Mai 15th, 2020

HATHORS (#176, 2016)

Posted in interview by Thorsten

In den letzten Jahren gab es mit METZ und STRANGE WILDS (beide auf Sub-Pop) wieder einen kleinen, wenn auch nur für Insider und Liebhaber erkennbaren Grunge-Boom zu verzeichnen. Der in seiner Größenordnung zwar in keinster Weise zu vergleichen ist mit den 90ern, doch dafür klingen die Bands des heutigen Datums, auch nicht mehr so überproduziert, glatt und für den Mainstream-Markt bestimmt, wie das damals in Folge der Millionseller-Erfolgen von Nirvana, Soundgarden oder Pearl Jam üblich war. Die neueren Bands, ziehen vielmehr ihr eigens Ding durch und finden auch Gefallen am Noise-Rock, oder an aktuellen, musikalischen Strömungen. Und auch bei den HATHORS, trifft Grunge auf Noise und wird gelegentlich umschlungen von melodischen und melancholischen Parts. Hervorgetragen mit einem hohen spielerischen Können und einer brennenden Leidenschaft dürften die HATHORS mitunter zu dem Besten zählen, was das neuere „Grunge“-Genre derzeit zu bieten hat. Ich unterstreiche mal die Aussage, das der Sound genauso auch aus Seattle der späten 80er oder frühen 90ern hätte abstammen können. Doch von jener einstigen Metropole sind die HATHORS tausende Kilometer entfernt und stattdessen kommen die vier Jungs aus Winterthur, in der Schweiz.

Das Interview wurde per E-Mail geführt, mit von der Partie sind:

Terry: Bass
Marc: Gesang
Raphael: Drums

Kurze Einleitungsfrage: Wann habt ihr euch gegründet, wie alt wart ihr bei der Gründung und was war euer Ansporn die Band ins Leben zu rufen?

Terry: 2010 wurde die Band HATHORS gegründet. Nachdem wir bereits seit einigen Jahren zusammenspielten, fassten wir den Entschluss, gemeinsam eine neue Band mit eben diesem Namen zu gründen.
Marc: Für mich war Musik schon als Kind das Ein und Alles. Als ich aber meine ersten Punk, Rock und Metal Platten anfing zu sammeln, war für mich sehr schnell klar, dass ich diese lärmige Musik irgendwann selbst spielen will. Ich stand mit 14 Jahren das erste Mal mit meiner eigenen Band auf der Bühne und spielte mit 16 meine erste Tour durch Deutschland und der Schweiz. Da wir laufend Gigs spielen konnten, blieb der Ansporn neue Songs zu schreiben und zu performen.

Laut Wikipedia: handelt es sich bei Hathor um eine Göttin aus der ägyptischen Mythologie, die in ihren Anfängen noch den Rang einer Lokalgöttin hatte, bevor sie in ihrer kuhgestaligen Erscheinungsform zu einer Himmelsgöttin des Westens aufstieg und zu einer allumfassenden Muttergottheit wurde. Die ebenso auch als Totengöttin, als Göttin der Liebe, des Friedens, der Schönheit, des Tanzes, der Kunst und der Musik fungieren sollte. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, eure eigene Band nach dieser Gott-Gestalt zu nennen?

Terry: Die Hathoren waren ja die Lernenden dieser Göttin, welche sich der Kunst, der Liebe und allen künstlerischen Dingen widmen, so sehen wir uns. Kunst zu kreieren und Kunst zu leben.
Marc: Ich war mit meinem Freund Omar von der Band Soldat Hans bei seiner Familie und Verwandten in Kairo und Alexandria. Mir haben die Leute und das Land sehr gefallen, wir hatten eine super Zeit. Dort erfuhr ich das erste mal von der Göttin Hathor die anscheinend die Göttin der Kunst und Liebe ist. Zu Hause las ich im Web ein paar Infos über diese Göttin und erfuhr von den Hathoren.

Bei all euren Plattenbesprechungen fällt stets der Vergleich mit dem Grunge der 90er, seht ihr euch selbst auch von dieser Ära beeinflusst oder gehen euch die immer wiederkehrenden Vergleiche schon langsam auf den Geist? Oder anders gefragt: Fühlt ihr euch zur falschen Zeit, am falschen Ort geboren?

Terry: Wir wurden zu einem großen Teil von dieser Ära beeinflusst, weil es uns gefällt, machen wir auch diesen Sound, die Vergleiche sind eher positiv.
Marc: Nein im Gegenteil. Viele meiner Lieblings Platten stammen aus dieser Zeit und hatten einen sehr starken Einfluss auf mich. Es gibt aber neben Grunge, Punk, Rock und Metal so viele andere Musikrichtungen wie Folk, Blues, Jazz, HipHop die mich genau so flashen und genauso beeinflussen. Fakt ist aber, dass ich wegen dem Sound of Seattle die erste Band gründete. Wir hatten aber immer den Anreiz Grunge mit vielen weiteren Richtungen zu kombinieren.
Mir würde es schon mal reizen ein paar Jahre in London oder New York zu leben, wo viele gute Bands der Musikgeschichte entstanden sind. Ich denke aber, dass es nicht darauf an kommt wo man den Sound produziert und probt, sondern eher wo man diesen präsentiert.

Ich muss schon sagen, ihr spielt einen wirklich fetten Sound, der in seiner Intensität genauso überzeugt wie in seinem spielerischen Können. Ab welchem Alter, habt ihr euer Instrumentarium erlernt? In welchen Bands habt ihr zuvor gespielt und wie oft probt ihr durchschnittlich?

Terry: Ich habe den Bass mit 16 Jahren in die Hand genommen, relativ spät. Aber es war die richtige Entscheidung. Ich fing – wie man es so macht – in einer Deutschpunk Band an, danach wechselte ich in eine Ska Punk Band und als diese mangels Disziplin endete, versuchte ich mich in anderen Bands, gründete meine eigene und durch meine eigene Band, fand ich den Weg zu HATHORS.
Marc: Ich fing mit 14 an Gitarre zu spielen und gründete mit ein paar Dudes aus der Schule eine Band die dann bis 2010 existierte.

Was macht für euch einen guten Song aus?

Terry: Für mich persönlich, als Bassist, ist sicherlich mal eine gute Bassline wichtig, nicht aber zwingend. Gute Songs hört man von Anfang bis zum Ende, man singt oder summt mit.
Marc: Ich denke ein guter Song muss mich emotional abholen, irgendwie von der Melodie oder Worten ansprechen und ich muss hören, dass die Musiker wirklich aus tiefstem Herzen und mit vollster Überzeugung musizieren.
Raphael: Schwierige Frage, schlussendlich ist es eine Stimmung oder ein Gefühl sowie die Abwechslung resp. Vielfältigkeit innerhalb eines Songs.

Euer Sänger scheint mir trotz der vielen absolut hingabevollen, ruhigeren und emotionalen Gesangsparts, mit seinen zum Teil sehr geschriehenen Gesang auch im Metal, Hardcore oder Screamo beheimatet zu sein, gehe ich da Recht der Annahme?

Terry: Die Stimme ist auch im geschriehenen noch sensibel und emotional. Die Metal-Genres, denke ich, sind eher auf eine harte Art und Weise geschriehen.
Marc: Ich bin in ziemlich vielen Musikrichtungen zu Hause und picke mir überall das heraus, was mir gefällt. Da schließe ich auch die genannten Musikstile mit ein. Ich empfinde es als ein überaus positives Gefühl zu schreien.

In eurem CD-Booklet sind leider keine Texte abgebildet, wieso habt ihr darauf verzichtet, wie wichtig ist euch der Inhalt und um welche Themen drehen sich eure Lyrics?

Marc: Die Texte drehen sich meistens um die Gesellschaft und die Liebe wie sie blühen kann und aber auch zerfällt. Die Songtexte dienen sicherlich zum Teil auch als Therapie, um eigene Erfahrungen zu verarbeiten, was vielleicht auch der Grund ist warum sie nicht im Booklet stehen. Beim nächsten Album werden sie wahrscheinlich beigelegt, da ich die Worte genau so wichtig finde wie das Instrumentale.

Welche Bands/Platten/Labels stehen bei euch hoch im Kurs?

Terry: Es gibt eine Vielzahl von Bands. Alle aufzählen würde sicherlich den Rahmen sprengen. Aber die wichtigsten sind sicherlich Melvins, QOTSA, Kyuss, Shining, Nirvana, Soundgarden und auch neuere Bands wie METZ.
Marc: Momentan höre ich viel Metz, Shinig, Gil Scott Heron, Benjamin Booker, Grinderman. Das sind aber nur ein paar Namen von vielen und diese wechseln bei mir alle paar Wochen. Aktuell stehen bei mir neben Amphetamin Reptile Records, Ipecac, Sub Pop und diversen weiteren kleinen Labels aus der ganzen Welt natürlich unser Label Noisolution hoch im Kurs. Checkt mal Reverend Shine Snake Oil Company, Navel oder Bubonix ab.
Raphael: Bands: Melvins, quotsa, dyse, fugazi, dead kennedys, converge, motorpsycho, nica cave, mike patton, beastie boys, shellac, nomeansno
Platten: quotsa von quotsa, houdini von melvins, ill communication von beastie boys, you fail me von converge, heavy metal fruit von mototpsycho, kid a von radiohead
Labels: ipecac records, relapse records, hydra head records

Meines Erachtens bekommt man selbst in Süddeutschland, im Allgäu, am südlichen Rand der Alpen leider nicht besonders viel mit, von dem musikalischen Geschehen in Österreich und der Schweiz. Fühlt ihr euch als Schweizer Band von Deutschland etwas abgeschottet? Ist es schwer hier Fuß zu fassen und wie oft spielt ihr in Deutschland?

Terry: Wir hatten bereits auf unserer Tour im Mai 5 mal in Deutschland gespielt und es steht noch ein Konzert im Schokoladen am 30.09.15 an. Da wir nun unser Label NOISOLUTION in Berlin haben, werden wir demnächst sicher öfters in Deutschland spielen…
Marc: Ich denke, da die Schweiz vielleicht etwas so groß ist wie das Bundesland Hessen in Deutschland, passiert hier eher im Underground sehr viel. Die meisten Musiker ziehen früher oder später in eine größere Stadt wie Berlin, London oder New York, wo es eine größere Community gibt. Ich erwarte natürlich nicht, dass Deutschland an meiner Tür klopft und sagt: „Hallo Marc, willst du mal kurz rüber kommen? Wir haben für dich die mega Tour am Start und alle Leute warten auf dich.“ Ich will das lieber selbst in die Hand nehmen und das klappt dann meist irgendwie auch. Ich finde nicht, dass wir ausgeschlossen werden. Wir wurden in Deutschland immer mit sehr viel Respekt behandelt.
Raphael: Man ist schon eher abgeschottet, aber es gibt durchaus schweizer Bands die es in Deutschland geschafft haben. Wir spielten im Frühjahr 2015 das erste mal in D, im Herbst folgen weitere Shows.

Als näherer Nachbar, interessiert es mich schon sehr, was in der Schweiz und eurem Standort Winterthur geboten ist. Gibt es dort gute Läden oder Bands und wie würdet ihr die Schweizer Szene umschreiben?

Terry: Die schweizer Szene ist nicht mehr so groß, auch Winterthur was mal eine „größere“ Szene hatte, ist geschrumpft. Winterthur hat etwa 4 – 6 Läden wo regelmäßig Konzerte gespielt werden…
Marc: Ja wir haben sehr gute Läden hier, vor allem wenn es um Punk und Rock Musik geht. Für eine doch eher kleine Stadt wie Winterthur existieren hier sehr viele aktive Bands und Clubs die sich gegenseitig pushen. Dies gilt für mich vor allem für den deutsch sprechenden und französisch sprechenden Teil der Schweiz. Was im Tessin abgeht, kriegen wir nicht wirklich mit. Da gibt´s aber auch super tolle Bands wie zum Beispiel Peter Kernel.
Raphael: Winterthur ist eine überschaubare Arbeiterstadt mit einem vielfältigen kulturellen Angebot und einer lebendigen Musikszene, die vor allem vom Rock geprägt ist, jedoch aber auch sehr vielfältig ist. Es gibt in der schweizer Szene sehr gute Underground-Bands, der Mainstream ist jedoch sehr langweilig und angepasst.

Die Legalisierungs-Debatte von Mariuhana scheint immer weitere Züge anzunehmen. Wobei in der Schweiz, schon seit mehreren Jahren, eine höhere Toleranzschwelle für Cannabis existiert, als in vielen anderen europäischen Ländern. Woran denkt ihr, liegt diese relativ offene Haltung und was haltet ihr persönlich von jener Legalisierung?

Terry: Da ich nicht Cannabis Konsument bin, ist diese Frage für mich nicht sehr relevant. Ich hätte nichts gegen eine Cannabis Legalisierung, denn Alkohol ist ja auch legalisiert.
Marc: Es ist in der Schweiz so easy an ein bisschen Dope ranzukommen. Gekifft wird, ob es Legal ist oder nicht. Das kratzt hier kein Konsument. Wir hatten vor 10 Jahren diverse Hanf Shops bei denen man Duftsäckchen kaufen konnten, da dies wegen einer Gesetzeslücke legal war. Kiffen wird hier etwa so bestraft, wie wenn man ein Auto falsch parkt und wird nicht in das Strafregister aufgenommen. Ich fände eine Lösung wie in Holland angebracht, da weiß der Konsument was er genau für Zeugs erhält und unterstützt dabei keine kriminelle Organisation.
Raphael: Grundsätzlich stellt sich die Frage, wer diesen Milliarden Markt kontrollieren soll. Überlässt man die Kontrolle dem Staat oder der Mafia. Natürlich soll hier der Staat eingreifen. Wie dann eine kontrollierte Abgabe aussehen soll überlass ich den Experten, es gibt ja genügend funktionierende Modelle dafür. In den 90ern herrschte in der Schweiz eine liberale Haltung gegenüber Marihuana, welches in Hanf-Shops gekauft werden konnte. Heute kaufen sich die Kids den Stoff auf der Straße und kommen so schneller mit harten Drogen in Kontakt. Bei einer kontrollierten Abgabe hätte der Staat ausserdem sehr viele Einnahmen, die er beispielsweise in die Prävention, in die Altersvorsorge und in die Therapie für Leute die es nicht mehr im Griff haben einsetzten könnte. Den Markt der Drogenmafia zu überlassen ist absolut verantwortungslos, gekifft wird sowieso.

Wie habt ihr es geschafft beim WDR, in der Rocknacht zu erscheinen?

Terry: Wir haben im 2013 am Eurosonic Festival in Holland gespielt, welches ein Festival für Newcomer ist und wo sich das Business trifft. Wir wurden gefragt, ob wir uns Filmen lassen wollen würden, da haben wir natürlich „Ja“ gesagt.
Marc: Genau so war es. 🙂

Sehr mitreißend ist übrigens euer Video zu „Brainwashing Television“, wer ist für das Video verantwortlich?

Terry: Das Video wurde von Alain Margot, der unter anderem den Film über die Femen Bewegung produziert hat. In einem Geisterhaus in den Tiefen der Schweizer Berge in La Chaux De Fonds wurde dieser gedreht. Die phänomenale Dekoration stammt aus dem Künstlerkollektiv von Dejan Gacond und Kit Brown, welche mit ihrer Ausstellung „Kaleidoscope of Nothingness“ vor allem Locations und Bühnen in Konzertlokalen ausstatten.

Was macht ihr neben der Musik?

Terry: Ich arbeite nebenbei noch in einem Gitarrengeschäft und verkaufe und repariere Gitarren, aber das klingt auch nur besser als es tatsächlich ist.
Marc: Ich arbeite drei Tage pro Woche bei einem Vertrieb für Gitarren und Studio Equipment. Neben der Band nehme ich in unserem kleinen Studio Bands aus der Szene auf. Wir alle haben Teilzeit Jobs, damit mehr oder weniger genug rein kommt, um die Miete zu bezahlen.
Raphael: Scheißarbeit, irgendwoher muss ja die knete reinkommen. Haha, Bürojob!

Was mich zum Schluss noch interessieren würde, habt ihr eigentlich an Sub Pop auch ein Promo oder Demo geschickt?

Terry: Weiß ich gar nicht mehr, wahrscheinlich schon 🙂
Marc: Unser Freund Flurin von der Band Useless, ist aktuell für einen Monat in Seattle und hat unsere CD persönlich bei Sub Pop vorbei gebracht.

Und zu guter Letzt, noch ein abschließendes Wort, Lebensmotto oder dergleichen.

Terry: Keep Calm and play Bass
Marc: “When I was 5 years old, my mother always told me that happiness was the key to life. When I went to school, they asked me what I wanted to be when I grew up. I wrote down `happy’. They told me I didn’t understand the assignment, and I told them they didn’t understand life.” John Lennon
Raphael: „Kill em all!“

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Interview: Bela

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