November 30th, 2016

Das ZickZack Prinzip – Alfred Hilsberg Ein Leben für den Underground, Christoph Meueler

Posted in bücher by Dolf

Heyne Hardcore, Neumarkter Str. 28, 81673 München, www.randomhouse.de

daszickzackprinzip

Soviel gleich vorneweg, sehr gut recherchiertes und geschriebenes Buch, welches massig Hintergrundwissen und historisch wichtige Fakten liefert. Das es um eine Szene geht, die für die meisten Trust-Leser schon immer uninteressant war ist wieder eine andere Geschichte, doch der Reihe nach. Eigentlich sollte es ja eine Autobiografie werden, allerdings sorgten zeitliche und gesundheitliche Gründe dafür das es nun eben eine Biografie wurde – was aber gar nichts macht weil der Autor das prima umgesetzt hat. Es geht los mit dem Oberkapitel „Fünfziger und Sechzigerjahre“ welches in 17 Unterkapiteln erzählt wo Hilsberg herkommt, wie er aufwuchs, sein erstes Konzert (Amon Düüll II) seine langsame Politisierung und wie er zuallererst mit dem Filmemachen zu tun hatte. In „Siebzigerjahre“ geht das so weiter, ist aber alles sehr interessant, weil man z.B. erfährt das Stefan Aust zu der Zeit bei den St. Pauli Nachrichten mitgemacht hat.

Und Hilsberg Politisierung geht natürlich auch weiter. Sein Ur-Punk Erlebnis hatte Hilsberg dann 1976 als er zum ersten Mal The Dammed in London sah. Und dann nimmt nicht nur sein Leben fahrt auf, sondern natürlich auch der Gehalt des Buches. Man erfährt praktisch alles was für die Entstehung von Punk damals in Deutschland wichtig war, Into the Future, Rip Off, Zensor, Zickzack, Sounds… Höre, staune, gute Laune. In den „Achtzigerjahre“ geht es dann weiter mit der Entwicklung des Labels, gegen die Industrie und Hilsberg fährt auch schon die ersten Kritiken ein. Dann kommt natürlich die NDW (Neue Deutsche Welle) und man kann plötzlich massig Geld verdienen, was natürlich die ganze Sache nicht unbedingt einfacher macht. Daraufhin wird das Label What’s so funny about gegründet und auch hierzu massig mehr oder weniger interessante Geschichten.“Neunzigerjahre“ ist dann praktisch schon die Geburt der „Hamburger Schule“ bzw. deren Vorläufer (Huah!, Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs) und natürlich das Fallen der DDR sowie die Aktion 80.000.000 Hooligans… es ist auch hier viel umfangreicher als ich beschreiben will. Zum Schluss dann die „Nuller- und Zehnerjahre“ wo es dann mit der CD zu ende geht, aber auch mit Wsfa, dies wird hier chronologisch abgearbeitet ohne Langweilig zu werden. Kurz gesagt, es ist ein spannendes Buch über eine musikalisch meist langweilige Szene. Denn im Rückblick ist es so das für die „Independent“ Szene die sich irgendwann aus der, sagen wir, Kunst Punk Szene entwickelte einfach ein ganz anderer Personenkreis zuständig war, als für Punk oder den sich dann später entwickelten Hardcorepunk. Das macht auch gar nichts, aber – und das war sicher nicht bewusst – wenn man will kann man die ganzen Schwächen dieser Szene und vor allem seiner MusikerInnen bzw. deren Musik aus dem Buch lernen. Oftmals handelt es sich um geltungsinteressierte Möchtegern-Künstler die meist nichts wirklich originelles können außer sich und ihr meist zu großes Ego – oftmals gepaart mit einem Psycho-Knacks – hinter ihrem Tun zu verbergen ohne dabei unsichtbar zu werden. Dabei geben viele vor das sie politische Inhalte haben und gebären sich auch gegen den Kapitalismus – der anderen, wenn es darum geht das sie selbst kräftig Geld verdienen sollen ist das natürlich was anderes. Was leider auch bei Hilsberg der Fall zu sein scheint, zum einen ist er als Labelmacher scheinbar öfter wichtiger als seine Künstler, zum anderen gab es auch einige Ungereimtheiten bei der Auszahlung fälliger Tantiemen – um es mal schön geredet zu schreiben. Das steht da so nicht im Buch, aber das kann man nochmal da so rausziehen, beim lesen. Auch interessant wieder zusammengefasst zu bekommen, wer damals schon wo mit am Start war und heute immer noch mehr oder weniger erfolgreich dabei ist. Das war mir in einigen Fällen gar nicht klar – kein Wunder – wie gesagt, nicht meine Szene. Wie dem auch sei, wie man merkt bin ich kein großer Fan, fand das Buch aber völlig interessant zu lesen, natürlich auch weil ich vieles bestätigt gefunden habe. Für Artsy-Fartsy/IndieRock/NDW/Hamburger Schule-Fans sicher ein muss, man kann das auch alles nicht mögen und hat dennoch eine gute Zeit mit dem Buch. 384 Seiten, gebunden. 22,99 Euro (dolf)

Isbn 978-3453168039

[Trust # 180 September 2016]

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