikumsplätze im Bundestag, bei den Parteien SPD, FDP, AFD und Die Grünen und berichtet dann in seiner locker, flockigen Art authentisch von der Zeit dort und was er mit den Menschen da so erlebt. Das ist, wie erwartet, leicht zu verdauende Kost und im Prinzip genau so wie ich es erwartet habe, auch wenn es manchmal dann doch zu viel des Banalen ist. Wie auch immer, liest sich gut weg. Bringt inhaltlich wenig neues und zeigt sehr gut wie es im Bundestag so zugeht und was das für Menschen sind die da arbeiten – eigentlich alle total nett, aber leider Workaholics, zumindest was die Terminpläne angeht. Eigentlich wollte er ja wissen wieso die Politiker nichts gegen den Klimawandel unternehmen, da er natürlich Angst um die Zukunft seiner Familie hat, berechtigterweise. Ein Freund empfiehlt ihm dann ein Buch mit dem Titel „Factfullness“ (Hans Rosling) und das scheint ihm alle Ängste zu nehmen, und nicht nur das, er glaubt das es heute ja in jedem Fall besser ist als es mal war. Das kann, wenn man die Zahlen entsprechend interpretiert, durchaus sein, ändert aber nichts an der Tatsache das hier auf der Welt derzeit ganz vieles in die falsche Richtung läuft, denn nur weil es jetzt besser ist als es war, heißt das ja nicht das es so weitergeht. Aber egal, das wird der Mensch schon richten, irgendwie, denkt sich Möller. Am besten indem man eher das richtige tut, als das falsche unterlässt – das liest sich sehr nett, ist aber in der Summe nicht der zu gehende Weg, es muss ein Kombination sein. Denn es kann „so“ eben nicht weitergehen, mit einer Gesellschaft die nur auf Wachstum aus ist… aber das interessiert den Autor nur noch am Rande. Natürlich ist ihm klar das was passieren muss und im Prinzip ist er ja für FFF (Fridays for Future), aber er ist gegen deren Panikmache. Gut, dies kann man diskutieren, daraus aber dann den Schluss zu ziehen das es eben doch mehr oder weniger so weiter gehen kann wie es jetzt läuft ist dann aber eben nicht der richtige Schluss. Ok, das es sich ohne Angst vor der Zukunft besser leben lässt ist zweifelsohne richtig, ob dies aber auch rational richtig ist, ist zu bezweifeln. Das er kritisch mit den Grünen umgeht ist berechtigt und das man Personengruppen oder Parteien, die viel falsch machen und denken dennoch in Punkten, wo sie recht haben, dies auch zugestehen muss ist auch richtig. Als ihm dann am Ende seine neuen Kumpels von der FDP eine halbe Stelle anbieten, nimmt er die auch an. Uff, damit konnte nun wirklich keiner rechnen, der kritische Presse-Sprecher der Giordano-Bruno-Stiftung arbeitet für eine Partei die während ihrer gesamten Existenz sicher nicht dafür gesorgt hat das es dem Planeten oder allen Menschen besser geht. Bleibt zu hoffen das er sich nochmal besinnt, sonst wird es ihm schwer fallen das mal später seinen Kindern erklären zu können – oder es ist tatsächlich so das die FDP mittlerweile von ganz klugen Fakt-Nerds unterwandert wurde, so zumindest erzählt es der Autor auf einer Veranstaltung der ich beiwohnen durfte, es wird sich zeigen. Es scheint als hätten hier Emotionen die Überhand gewonnen. Und für seine Tochter ist eh wieder alles in Ordnung, neue Wohnung durch Zufall gefunden, dadurch andere Schule mit sauberen Toiletten. Welt gerettet. Nur ist es so einfach leider nicht. Zusammenfassend finde ich das Buch dennoch gut, nur das Ende verhagelt dann leider so einiges. Wahrscheinlich kann der Autor nicht anders, weil er lieber ohne Angst als mit der realen Angst vor der Zukunft lebt? Das wäre nur allzu menschlich…. 336 Seiten, broschiert, 14,99 Euro (dolf)

Isbn 978-3596298822

[Trust # 200 Februar 2020]

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