Juli 22nd, 2019

FLO OPITZ (#161, 2013)

Posted in interview by Jan

„Ich habe einmal bestimmte Aspekte der Wirtschaftspolitik mit moderner Kriegsführung verglichen. In der modernen Kriegsführung versucht man, zu entmenschlichen, das Mitgefühl zu beseitigen. Man wirft Bomben aus 15 000 Metern, aber man sieht nicht, wo sie landen, man sieht keine Schäden. Es ist fast wie in einem Computerspiel. Man spricht von „body counts“. Das entmenschlicht den Prozess. Genauso ist es in der Wirtschaft: Man redet über Statistiken und nicht über die Menschen hinter diesen Statistiken.“

Interview mit dem Dokumentarfilmer Florian Opitz

Einige Filme von Florian kennt ihr, zum Beispiel „Der große Ausverkauf“. In dem Dokumentationsfilm geht es um den Widerstand bezüglich der Privatisierungen von Wasser, Strom, Bahn, Gesundheit und Bildung in England, Südafrika, Bolivien und auf den Philippinen. Florian zu der Intention des Filmes: „Mir ist wichtig zu zeigen, dass die Protagonisten keine passiven Opfer sind, sondern würdevolle und aktive Individuen, die in der Lage sind, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen und die privatisierte Realität, in der sie leben, zu verändern.“ Spannend sind auch die Filmszenen, in denen Joseph Stiglitz (Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften) interviewt wird. Er schrieb das ganz nette Buch „Die Schattenseiten der Globalisierung“. Von ihm stammt im übrigen das Zitat in der Überschrift zu „Der große Ausverkauf“. 

2007 ging Florian nach Nigeria. Dort wurden er und sein Reisebegleiter bei Dreharbeiten in der Ölstadt Warri verhaftet. Sie sollen gegen das Gesetz verstoßen haben, nach dem das Anfertigen von Filmen von Pipelines und Raffinerien der nigerianischen Ölindustrie im Delta des Flusses Niger verboten sei. Das Verfahren wurde später eingestellt. Wie genau das vor sich ging, erfahrt ihr am Ende dieses Interviews.
Der Aufhänger für unser Gespräch war neues Material aus dem Hause Opitz. Sein Buch „Speed – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ wurde im Riemann Verlag 2011 veröffentlicht. Es ist ein klasse Buch! Ende 2012 kam dann auch der gleichnamige Kinofilm.

Der beiden gemeinsame Inhalt in einer Kurz-Skizze: Florian fühlt sich in der widersprüchlichen individuellen Zeitnot-Falle gefangen. Einerseits nimmt die moderne Kommunikationstechnik den Menschen Zeit ab. Aber wo ist dann nur all die Zeit geblieben? Es ist das alte Problem: der widersprüchliche Doppelcharakter und die Paradoxien der kapitalistischen Modernisierung. (siehe Fussnote 1) Möglicherweise sogar die Dialektik der Aufklärung. Denn die Menschen werden anscheinend von ihren eigenen Erfindungen beherrscht. Die neuen Technikspielzeuge sorgen nicht für mehr Freiheit, ganz im Gegenteil werden die Menschen nun von dem digitalen Zeitdruck beherrscht. Sie kommen mit dem Rhythmus der Maschinen nicht mehr mit und versuchen dann, sich selber wie eine Maschine zu verhalten (Verdinglichung nannte man das im Marxismus). Oder sie steigen aus, versuchen, wieder der Herrscher über die Technik zu sein, anstatt sich durch die Technik beherrschen zu lassen. Sie entschleunigen.

Florian macht sich auf die Suche und spricht mit Menschen, die auf ganz unterschiedliche Art und Weise entschleunigen. So interviewet er u.a. einen ex-Banker und nun Aussteiger auf der Alm, eine Unternehmensberaterin, einen Reuters-Informationsbroker in London, einen Berliner Burnout-Arzt und den Sozialwissenschaftler Hartmut Rosa, Professor für Soziologie an der Uni Jena. (siehe Fussnote 2)

Opitz reiste nach Bhutan (bei Tibet), um mehr über das dortige Bruttonationalglücksprodukt herauszufinden. Und flog nach Südamerika und trifft in Patagonien den Gründer von Esprit und North Face, Douglas Tompkins. Für Tompkins hat sich der Ressourcen fressende Hochgeschwindigkeitslebensstil überlebt. Er ist sich sicher: Ein weiteres Wachstum ist tödlich für den Planeten. Eine Alternative sieht er in einer totalen „Beschleunigung der Entschleunigung“ der Wirtschafts- und Lebenskreisläufe.

Ich wollte Florian schon vor einigen Jahren zu dem „Großer Ausverkauf“-Film interviewen. Aber ein Telefon-Interview traute ich mir da noch nicht ganz zu. Nach meinem ersten Phoner mit Ian MacKaye für die # 149 in 2011 bin ich jetzt bereit. Ich rufe in seinem Berliner Büro an, und mit ihm über seine Filme, das Buch und überhaupt Rocket from the Crypt und Slayer zu sprechen. Möglicherweise wird Florian irgendwann die dringend benötigte Chronologie der Geschichte des Hardcore-Punks in Deutschland von 1990 bis 1995 visuell umsetzten (Kollege Oli Cluster Bomb Unit, übernehmen Sie?). Danke an dieser Stelle noch an meine „Informanten“ in Nagold und Potsdam.

Hi Florian, lass uns einfach mit Punk beginnen, du kommst daher, schreibst das ja auch in „Speed“. Wie lief das mir dir und Hardcore?
Das war eine langsame Annäherung. In der Schule halt früher die Fühler ausgestreckt, dann in Karlsruhe ne Platte in dem dortigen Music Pool gekauft, in Baden-Baden gab´s ja keinen richtigen Plattenladen. Ich glaub, meine erste Punkplatte war eine Dead Kennedys LP. Dann kamen die ersten vorsichtigen Kontakte mit älteren Punks. Zu der Zeit wurden in Baden-Baden immer wieder berüchtigte Punk-Hochzeiten gefeiert, über die die örtliche Presse sich dann in Hetzartikeln ausgelassen hat. Von einem dieser Punks bekam ich dann mal einen „Gegen Nazis“-Aufnäher geschenkt. Oh Mann, dafür hab ich dann von irgendwelchen Prolls aufs Maul bekommen. Auf jeden Fall gab es ja dort die JuBe, die Jugendbegegnungsstätte, wo ich später mit Freunden dann auch Konzerte veranstaltet habe.

Dort wo heute das Opernhaus ist?
Genau, das große, moderne, für diese Stadt etwas überdimensionierte, das Festspielhaus von Baden-Baden. Die JuBe war im Seitenflügel. Ich glaube, heute ist da die Garderobe des Festspielhauses. Wir haben da viele schöne Konzerte gemacht, mit geilen Bands.

Bikini Kill?

Genau. Und Unwound, Hammerhead, ABC Diabolo, Acme und wie sie alle hießen, Anfang der 90er. Das war ein sehr kleiner Konzertraum, wo ein paar Leute Konzerte machten. Auch durch X-Mist Armins Hilfe konnten wir teilweise dort Bands veranstalten, die sonst eher nicht in der Provinz spielten, wie eben Bikini Kill damals.

Du hast selber auch Bands gehabt, das waren Zelot und auch Briegel, oder?
Zelot und Egotrip! Thorsten, der Bassist von Egotrip, war ausgestiegen, und da haben die mich gefragt, ob ich bei denen Bass spielen will, obwohl ich gar kein Bass spielen konnte. Ich spielte damals Gitarre und das auch mehr schlecht als recht. Ich meinte also, ich kann nix. Aber Ma und Otto meinten: Macht nix, sie würden auf Tour gehen und mir das beibringen. Meinen Bass haben sie dann auf der Bühne leiser gestellt, was ich aber erst Jahre später von denen erfahren habe (lacht) und ich war dann mehr für die Show zuständig, ha. Das hat dann wenigstens ganz gut geklappt. Zelot war dann eher ein kurzes Projekt von einigen Leuten, die in anderen Bands spielten, Luzifers Mob, Zorn und Ego Trip eben oder ein Label machten, wie Christian Bruder oder ich. Wir hatten damals das Label SPRING gemacht und ich habe noch für das Plot geschrieben. Ich war zu dieser Zeit sozusagen 24 Stunden-Hardcore Funktionär: Label, Band, Konzerte und in einem Fanzine geschrieben. So hätte es auch den Rest des Lebens weitergehen können.

Im Plot hattest du damals sehr schön deine Erfahrung bei Telefon-Interviews geschildert, das war Anfang der 90er mit Rocket From the Crpyt. Wie war das noch mal, schön einen angesoffen mit Six Pack und ner Flasche Apfelkorn?

Six Pack definitiv, das mit dem Apfelkorn weiß ich gar nicht mehr. Das war ein nettes Interview, auch mein erstes interkontinentales Telefoninterview. Die Band war gerade auf dem Major oder irgendwie kurz davor. Das wurde dann von der Pressefrau vom Label eingetütet und ich sollte dann diese Nummer in den USA anrufen. Ich glaube, mein Interviewpartner saß gerade in irgendeinem Hotelzimmer in Los Angeles.

Das war mit Speedo?
Nee, ich glaub, es war der Posaunist. Das war ein total bierseliges Gespräch, in dem es um das Leben an und für sich ging, um in die Brüche gegangene Beziehungen und so. Wir haben uns in bierseliger Laune gegenseitig unser Herz stundenlang ausgeschüttet und die wichtigen Fragen des Lebens thematisiert. Das war ein lustiges Zufallsprodukt, ich hab den natürlich nie in meinen Leben wiedergesehen oder gesprochen, aber ich bin sicher, an dieses Interview werden wir uns beide in 20 Jahren noch erinnern.

Legendärer Artikel auf jeden Fall. Viele der alten Bands waren in den letzten Jahren ja wieder auf Tour. Guckst Du sie Dir dann nochmal an?
Hm, ich weiß nicht. Diese ganzen Bandrevivals gehen mir auf die Nerven und ich gehe selten auf so Konzerte. Ich behalte die Bands lieber in guter Erinnerung und höre mir die Platten hin und wieder noch mal an. Das waren teilweise so wichtige Einflüsse für mich, ich will mir da nicht meine schöne Erinnerung zerschießen und alte Säcke auf der Bühne ansehen, die 20 Jahre erfolglos versucht haben, musikalisch erwachsen zu werden und jetzt aus finanziellen Gründen wieder die Songs spielen müssen, die sie mit 18 gespielt haben. Das finde ich traurig, das will ich nicht sehen.

Das machst du besser als ich. Im Punk kommen seit Jahren massiv Filme und Biopics von Bands, die 56te Ramones DVD zeigt, wie es wirklich war…Interessiert dich das, bleibst du am Ball, würdest du so was selber im Labelauftrag auch machen wollen?
Teils, teils. So reine Fanfilme über eine Band oder Konzertmitschnitte finde ich eher langweilig, aber wenn es gut gemachte Dokumentarfilme über eine Bewegung oder eine bestimmte Szene sind, die mehr erzählen als nur in romantischer Erinnerung zu schwelgen und zu sagen „Man waren das tolle Zeiten damals“, dann schon. Ich sehe das immer unter zwei Aspekten: Erzählen sie eine Geschichte einer Subkultur, einer Band oder eines Musikers, die mich interessiert? Hier ist es also eher das Fan-Interesse, was mich antreibt. Und oder ist es ein gut gemachter Film? Hier ist es eher das professionelle Interesse des Dokumentarfilmers. Das lässt sich aber zum Glück nicht immer so fein säuberlich trennen. Bei der Hammerhead-DVD fühlte ich mich zum Beispiel gut unterhalten, auch bei dem Joe Strummer-Film, ok, der ist von Julian Temple, einem bekannten Regisseur.

Toll ist es, wenn beide Aspekte stimmen. Ich habe neulich diesen fantastischen Dokumentarfilm „Searching for sugarman“ gesehen. Da haben beide Aspekte 100% gestimmt. Unbedingt zu empfehlen. Und um auf Deine Frage zurückzukommen, ob ich mir vorstellen könnte, so einen Musikfilm mal zu machen: Ich habe schon oft drüber nachgedacht, mal einen Dokumentarfilm über diese HC-Szene zu machen, in der ich mitmischte Anfang bzw. Mitte der 90er. Das war eine sehr aktive Szene und ich denke, dass sie viele Leute so geprägt hat, wie mich und dass viele einiges davon mit in ihr weiteres Leben genommen haben. Ich fände es spannend, zu erfahren, was genau das ist oder war. So eine Art Gruppenbiographie. Das wäre spannend, das zu machen.

Das Problem ist halt nur, dass das meiste Material auf VHS oder Hi8 gedreht wurde und das ist nur ein paar Jahre haltbar, dann lösen sich die Bänder quasi auf und alles sieht beschissen aus. Man kennt das von Aufnahmen aus der Wendezeit. Die sehen viel beschissener aus als Filmmaterial aus den 50er Jahren. Ich habe aber große Lust darauf und vielleicht mache ich das auch mal. Wenn das hier jemand liest und Filmmaterial hat, bitte gerne bei mir melden und vor allem BITTE AUF FESTPLATTE DIGITALISIEREN. Das Material wird nicht besser.

Du hast erzählt, dass du durch Zufall Ende der 90er zum Dokumentarfilm gekommen bist; hattest du da Vorbilder, was weiß ich, der humanistische Appell bei Michael Moore?
Ich habe damals in Köln Geschichte studiert und eine Hospitanz in der WDR-Geschichtsredaktion gemacht und bin dadurch in den Bereich Film rein gerutscht. Ich hatte damals gerade eine Seminararbeit zum Vernichtungskrieg der deutschen Wehrmacht und SS im Osten fertig geschrieben und als ich bei der Redaktion meine Hospitanz machte, kochte so langsam die Diskussion über die Wehrmachtsausstellung in München hoch, gegen die immer wieder Neonazis protestiert haben, aber auch bürgerliche Politiker, die meinten: „ Mein Opa war aber kein Nazi“.

Das war ein echt selten vorkommender Zufall, dass ich da als Studi-Praktikant zu diesem Thema besser Bescheid wusste als die Damen und Herren Redakteure und das hat mir dann die Tür geöffnet. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen und Glück gehabt, würde ich sagen. Ich hätte aber nie vermutet, dass das mal mein Job würde, das Dokumentarfilme-Machen. Aus der Hospitanz hat sich dann über Umwege meine erste eigene Dokumentation entwickelt, damals waren die Redakteure noch offener und meinten, „Lass den mal machen“. Ich durfte dann im Anschluss einen Doku-Film zu Jack Kerouacs Romanklassiker „On the road“ machen. Da bin ich mit zwei Freunden auf den Spuren der im Buch beschriebenen Route durch die USA gereist und wir haben darüber einen Film gemacht, seitdem bin ich „dabei“.

Kennst du zufällig diesen SST Records Typ, diesen Henry Kaiser, der soll ja der total wichtige Unterwasser-Doku-Filmer sein?
Der sagt mir jetzt nix. Aber noch mal was zu Michael Moore: der ist ja mit seinen investigativen leicht selbst darstellerischen Verfälschungen in die Kritik geraten. Deshalb ist die Dokufilmerszene auf Distanz zu ihm gegangen. Andererseits ist ihm einfach auch sehr viel zu verdanken. Er hat den Doku-Film wieder zurück ins Kino gebracht und jeder Filmer hätte natürlich gerne einen ähnlichen Erfolg wie er, das muss man auch klar sagen.

Kann man diese Dokumentarfilm-Szene mit der Punkszene vergleichen, also das es da auch den Mainstream gibt und in Berkeley sind die linken Underground-Filmer?
Dokumentarfilmer sind wohl generell eher links anzusiedeln und eher schlecht bezahlt. Inhaltlich kann man da vielleicht grob zwei Richtungen unterscheiden: die, die so 90 Minuten lange, abendfüllende Filme mit einer ganz eigenen Dramaturgie machen, die nicht so formatiert und schematisiert sind wie diese 45 minütigen Doku-Filme á la Guido Knopp. Die sind meist ganz schlecht bezahlt. Und diejenigen, die eben eher diese formatierten TV-Dokus machen und einigermaßen gut davon leben können. Meine Filme würde ich in die erste Kategorie einordnen. Politische Dokumentarfilme fürs Kino und fürs TV. Ich versuche, Filme nicht nur für die zu machen, die eh schon Bescheid wissen. Ich mache keinen Mainstream, aber ich will schon, dass der Film im Kino und später im Fernsehen läuft.

Wahrscheinlich wurdest du das schon tausend Mal gefragt, wie viel ist bei dir Inszenierung, wie authentisch kann ein Dokumentarfilm sein?
Tja, diese Frage ist so alt, wie der Dokufilm selber und natürlich auch total berechtigt. Sobald du mit der Kamera arbeitest, wird es anders und streng authentisch ist es dann nicht mehr. Es kommt aber mehr darauf an, das man versucht, damit in einer guten Art und Weise umzugehen und eben nicht die angenommene Realität bewusst verfälscht durch neue Inszenierungen, um eine gute Story erzählen zu können. Das nennt man dann auch besser Fiktion. Bei den Gudio Knopp-Dingern werden ja die Bombenattentate auf Hitler nach gespielt, das ist deutlich als Inszenierung gekennzeichnet.

Das war allerdings früher für den Dokumentarfilm ein absolutes „No go“, heute ist es die Normalität, dass man diese Methode anwendet. Es gab da ja kürzlich diese Diskussion um den DDR-Skater Film, „This ain´t California“, da wurden viele Szenen und Personen als authentisch benannt, von wegen damals auf Super Acht gefilmt und so. Im Nachhinein kam heraus, dass ein großer Teil nachgestellt wurde und die Leute im Glauben gelassen wurden, dass alles echt ist.

So nahmen das die Leute für bare Münze und als das dann raus kam, fühlten sich viele zurecht verarscht. Es gibt auch ein eigenes Genre, die Mockumentaries, die ganz offen einen Zweifel dahingehend sähen, ob das gerade gezeigte echt oder Fiktion ist. Das finde ich völlig legitim, dieses Fragezeichen mitzuliefern. Da gibt es den berühmten Film, bei dem Leute interviewt werden und im Anschluss wurde das so geschnitten, als habe es die Mondlandung nicht gegeben und sie sei durch Stanley Kubrick oder die CIA inszeniert worden.

Die alte Theorie.
Die sind lustig, diese Mockumentaries. Es gibt halt immer wieder Dokufilme, die nicht offen mit diesem Zweifel spielen, sondern mit allen Mitteln versuchen, dem Zuschauer vor zumachen, dass alles echt ist, das finde ich nicht okay.

Dann würde ich gerne auf deinen Film von 2007, „Der große Ausverkauf“, zu sprechen kommen, ein geiler Film, für den du den Grimme-Preis 2009 erhalten hast… Hast du dich über diesen Preis gefreut, also, den „deutschen Oskar“ zu bekommen?
Absolut! Ich hab drei bis vier Jahre für sehr wenig Geld an dem Film gearbeitet und das ist dann schon klasse, wenn er viel rezipiert und angesehen wird. Ich hatte erst Angst, dass das Thema keinen mehr interessiert, wenn der Film fertig ist, aber es gab tatsächlich unglaubliche Reaktionen, er lief in fünf Ländern ordentlich im Kino, wurde auf über 50 Film-Festivals gezeigt, lief mehrmals im Fernsehen und hatte immer ordentlich Zuschauer. Wir waren häufiger nominiert für verschiedene Film- und Festivalpreise, haben die am Ende aber nie bekommen. Als es dann beim Grimme-Preis endlich geklappt hat, war ich natürlich sehr froh. Mein Vater war früher beim Fernsehen, er war sehr stolz und hat sich sehr darüber gefreut. Leider ist er kurz danach gestorben. Aber es ist schön, dass er das mit dem Preis noch mitbekommen hat.

Du äußerst in dem Film deutlich Kritik an dem Neoliberalismus und beschreibst die Folgen der weltweiten Privatisierungen. Das System befindet sich seit Jahren in einer Art Dauerkrise. Denkst du trotzdem, dein Film hat zu einem Umdenken beitragen können?
Als ich begann, den Film zu konzipieren, konnten die Sender mit dem Thema nichts anfangen, die dachten sofort, das ist super linksradikal, wenn da was kritisches zu Privatisierungen gesagt wird…

Die langhaarigen Bombenleger…
Heute ist es anders und die Botschaft voll im Trend, als der Film erschien, gab es in der Welt am Sonntag einen totalen Verriss, so richtig mit Schaum vor dem Mund. Die haben den Film so beschrieben, als würde ich da RAF-Parolen schwingend durch den Film latschen und die Privatisierung kritisieren, dabei bin ich im Film gar nicht aufgetaucht, nur Betroffene von und Aktivisten gegen die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, wie Wasser- oder Stromversorgung, Krankenhäusern oder Eisenbahnen. Heute ist die Kritik an der Privatisierung Mainstream…du könntest meinen Film auf dem CDU-Parteitag locker zeigen und die Meisten könnten was damit anfangen.

Die Städte machen ja gerade viel rückgängig von den ehemals an private ausgelagerten Bereichen wie Strom und Wasser. Es wurde alles deutlich teurer und somit ist das Gegenteil eingetreten von den Versprechen der Privatisierungs-Befürworter. Für mich war der Film damals radikal und er wurde auch so empfunden, jetzt entspricht er dem allgemeinen kritischen Bewusstsein. Auch bei meinem aktuellen Film „Speed“ gibt es ja wieder Kritik an den Gesellschaftsverhältnissen und den ganzen Zwängen zu Beschleunigung und auch da höre ich immer wieder alle sagen „Schrecklich, das muss man was machen“, aber wir sind ja alle Teil des Ganzen. Eine Reaktion im Hinblick auf die konkrete eigene Veränderung und den Verzicht zu erreichen, das ist noch mal viel schwerer.

Im Spiegel-Interview hast du auch darauf bestanden, dass „Speed“ ein kapitalismuskritischer Film ist.
Ich glaube echt, einige Kritiker haben den nicht zu Ende geguckt. Der Film fängt ja sehr persönlich an, bei mir und meinen Zeitproblemen. Aber der Film ist keine Nabelschau eines gestressten Berliner Filmemachers, denn dann kommt ja erst die große Schleife: es gibt diese hyper-schnellen Finanzmärkte, die diese Hamsterrad-Beschleunigung anheizen. Der Film ist unterhaltend und auch für Leute konsumierbar, die jetzt nicht 1000 Seiten Marx gelesen haben. Aber er ist eben auch in der Unterhaltung eine Kapitalismuskritik.

Ich möchte gerne noch mal einen Schritt zurückgehen, aus meinem Politik-Studium kenne ich einige Bücher von Joseph Stiglitz, das ja die absolute linksliberale globalisierungskritische Koryphäe. In „Der große Ausverkauf“ gibt es dein Interview mit ihm in einem Taxi im verregneten New York. Blöde Frage, aber warst du total locker oder sehr nervös bei dem Interview?
Beides. Locker, aber auch nervös. Seine Frau war für uns der Ansprechpartner und sie hatte mir erstmal bezüglich eines Interviews abgesagt. Auf dem Rückweg von einem anderen Dreh in San Francisco habe ich extra einen Stop in New York City gemacht, weil ich mich bei ihm vorstellen wollte. Ich bin dann zu seinem Haus hin, war, wie gesagt, etwas aufgeregt und hab mir vorher extra nen Anzug angezogen und klingelte dann morgens an seiner Tür und der machte mir auf …..in Boxershorts. Ein Nobelpreisträger in Boxershorts. Das war schon lustig. Wir haben uns dann circa eine Stunde unterhalten und er gab dann das „Okay“ für ein Interview.

Eine andere Berühmtheit in Sachen Kritik am Neo-Liberalismus ist Noam Chomsky, gab es die Überlegung, den auch zu interviewen?
Noam Chomsky hatte ich schon in einem anderem Film interviewt. Das Problem mit Chomsky und Leuten wie Stiglitz ist einfach, dass die wahnsinnig gefragt sind und schon eine Milliarde Interviews gegeben haben. Bei Stiglitz war es trotz Zusage nicht einfach, gutes Material zu bekommen. Wir sind ihm quasi eine Woche in New York hinterher gerannt, und dann nach Ablauf dieser Woche sind zwei Interviews übrig geblieben, die man nutzen konnte.

Es ist dann immer noch mal ein Unterschied, zwischen dem, was die versprechen und was nachher eingelöst wird, so besonders tiefgründig war es dann gar nicht mit Stiglitz. Du bist eher nervös aus einem ganz anderen Grund. Wir waren eine Woche in der Stadt, ich hatte einen Kamera- und Tonmann dabei, die wollen ja auch bezahlt werden und das Warten ist nervig. Und dann hast du endlich den Typ greifbar im Taxi, kannst ihn interviewen und es muss dann alles klappen, es ist nicht wiederholbar und fand auf dem Weg von einem Termin zum nächsten statt. Das ist natürlich ein ziemlicher Druck.

Das hört sich an wie in dem „Speed“-Buch, also dein letztendlich von Erfolg gekrönter Versuch, den 40 Minuten Gesprächsslot mit der Unternehmensberaterin bezüglich Rationalisierungen und Beschleunigungen zu bekommen.
Genau, das war ähnlich, ich meine, die Leute sind alle nett, aber eben super beschäftigt. Durch eine gewisse Hartnäckigkeit kommt man dann schon an die ran. Man muss auch sagen, dass die Leute im Film manchmal besser rüber kommen, weil man nicht mitbekommt, wie kompliziert die sind. Auch Stiglitz hat nicht nur eloquent brilliert im Interview. Manchmal ist es auch eher ein Verdienst des Cutters und Regisseurs, die durch ihre Auswahl dafür sorgen, dass die Interviewpartner nachher gut im Film rüber kommen.

Dein letzter Kinofilm SPEED wurde auch breit rezensiert, im Deutschlandradio, in der Zeit, im Spiegel und in der Taz. Was ich sehr kurios fand, waren die Szenen in Bhutan, wo du dem Bruttonationalglück nachforschst und den ausgestiegenen Gründer von „The North Face“ und „Esprit“ in Südamerika besuchst. Waren diese beiden Interviews auch aus deiner Sicht die Kuriositäten?
Also, ich wusste schon ein wenig, was mich erwartet. Zu Tompkins hatte ich viel gelesen und auch zu Bhutan, aber ich wollte mir das vor Ort anschauen, ob das alles beispielsweise nur das Hobby eines Multimillionärs ist. Ich war sehr beeindruckt, als ich das sah. Klar, der hatte genug Geld aus seinem ersten Leben, aber er hatte wirklich einen radikalen Lebenswandel hinter sich. Er unterstützt radikale Umweltorganisationen. Er ist zuletzt auch als kleiner Matrose bei Sea Shepherd mitgefahren, dass ist dieser radikale Ableger von Greenpeace, die die Walfangboote in der Antarktis stoppen.

Diese Japaner…
Er meinte, das wäre die schönste Zeit in seinem Leben gewesen, also, er unterstützt auch andere Leute, die sich für radikalen Umweltschutz oder Wachstumsverzicht einsetzten.

Der kauft sich da in Chile einen Nationalpark zusammen, kannst du das noch mal erklären?
Genau, um das Land der industriellen Verwertung und dem Ressourcenabbau zu entziehen, er gibt das dem Staat mit der Auflage zurück, dass die Gebiete unangetastet bleiben. Seine Frau macht etwas ähnliches in Argentinien, beide versuchen, Land zu kaufen und aufzuforsten, um so die Umwelt zu schützen.

Da gab es den Film-Verriss in der „Zeit“ von wegen, dass es sehr klischeehaft wäre, den ausgestiegenen Investmentbanker auf der Alm zu zeigen und das so was nicht als Vorbild für alle funktionieren kann. Das fand ich falsch. Aber gut fand ich dann die Bemerkung, dass da jemand sich über mangelnde persönliche Zeitorganisation „beschwert“, und erst mal dann um die Welt fliegt, um der Sache auf den Grund zu gehen, ha.
Aber das sage ich auch selber! Ich bin kein Missionar, der alles richtig macht, ich bin der gelebte Widerspruch.

Ha, das hast du schön gesagt.
Damit gehe ich ja auch ironisch im Film um. In dem Zeitartikel kommt es so rüber, dass ich die Episoden dem Zuschauer als Lösung verkaufe, ich lasse das doch völlig offen, und es ist klar, dass wir nicht alle Käse auf der Alm machen können. Aber das sind halt nahe liegende Beispiele von Aussteigern, die sich auf einem Bauernhof niederlassen. Das hat sich jeder sicherlich schon mal vorgestellt, deshalb greife ich das auf. Das mag naiv sein, aber ich will das heraus finden. Deshalb denke ich schon, dass die Kritik die Ironie einfach nicht verstanden hat.

Ich hatte aber schon den Eindruck, wenn du dich aus den verschiedenen Modellen entscheiden müsstest, dass du am meisten Sympathie für den Alm-Aussteiger hast? Obwohl du auch klar sagtest, dass es dann noch nix für dich ist.
Ich weiß nicht, man überlegt ja immer, gerade als junge Familie mit zwei kleinen Kindern in Berlin-Kreuzberg, ob das die beste Wahl ist, so als Großstadtfamilie. Wäre es nicht besser, wenn die Kinder in den Wald gehen oder in der Natur spielen könnten, wenn immer sie wollten, anstatt zwischen Hundescheiße und kaputten Bierflaschen und so. Aber ich bin kein Bauer und auch handwerklich nicht besonders geschickt. Ich wüsste auf der Alm gar nicht, was ich da machen könnte. Deshalb ist es keine Option, aber auf der anderen Seite es wäre sicherlich für ne Weile ein reizvoller Verzicht und man würde einen ganz anderen Input und eine völlig andere Lebensqualität zurückbekommen.

Du hast in Bhutan auch mit dem zuständigen Glücks-Minister und einigen Radio-Journalisten gesprochen.
Ja, die setzen da das System richtig um, nach empirischen wissenschaftlichen Forschungen.

Ich hab das echt noch nie gehört mit dem Bruttonationalglücksprodukt, ist das ein Marketing Trick in einer korrekten Diktatur, wie schätzt du das ein?
Genau das habe ich mich auch gefragt, ob es nicht nur ein Marketing Trick oder so ne Art nordkoreanische Propaganda oder so ist. Aber ich hatte den Eindruck, dass man dort ernsthaft versucht, dem westlichen kapitalistischen System etwas sinnvolles entgegenzusetzen, was eben auch nicht Kommunismus ist. Ein Mittelweg vielleicht. Der Bhutaner soll idealerweise nur acht Stunden am Tag arbeiten, acht Stunden schlafen und die restlichen acht Stunden Zeit haben, für die Familie, für das Bogenschießen, scheiß egal. Zeit ist hier eine ganz wichtige Dimension und nicht dieses auf Effizienz getrimmte Rationalisierungskalkül wie in den kapitalistischen westlichen Gesellschaften.

Die Messsage von „Speed“, zumindest für dich selber als Lehre, bestand ja in ein paar Strategien: sich eine Auszeit gönnen nach dem Ende von Projekten, bewusster mit der Zeit umgehen, nicht mehr alles wahrnehmen und ein bewussterer anderer Umgang mit den technischen Spielzeugen. Klappt es bei dir?
Es geht so. Ich bin ja schon auf Technik angewiesen, wir waren jetzt vier Wochen auf Tour mit dem Film, das fühlte sich an wie früher die Bandtouren. Es ist praktisch, das Büro dann unterwegs und den Rechner dabei zu haben, aber ich versuche, die Arbeit nur noch in bestimmten begrenzten Tageszeiten zu erledigen.

Zu Nigeria könnte ich dich viel fragen: Du warst da wegen Recherchen zu einem Film mit deinem Kameramann Andy 2007 zwei Monate in Haft (siehe Fussnote 3). Dazu könnte ich Dich viel fragen, aber entscheidend ist, dass das Verfahren gegen euch eingestellt wurde. Es gab ja auch ein Benefiz-Konzert, kannst du das mal erläutern?
Am Ende des Verfahrens mussten wir 60 000 Euro an die Anwälte zahlen. Die deutsche Botschaft besorgte uns Anwälte, als wir noch in Haft waren, wir haben die also gar nicht vorher kennen gelernt und uns erschien es ratsam, das natürlich direkt zu akzeptieren. Wir haben uns da schon gedacht, dass wir das Geld bei der Rückkehr irgendwie zusammen bekommen. So was zahlt die Bundesrepublik ja nicht für dich, bei Entführungen oder Geiselnahmen ist das anders, aber wenn du in einen Strafrechtsprozess kommst, auch wenn er total an den Haaren herbeigezogen ist, dann musst du das selber zahlen, die offiziellen deutschen Auslands-Behörden helfen dir, aber zahlen musst du selber.

Manchmal macht das ja auch Sinn. Wenn du zum Beispiel beim Drogenhandel im Ausland festgenommen wirst, dein Pech und da kommt dann nicht der deutsche Steuerzahler für auf. Wir sind beide Verdi-Mitglieder und Verdi schoss 20 000 Euro dazu. Der WDR und der Bayerische Rundfunk, die den Film machen, haben beide dankenswerterweise je 10 000 Euro beigesteuert. So blieben noch 20 000 Euro übrig. Leute, die wir kannten und die in Bands spielen, das sind ja auch ehemalige HC-Leute, zum Beispiel Philip, ex-Queerfish aus Bremen, dem ich auch hier noch mal danken möchte.

Ah, der bei Creative Talent Booking arbeitet?
Ja genau, er hatte gute Verbindungen zu Wir sind Helden und Thees von TOMTE ist ein Kumpel aus unserer alten Studienzeit in Köln. So kam es dann zu einem einmaligen Benefizkonzert in Hamburg, mit TOMTE und Wir sind Helden. Dieses hat uns die fehlenden 20.000 Euro eingespielt.

Was hast du für Zukunftsprojekte?
Ich will mich weiter mit dem Thema Alternativen zum Kapitalismus beschäftigen. Ich meine, es geht nicht darum, zu jammern. Aber mit diesem System kann es einfach nicht weitergehen. Die Leute müssen erfahren, dass es fruchtbare Projekte schon jetzt gibt, damit wir uns aus dem Kapitalismus befreien können.

Der Klassiker am Ende: AC/DC oder KISS?
Eher AC/DC, ich bin aber von beiden kein großer Fan, deshalb Slayer!

Ha, cool, hier „Auschwitz – the meaning of pain“ und so…
Yeah, wenn du mich so fragst, eher Slayer.

Vielen Dank für das Interview.
Gerne, ciao.

Abschließend noch der Überblick über das filmische Schaffen von Florian Opitz:
1998 Jack Kerouac – On the Road/ ARTE
2000 Blitzmädchen im Einsatz. Frauen in der Wehrmacht/ WDR
2001 Tibet – Mythos und Wirklichkeit/ Arte
2002 Das Ende der Ratlosigkeit – Die Entstehung einer neuen Protestkultur/ WDR/ARTE
2002 Goliaths Albtraum. Globalisierungskritiker seit Genua/ WDR
2003 Blut für Öl. Kriege um das schwarze Gold/ WDR/ARD
2003 Die Araber – Geschichte eines Feindbildes/ WDR/ARD
2004 Die Jagd nach dem Killervirus/ WDR/ARD
2005 Kriegsende an Rhein, Ruhr und Weser/ WDR
2007 Der große Ausverkauf
2009 24 h Berlin – Ein Tag im Leben (Regie einer Episode)
2012 Speed – Auf der Suche nach der verlorenen Zeit.

Interview: Jan Röhlk
Kontakt: speed-derfilm.de

Fussnoten:

1. Paradoxien kapitalistischer Modernisierung, das ist auch das Forschungsthemas des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt am Main, das legendäre Institut der Frankfurter Schule, einst um Adorno und Horkheimer gegründet. Heute ist der Chef der Sozialphilosoph Axel Honneth. „Von einem solchen paradoxalem Geschehen können wir in Bezug auf gesellschaftliche Entwicklungen immer dann sprechen, wenn ein- und derselbe Strukturwandel durch dieselben Mechanismen, die moralische, rechtliche und materielle Fortschritte zustande bringen, diese normativen Errungenschaften auch wieder gefährdet, weil durch ihn die sozialen Voraussetzungen für deren Wahrnehmung zerstört werden oder der Sinngehalt jener Errungenschaften folgenreich verkehrt wird.“ Vgl. www.ifs.uni-frankfurt.de/institut/programm.htm

Interessant ist in diesem Kontext, die alten Schriften der Kritischen Theorie zu der Verdrehung von Mitteln und Zwecken zu lesen. Aktueller denn je erscheint dann die Diagnose von Max Horkheimer in der 1947 zuerst unter dem Titel „Eclipse of Reason“ publizierten Schrift („Zur Kritik der instrumentellen Vernunft“, Frankfurt 1985, S. 174): „Wenn wir unter Aufklärung und geistigem Fortschritt die Befreiung des Menschen vom Aberglauben an böse Kräfte, an Dämonen und Feen, an das blinde Schicksal – kurz, die Emanzipation von Angst – verstehen, dann ist die Denunziation dessen, was gegenwärtig Vernunft heißt, der größte Dienst, den die Vernunft leisten kann.“

2. Rosa schrieb das Buch „Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne“ (2005) und das ganz große Werk „Soziologie – Kapitalismus – Kritik: Eine Debatte“ (2009, zusammen mit zwei weiteren Soziologie-Professoren von der Uni Jena).

Ein Auszug aus seinem Beitrag an der Stelle („Antagonisten und kritische Integrationisten oder: Wie gehen wir mit dem verdorbenen Kuchen um?, S. 265 – 279, hier S. 278f): „Sicher sind wir auf unterschiedliche Weise von der Formationslogik des kapitalistischen Systems betroffen. Aber hinter allen aus Antagonismus des Klassenkampfes resultierenden Differenzen prägt diese Formationslogik alle ihre Subjekte – das ist eine Einsicht, die durchaus auch Marx teilte. Das bewusstseinsbestimmende gesellschaftliche Sein wird auch nicht nur durch die positionalen Differenzen bestimmt. Auch der Kapitalist ist nicht frei, auch er agiert nur als Charaktermaske, auch er ist nach Marx ein Getriebener der endlosen Kapitalbewegung, deren Werkzeug er ist. Und mit Blick auf eine mögliche ökologische Katastrophe oder einen „nuklearen Holocaust“ sitzen wir endgültig alle im selben Boot. Dass einige über eine Sicherheitsweste und einen Rettungsring verfügen, wird ihnen dann nicht mehr viel helfen.“

3. Infos dazu: http://mmm.verdi.de/archiv/2007/11/internationales/unter_spionageverdacht

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