November 6th, 2019

GUNNER RECORDS (+Bug Attack/No Weather Talks/Cold Cold Hearts/Wolves & Wolves & Wolves & Wolves/Die Bullen) aus # 182, 2017

Posted in interview by Jan

Zugegeben, Gunnar Christiansen wohnt nur zehn Minuten Fußweg von mir weg. Früher haben wir sogar in der gleichen Kneipe in Bremen aufgelegt, ohne dass ich ihn kannte oder von seinem Label etwas wusste. Auf Gunner Records bin ich erst aufmerksam geworden, als mir aus einer Plattenhülle ein bunter Flyer entgegenfiel auf dem neben einer Liste mit Veröffentlichungen auch die Postleitzahl 28203 notiert war, meine eigene. Das ist bestimmt sechs Jahre her. Gunner Records gibt es noch länger. Seit diesem Herbst ganze zehn Jahre. Das wurde im September mit fünf Bands, auf einem kleinen Labelfestival gefeiert, die an dieser Stelle alle zu Wort kommen, genau wie der Labelchef.

Eigentlich wollte ich Deine Vergangenheit ruhen lassen, denn die ist bereits bestens in diversen Zeitungen und Onlinebeiträgen dokumentiert, und mich mehr auf die Jetzt-Zeit konzentrieren. Trotzdem möchte ich aus aktuellem Anlass mit einem kurzen Rückblick beginnen. Dein erstes Release war die Platte von Mischief Brew. Vor ein paar Tagen hast du via Facebook um den Tod von Erik Petersen (von Mischief Brew) getrauert. Möchtest du noch was dazu sagen?
Gunnar: Erik war ein sehr guter Freund, wegen dem ich das Label ursprünglich gegründet habe. Er war der Grund, warum ich anfing Touren zu buchen. Sein Tod ist einfach unsagbar traurig. Ich habe Erik in Amerika besucht und hatte wunderbare Zeiten mit ihm. Mehrfach waren wir zusammen auf Tour. Auch in Europa hatten wir ziemlich lustige Erlebnisse. Sein Tod hat mich ziemlich schockiert. Er ist nur 38 Jahre alt geworden. In dieser Woche (Anm.: In der wir das Interview führten) hätte er seine Tour in Europa beendet und wäre nach Hause geflogen. Es ist wahnsinnig traurig, weil er ein super Typ war, der tolle Sachen gemacht hat. Auch neben der Musik. Jede Band, die in Philadelphia gespielt hat, konnte bei ihm unterkommen. Er hat jedem ausgeholfen, war immer für einen da und war dabei immer ein sauwitziger Kerl, der echt gute Musik gemacht hat.

Das Mischief Brew Album war das Erste. Wie viele Veröffentlichungen hast Du insgesamt gemacht?
Ich weiß es ehrlich gesagt gar nicht. Schreitet wohl auf die 100 zu. Genau kann ich das nicht sagen.

Ich finde, Du hast in der letzten Zeit Deinen Output ganz schön erhöht.
Das liegt in erster Linie daran, dass viele Künstler, die bei mir auf dem Label sind, weiter Platten veröffentlichen. Das ist ein Schneeballsystem. Früher haben die Bands eine Platte gemacht. Das war dann die Erste. Alles ging langsamer, aber jetzt gibt es einen Turnus, jede Band versucht ein Album pro Jahr zu machen. Nur durch die Bands, die bereits auf dem Label sind, habe ich einen hohen Ausstoß und dann kommen noch die Neuentdeckungen dazu, die ich interessant finde.

Das Label läuft ja nebenbei. Darf ich das noch als Hobby bezeichnen? Oder ist es darüber schon hinaus? Es ist ja nicht so, dass Du davon leben könntest.
Ich verdiene damit leider immer noch kein Geld. Das alte Plus/Minus-Nullspiel. Das hängt wahrscheinlich mit den Veröffentlichungen zusammen. Würde ich weniger rausbringen, bliebe vielleicht auch mal was über. Aber auch nicht so viel, dass ich davon leben könnte. Wir reden hier also über kleine Beträge. Ich glaube eh nicht, dass man von einem Plattenlabel richtig toll leben kann.

Warum machst Du das Label eigentlich, wenn Geld nicht der Antrieb ist? Was willst Du transportieren bzw. was gibt Dir das?
Gute Frage…, haha, …meine masochistische Ader kommt da wohl durch. Nein, ich bin ein großer Musikfan und habe irgendwann gemerkt, dass ich zum Teil die Musik, die ich gern auf Platte haben möchte, nicht bekommen kann. Daher habe ich angefangen Platten rauszubringen, von Musik die ich mag. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Freundschaften die man schließt. Aus diesem Label sind tolle Freundschaften entstanden die ich auf keinen Fall missen möchte. Außerdem ist es ein Versuch mit den Bands fair umzugehen. Und so ein Verhältnis zu schaffen zwischen Label und Band wie es sein sollte, nämlich in erster Linie freundschaftlich.

Warum wollen so viele Bands gerade bei Dir Platten rausbringen? Was meinst Du?
Da würde ich wieder sagen, auch wenn ich mich wiederhole, da ich mit den meisten Bands ein freundschaftliches Verhältnis habe und halt sehr auf Fairness für Band und Label achte, hat es sich rumgesprochen, dass man gut zusammenarbeiten kann.

Hast Du keine Angst, dass daraus eine Abhängigkeit entsteht? Also, dass die Bands vielleicht irgendwann zu viel von Dir erwarten?
Ich spreche eigentlich immer zuerst an, was die Bands von mir erwarten können und was nicht. Daher gibt es in der Regel keine Überraschungen. Ich stapele lieber tief. Aber es ist mir schon wichtig, den Bands eine realistische Einschätzung zu geben. Und das beinhaltet in der Regel bei neuen Bands, dass die erste Tour sehr hart wird!

Um welches Release musstest Du wirklich kämpfen?
So richtig kämpfen musste ich eigentlich bei keinem Release…

Ist es nicht manchmal hart eine Band zu verlieren. Gaslight Anthem und Fake Problems sind zu Side One Dummy oder jetzt aktuell Pears und Get Dead bei Fat Wreck. Ich meine, du steckst einen Haufen Arbeit, Geld und Zeit in ein Release und mit der nächsten Platte ist die Band bei einem größeren Label. Stelle ich mir uncool vor.
Am Anfang hat es sicherlich etwas wehgetan. Aber mit dem Alter wird man ja milder. Tatsächlich sind das Schritte, die z.B. für Gaslight Anthem Sinn ergeben haben. Sie hatten gerade ein Momentum und brauchten jemanden der mehr Geld zur Verfügung hatte, um größere Promo etc. zu fahren und vor allem auch die Aufnahmen und Vorschüsse entsprechend leisten zu können. Das war bei mir sicherlich nicht in dem Sinne möglich damals. Fat Wreck verhalten sich tatsächlich immer sehr fair den kleineren Labels gegenüber, man merkt deutlich, dass da Leute am Werk sind, die auch wirklich einen Punk Background haben und ein Herz für Musik und kleinere Labels haben.

Mit ihnen kann man durchaus auch weiterhin kleinere Releases machen. Ich denke, es ist wichtig, dass die Bands das machen, was sie für richtig halten. Natürlich freue ich mich, wenn ich auch weiterhin etwas mit ihnen machen kann. Aber genauso verstehe ich, wenn sie manchmal sich selber Träume und Wünsche erfüllen, um mit einem größeren Label erfolgreich zu werden. Es hat immer viel damit zu tun, wie das dann passiert und kommuniziert wird.

Lass uns jetzt noch über das Programm des Festivals im Tower sprechen. Würdest Du sagen, es repräsentiert Dein Label optimal oder wurde es aus praktischeren Gründen so zusammengestellt, beispielsweise, weil die Bands gerade auf Tour sind.
Es ist das erste Mal, dass wir so ein Festival veranstalten und die Idee war das Label ein wenig zu repräsentieren. Aber natürlich muss ich auch den finanziellen Aspekt im Auge behalten, damit ich den Abend stemmen kann und deswegen ein paar Bands aus der Nähe ran bringen. Fangen wir mal mit Wolves&Wolves&Wolves&Wolves an. Die sollten sowieso auf Tour kommen. Wir haben die Tour um eine Woche verlängert, damit sie auf dem Festival spielen können und haben einen UK-Teil eingebaut, weil sich plötzlich jemand meldete, der Interesse hatte, eine ganze England Tour zu buchen. Deswegen klappte das. Und dann haben wir einen guten Überblick über das Label, weil wir eine Band wie No Weather Talks haben, die melodiösen Postpunk spielen.

Mit Die Bullen gibt es wieder etwas ganz anderes, was in die deutsche Richtung geht. Deutschpunk ist es nicht wirklich, aber es geht in diese Richtung. Bug Attack ist total verschroben, was viele Leute nicht verstanden haben, als ich die 7“ rausgebracht habe. Das geht in die schnelle Punkrichtung. Ein Ein-Mann-Musiker der live der Wahnsinn ist. Und mit Cold Cold Hearts ein neueres Release, das viele vielleicht noch gar nicht mitbekommen haben. Von Wolves&Wolves… behaupten viele, sie spielen den typischen Gunner Sound. Rauer Gesang, Punkrock. So gesehen ist das ein ganz guter Überblick.

Wäre es nicht eine Möglichkeit solche Festivals oder gar Touren öfter zu machen. Also, zwei oder drei Bands von deinem Label gehen zusammen auf Tour?
Meistens ist das finanziell schwierig. Bei zwei Bands mag es noch gehen, wenn es eine deutsche und eine amerikanische ist, aber generell sind die Kosten der Bands relativ hoch und das Geld ist schwer wieder reinzuholen. Da sind in der Regel zwei Vans auf der Straße, Benzin, Unterbringung, all das summiert sich schon ziemlich stark auf und in der Regel sind die Veranstalter nicht in der Lage dann das entsprechende Geld zu garantieren.

Du sagtest gerade, Wolves repräsentieren den Gunner Sound. Würdest du sagen, es gibt einen bestimmten Sound, der das Label prägt? Oder siehst du das als Chef, der schlussendlich auch entscheidet, was veröffentlicht wird, ganz anders?
Ich denke nicht, dass es einen bestimmten Sound gibt. Viele sagen mir nach, es ist immer der raue Gesang, immer das Hot Water Music-mäßige, was mit Gaslight Anthem anfing. Wenn man sich aber alle Veröffentlichungen anhört, ist es definitiv nicht so. Nehmen wir mal ein Band wie Landmines, das geht eher in die melodische Hardcore Richtung. Dann gibt es aktuell Pears, das ist auch Hardcore, aber ehr wie Circle Jerks, um dann wieder in melodischen Punkrock zurück zu verfallen. Es gibt Powerpop in Form von Title Tracks. Es gibt garagigen Punk, wie Dan Webb and the Spiders. Bug Attack spielt schrammligen Punk mit deutschen Texten. Insofern ist ein bunter Schnitt, wenn man mich fragt. Ich finde nicht, dass es den typischen Sound gibt. Es gibt sicherlich einen roten Faden, weil es mir gefallen muss und das spiegelt sich in den Releases sicherlich wieder, aber dass viele Sachen gleich klingen, finde ich nicht.

Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass du als deutsches Label, sehr viele amerikanische Bands entdeckst. Wie kommt das? Oder wie passiert das?
Ich mache das jetzt ja schon zehn Jahre und in der Zeit habe ich viele Menschen kennengelernt. Ich will niemanden bescheißen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich noch immer nicht davon leben kann (lacht). Ich habe immer gesagt, dass ich den Bands helfe, wenn nach einer Tour das Geld nicht reicht. Es gibt immer irgendwelche Wege. Ich kann einer Band beispielsweise Platten umsonst geben, damit sie noch eine Möglichkeit haben Geld zu verdienen. Man sollte versuchen sich gegenseitig zu helfen, Freundschafen aufbauen und so was spricht sich dann rum. Wenn befreundete Bands, von Bands auf meinem Label nachfragen, was für Möglichkeiten es gibt, werde ich in der Regel empfohlen und die Bands melden sich dann bei mir. So entsteht ein erster Kontakt.

Hat es dann überhaupt Sinn, vielleicht auch gerade als deutsche Band, dir ein Demo zu schicken oder findest du die Bands, die du gut findest, selber. Bekommst du überhaupt Demos zugeschickt?
Ich kriege ziemlich viele. Im Keller steht ein riesiger Karton, wo die alle drin liegen. Die Anzahl der Demos ist so groß, dass ich das alles gar nicht hören kann. Das ist das eine Problem. Das zweite Problem ist, dass oftmals Demos von Bands kommen, die einfach noch nicht so weit sind. Durch das Internet ist es vielleicht einfacher geworden sich Auftritte zu organisieren und es ist ziemlich leicht ein Demo aufzunehmen. Alles ist viel schneller geworden. Früher mussten die Bands touren, Konzerte spielen und sich anbieten. Das gibt es heutzutage gar nicht mehr. Deswegen sind einige Bands etwas zu früh dran. Ich höre mir Demos an und es gibt auch Bands auf meinem Label, die aufgrund von solchen Anfragen bei mir gelandet sind.

Was hat dich in zehn Jahren am meisten überrascht? Sowohl positiv als auch negativ von mir aus. Also, du hat eine Platte veröffentlicht und dachtest, es wird das nächste große Ding und dann passierte doch etwas ganz anderes?
Es gab mit Title Tracks eine unsagbar gute Band. Das ist einer von Q and not U, die erste Single ist damals auf Dischord rausgekommen und ich habe die ersten beiden Platten gemacht. Die sind wirklich atemberaubend gut und ich behaupte, es ist mit das Beste, das bei mir rausgekommen ist. Leider hat die Band in Europa nur einmal getourt und ist bloß ein Geheimtipp geblieben. Entsprechend schlecht haben sich die Alben verkauft. Das ist sehr schade, weil es so unfassbar gute Platten sind.

Ich finde es bei Arliss Nancy etwas schade. Das ist eine fantastische Band, die jetzt drei Alben bei dir raus haben, viel touren, ständig unterwegs sind. Aber ich denke immer, das müssten doch viel mehr Leute gut finden.
Bei Arliss Nancy ist es wirklich schade. Es gab ein paar Touren, die eine tolle Richtung vorgegeben haben. Die ersten zwei, die ich gebucht habe, waren wahnsinnig gut. Und dann war die Idee der Band, sich durch eine Booking Agentur einem größeren Publikum anzubieten. Das hat bislang leider noch nicht so gut geklappt. Vielleicht hätte ich die Konzerte weiterhin buchen sollen. Aber ich muss auch sagen, dass die letzte Platte schon sehr gut gelaufen ist. Außerdem ist das auch mein erstes US-Release.

Ach, die Greater Divides?
Ja. Jetzt gibt es auch ein Gunner Records USA und das erste Release war Arliss Nancy. Mal gucken wie das anläuft.

Da fällt mir gerade ein, Make War sind wieder auf Tour, mit Cory Call, dem Sänger von Arliss Nancy. Du hast ihn mal als talentiertesten und besten Sänger aus dem Genre des Heartlandrock genannt. Siehst du das immer noch so? Und worauf können wir uns freuen? Gibt es vielleicht eine Soloplatte?
Ich denke, es wird keine Soloplatte von Cory geben. Erst mal hat er dafür dann ja doch zu viel mit Arliss Nancy zu tun. Und ja, ich denke immer noch, dass er einer der besten Sänger in diesem Genre ist. Das liegt aber daran, dass seine Stimme einfach so ist, wie sie ist, er verstellt sich nicht, das Ganze ist ehrlich. Wenn man mit ihm spricht, hat er genau dieselbe heisere Stimme. Außerdem ist er ein herzensguter Mensch der live eine unglaubliche Ausstrahlung hat.

Hast du einen Masterplan für die Zukunft?
Es ist schon der Traum manche Abläufe zu professionalisieren. Ich habe mittlerweile Unterstützung von Praktikantinnen. Bis jetzt waren es immer Praktikantinnen. Es wäre in meinem Sinne, dass die Dinge runder und schneller laufen. Wenn ich Leute aufnehmen könnte und irgendwann mal Geld generiert werden würde, damit ich diese Leute auch bezahlen kann, dann wäre das schon toll. Im Moment brauche ich Hilfe, weil ich das alleine nicht mehr schaffe.

Kannst Du abschätzen, wie Deine Wahrnehmung außerhalb Bremens ist? Oft gilt der Prophet im eigenen Land, also Stadt in diesem Fall, nichts.
Ich kann hier nur schauen, wie Konzerte in anderen Teilen Deutschlands laufen und wie sich z.b. Platten meines Onlineshops verkaufen. Der Großteil kommt dabei aus dem Süden. Bremen ist ein ziemlich schwieriges Pflaster für mich. Ich veranstalte hier ja relativ regelmäßig Konzerte, die leider immer ziemlich schwierig auf die Beine zu stellen sind. Es gibt schon ein paar nette Menschen, die immer kommen, aber leider hab ich auch schon ganz leere Konzerte gehabt…., daher ergibt es oft Sinn die Bands wo anders spielen zu lassen, wo das Publikum größer ist. Ich glaube daher, dass außerhalb Bremens die Wahrnehmung etwas besser ist.

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Bug Attack ist die One-Man-Punk-Army und hat zwei 7“ bei Gunner Rec rausgebracht.

Du, als Bug Attack, bist Du Einzelgänger oder warum machst Du alles alleine?
Olli: Ich habe auch in Bands gespielt. Aber da kam irgendwann nichts mehr bei rum. Und dann habe ich gedacht, ich mache gar nichts mehr. Ich war wirklich kurz davor keine Musik mehr zu machen, weil ich genervt und gefrustet war. Dann habe ich allerdings Typen aus dem Blues und Rockabilly Bereich gesehen, die alleine was auf die Beine gestellt haben. Ich habe mir die Frage gestellt, wie es angehen kann, dass jemand alleine Musik macht? Dann habe ich mir zwei, drei Leute angeschaut und gesehen, wie es geht und es zuhause ausprobiert. Seltsamerweise hat das sofort gut hingehauen.

Wie? Zu Hause ausprobiert, da stand dann einfach ein Schlagzeug rum oder was?
Ja, ich spiele eigentlich Schlagzeug und ein wenig Gitarre. Ich hatte zu Hause alles da. Nachdem ich jemanden so spielen gesehen habe, ich glaube John Schooly, dachte ich, ich probiere es mal aus. Zunächst habe ich das für mich zum Spaß gemacht, damit überhaupt etwas passiert.

Live spielst Du alle Instrumente gleichzeitig alleine und singst dazu auch noch. Nimmst Du auch genauso auf?
Die erste Single habe ich zu Hause genauso aufgenommen, mit einem alten Vierspurgerät. Danach bin ich zu einem Typen nach Kiel gefahren, der ein Studio besitzt und der hat versucht zu retten, was zu retten ist. Ich habe vier Mikrofone aufgebaut und einfach reingeballert. Er hat dann an ein paar Knöpfen rumgedreht und die erste Single praktisch abgemischt und gemastert.

Und die zweite?
Bei der zweiten Single habe ich nur die Instrumente gleichzeitig aufgenommen und den Gesang dann später drübergelegt. Das ist so ein bisschen einfacher, weil man sich nur auf das Spielen konzentrieren braucht. Beides hat eigentlich seinen Reiz. Ich will demnächst wieder was aufnehmen und werde es wohl, wie bei der ersten Single machen. Nur so ist es echt. Was soll ich das im Studio hintereinander einspielen, erste Gitarre, dann Bass und Schlagzeug. Nachher kommt etwas raus, was es gar nicht sein soll.

Speziell bei der ersten Single versteht der Hörer wenig von den Texten, auf der anderen Seite bringt das auch eine gewisse Ästhetik mit sich. War das Absicht? Die Texte sind in der Single noch abgedruckt.
Aber das ist ja eigentlich bei 90% aller Punkplatten so. Ich habe gestern noch mal in die neue Hammerhead Single reingehört und da verstehe ich auch kein Wort. Da habe ich mir noch nie so richtig Gedanken drüber gemacht. Das ist die Art, wie es rauskommt und auf der Zweiten ist es, glaube ich, noch schlimmer.

Du bist ja schon recht hysterisch dabei, wenn Du singst, oder? Ich muss, vor allem, wenn ich Dich live sehe, immer an eine Mischung aus Iggy Pop und Jello Biafra denken. Würdest Du Dich damit generell wohlfühlen oder sagst Du, was das den für ein Scheißvergleich?
(lacht) Als Vergleich jetzt? Also ich habe kein Showkonzept. Bin ich erst mal im Spiel, haue ich es raus, wie ich meine, dass es sein muss. Ich mag generell dieses rotzige, schrammlige, garagige Kellerzeug.

Du hättest jetzt die Wahl: Du darfst eine Split-Single auf Gunner Records rausbringen. Welche Band würdest Du wählen und würdest Du Cover / Cover machen oder jeweils ein eigenes Stück bevorzugen?
Da stellt sich mir zunächst die Frage, was ich mit meinem Schrumpfset überhaupt covern könnte.

Mit Schlagzeug, Gitarre, Bass kannst Du immer was covern! Mobina Galore besteht auch nur aus zwei Leuten.

Stimmt. Das wäre wahrscheinlich am einfachsten. Wenn ich es mir aussuchen könnte, hätte ich Bock auf eine Split Single mit Ten Volt Shock, weil ich Noise-Rock mag. Aber ich glaube nicht, dass ich es covern könnte.

Dann nimmst Du einen eigenen Song.
Stimmt. Auf das covern müsste ich tatsächlich verzichten. Ich würde auch nur ruinieren, was die machen. Sie würden hingegen vielleicht noch etwas bei mir rausholen.

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No Weather Talks kommen an anderer Stelle noch etwas ausführlicher zu Wort, der Vollständigkeitshalber müssen aber Flicke, Micha und Jens hier ebenfalls zu Wort kommen.

Haltung oder Unterhaltung?
Micha: Wichtig ist es eine Balance zu haben.
Flicke: Unterhaltung mit Haltung. Es unterhält mich selten, wenn es keine Haltung hat.
Micha: Aber es kann unterhaltend sein, eine Haltung zu haben.

Geht das auch umgekehrt?
Flicke: Unterhaltung ohne Haltung? Bei mir persönlich ist es wirklich so, dass es selten unterhaltend ist, wenn da gar keine Haltung bei ist.
Jens: Eine Haltung kann ja auch so ziemlich alles sein, das lässt sich so gar nicht festlegen.
Flicke: Das kann auch eine Meinung zum Essen oder zum Kaffee sein.

Naja, um bei diesem Beispiel zu bleiben, da hängt ja wieder ziemlich viel dran.
Flicke: Oh oh.

Genau, oh oh, aber ich hab damit nicht angefangen.
Flicke: Ich habe da wohl unbedacht ein Fass aufgemacht.

Wollen wir das dann hier beenden? Kommen wir mal zu dem Booklet Eures Albums, und darum auch die erste Frage, es gibt dort viele Linernotes zu den abgedruckten Texten. Ist es Euch wichtig verstanden zu werden? Und ist es Euch wichtig, Euch zu erklären?
Flicke: Schon. Es ist schon wichtig, aber ich habe auch nichts dagegen, wenn jemand nur Bock hat, die Mucke zu hören. Auf Konzerten weiß man meistens sowieso nicht, worum es in einem Song geht, wenn er nicht gerade explizit angekündigt wurde. Aber ich finde es schon wichtig, bestimmte Themen so anzugehen, dass man anders darüber nachdenkt.

Ihr habt einen Song auf dem Album, der heißt Road Rash. Verstehe ich das richtig, wenn ich denke, es handelt sich dabei gegen diese Glorifizierung des Tourlebens, das in vielen Songs gerade besungen wird. Speziell von Akustik-Folk-Punk-Bands.
Flicke: Zu einem genau das. Wenn mir langweilig ist, lese ich immer Interviews mit Bands, ich nenne jetzt keine Namen, aber aus Magazinen, die es umsonst gibt. Du blätterst dann zwanzig, dreißig Seiten und dir begegnet höchstens eine weibliche Person, aber ganz viele Typen, die darüber nölen, dass das Tourleben immer so hart ist. „Das ist so schwer, und ich vermisse meine Freundin so sehr“, diese ganze nervige Rhetorik.

Am Ende des Tages ist es eben auch nur ein Job, so wie ins Büro gehen.
Flicke: Aber ein total privilegierter Job. Und aus meiner Sicht, ist es als Frau, nicht immer so geil auf Tour zu sein. Ich erlebe einen Haufen sexistische Scheiße. Es ist vielleicht eine Welt, die nicht für jemanden, außer Männer gemacht ist.

Da könnten wir jetzt wieder ein Fass aufmachen, aber so viel Zeit haben wir nicht. Kommen wir also schon zur letzten Frage. Ihr habt schon länger eine Splitsingle angekündigt. Wann kommt die und mit wem?
Jens: Das ist richtig. Aber so richtig angekündigt haben wir das noch nicht. Eher so nebenbei erwähnt.
Micha: Ist im Presswerk.
Jens: Ist sogar fast fertig. Gunnar wird das besser wissen, als wir. Die Single ist mit Irish Handcuffs und kommt auch bei Gunner raus. Das ist eine Band aus Regensburg. Jeder hat zwei Songs aufgenommen und wir hoffen, dass die Single im Oktober draußen ist.

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Cold Cold Hearts haben gerade ihr Debüt Album bei Gunner Rec. veröffentlicht. Sänger Björn und Bassist Micha gaben Auskunft darüber, wie es dazu kam.

Cold Cold Hearts, mit dem S hinten dran. Ansonsten wäre es der Hank Williams Song oder nicht?
Björn: Richtig. Aber danach haben wir uns nicht direkt benannt. Kennst Du die Serie, die Johnny Cash vor seinem Tod aufgenommen hat?

Klar.
Björn: Die habe ich zur Zeit der Bandgründung ziemlich viel gehört und da ist auch ein Cover von dem Stück drauf. Aber das Original ist von Hank Williams jr. Du hast den Link also erkannt.

Inspiration ist ja schön und gut, aber Ihr macht ja durchaus etwas anderes, als Johnny Cash. Wie würdet Ihr Eure Musik beschreiben? Da ist ja sehr viel Unterschiedliches drin. Das ist Euer erstes Album oder?
Micha: Genau. Wir hatten vorher zwei EP’s, aber Heartware ist unser erstes Album. Da steckt von uns allen etwas drin, weil wir sehr unterschiedlich aufgestellt sind. Die Musikrichtung zu beschreiben ist sehr schwierig.

Wenn Ihr eine Review schreiben müsstet, fürs TRUST beispielsweise, was würdet Ihr da schreiben?
Björn: Stout Rock! Irgendwann kam mal jemand mit dieser Bezeichnung an. Es ist schon, wie Du richtig gesagt hast, wir klingen nicht wie Johnny Cash. Ich höre gerne akustische Sachen. Das hörst Du auch auf der ersten EP, da sind diese Art von Liedern dabei. Das ist mehr mein Einfluss. Micha hört eher laute Sache, Rock. Und unser Drummer ist für die Screamo Sachen zuständig, Heaven Shall Burn und solche Bands. Andy hört eher Alternativ Rock.

Bei Euch im Info fällt der Name As Friends Rust. Habt Ihr das geschrieben oder kommt das von Gunnar?
Micha: Von Gunnar! Als er das geschrieben hat, musste ich erst mal überlegen und habe mir dann die alte Platte noch mal angehört. Ich muss sagen, da hat er schon recht. Hatte ich vorher aber nie so auf dem Schirm.

Wie seid Ihr überhaupt bei Gunner Records gelandet?
Micha: Die EP’s habe wir selber rausgebracht und für das Album gesucht. Zuerst hatten wir einen Vertriebsdeal mit Broken Silence. Mit denen sind wir dann die Labels durchgegangen, die dort im Vertrieb sind. Die Alben, die bei Gunner rauskommen, gefallen uns eh meistens und Broken Silence hat dann zu Gunnar Kontakt aufgenommen und das hat dann auch gleich gepasst. Ich habe Gunnar heute zum ersten Mal getroffen. Wir hatten vorher noch nicht mal telefoniert. Es lief alles über E-Mail. Das war total unkompliziert.

Björn: Ich muss dazu sagen, wir haben auch mit vielen anderen Labels gesprochen, die auch Interesse hatten. Aber du wirst zum Teil echt übel abgezogen. Wenn Du Dir bestimmte Terms anschaust, die Du unterschreiben sollst, kann ich nur sagen: Finger weg. Ich bin echt froh, dass wir mit Gunnar zusammengekommen sind. Das ist echt Top.

Micha: Es wird erst viel Quatsch erzählt und wenn Du hinterher die Verträge liest, ist alles ganz anders.
Björn: Stimmt. Ich weiß nicht mehr welches Label das war. Aber bei einem mussten wir überspitzt gesagt die Rechte für die nächsten zehn Alben abtreten und vom Merchverkauf sollte das Label 90% bekommen. Total abgefahren.

Wir kommen schon wieder zum Schluss. Ich interviewe heute ja fünf Bands und es ist für mich etwas langweilig den ganzen Abend Fragen zu stellen. Darum würde ich den Spieß jetzt einmal umdrehen und Ihr dürft mir eine Frage stellen, die ich ehrlich beantworten werde.
Björn: Hast Du unsere Platte gehört?

Na klar.
Björn: Wie fand’s sie?

Ich finde die super. Das ist jetzt die Frage? Natürlich habe ich die Platte gehört, sonst würde ich kein Interview mit Euch machen. Beim ersten hören dachte ich noch, ja, ist ganz interessant und auch nett, aber ein bisschen fehlt mir was. Erst nach dem dritten oder vierten Durchlauf fing ich an, Heartware richtig zu mögen. Dieses AS FRIENDS RUST mäßige ist mir auch gleich aufgefallen. Ich finde das Album durch den Laut/Leise Gesang sehr abwechslungsreich. Die Screamo Parts sind nicht übertrieben. Ihr habt einen Song, auf dem eine Akustikgitarre dabei ist, einen Song mit ein wenig Elektronic, einen Song, bei dem die Stimme etwas verfremdet wurde. Fast jeder Song hat eine kleine Nuance, die sich von den anderen Songs abhebt. Dadurch ist das Album sehr abwechslungsreich und klingt trotzdem zusammenhängend. Es hat eine richtige Länge, wie früher, ein Album muss auf eine Tape Seite passen. Es ist eine sehr coole Platte, die man sich aber etwas erarbeiten muss, weil sie eben nicht sofort eingängig ist und etwas Zeit braucht, um sich zu entfalten.
Björn: Sehr cool. Danke.

***

Wolves & Wolves & Wolves & Wolves veröffentlichten just ihr zweites Album bei Gunnar und es handelt von Religion. Das ist alleine schon ein Grund bei Texter Brian und Bassisten Kyle genauer nachzufragen.

Jetzt mal ehrlich Jungs, was hat es mit Eurem Bandnamen auf sich? Und erzählt mir nicht, Ihr seid vier Wölfe!
Brian: Nee. Eine Band, in der Kyle und ich vorher spielten, hatte einen Song mit dem Titel Wolves & Wolves & Wolves & Wolves. Es ging darin um Menschen, die versuchen sich mit fiesen Taten einen Vorteil zu verschaffen. Als wir mit dieser Band anfingen, hatten wir eine Liste mit ungefähr 20 potenziellen Namen. Wir gingen zusammen durch die Liste und fingen an mögliche Bandnamen zu streichen. Manche Namen wurden schon von anderen Bands verwendet. Es gab Songtitel von Gorilla Biscuits oder Strike Anywhere. In irgendeiner Form wurde einer dieser Namen bereits von jemand benutzt und übrig blieb nur Wolves & Wolves & Wolves & Wolves. Also haben wir gesagt, das ist es jetzt.

Was waren die Alternativen?
Brian: Oh, New Architects war auf der Liste, New Direction haben wir auch diskutiert. Es gab viele Ideen mit dem Wort New. Was witzig ist, denn wir spielen ja eigentlich eine ziemliche alte Musik.

Es gibt viele Leute, die behaupten Ihr repräsentiert den typischen Gunner Record Sound. Was sagt Ihr dazu?
Brian: Vielleicht gibt es einen bestimmten Labelsound. Gunnar findet die Bands, die er mag und bringt die Platten raus. Vielleicht spiegelt sein Geschmack das Label wieder.
Kyle: Es gibt ja auch diesen Fat Wreck Sound. Ich schätze, dann klingen wir eben wie eine Gunner Records Band.

Glaubst du wirklich, dass es einen Fat Wreck Sound gibt?
Brian: Ja, es gab eine Zeit, als die sehr viel von diesem West Coast New School Punkrock rausgebracht haben.
(Jake der Drummer fängt an auf seinen Knien einen typischen Skatepunk Rhythmus zu trommeln).

Lagwagon, Strung Out, all diese Bands haben so gespielt.
Kyle: Ich glaube, so ist es eben mit Independent Labels. Es gibt Menschen, die dahinterstehen und deren Geschmack sich widerspiegelt. Daher kommt bestimmt auch der Gunner Sound. Er wird nichts rausbringen, was er nicht mag und an das er nicht glaubt und die Leute nennen das dann eben den Gunner Record Sound.

Ihr trefft heute ja ein paar von Euren Labelmates. Ich denke Ihr werdet feststellen, dass die anderen Bands anders klingen als Ihr. Wie ist es andere (deutsche) Bands zu treffen?
Brian: Ja, auf jeden Fall. Wir sind überhaupt erst durch andere Bands auf Gunnar aufmerksam geworden. Nämlich durch Arliss Nancy, The Sky We Scrape und Make War. Die kamen zwar erst später zum Label, aber wir spielten vorher schon mit ihnen zusammen. Das ist die amerikanische Seite und jetzt ist es cool Bands aus Deutschland zu treffen.

Euer Album kam gerade raus und ich habe gelesen, dass sich einige Songs um Religion bzw. um die Abwendung von Religion geht. Stimmt das?
Brian: Ja.

Ist das, dass große Überthema auf dem Album?
Brian: Ich glaube, es gibt einen Zusammenhang. Irgendwie geht es um mich. Das klingt jetzt bestimmt arrogant. Auf unserem letzten Album ging es um Freundschaft und verlorene Liebe, solche Dinge. Als ich anfing Lieder für das neue Album zu schreiben, ging es in eine eher persönliche Richtung, durch die Dunkelheit gehen, seinen Glauben verlieren, aber auch seine Angst. Es sind einfach Lieder über mich, wie ich versuche kein Arschloch zu sein. Es ist eine sehr persönliche…. Reise, ist vielleicht das richtige Wort. Es gab in meinem Leben eine lange Phase, in der ich alles infrage stellte.

Hast Du wirklich an Gott geglaubt?
Brian: Ja, auf jeden Fall. Mit allem Drum und Dran, sonntags in die Kirche, Gebetsstunden am Montag und Mittwoch, Erlösung von oben. Aber es beruhigte mich nie. Ich glaube nicht mehr daran, dass es dort ein Wesen gibt, das uns beschützt. So habe ich meinen Glauben verloren.

Hast Du Deinen Glauben eher langsam verloren oder plötzlich?
Brian: Das war ein Prozess. Ich habe viel gelesen, nicht nur die Bibel, sondern auch Bücher über das Römische Reich zu dieser Zeit und wie sich über die Zeit das Christentum zu einer nationalen Angelegenheit entwickelte und sich immer mehr von dem entfernte, was es ursprünglich einmal war. Oder zumindest, was uns erzählt wurde, was es sei. Ich will auch niemanden seinen Glauben ausreden. Es geht auf dem Album nur darum, wie ich mich davon entfernt habe.

Würdest Du sagen, Punkrock und Religion passen zusammen?
Brian: Puh, kann ich nicht sagen.
Jake: Punkrock ist meine Religion (Gelächter)
Kyle: Ich beantworte das und sage: Nein. Einfach aus dem Grund, weil eine Religion bestimmte Regeln vorschreibt und Punkrock ist frei. Es geht im Punkrock nicht darum, dass du bestimmte Dinge machen musst. Punkrock ist in deinem Herz.
Brian: Das stimmt. Kyle und ich liefen früher mit Lederjacken und Bondage Hosen rum, bis wir uns fragten: Hey, warum tragen wir diese Uniform? Warum gehen wir nicht einfach auf die Bühne und spielen die Musik, die wir spielen wollen? Das kümmert mich jetzt alles nicht mehr. Und darum geht es.

***
Die Bullen, nicht zu verwechseln mit „Scheiße, die Bullen“, aus Kiel. Hannes und Kocky wollen Polizisten anpissen und sprachen kritisch über das Bandkonzept.

Die Bullen! Wie sieht das Konzept weiterhin bei Euch aus? Bleibt Ihr dabei oder ändert Ihr etwas auf dem nächsten Album? Es könnte sonst sein, dass sich die Idee tot rennt. Oder seht Ihr das nicht so?
Hannes: Die Idee hat sich schon ein bisschen totgerannt. Das ist schade. Es macht einerseits immer noch unheimlichen Spaß, aber man kann den Witz nicht immer durchziehen. Dann wird es witzlos.

Plant Ihr ein neues Album?
Hannes: Wir haben noch Songs, wir proben auch noch und doktern daran rum, aber es ist uns allen bewusst, dass wir das nicht ewig machen können und es auch nicht ewig Spaß macht. Außerdem wollen wir alle nicht, bis wir sechzig sind, in so einer dummen Uniform auf der Bühne rumhampeln.
Kocky: Die Konstellation der Leute ist ziemlich gut, ob unsere neuen Songs wirklich als nächstes Die Bullen Album erscheint oder unter einem anderen Namen, steht noch nicht fest. Tatsächlich finden wir jeden Tag immer noch Themen und Thematiken, über die wir abkotzen könnten. Es ist uns aber eben auch klar, dass wir nicht über jeden Fitzel der Polizeiarbeit eine Parodie machen können.
Hannes: Wir können die Frage eigentlich gar nicht beantworten.

Ihr hängt quasi in der Luft.
Hannes: Richtig, wir hängen in der Luft.

Hattet Ihr mit der Band denn ein bestimmtes Ziel, das Ihr mit der Band erreichen wolltet?
Hannes: Möglichst viele Polizisten und Polizeisympathisanten anzupissen!

Habt Ihr durch die Band wirklich Anfeindungen erfahren?
Hannes: Ich habe ehrlich gesagt auf mehr gehofft. Aus der Punkszene kam entweder: Hey, megageiles Konzept. Oder: Was ist das denn für ein Quatsch. Wir haben nie direkten Stress mit der Polizei gekriegt. Aber über das Pro und Kontra von Polizeieinsätzen habe ich in den letzten drei Jahren bestimmt hundert Diskussionen geführt. Meistens ging es um die Frage, ob die Polizei in Deutschland angemessen handelt oder nicht.

Wie empfindest Du das?
Hannes: Wenn sie angemessen handeln würde, hätten wir die Band nicht gemacht.

Mit wem habt Ihr über dieses Thema diskutiert? Eher mit der Szene oder mit Leuten außerhalb der Szene?
Hannes: Die meisten ernsthaften Diskussionen hierüber habe ich mit Leuten außerhalb der Szene gehabt, die mich eben kennen und wissen, dass ich in einer Band mit den Namen Die Bullen spiele. Eigentlich haben diese Diskussionen meistens mit Normalbürgern stattgefunden.

Wie wurden die auf Euch aufmerksam?
Hannes: Wir lernen ja auch ganz normal Leute privat kennen. Oder auf Konzerten fühlten sich manchmal auch Menschen wahnsinnig ans Bein gepinkelt und mussten nach dem Auftritt ihrer Wut etwas Luft lassen. Dann rede ich gerne mit den Leuten. Da habe ich sogar viel Freude dran.
Kocky: Ich hatte mal eine schöne Situation. Ich bin durch die Stadt gegangen, kam zu einer dieser Junkie Ecken und da stand ein Streifenwagen vor. Ich bin kurz stehen geblieben und plötzlich kam jemand auf mich zu und sagte: Diese Band ist richtig scheiße und das weißt du! Es war jemand aus der Rollbrettszene, den ich kannte, Bulle wurde und mir das an den Kopf knallte. Das fand ich schon gut. Ich wusste, es hatte ihn getroffen.

Sehr gut. Letzte Frage. Mir ist aufgefallen, dass ihr heute eher die Spaßvögel seid, im Vergleich zu den anderen Bands, die heute spielen.
Hannes: Oh!
Kocky: Wir ziehen uns eine Uniform an. Dadurch machen wir uns bestimmt auch etwas lächerlich. Aber ich finde, wenn man auf die Texte hört und das zusammen mit Ansage und Gestik verbindet, ist das alles gar nicht mehr lustig.
Hannes: Wir nehmen diesen Spaß schon ernst. Und Humor ist in diesem Fall nur ein Mittel um rumzulabern und Leute anzupissen.

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Texte/Interviews: Claas Reimers

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