Januar 23rd, 2013

GOVERNMENT ISSUE (# 155, 08-2012)

Posted in interview by jörg

Dieses Interview mit John Stabb, Sänger einer der besten Bands der 80er, eben Government Issue (GI), die hier und da sporadisch wieder auftreten in den letzten Jahren, ist als Nachschlag zu unserem Dischord-Special in der # 149 zu verstehen. GI haben unglaublich viele gute Platten gemacht, und ihre Entwicklung von kurzen Knallern zu episch-emo-esken-amerikanischen Gitarrenpunkrock ist eine sehr interessante, hört euch die Scheiben noch mal, „Boycott Stabb“, „The Fun Just Never Ends“ und dann die „You“ und „Crash“.

Die Band ist eine der HC-Punk-Pionier-Bands der ersten Stunde aus der amerikanischen Hauptstadt und war auch mal in Europa zu Gast (vgl. den Tourbericht in Trust # 3 von November 1986, ja, jetzt müsste man einer der gewesen sein, der das Buch vor zwei Jahren gekauft hat, he). Sie gelten einerseits als „Dischord Band“, andererseits haben sie eben auch auf circa 200 anderen Labels noch veröffentlicht.

Das Personal dieser Band wechselte oft und grosse Namen kamen und gingen wie Brian Baker oder Tom Lyle von Minor Threat. Hier mal die unglaubliche Setliste von dem Auftritt in Washington DC (WDC) vor zwei Jahren: “Teenager in a Box / Strange Wine / Fun and Games / Written Word / Hear the Scream / Party Line / Broken Mirror / Hall of Fame1+2 / Jaded Eyes / Say Something / Blending In / Understand / Caring Line/ Plain to See / 4-Wall Hermit / Don’t Bother Me (Bad Brains) / Organized Sports (Void) / It Begins Now / Asshole / Where You Live / They Know / Puppet / Familiar/ Beyond / Man in a Trap / Forever / Wishing / Public Stage / Hour of One / Time To Escape… Zugaben: Sheer Terror / GI / Vanity Fair / Fashonite / These Boots are Made for Walking”. Den G.I. Song “Time to escape” coverten jüngst übrigens die Hot Snakes. Und ich vermute mal, dass PARTY LINE D.C. sich nach dem GI Song benannten.

Musikalisch aktiv war John Stabb in den letzten Jahren u.a. in der Band Factory Incident. Auf die Frage, was der Status ist, meinte er in meinem Interview, dass es die Band für fünf Jahre gab, sie sich aber auflösten. Ihr Höhepunkt war ein Auftritt auf einer Party des „Big Takeover“ – Heftes in New York. Ihr Album „Redtape“, gemixt von dem alten GI Kumpel J. Robbins, hatte die Besetzung: Karl Hill (der in der Band davor, Betty Blue, mit John Schlagzeug spielte), Aimee Soubier (zweite Gitarre), Shaun Wright (Bass), Schlagzeuger Steve Brown.

John erklärte:„ I think WDC wasn’t ready for me to be doing something shoe-gazery and post-punk and maybe they still aren’t? G.I. is like a piece of the areas musical religion or something so it’s tough to get folks out to see me do something so different. But maybe it was just typical of everything I’ve done in that it was bad timing for F.I. to be around? Groups doing the kind of thing we were doing like Interpol really blew up in people’s faces and had a great response. I think we were on the same wavelength with the Joy Division/Smiths/Gang of 4-influence but WDC wasn’t into it. What we discovered is that Europe was so we were in the process of setting up a 3 week tour with a booking agency that handled Epitaph Records bands and Marylyn Manson when the shit really came down: Shaun’s wife was about to have a second child and Steve had a brain anyerism, which his operation was succesful. We packed it in soon after. So it goes.”

Mit diesem nachdenklichen Nick Lowe Zitat geht’s direkt nun in das zart editierte Interview rein.

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Hi John, willkommen zurück im Heft! Wie würdest du dich unseren Lesern vorstellen, die keine Ahnung haben, wer du bist und deine Band GI nicht kennen?

John: Ich bin nur ein weiterer Typ in einer Band, eine Legende in meiner eigenen Dusche? Einer der Washington D.C. (WDC) Punkrock Gründungsväter? Keine Ahnung, eigentlich keine leichte Frage, weil…Wenn die Leute nicht wissen, was ich zurzeit mache oder früher machte, dann stelle ich mich auch null so vor, also so ego-laber-mässig. Wenn die Leute neugierig sind, dann sag ich einfach „Na ja, ich war in dieser Punkband aus WDC in den 80er, die eine Menge Kram raus brachte. Und ich slammte mit Ian MacKaye und Henry Rollins“.

Es überrascht mich dann doch, dass Leute, die über Musik lesen oder selber in Rockbands spielen, nie von G.I. gehört haben. Manchmal spiele ich den Leuten auch alte DVDs von GI vor und beobachte ihre Reaktionen, meistens kommt „Das bist DU? Aber du bist doch so ruhig!“. Ich lebe echt für diese Aussage.

Lebst du noch in Washington DC?

John: Mein Leben ist jetzt besser in den letzten zwei Jahren gewesen, als es in den 80er, 90er und den 2000er war. Ich hab einen stabilen Job, bekomme regelmässig Geld, spiele in einer Band, hab eine tolle Freundin, tolle WG-Mitbewohner und meine Katze. Ich lebte echt viel zu lange in einer Vorortwüste namens Maryland, deshalb fühlt es sich super an, wieder in DC zu leben. Und ich lebe in einem grossartigen Viertel, in dem ich kein Angst habe, dass ich mir mein Gesicht wieder operieren lassen muss. Ein gutes Gefühl.

Ja, wir haben alle von deinem schlimmen Unfall gelesen, konntest du wieder genesen?

John: Genau, ich sprach es eben ja schon an. Das passierte vor drei Jahren in Maryland, mir geht’s jetzt körperlich und geistig wieder gut. Ich wurde eines Sommer Abends von einigen Leuten derbe zusammengeschlagen und besonders stark im Gesicht getroffen (das passierte mir komischerweise auch mal in der Schulzeit). Ich musste mich mit Gesichts-Chirurgie-Kosten von circa 10.000 Dollar herumschlagen, ich werde nie vergessen, wie grosszügig meine Freunde (und Leute, die ich null kannte!) hinsichtlich meiner Genesung waren. Wenn sie mich nicht unterstützt hätten, wäre ich immer noch verschuldet. Die Punkrock Gemeinschaft kümmert sich wirklich um ihre Leute!

Vor zwei Jahren ist GI wieder in Washington aufgetreten, verdammt, 38 Songs! War das auch die Durchschnittsanzahl von Songs in den 80er in Europa?

John: Normalerweise haben G.I. nicht so viele Songs gespielt, wobei es einen Auftritt auf unserer ersten Europa-Tour 1986 in Belgien gab, bei dem wir für Freunde einen ähnlichen Auftritt machten, das war geil! Ebenso wie der Auftritt letztes Jahr! Glaub mir, als ich diese 38 Songs-Setliste von Peter Moffett bei unserer ersten Probe sah, da dachte ich, das ich bestimmt einen Herzanfall auf der Bühne kriege. Aber so ging das dann ohne Krankenhausaufenthalte vonstatten.

Das Lineup war natürlich du, Tom an der Gitarre, J Robbins am Bass und Peter Mofett am Schlagzeug?

John: Es war das finale und das beste GI Line-up aller Zeiten und es sollte nicht wieder passieren, andererseits, wer kann schon in die Zukunft sehen?

War also cool?

John: Das war echt mehr ein Event, die Vorgruppen Set to Explode und The Goons haben auch einige Jahre nicht mehr zusammen gespielt, es war fantastisch, sie wieder zu erleben. Es war ein echtes Punk-Love-Fest mit alten und neuen Freunden, die teilweise extra aus Japan angereist sind. Das war grossartig, die GI Geschichten von den Leuten zu hören, Fotos mit Fans zu machen und mit ihnen zu reden. Das Konzert war im Black Cat in WDC und zwei Monate nach der Ankündigung ausverkauft, das machte uns alte Säcke schon nervös.

Freunde erzählten mir später, wie toll sie die lange Setliste fanden, andere Reunions von Marginal Man und Kingface hätten nicht so viele Stücke im Set, GI war der real deal usw. Das schmeichelte. Heutzutage reicht meine Energie nur für einen 35 Minuten-Auftritt, der ist aber dann sehr intensiv, mehr kriege ich als alter Mann nicht mehr hin. Diese Reunion war für mich eine der anstrengendsten sportlichen Trainingslektionen der letzten Jahre.

Krass, ihr habt auch VOID gecvoert, ihr Trommler Sean starb leider 2008. Hast du Void damals viel gesehen?

John: Genau, Void haben wir gevocert, ich denke, es war auch eine angemessene Version von “Organized sports”. Das haben wir das erste Mal im kalten Winter 1986 auf der Euro-Tour gespielt, das und „My rules“ waren dann die Zugaben für unsere Freunde. Die zwei Void-Songs und „Into the black“ von Faith.

Es war klasse, ich konnte jedoch die Texte nicht mehr und ich hielt J. Robbins das Mikro hin und sang bei den Refrains mit. Genauso bei der jetzigen Reunion: ich konnte immer noch nicht die Texte, wir konnten online auch keine finden. Tom und ich haben Void aus Columbia in Maryland mehrmals live gesehen in den harDCore-Glanztagen.

Coolerweise haben diese wahnsinnigen Skatertypen von Void auch in dem Keller meiner Eltern gespielt, im Rahmen einer elfstündigen Band-Party! Jon (Void) war ein kleiner Verrückter, der es liebte, sich von der Bühne auf mich zu neigen, wenn ich vorne stand. Ihre Auftritte waren eine der chaotischsten Zeiten, die ich je erlebte. Es war schlimm, von Seans Tod zu hören. Die frühe DC Szene fühlte sich wie eine Familie an und so war es dann eher das Gefühl, ein Familienmitglied verloren zu haben. Aber sein durchgeknalltes Schlagzeug-Spiel wird weiterleben.

2007 hat G.I. auch noch mal gespielt, wo war das? Das war dann die Besetzung du, Tom Lyle, Brian Baker am Bass und William Knapp am Schlagzeug?

John: Das war ein sehr kurzer Auftritt unter dem Name „Government Re-Issue“. Es war ein Benefiz für mich, d.h. die Kosten für die Gesichtsoperationen, die explodierten. William (ex-76% Uncertain) Knapp von Singing Bridges motivierte Brian und Tom, mit zumachen. Wie geil! Es war alles die Idee von William und ich dachte, wir spielen zwei G.I. Songs, es wurde dann eine Hand voll.

Es gab vorher keine gemeinsame Proben wegen den Entfernungen und Tourplänen, wir übten jeder unsere eigenen Teile an und der Soundcheck im Rock and Roll Hotel in WDC war dann das erste Mal in 30 Jahren, das Brain, Tom und ich einen GI Song zusammenspielten. William hatte noch nie mit einem von uns gespielt, das war dann zuerst schwer für ihn. Aber diese Leute sind talentierte Musiker, ich bin nur ein weiterer Heini in einer Band, deshalb war es auch für mich nicht einfach. Doch zu meiner grossen Überraschung waren die GI Texte noch irgendwie gespeichert in meinem Kopf.

Unser Auftritt war etwas holperig, aber es war lustig, es erinnerte mich an unsere Gigs 1981, das waren nicht die technisch besten Auftritte, aber wir waren Punks und unserer Publikum bestand ebenfalls nur aus Punks. Leute kamen dieses Mal aus fernen Städten wie Philadelphia und waren zufrieden, einige Ähnlichkeiten von uns mit GI zu erkennen. Ich war Brian sehr dankbar, dass er sich trotz des sehr dichten Tourplans mit Bad Religion die Zeit nahm und das Tom aus New Jersey kam, um mit seinem alten Kumpel noch mal zu spielen.

Und das William aus Connecticut kam und alles regelte. Es war ein toller Abend dank des Publikums und der Bands. Und die Einnahmen halfen mir, die Kosten meiner Operation zu decken. Die Reunion 2011 war für meinen Freund Steven McPherson (DJ Stereofaith), um Geld für seine Rechnungen zu sammeln (er hat einen Tumor im Ohr). Es kam einiges an Geld rum, aber er muss noch weiter zahlen, seine Kosten sind ungefähr zehnmal so hoch wie meine.

Lass uns zurückblicken, GI haben sich Ende der 80er aufgelöst, erinnerst du dich noch an den letzten Gig?

John: Das letzte Konzert war ein Monster! Es fand am 6.1.1989 im 9:30 Club statt, der Laden war völlig über seine Kapazitäten ausverkauft. Es war ein tolles Ende für uns! Einer Freundin von mir wurden 80 Dollar für ihr Ticket geboten, sie hat es aber nicht weggeben. Damals durften die Leute noch stagediven, es war ein wilder Abend. Nach einem Auftritt von fast zwei Stunden war der Konzertboden echt von all dem Schweiss glitschig …

Wir haben uns aufgelöst, weil wir total durch waren, unsere Energie, Leidenschaft, die Finanzen, alles war durch. Unsere letzte USA- Tour war auch Scheisse, weil einige National Front Nazi Skins einige unsere Auftritte störten. Wir wurden von Veranstaltern verarscht und manchmal von unserem eigenen Publikum. Und glaub es oder glaub es nicht, wir haben neun Jahre gebraucht, bis wir mit einem Booking Agentur zusammengearbeitet haben. Sie wollten, dass wir noch zwei Jahre weiter spielen, um näher an den Deal mit einem Major Label zu kommen.

Wir wollten schon von der Band leben können, aber ich konnte emotional und finanziell nicht mehr weitermachen. Die ganze Lage war totaler Mist und ich hab immer gesagt, wenn der Spass weg ist, höre ich auf. Ich denke immer noch, dass es die richtige Entscheidung war und es hat 25 Jahre für Tom und mich gedauert, bis wir uns wieder angefreundet haben, deshalb würde ich diese Freundschaft nicht durch eine Réunion ruinieren.

Was waren die Unterschiede zwischen den Touren in den Staaten und Europa? Einerseits war die Musik aus den USA– der ami-HC-Punk- ein grosser Einfluss auf die europäische Szene, ein echter „one-way“-Transfer. Dann wiederum haben die ami-Bands gesagt, dass das DIY-Netzwerk in Europa so ausgeprägt wäre. Kann man also sagen, USA hatte die Musik, Europa die Strukturen?

John: Die Unterschiede damals waren wie Tag und Nacht, wahrscheinlich ist es heute noch so. Du musst dir das so vorstellen: Wir waren verwöhnte, dumme Ami-Kinder, die ein Land bereisten, in dem Fans lebten, die kein heisses Wasser oder keine Heizung hatten. Mein abgefucktestes WG-Leben in den Staaten war noch nicht mal ansatzweise vergleichbar mit dem Leben in einem europäischen Squat im Winter. Es war ein monumentales raues Erwachen für uns, aber es war eine gute Sache, diese Erfahrung. Wir haben andere Punks total respektiert, dass sie so Hardcore lebten. Und das unsere amerikanisches Leben wachgerüttelt wurde, gute Sache.

Ich bin jedoch froh, nicht so zu leben, aber heisses Wasser und Heizung, das nehme ich jetzt nicht mehr als gegeben hin, sondern weiss das ganz anders zu schätzen. Die europäische Kultur war total anders wie unsere. Wir reisen mit unserem Tour-Roadie und Freund Gerry von S.C.A. (Strong Concentration of Anger) aus Amsterdam. Niederländisch kann ich immer noch nicht, es muss echt die härteste Sprache der Welt sein. Wenn ich Gerry und seine Kumpels beim Reden zuhörte, das hörte sich immer an, als ob sie gerade kotzen müssten, ha.

Ich kann neue Sprachen nur sehr schlecht lernen, deshalb dolmetschte Gerry in Deutschland und Italien. Er fragte mal einen Schaffner an einem italienischen Bahnhof nach dem Weg und der Typ antwortete nur „Ich rede nur mit normalen Leuten, mit euch nicht“. Was für ein Arschloch. In einigen Teilen von Deutschland wurden wir als reiche Amis, die Reagan wählen, angesehen. Ha, ich arbeitete mir den Arsch in einer Punkband ab, hatte nie viel auf meinem Konto, kein tollen Schlitten oder ein Haus und das Stück Scheisse von Präsident habe ich nie gewählt, die haben echt den falschen verurteilt.

Bei eurer Musik hört man immer eine so schöne Offenheit heraus. Wie bei den 7 Seconds, die sagten ja auch „I am not a punker, but a human being“. GI kam aus der schnellen HC-Punk-Szene, aber ihr habt eure Musik dann geändert, es kamen neue Ideen ins Spiel. Hattet ihr Probleme mit engstirnigen Leuten, in einigen Szenen in den USA oder Europa, also waren die Leute sauer, dass ihr langsamere Songs gemacht habt?

John: Wir machten einfach das, was wir wollten, worauf wir Lust hatten, und waren nie eine Band, die nur ihre Fans zufrieden stellen wollte. Es war unvermeidlich, in den mittleren 80er mit deinem Sound zu experimentieren, sonst wären wir eine sehr vorhersehbare Band geworden. Ich wollte mit meiner Musik immer was anderes als den sicherten Weg beschreiten. Bei G.I. ging es nicht darum, eine Band mit einem geilen Song und 12 geilen Alben zu werden. (Anmerkung Jan: die nun folgende Ausführung zu Slayer habe ich als Überschrift genommen, einfach zu gut).

7 Seconds coverten “These boots are made for walking”, Operation Ivy ebenfalls, eure Version gefiel mir immer am besten. Wer hatte die Idee für den Song?

John: Danke für das Lob. Es war ein heisser Sommertag 1982, als GI auf dem Weg zu einem Konzert in W DC war und wir hörten einen Oldie Radio-Sender, der dann den Song von Nancy Sinatra spielte. Wir dachten, das könnte man doch mal covern, und so machten wir es. Wir kannten die Version der 7 Seconds, die ja zur gleichen Zeit entstand, nicht. Ihre Version ist sehr gut. Megadeth haben, glaube ich, auch ein Cover in den 80er gemacht und diese Version hab ich gehasst. Die von Operation Ivy kenne ich nicht, das muss ich nachschauen.

Eure zwei Songs “Strange Wine”und “Jaded Eyes” sollten echt so bekannt sein wie „Diane“ und „Makes no sense at at all“ von Hüsker Dü, finde ich und das ist irgendwie so paradox bei GI. Einerseits seid ihr weltweit bekannt. Andererseits sind Bands aus den 80er wie die bereits erwähnte, Mission of Burma oder Moving Targets bekannter, obwohl sie das gleiche wir ihr machten, also auch den Wechsel zu einem eher melancholischem Sound. Bist du angepisst deswegen? Besonders nach Nirvana, da wurden einige der 80er Punkbands, die es dann noch gab, wie Offspring und NOFX, voll bekannt. Dann wiederum betonst du immer, froh zu sein, nicht Henry Rollins oder Ian MacKaye zu sein, also, alles cool?

John: Es ist immer schön, mit Hüsker Dü verglichen zu werden, aber ich höre jetzt wenig Ähnlichkeiten in den Songs. Ich finde das gut, dass GI nicht immer die Standard-Band von Rockkritikern sind, so wie es die drei von dir erwähnten Gruppen eben sind. Wir sind weltweit bekannt auf unsere eigene Art und Wiese und hier und da waren wir wichtig für andere Bands. Was ist schon die Definition von „es geschafft zu haben“? Ich sehe GI als erfolgreiche Band an. Wie unzählige andere Bands in den 80er waren auch wir immer da draussen auf den Bühnen, spielten nonstop für neun Jahre und konnten mit der Musik nicht die Rechnungen zahlen.

Du findest bestimmt noch nicht mal zehn Punkbands aus dieser Zeit, die das machten, was wir machten (sogar die auf einem Major) und dann von ihrer Musik leben konnten. Da muss man ja nur in das Buch „Our Band Could Be Your Life“ reinschauen, all die bekannten Bands haben echt immer an der Grenze existiert, wie GI auch. Immer wenn ich Leute treffen, die vom Musikgeschäft keine Ahnung haben, heisst es „Ja wie, ihr wart doch damals oft unterwegs, warum seid ihr nicht so gross wie XY?“ Die messen den Erfolg nur daran, wie oft man im Radio gespielt wird und das man Geld verdient, aber ich sehe es nicht so. Es kommt darauf an, die emotionalen Profite vs. monetären Profite. Scheiss auf Major Labels und das Spiel der Musikindustrie mitmachen!

In unserer Endphase war ich echt fertig, aber eine Booking-Agentur und unser zwielichtes Label meinten, wenn wir noch zwei Jahre weitermachten, kriegen wir einen Vertrag. Aber das hätte zur Folge gehabt, das wir „Showcase-Gigs“ spielen müssten, bei denen die Band nix ausser Aufmerksamkeit bekommt. Wären wir bekannter geworden, hätten wir durchgehalten, als Nirvana dann gross wurde? Oder wären wir nicht eher wie viele andere geendet, die als Steuerabschreibung des Majors zwei Platten dort raus brachten? Da habe ich echt Horrorgeschichten gehört, ich bin froh, dass wir keinen Majorvertrag angeboten bekommen haben.

Und ja, wie Ian und Henry möchte ich nicht sein, ich hätte keine Geduld dafür, dass ich in meinen Leben nicht mehr alleine gelassen werde, all diese Aufmerksamkeit, Verehrung, Beweihräucherung. Ich mag es, dass ich einfach erreichbar bin. Henry ist ja mehr die Berühmtheit, mit den Filmen und Werbespots. Ian ist da etwas anders, er macht sein Label, seine Musik, Vorträge und führt sein Kind mit dem Baybwagen in meiner Nachbarschaft aus. Beide werden jetzt nicht von Paparazzi gejagt, aber, auch sie hatten ihre verrückten Stalker…

Was denkst du über Steven Blush? Er lebte ja in Washington in den 80er, ich las, dass du live über ihn bei eurem Auftritt 2010 Witze gemacht hast, warum?

John: Sein Buch und der Film sind ein schlechter Witz, der noch da ist. Blush machte damals einige wenige WDC Konzerte, war kurzzeitig Manager einiger Bands, war DJ und machte ein etwas glattes Rockzine namens „Seconds“ in New York. All das macht ihn nicht automatisch zu einer qualifizierten Autorität hinsichtlich Hardcore-Punk. Sein Buch enthält unzählige Tippfehler und Fehlinformationen. Es ist ein nerviges Dokument, all seine Infos zu GI sind totaler Bullshit. Er hat nie versucht, Tom oder mich zu kontaktieren, um all seine Geschichten und zweite Hand Zitate zu verifizieren. So macht man doch kein Buch! Man spricht doch mit seinen Quellen! Und in seinem Film gibt es keinerlei G.I. – Szene, da haben mir viele Leute gesagt, dass das lahm war.

Es ist mehr eine Sammlung der Bands, die er selber geil findet und voller pathetischer Interviews mit Leuten, die sagen, dass Hardcore nicht mehr existiert. Das ist doch alles Scheisse, weil es Hardcore-Punk so lang geben wird, wie die Leute in Opposition zu etwas stehen werden. Glücklicherweise gibt es drei verschiedene WDC Punk Dokumentationen, die zurzeit in der Mache sind; sie interviewten mich und unzählige andere, die du normalerweise nicht in dieser Art von Dokus siehst. Zumindest ist es für mich das erste Mal, dass ich in einer bin und das war überhaupt schon eine Ehre, gefragt zu werden.

Vor einiger Zeit machten wir eine grosse 30 Jahre Dischord Ausgabe, was denkst über das Label? Einige sagen ja, dass der Einfluss des Labels stark abnahm, dass sie nur noch ein Retro-Label sind…

John: Dischord ist eines der wenigen noch verbleibenden ehrlichen Labels mit der grössten und langlebigsten Integrität. Retro? Grossartige Musik überlebt alle Gezeiten und wenn Leute den alten Kram kaufen wollen, das ist doch toll für sie. Es ist schön, ein kleiner Teil eines tollen Labels zu sein, dass immer noch kreativen Sound veröffentlicht. Und die Schecks bezüglich der Platten, CDs und Downloads sind auch nicht zu verachten, also, Dischord steht ganz oben in meinem Punkrock-Buch!

Ihr wart auf zahlreichen Labels, lass uns über diesen alten Firmen reden, was ist aus Fountain of Youth Records geworden?

John: Fountain of Youth wurde von Derrick Hsu gegründet, eigentlich mit dem Zweck, GI Platten zu machen, aber zu der Zeit, als unsere “S/T” (oder “5”, wie einige sie nennen) herauskam, entschieden wir uns für einen Deal mit der Dutch East India Trading Company. Diese haben wiederum Giant Records gegründet, um GI Platten herauszubringen und sie übernahmen den FOY Katalog. Derrick und wir wurden total abgezockt von diesen Motherfuckern. Derrick wurde total missmutig darüber, wie beschissen das Musikbusiness abläuft. Er löste sein Label auf und eröffnete seinen eigenen Buchladen, bis er sich dann zu Ruhe setzte und eine Familie gründete.

GI hörte ich zum ersten Mal auf dem “Flex”-Sampler und dann auf der Doppel-Live auf Lost and Found Records, das war keine Kooperation oder?

John: Für das “Finale”-Album haben wir nie Geld gesehen, aber Lost and Found gab uns eine Box mit den Alben, was sicherlich viel mehr ist, als was sie anderen Bands, die wir kennen, gaben. Ich würde sagen, am Ende haben sie uns schon verarscht.

Du hast an anderer Stelle von deinen guten Erfahrungen mit Mystic Records gesprochen?

John: Besser als Lost and Found haben sie uns schon behandelt, trotzdem würde ich sagen, dass sie uns ein wenig Geld schulden. Aber, sie haben uns nach Kalifornien geflogen und eine Handvoll grossartiger Auftritte organisiert und wir bekamen freie Studio-Zeit, deshalb würde ich sie nicht zu der totalen-Abzieh-Label-Kategorie zählen.

Wie kam Bill von Dr. Strange Records ins Bild, er brachte ja die krasse GI Sammlung eins und zwei heraus!?

John: Bill und die anderen tollen Leute bei Dr. Strange tauchten dann auf, als wir uns entschieden haben, unser altes Zeug neu zu veröffentlichen, aber die Leute von der „Dutch Yeast Infection“ drohten uns, die Dr. Strange Leute zu verklagen, wir nahmen uns am Ende einen Anwalt, damit die einfach abhauen! Ich liebe es, wie Dr. Strange all die Veröffentlichungen gestaltet hat, es hätte echt keine besseren Leute gegeben, mit denen wir hätten arbeiten können.

Dischord veröffentlichte auch GI Material, gibt es noch mehr Kram, der noch ans Tageslicht kommen wird?

John: Es gibt immer noch mehr Material von GI, das noch veröffentlicht werden muss und wir machen eins nach dem anderen, geduldet euch, ha.

Eure DVD kenne ich leider nicht, bist du zufrieden?

John: Mit der „A HarDCore Day’s Night“ bin ich total glücklich, drei der besten GI Auftritte, von denen wir noch Material hatten, sind drauf. Ich mochte es ebenfalls sehr, den Audio-Kommentar draussen vor dem alten Wilson Center Gebäude zu machen, dort fanden viele der besten Zeiten meines Lebens auf und vor der Bühne statt, in dieser grossen feuchten Halle…

Ich las Joe Carduccis Buch „Enter Naomi“ über die verstorbene Naomi Peterson, ihr habt sie mal kennen gelernt auf Tour?

John: Ich bin immer noch traurig, wenn ich daran denke, wie einsam und schmerzhaft ihre letzten Tage gewesen sein müssen. Sie war eine der süssesten, nettesten talentiertesten Frauen, mit denen ich je in Kontakt war. Es macht mich todtraurig, dass ich nicht wusste, wie schlecht es ihr ging und ich wünschte, wir wären in Kontakt geblieben, nachdem sie aus der Musikszene draussen war. Wir begegneten uns zum ersten Mal bei unserer ersten Kalifornien Mini-Tour mit Scream im Sommer 1982.

Beide Bands pennten entweder im Van von Scream oder im ssT Büro. Nach diesem Urlaub / Tour waren Naomi und ich Brieffreunde und wir trafen uns wieder im Sommer 1985, als Mystic Records uns Flüge bezahlte und wir in Hollywood im Mystic-Büro / – Studio untergebracht waren. Sie wollte mit uns abhängen und viele Fotos während unserer Auftritte knipsen. Wir fühlten uns geehrt, dass jemand so talentiertes mit uns abhing. Nach einigen Auftritten haben wir uns ineinander verknallt und das führte zu einer sehr romantischen aber kurzlebigen Zeit. Uns verband die Jahre hinweg ein sehr enges Band.

Als ich in dem „Enter Naomi“-Buch las, dass sie sich sehr über einen Brief von mir freute, riss es mich auseinander, weil, genauso ging es mir ja, wenn ich von ihr Briefe oder Postkarten bekam. Ich denke, wenn es nicht so eine grosse geografische Distanz wäre, denn hätte sich daraus einen lang-Zeit-Beziehung entwickeln können. Ich hoffe, dass Leute, die sie trafen oder ihre Fotos gut fanden, für sie einen Platz in ihrem Herzen haben werden, sie hat es verdient, sie war wirklich eine der grossartigsten Person, die ich kannte.

Ich will nichts gegen Dischord sagen, aber ich hab immer das Gefühl, dass ihr in den 80er auf ssT ebenfalls gut aufgehoben wäret?

John: Wer weiss, hätte vielleicht sein können, G.I. und ssT. Aber wir haben unsere Sache immer so gut gemacht, wie wir es damals halt wussten. Ian erzählt immer, dass ssT eine Blaupause für sein eigenes Label war, deshalb, ja, beide waren gleich visionär.

In einem älteren Interview sagtest du, dass die Zeit, als du jung warst und in dem Dischord Haus abgehangen hast, und ihr zusammen TV glotzt, Cola trinkt und riesige Fleisch-Bohnen-Käse-Burritos verputzt, also, dass diese Zeit deine Lieblings-Jugend-Erinnerung ist. Machst du dann mal schöne memorial-Abende vor deinem Fernseher mit den Mahlzeiten und Drinks, ha?

John: Mann, das waren lustige und verrückte Zeiten, als ich im Winter 1981 für eine wenige Monate im Dischord Haus lebte. Ich garantiere dir, wir haben alle so viel Scheiss 7-11 Junk Food in uns rein gefressen. Und heute sind Ian und ich gesunde Vegetarier, das muss man sich mal vorstellen, haha!

Also, ich würde es nicht memorial-Abende nennen, aber ich und meine Mitbewohner plus Katze haben schon eine gute Zeit vor dem Fernseher, halt Filme oder komische Kabel-Shows gucken, dabei Alkohol trinken, jeder wie er will und Chips essen, ha! Aber keiner von uns (wie einige Dischord-Bewohner) zündet seine Fürze an, während der Fernseher weiter läuft, ha. In dem Punkrock-Haus, da gab’s es echt lustige Abende. Aber das spare ich mir auf für meine Memoiren, ich sag jetzt nichts mehr, ha.

Der Name der NY Band Sheer Terror ist keine Hommage an euren Song?

John: Hört sich lustig an, ich weiss, dass einige dieser Typen einen unseren Gigs im CBGB gesehen haben, deshalb, es könnte möglich sein. Jemand sagte mir, dass sie den Namen eigentlich als medizinische Referenz benutzten, aber das bezweifele ich doch. Es wäre natürlich eine schmeichelhafte Sache, wenn es stimmt…Okay Sheer Terror, fess‘ up because the world wants to know!

Es gibt ein lustiges altes Zitat von dir in einem alten Flipside, „I’m thinking of doing a duet with Sab Grey from Iron Cross. We’ll call it Sab and Stabb…“. Hat das eigentlich mal stattgefunden?

John: Sab und ich waren gute Freunde, als er im Dischord Haus wohnte, aber wir haben ein bisschen den Kontakt verloren. Als er in England lebte, traf ich ihn und wir sind Freunde auf Facebook. Ein Duett haben wir niemals zusammen gemacht, ha.

Alle alten Bands kommen wieder, vor Jahren sah ich mal Iron Cross, total seltsam. Scream spielt in Europa, wann kommt GI auf dem ATP Festival?

John: Iron Cross, Scream und Kingface wünsche ich alles Gute für die Touren, der Scheiss ist jedoch nichts für mich, Mann. Das ATP Festival kann gut ohne GI leben.

KIss oder AC/DC?

John: Willst du mich verarschen, KIss sind im Vergleich zu AC/DC nur mittelmässige Musiker im Klown-Make-up! Wenn du dir den Minor Threat Song „Out of step“ auf 33 Rpm anhörst, hörst du, wie stark Brian Baker von Angus Young beeinflusst war! Und AC/DC inspirierten weiterhin Musiker, derweil KIss einfach lächerlich bleiben.

In der Schule mochte ich beide, aber Angus und seine Jungs, die sind echt klasse und sie schreiben grossartige Songs mit cleveren sexuellen Wortwitzen und Doppeldeutigkeiten. Kiss kommen immer so kindlich rüber.

Hast du noch einen Gruss an die Leser? Danke, John, für das Interview.

John:  Ich hab immer gesagt, dass das Leben eine grosse lange Lern-Erfahrung ist und wenn ich aufhöre, etwas zu lernen, dann war es das. Ich hoffe, jeder lernt dazu. Danke, dass du an mich gedacht hast.

***

Kontakt: myspace.com/governmentissue1

Interview: Jan Röhlk

Links (2015):
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