April 8th, 2020

DEATH BEFORE DISHONOR (#142, 2010)

Posted in interview by Thorsten

Ich stehe nichts Böses ahnend im Kölner Underground, der auch schon mal kleiner, da aber voller war, und nippe an meinem Getränk als die Frau, die vor mir steht ihr linkes Bein unerwartet nach hinten schnellt und mein Schienbein trifft. Das gibt einen guten blauen Fleck, aber bei einer Hardcore-Show wird das sicher nicht der letzte bleiben. Der Two-Step in seiner auf aggressive Musik abgewandelten Form ist mindestens so alt wie der Stil, den sich der Bostoner Fünfer auf die Fahne geschrieben hat um damit, wie es scheint, ununterbrochen zu touren. Ich habe nur ein kurzes Stelldichein mit Sänger Bryan.

„Es läuft super, ich kann mich nicht beschweren“, sagt er „vorher waren wir fünf Wochen in den USA auf Tour und sind dann direkt hierher geflogen, wir sind also seit einigen Monaten pausenlos unterwegs, aber man gewöhnt sich dran. Wenn du jede Nacht spielst wirst du natürlich irgendwann müde und hast genug. Die ersten paar Tage oder Woche zu Hause wollen wir die anderen dann auch erstmal nicht sehen, aber sobald ein gutes Konzert stattfindet, sind wir am Start. Wir sind gute Freunde, und da wir uns so oft sehen sind wir eine Familie geworden, also hängen wir auch privat viel rum, wir müssen uns nicht mal absprechen, wir sind einfach oft zufällig in denselben Läden, bei Konzerten zum Beispiel.“

Wie sich später herausstellt, ist das gemeinsame Abhängen aber doch meist auf den Tourbus beschränkt, da die Band selten länger als zwei oder drei Wochen in Boston verweilt bevor es wieder losgeht. Länger reicht auch das Geld nicht, meint Bryan, ansonsten müsse man sich irgendeinen blöden Job suchen, da kann man auch gleich mit der Musik weitermachen. Dieses Credo verfolgen schließlich derzeit auch viele der alten „This is Boston not L.A.“-Bands. The Freeze hatten zuvor in Köln gespielt, und sogar weniger Publikum als die jüngeren Kollegen gezogen.

„Das inspiriert uns natürlich, dass eine Band immer noch ihr Herzblut in eine Sache steckt, mit der sie nun wirklich nicht reich geworden sind. Komischerweise gibt es in Boston aber nicht diese Bands, die es in New York gibt, wie Madball, Agnostic Front und Sick Of It All, die kontinuierlich weitergemacht haben. Viele Bands in Boston lösen sich immer mal wieder auf und spielen dann wieder ein oder zwei Konzerte. Slapshot fiele mir da spontan ein.“

Ihr neues Album Better Ways To Die ist bereits ihre sechste Veröffentlichung auf Bridge 9, die fast synchron mit der Band erfolgreicher geworden sind.

„Als wir zu Bridge 9 gingen waren wir noch nie in Europa und hatten gerade mal eine Woche Kalifornien betourt, ansonsten gab es Konzerte an den Wochenenden. Wir brauchten auch erstmal eine Fangemeinde damit wir zumindest kein Geld verloren und Bridge 9 hat gute Arbeit geleistet. Durch den Durchbruch von Bands wie American Nightmare hatten sie dann auch selber mehr Möglichkeiten größere Veröffentlichungen zu planen wie H20 oder New Found Glory, die wiederum das Übrige für’s Label taten und ich finde es gut und wichtig, dass sie so professionell arbeiten, wir tun das ja auch. Ich kümmere mich noch viel um’s Booking. Wir haben natürlich Agenten, aber ich habe das letzte Wort, gerade in den USA kenne ich ja auch die ganzen Leute und kann das einschätzen. Ich kümmere mich um das Geschäftliche, Franky schreibt die meisten Songs, Ben ist mehr der technisch versierte und weiß was gut klingt, wir teilen die Aufgaben da schon auf.“

Auf dieser Tour gibt es auch zwei neue Gesichter, Rob am Bass und Memphis hinterm Schlagzeug, beide tighte Spieler, die gut ins Bild passen.

„Wir ziehen eben alle an einem Strang, die beiden neuen sogar etwas fester, um sich zu profilieren. Man muss aber auch dazusagen, dass wir beide seit Jahren kannten, Rob sowieso, aber auch mit Memphis‘ Band haben wir vier Wochen getourt und immer wenn wir in Denver waren hat er das Konzert veranstaltet. Wir müssen eben auch sicher gehen, dass wir mit diesen Leuten nicht nur musikalisch auskommen, sondern auch mit ihnen neun Monate pro Jahr in einem Van leben können.“

Death Before Dishonor sind bereits zum neunten Mal in Europa, die USA, Kanada und Mexiko haben sicher eben so viel von ihnen gesehen und in Japan waren sie auch bereits unterwegs. Andere Erdteile lassen sich aber schwieriger erschließen und wo man schon öfters war ist es auch immer leichter wieder hin zu kommen.

„In Europa bestimmen wir den Zeitraum und es klappt immer, in Australien würden sie nie mehrere US-Bands auf einmal buchen. Wenn Terror dort im Januar ist kannst du den Anfang des Jahres erstmal haken. Sobald du aber einmal da warst, kennen sie dich, dann wird es leichter. Wir würden super gerne mal nach Südamerika und das ist auch in der Planung. Jetzt werden Madball, Agnostic Front und Terror dorthin fahren und wir werden sehen ob es gut läuft und sich für uns lohnen kann. Ich finde es immer spannend irgendwo zu spielen wo man noch nie war, die Kultur kennen zu lernen, und die Szene. Dann ist mir auch egal wie die Reaktionen ausfallen, aber natürlich ist es am Schönsten zu merken, dass obwohl die äußeren Umstände so unterschiedlich sind, wir auf einem bestimmten Level interagieren und uns auch verstehen können, trotz all dieser Unterschiede.“

Bei so großen Plänen und so vollen Terminkalendern stellt sich eigentlich nur noch die Frage, ob da noch Zeit bleibt Inspiration für neue Musik zu finden.

„Wir haben zum ersten Mal für diese Platte ein halbes Jahr Pause gemacht und die ersten paar Monate haben wir noch gar nichts geschrieben, die brauchten wir um den Kopf frei zu bekommen. Wenn man nur Konzerte gibt zehrt es sehr an der Substanz, natürlich sieht man viele coole Bands, kann sein Zusammenspiel verbessern und festigen wo man hin will, aber man ist oft auch losgelöst von allem. Ich lese jeden Tag die Nachrichten von zu Hause und bin in Kontakt mit den Leuten und ich habe natürlich auch viel Zeit auf Tour um das zu verarbeiten und Texte zu schreiben.“

Während Bryan und seine Bandmitglieder mal wieder in Europa sind, lehnt sich die US-Bevölkerung gegen ihren Traumprinzenpräsidenten auf.

„Natürlich tun sie das, sie sind Amerikaner, sie sind verrückt. Wir schreiben eher persönliche Texte, die vielleicht einen Hauch des Politischen haben, aber was ich so mitbekomme war vorhersehbar. Es wurde alles auf eine Karte gesetzt, auf den Wandel, und der kommt nicht über Nacht und jetzt ist da diese Wut. Jeder Präsident der USA war scheiße, es ist schon fast egal wer da sitzt. Ich liebe mein Land, aber es herrscht viel Ignoranz dort. Es hat sich schon etwas geändert, weil Obama eine ganz andere Moral ausstrahlt. Bush war einfach nicht zeitgemäß, aber die USA wird im Prinzip von großen Firmen regiert, und gegen die kommt ein Mann eben nicht an, aber er hat viele wichtige Probleme erkannt und geht sie an, wie zum Beispiel das Krankenversicherungssystem. In Massachusetts bist du versichert wenn du arbeitslos bist, und da wir mit der Band kaum etwas verdienen trifft das auf uns zu, aber wenn wir arbeiten können wir uns das oft nicht leisten, es ist paradox.“

Roger Miret hat sich mal den Rücken gebrochen und konnte auch ohne Krankenversicherung überleben, weil viele befreundete große Bands ein Benefizkonzert für ihn gaben. Die Hardcore-Gemeinde fängt solche Fälle also manchmal auf. Trotz des gewalttätigen Tanzens entsteht das Zusammengehörigkeitsgefühl auch durch die Energie der Band bei einer Death Before Dishonor Show.

„Für mich ist es am Wichtigsten den Kids ein gutes Konzert zu bieten, damit sie unsere Energie spüren können und daran teilhaben. Es geht nicht um ein technisch perfektes Set. Wenn die Musiker herumspringen, werden sie sich verspielen, aber sie machen etwas anderes richtig, und das ist wichtiger.“

Roger Miret ist auch mittlerweile ein guter Freund von Bryan, während der Touren mit Agnostic Front sind die Bands zusammengewachsen.

„Er macht das schon sein ganzes Leben lang, bevor es Handys gab, oder das Internet hat er Hardcore gelebt und war immer unterwegs, das hat mich schon immer sehr inspiriert und jetzt machen wir das zusammen, das bedeutet mir sehr viel. One Voice war das zweite Album das ich je kaufte und da haben sie einfach alles richtig gemacht, sie waren so fortschrittlich in ihrem Sound“.

Dieses Album müssen Death Before Dishonor zwar noch schreiben, aber bis dahin machen sie schonmal viel Freude live.

Text/Interview: Alva Dittrich

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