März 17th, 2007

DAELEK (#110, 02-2005)

Posted in interview by andreas

Eine echte „wall of noise“ ist das, was da von der Bühne kommt. Mit HipHop, so scheint es für einen Moment, hat das wenig zu tun – mit Industrial, das wohl eher. Das Publikum besteht aber trotzdem zur Hälfte aus HipHoppern, den Rest machen Krach-Fans aus. Auch ein verlorener Krautrocker mit langem Haaren und in Siebziger-Jahre-Klamotten ist irgendwo zu sehen. Dälek ziehen schon eine zwar kleine, aber bunte Mischung an.

Verwunderlich ist das nicht: Einerseits ist das, was Will Brooks macht (der echte Name der Person Dälek), Sprechgesang, andererseits gibt es eben dieses Krachelement, das Soundspezialist Oktopus und Turntablist Josh hinter ihm aufbauen. Und zwar volle Breitseite. Deswegen ist vermutlich nicht verwunderlich, dass das Trio Dälek immer auf den entsprechenden Labels gewesen ist:

Das erste Album bei Gern Blandsten, dem Label des ehemaligen Rorschach-Sängers Charles, die beiden nachfolgenden Platten auf Mike Pattons Projekt Ipecac, wo sie sich ganz wunderbar zwischen Isis, Melvins oder Fantomas einfügen. Und zwischendurch noch eine Kollaboration mit den deutschen Krautrockern Faust, was auch den einen Hippie beim Konzert in Berlin erklärt. Und weil die Mischung so wunderbar ist, soll hier Dälek – die Person – auch mal Rede und Antwort stehen.

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Eine Bekannte von mir sagte kürzlich, dass sie HipHop nicht mag – ihr sei die Musik viel zu sexistisch. Ich empfahl ihr daraufhin, doch mal Dälek zu hören, weil das für mich die Antithese zum Mainstream-HipHop darstellt. Ich bin mir aber nicht mehr so sicher, ob diese Beschreibung passt: Wenn ihr die Antithese sein würdet, müsstet ihr ja irgendeine Verbindung zu dieser Musik haben.

Will: Ich kann ihre Meinung vollkommen verstehen, sie hat natürlich Recht mit ihrer Kritik. Mich ärgert, dass diese Musik als HipHop durchgeht – das hat natürlich nichts mit dem zu tun, was auf der Strasse passiert oder mit Underground-Künstlern. Diese Leute sind dafür verantwortlich, dass Klischees entstehen – als ob alle Hispanics oder Schwarzen mit dickem Schmuck durch die Gegend rennen würden und fette Autos fahren. Für mich ist das aber kein HipHop. Das ist Popmusik, der Unterschied zu Christina Aguilera zum Beispiel ist gering. Und so gesehen haben wir dann tatsächlich nichts mit dieser Art von Musik zu tun.

Du erwähnst in deinen Texten des öfteren „Ministrels“, also diese Shows, in denen Weisse schwarz angemalt auftraten und sich zu Idioten machten…

Will: …Weil diese Sänger für mich genau das sind: Sie sind Schwarze, die sich wie Weisse, die sich schwarz angemalt haben, benehmen. Wie in den Ministrel-Shows eben. Sie lassen sich von irgendwelchen Firmen diktieren, was sie darzustellen haben. Klischees eben. Was ja auch funktioniert. Als ich kürzlich in Los Angeles war, wollte ich auch gerne South Central LA sehen.

Weil du den Michael-Moore-Effekt ausprobieren wolltest?

Will: Das vielleicht auch. Aber mein Bild ist natürlich auch durch Filme oder Videos auf MTV geprägt. Meine Freunde sagten dann aber, dass South Central auch nur irgendeine langweilige Nachbarschaft sei. Und sie haben damit vollkommen Recht. Die Gegend, in der ich in Newark wohne, hat auch einen schlechten Ruf. Aber was soll ich sagen? Die Nachbarschaft gefällt mir, ich lebe dort gerne. Natürlich gibt es Gebiete, in denen man nachts um halb vier nicht mehr unbedingt alleine unterwegs sein sollte, vor allem als Fremder. Aber mit Sicherheit habt ihr solche Nachbarschaften auch hier in Berlin, wo ich mich nicht rumtreiben sollte.

Um auf eure Musik zurückzukommen: Was für Leute sprecht ihr denn an? Kommen in den USA zu euren Shows auch afro-amerikanische Kids, oder sind das eher Indierocker?

Will: Das ist sehr gemischt, aber HipHop hat ohnehin eher ein weisses Publikum, das ist schon sehr lange so. Bei uns kommen Metaller genauso wie Indie-Fans oder HipHopper.

Ich erinnere mich daran, dass Public Enemy von sich einmal sagten, sie seien das CNN der Schwarzen. Wie seht ihr euch denn? Ihr seid ja wesentlich kleiner.

Will: Das war auch tatsächlich so, dass Public Enemy damals diese Funktion hatten. Sie waren in der idealen Position, dass sie ihre Ideen über ein Major-Label an ein grosses Publikum verbreiten konnten. Wir sind also vielleicht nicht CNN, aber doch immerhin eine kleine Radiostation. Ich glaube, dass das den Plattenfirmen und den Mächtigen damals Angst gemacht – ohne dass ich jetzt wie ein Verschwörungstheoretiker klingen möchte. Aber es ist natürlich gewollt, dass intelligente Musiker mit einer Aussage nicht gross werden.

Das gilt aber nicht nur für HipHop, das gilt für andere Musikarten auch.

Will: Natürlich. Punkrock ist der andere wichtige Stil, mit dem rebelliert wurde. Ich denke da zum Beispiel an Jello Biafra. Und was ist aus Punkrock geworden? Das gleiche wie HipHop – es gehört der Mainstream-Industrie. Punk ist auch nur noch so scharf wie ein Kuchenmesser.

Dafür regt man sich dann auf, dass Janet Jacksons Brustwarze im Fernsehen zu sehen ist.

Will: Das ist auch wesentlich wichtiger als all die Morde, die in den USA passieren, oder der Krieg im Irak mit seinen vielen Opfern. Janet Jacksons Brustwarze ist eindeutig die Wurzel allen übels.

Könntest du dir denn vorstellen, jemals auf einem Majorlabel zu landen?

Will: Nicht wirklich. Was sollen die denn für uns erreichen, was nicht auch Ipecac für uns tun kann? Wir sind sicherlich keine Künstler, die richtig viele Platten verkaufen können, und bei den horrenden Ausgaben, die ein Majorlabel hat, würden wir da niemals Geld sehen. Nein, wir sind auf Ipecac schon ganz gut aufgehoben. Wir haben damals auf Gern Blandsten angefangen, weil Charles di Maggio ein guter Freund ist. Octopus hatte für ihn bereits Platten produziert und ist mit ihm live aufgetreten. Er ist so was wie Familie für uns, und deswegen war es ein logischer Schritt, das erste Album bei ihm zu machen.

In einer idealen Welt wären wir auch noch auf Gern Blandsten, aber in der Realität wurde das Label zu klein für uns. Ipecac ist auch so etwas wie Familie, ich mag dieses Umfeld mit Bands wie den Melvins, Isis oder Tomahawk. Mike Patton meint aber, dass er uns zwingen würde, auf ein Majorlabel zu wechseln, wenn wir jemals ein Angebot bekommen sollten. Er möchte, dass wir einen Vertrag unterschreiben, dann gedroppt werden und später wieder bei ihm landen. Man soll also niemals nie sagen – aber falls wir das wirklich jemals tun sollten, weisst du jetzt warum.

Ich würde gerne mal auf euern Sound zu sprechen kommen. Der ist ja sehr düster. Woher kommt das?

Will: Von hier (zeigt auf sein Herz) und von hier (zeigt auf seinen Kopf). Das stimmt, unsere Musik ist sehr negativ. Für mich ist das sehr wichtig, dass ich diese Gefühle in unsere Musik legen kann. Jeder fühlt sich mal schlecht, sonst wüssten wir gar nicht, wenn wir glücklich sind. Und ich wünschte, jeder hätte die Möglichkeit, diese Stimmungen in Musik zu bündeln so wie wir.

Und woher kommt der Sound rein technisch gesehen?

Will: Da gibt es viele Quellen- wir nehmen Live-Instrumente genauso wie Samples und andere Soundcollagen. Das alles wird dann durch bestimmte Effektgeräte gejagt.

Mir ist das Wort „Industrial“ in den Sinn gekommen. Kannst du damit was anfangen?

Will: Natürlich. Schon alleine, weil ich in Newark in einem sehr industriellen Gebiet aufgewachsen bin.

Siehst du denn in deiner Musik irgendeine Verbindung zu schwarzer Musik wie Soul?

Will: Auf jeden Fall. Wenn du den ganzen Noise wegnimmst, wenn du die Musik auf ihre Grundelemente zurückführst, dann hast du die Breakbeats und den Gesang. Das alles liegt gar nicht so weit von Sängern wie Al Green entfernt.

Für eure jüngste Kollaboration habt ihr euch dann aber keinen Soul-Sänger ausgesucht, sondern eine deutsche Krautrock-Band – Faust. Wie kam das denn?

Will: Ich habe in einem Song davon geredet, dass die meisten HipHopper vermutlich noch nie etwas von Faust gehört haben. Ein Bekannter der Band bekam das mit und gab Faust die CD. Darauf meldete sich dann Hans-Joachim Irmler, der Organist der Band, bei uns und lud uns zu Aufnahmen ein. Ich liebe die Band: Wir haben uns erst gestern die BBC-Sessions der Band aus dem Jahr 1971 oder so angehört.

Da kommt ein Teil, der HipHop vorwegnimmt. Und wenige Minuten später klingt die Musik nach Sonic Youth. Ohne Faust hätte es eine Menge Musikstile so nicht gegeben. Wir haben uns also nicht Faust ausgesucht, sondern die uns. Joachim kam vorige Woche zu unserem Konzert in Wien. Der Mann ist so alt wie mein Vater, aber wir haben bis sechs zusammen getrunken. Unglaublich. Ich würde aber niemals sagen, dass wir nicht mit einem 60-jährigen Soulsänger arbeiten würden. Wenn sich jemand bei uns meldet, würden wir das machen.

Was hast du gelernt durch diese Zusammenarbeit?

Will: Das Wichtigste war sicherlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir machen Sachen, die wir machen wollen. Sie haben uns immer wieder gesagt, dass wir uns einen Scheiss kümmern sollen, was andere sagen. Sie haben ihre Karriere darauf aufgebaut. Die haben einen Grossteil ihres Lebens Musik gemacht, und ihre Sachen sind heute noch so gut wie das Zeugs aus den Siebzigern.

Welche Kollaborationen habt ihr in Zukunft geplant?

Will: Anfang 2005 wird hoffentlich eine Platte mit der italienischen Band Zu erscheinen – die haben Saxophon, Bass und Schlagzeug. Wir haben die basic tracks in Italien aufgenommen und die Sachen mit in die USA genommen. Dort haben wir dann Samples dazugepackt. Es klingt wie eine Mischung aus den Melvins, Miles Davis, John Coltrane und Wu-Tang Clan. Das wird vermutlich auf Ipecac erscheinen.

Im April fliegen wir nach Wien, wo wir drei zusammen mit Wolfgang von den Sofa Surfers, ein Violonist und mein Freund Oddateee (auch auf Gern Blansten, Anm. DS) aufnehmen. Wir haben noch keine Ahnung, was dort passiert oder wie das Projekt heissen soll, aber es soll vermutlich sehr Dub-beeinflusst sein.

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Interview: Dietmar Stork

Links (2015):
Wikipedia
Discogs

 

 

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