Mai 1st, 2019

Conservative Punk (#106, 2004)

Posted in artikel by Jan

Na, zieht´s im Hirn? Ein Kommentar zu der Homepage www.conservativepunk.com


1. Einleitung

Trotz aller inhaltlichen Widersprüchlichkeit von Punk, auf der einen Seite die wilde und chaotische Feierlust à la Sex Pistols, auf der anderen Seite engagierte politsche Texte von beispielsweise Yuppicide und der Klammer zwischen beiden Seiten, der Ausdruck von Power und Emotionen; Punk zusammen mit dem Begriff „konservativ“ geht dann doch zu weit. Mir fällt auf die Schnelle nur ein Punk-Zitat ein, wo „konservativ sein“ ein Zeichen für Fortschrittlichkeit ist: im Zusammenhang mit ihrer Kritik an der nicht-zu-bändigen Atomkraft-Technologie erwähnten die RKL, dass man sich vielleicht wieder auf die natürlichen Energiequellen besinnen sollte und sangen den schönen Satz „Maybe there is something good to say about tradition after all“. Es ist vielleicht zu einfach zu denken, dass konservativ = immer schlecht und links = immer gut bedeutet, beide Weltanschauungen haben ihr Gutes und ihr Schlechtes. Es gibt auch konservative Denker, die ich ganz nett finde, Peter-Scholl Latour hat z.B. in seinen guten Zeiten kritisch über den Vietnam Krieg berichtet.

Aber diese Seite ist viel zu schade, als das sie sich mit dem Begriff konservativ schmücken kann. Bei dieser pro-Reagan und pro-Bush -Seite ist eine Auswahl an Punk-Prominenz mit dabei, die sich als Kolumnisten betätigen – z.B. Dave Smalley von Down by Law und Dag Nasty, Michale Graves, der mal bei den Misfits gesugen hat, und Leonard Phillips, der bei den Dickies singt. Ebenfalls findet man hier Wahlaufrufe, Cartoons und Links. Die Seite wurde am 31.01.04 offiziell gelauncht und ist eine Art Portal der konservativen Gegenöffentlichkeit – „the „right“ side of punk“, wie sie selber sagen – zu Punkvoter.org.

Punkvoter.org ist ein Projekt, wo sich eine populäre Punkband –Nofx- wieder repolitisiert hat. „Zwar“, sagt Fat Mike und Kolumnisten-Kollege Jesse Michaels von ex-Common Rider und ex-Operation Ivy stimmt ihm da zu, „ haßt er es, über Politik zu reden, aber irgendjemand muss es ja diese Tage machen.“ Fat Mike meint, dass sich System-Änderungen nur im System erwirken lassen. Ist ihm vielleicht noch nie der Schritt eingefallen, von der Kritik an den Absurditäten eines Systems (Beispiele dafür sind ja auf der punkvoter.org-Seite aufgeführt) überzugehen zu der Kritik eines Systems, dass solche Absurdiäten zulässt? Kritik an solchen flachen Aussagen (von Punk Voter) ist notwendig und wurde von Stone im letzten Trust überzeugend gemacht. „Bush weg“ ist ja schön und gut, aber wer soll`s denn richten? Politik im Namen der Konzerne hat Clinton ja wohl auch gemacht. Aber eine inhaltliche Kritik an Punkvoter bedeutet nicht, dass man sich direkt conservativepunk.com anschliessen muss, genau so wenig wie ein inhaltliche Kritik an der Antifa oder an Fehlern bei der Wehrmachtsausstellung einen zu einem Rechten macht.

2. Conservativepunk.com und Politik
Geht es bei conservativepunk.com überhaupt um Politik? Herman Mutant schreibt in der Speak Out-Ecke von conservativepunk.com: „Lasst uns die Politik mal für einen Moment beseite schieben und über Coolness reden. Bei welchem Team wollt ihr dabei sein? Bei dem Team von Jello und Nofx oder bei dem Team mit 2 Misfits und einem Ramones-Typ?…Gott schütze Amerika.“ (Anm: der andere Misfits-Typ ist Bobby Steele und der Ramones-Typ ist Johnny Ramone, beide waren auf dem Message board). Das Ziel der Seite ist „zu erziehen, zu informieren und die kleine Anzahl der konservativen Punks zu erhöhen“.Weiter heißt es dann, dass man auf die vielen Seiten im Netz reagieren will, „die nur von einer kleinen Anzahl von Punks betrieben werden und die aber die Gedanken von tausenden von Wählern beeinflussen.“

Was ist das ganze Problem, was hier behandelt wird? „Punk Musik war und ist eines der schwerst-zu-handhabenden Genres in der Musik. Unglücklicherweise wurden die Themen dieses schwer-zu-handhabenden Genres fast nur durch linke Propaganda verbreit.“ Der „Vereinfachung von komplexen Themen“ will man entgegenwirken und die Leute dazu motivieren, wählen zu gehen. Ich kenne wenig Leute, die sich nicht darüber beschweren, dass z.B. die Grindcore-Szene durch die immer gleiche Parolen stagniert, aber es ist an der Grenze zum Wahnsinn, dass uns ein konservativer Punk mal über die komplexen Zusammenhänge der Weltpolitik aufklären will (es sind ja dann doch wieder die Linken, die an allem schuld sind).

In den Worten von Dave Smalley: „Jetzt haben wir Seiten wie punkvoter.org – eine Entschuldigung, für gar keinen einzutreten, aber kindliche Attacken gegen den amentierenden Präsidenten zu fahren, nur weil jemand begeistert zum ersten Mal ein Noam Chomsky Buch gelesen hat.“

Ja, es geht bei dieser Seite sehr wohl um Politik. Ein Blick auf die Link-Seite zeigt einen Link zu dem Frontpage Magazine, dass von dem neokonservativem Publizist David Horowitz geleitet wird. Horowitz hat sich von seiner Tätigkeit als Redakteur eines linken Heftes in den 60 iger Jahren, Ramparts (Barrikaden), zu einem der Hauptsprach-Rohre der Konservativen am rechten Rand gewandelt. (Siehe Fußnote 1) Dann ist auch noch ein Link zu der Seite mit dabei, die einem dann doch sehr unangenehm aufstösst, auch wenn man wie ich kein Anti-Flag Fan ist, denkt man schnell an die anti-Antifa-Seiten, und da weis man, wer dahinter steckt.

Leonard Philips bringt in der Speak Out-Ecke der Seite ein Winston Churchill-Zitat: „Wenn ein Mensch nicht liberal in seiner Jugend ist, hat er kein Herz. Wenn er im Alter nicht konservativ ist, hat er keinen Verstand. Ich bin hier, um zu helfen.“ Erstens heißt das Zitat „wer in seiner Jugend kein Kommunist war, hat kein Herz, wer es im Alter immer noch ist, hat keinen Verstand.“, zweitens frage ich mich, was dann über die Leute zu sagen wäre, die schon in ihrer Jugend konservativ sind – kein Herz? – und drittens will er nun doch wirklich nicht sagen, dass George Bush mehr Verstand hat als z.B. ein Noam Chomsky, ein 50 Jahre alter Gewerkschaftler oder ein Grassroots-68er? Hallo, die Rede ist vom guten alten Doppelweh, der Typ, der bei der Benachrichtigung über den 11.9. gerade in einer Schulklasse sass und ein Buch falsch herum gehalten hatte.

Übrigens, mit einem ähnlichen Spruch gratulierte die Zeitung FAZ der Zeitung taz am 18.04.04 zu deren 25 jährigem Geburstag: „Wer mit 20 nicht links ist, hat kein Herz, wer es mit 30 noch ist, hat keinen Verstand. Auf die nächsten 5 Jahre.“ (Siehe Fußnote 2 für Kurz-Interview mit Leonhard (Dickies)).

Michale Graves schreibt in seiner Kolumne den üblichen Bush-Kram: „Was die Idee von Amerika so einzigartig macht, ist, dass hier alles möglich ist. Genau so stelle ich es mir vor, wie Menschen aus fernen Ländern uns gesehen haben, als wir einen Menschen ins Weltall geschickt haben und zum erstem Mal auf dem Mond gelandet sind. Wir sind das Ideal. Wir sind näher am Paradies dran als sie jemals sein können. Näher dran als die meisten realisieren können. Und dafür hassen sie uns.“ (Anm.: mit „sie“ sind die Terroristen gemeint). USA also über alles. Es ist doch sehr interessant und geradezu unerhört komisch, wenn das Thema nicht so ernst wäre, wie hier argumentiert wird: das die ausländischen Terroristen die USA attackieren, weil sie quasi „neidisch“ auf die USA sind, ist ein Zeichen von absolutem Wahnsinn.

Denn gerade weil die Terroristen das USA-System komplett ablehnen (und noch aus anderen Gründen) sind diese Attentate passiert. Nein, ich würde nicht so weit gehen wie kürzlich ein Bekannter von mir, der in einer Bierlaune meinte, dass die USA vielleicht noch mal einen zweiten 11.9. bräuchten, damit die wieder runterkommen. So was zu sagen finde ich nicht ok, nicht ok ist es aber auch, den Terrorismus einseitig von der Opfer Perspektive zu betrachten, wie es Graves bzw. die USA tun. Ohne die Opfer in NY zu relativieren, völlig klar, aber man muss sich doch gerade weil es um Menschen geht, etwas intensiver mit der internationalen Politik beschäftigen – waren die USA immer nur das Opfer?

Und argumentieren sie nicht selber so, dass sie als Opfer das Recht haben, die Täter zu fangen? Doch mit der gleichen Logik haben die Terroristen ihre Anschläge auch legitimiert, sie als Opfer gegen die USA als Täter. Gerade angesichts der immer lauter werdenden Zweifel an den Hintergründen zum Irak-Krieg das amerikanische System derart kindlich abzufeiern, bedarf schon einiges an Verdrängung. (Siehe Fußnote 3).

Und dann die zwei Kolumnen von Dave Smalley, „Punk Rock, diversity and the Gonzo Conservatives“ und „Confessions of a Punk Rock Conservative“. Der von mir sehr geschätzte Aktivist in legendären Punkbands, die Bostoner SE Band DYS, Dag Nasty, Sänger bei All, seit Jahren bei Down by Law, scheint ein Problem zu haben, dass ihn seit Jahren beschäftigt, nämlich, dass Punk nur linke Meinungen zu lässt und sich in einer Art linken „closed-mind“ Mentalität bewegt. Die Lösung ist, dass sich mehr und mehr Leute von einer konsevativen Seite her zu Punk äussern sollten, denn schliesslich heisst Punk ja „Think for yourself“.

Neu ist diese Argumentation nicht, aber sie ist wiedermal schwer nachzuvollziehen. Sicher, je nachdem welches Punk-Subgenre man nimmt, man wird oft geklonte Meinungen finden, Trends, die Kopien nach sich ziehen. Völlig richtig, aber wenn man das gesamte Bild sieht, die Fanzines, Labels, Konzertgruppen und Bands, kommt da nicht doch ein äusserst komplexes Bild heraus? Sind da wirklich alle gleichgeschaltet? Allerdings, für Smalley ist es Punk, für sich selber zu denken, und das bedeutet dann auch, zu der Schlussfolgerunf zu kommen, „dass die folgenden Personen gut sind: George W. Bush, Condoleza Rice, Colin Powell, John Kerry –oops, wie zur Hölle ist letztgenannter da rein gekommen? Macht die breite linke Verschwörung dafür verantwortlich.“ und dass natürlich „Reagan recht hatte und Carter nicht. G.W. gut, Clinton schlecht.“

Aha, wie war das mit dem Versuch, uns die Welt nicht-eindimensional zu präsentieren? Nach Eigenaussage hat Smalley es zu lange versteckt, dass er es nicht gut findet, dass jeder Punk liberal ist. Zumindest wurde er gewarnt, „dass es nicht gut für seine musikalische Karriere sein würde, wenn er seine Meinung sagt, weil die Linken, die die Punk Rock Musik dominieren, in echt eigentlich Reaktionäre und somit gegen jeden sind, der es wagt, eine andere Meinung zu haben.“ (Anm: immer diese Verschwörungstheorien) „Ich will meine Werte nicht länger verstecken und bin auch zu sehr Punk, um mich um eine Reaktion zu kümmern. Weite Bereiche der Punk Rock Industrie sind zu einer Bastion von linker Intoleranz geworden, aber es ist jetzt an der Zeit, dass wir aufhören, uns zu verstecken. Ich bin ein Patriot und singe über kapputte Mirkophone. Hear me roar.“ (Siehe Fußnote 4 für Kurz-Interview mit Dave Smalley).

Ja, da fällt mir eigentlich auch ziemlich wenig zu ein, „what can i say“ in Anspielung auf die schöne Dag Nasty Platte. Zu plump, zu einfach und falsch flüchet sich hier einer von gewiss lohnenswerten Diskussionspunkten an dem richtig-und-falsch-am-aktuellen-Punk in die entgegengesetzte Ecke. Von einem, der sich nicht über die Reaktionen seiner Kolumne kümmert, weil er sich dazu zu Punk ist, ist nicht zu erwarten, dass er ein unbedingt besseres Beispiel für die von ihm kritisierte Intoleranz abgibt. Na gut, dass Ganze kennt man ja alles von den rechten Kritikern der Wehrmachtsaustellung und von Anti-Gewerkschaftlern, die in die BRD eine Art Zensur, ein Machtkartell seitens der Gewerkschaften, hineinphantasieren. Hier wird wieder die beliebte Masche gefahren von wegen „wir sind die Opfer, wir durften nie unsere Meinung sagen, weil der ganze Diskurs von Linken beherrscht wird, die eine Zensur von anderen Meinugen betreiben und jetzt wollen wir uns nicht länger unterdrücken lassen und unsere Meinung auch sagen.“

3. Fazit
Die Homepage ist ein weiterer Beweis für die jahrelangen Strömungen des unpolitischen Punk`n´Roll und des Working Class Hardcore: nachdem man jahrelang sämtliche politischen Texte zugunsten „Sex, Drugs and Rock`n`Roll“ –Hymnen, Horrorpunk-Genre-typischen (unpolitische)-Texten oder verbrämten Streetpunk-Working-Class-Ideologien eingetauscht hat, scheint es jetzt wieder wichtig zu sein, dass man die richtigen politischen Texte präsentiert. Das Unpolitische ist hier (endlich) politisch geworden, endlich nicht im Sinne von „dem stimme ich zu“, sondern im Sinne von „endlich zeigt sich, was wirklich dahinter steckt.“

Denn was hier präsentiert wird, war vorhersehbar, schliesslich hat doch keiner ernsthaft behauptet, dass mit dem gerade populären Punk`n`Roll oder dem Streetpunk eine wiedererstarkende kritische Punkerneuerung kommt, sondern es ist einfach so, dass die allermeisten Bands dieser Genres im besten Falle vollkommen harmlos und im schlechteren Falle rechtskonservativ sind. Wiglaf Droste sagte mal, dass man bei der Wahl zwischen zwei Übeln, einem größerem und einem kleinerem, am besten gar keines wählt. Stimmt schon, stimmt schon.

Aber trotz aller Kritik an Fat Mike´s Projekt, z.B. auch, dass ihre Punkvoter-Benefiz-Konzerte etwas komisch rüber kommen, wenn der Eintritt für eine Benefiz-Show mit Nofx, Pennywise, Strung Out und Jello Biafra im House of Blues in Los Angeles im März 2004 50 $ kostet; die Position zu Punkvoter, gerade wenn man die Gegenbewegung der konservativen Punks bebachtet, kann eigentlich aus meiner Sicht nur lauten, dass es zwar wichtig ist, langfristig die Perspektive einer systemkritischeren Gesellschaftsanalyse im Auge zu behalten, aber das es kurzfristig, und das heisst hier und heute, richtig ist, punkvoter.com zu unterstützen. Wie ihr darüber denkt, könnt ihr doch gut mal in einem Leserbrief an das Trust loswerden.

Fussnoten:

1. Was neo-konservativ bedeutet, schlage man am besten auf einer Online-Enzyklopädie nach, z.B. ). Horowitz hat auch für die rechte Zeitschrift Junge Freiheit publiziert (Vgl. ), die ihn auch ideologisch unterstützen. 2001 hat Horowitz in amerikanischen Zeitungen eine Anzeige veröffentlicht, die besagt, „that slavery was self-inflicted by blacks and that efforts for reparations should be stopped“ (siehe „Daily Cal issues apology over controversial ad. Disappointed students call for higher accountability“ –, der Daily Californian Online). Die Junge Freiheit meinte, dass Horowitz` Anzeige, „Zehn Gründe, warum Reperationen für die Sklaverei keine gute Idee und zudem rassistisch sind“ durchaus von der Mehrheit der Amerikaner befürwortet wird. Weil: „Er, (Anm: Horowitz), selber Jude, hält es für heuchlerich, den Weißen die Verantwortung für die Sklaverei anzulasten und dabei zu vergessen, daß sie an der Abschaffung wesentlich beteiligt waren. Die Schwarzen befreiten sich schliesslich nicht selber, und noch heute schulden sie denen Dankbarkeit, die für ihre Emanzipation kämpften.“ (Vgl: Junge Freiheit, „Eine einsame Stimme gegen Kollektivschuld. Der amerikanische Intellektuelle David Horowitz im ideologischen Sperrfeuer seiner ehemaligen Genossen.“, ).

Weiter heisst es in dem Artikel, dass Horowitz sich von den Linken abgewandt hatte und in den 80iger Jahren seine ideologische Kehrtwende vollzogen hatte, als er Reagans Präsidentschaftskandidatur unterstützte. Seitdem „schreibt er wie ein Spion, der die ideologischen Fronten gewechselt hat, um aus dem Feindeslager zu berichten.“ Auf einer anderen Website wird Horowitz als, „a prominent right-wing ideologue“ bezeichnet („A real, live bigot. A former leftist earns a place on the wild-eyed right“, ). In einem Jungle World-Artikel von Ron Jacobs („Domestic Terrorism. Die Symbionese Liberation Army und der Krieg gegen den Terrorismus in den USA“, ), steht über Horowitz, dass „die radikale Rechte in den USA“ seit einiger Zeit das Ziel verfolgt, „die Errungenschaften der sechziger und siebziger Jahre zu beseitigen.

Unter den hartnäckigen Streitern, die sich überwiegend dem rechten Flügel der Republikanischen Partei zurechnen lassen, finden sich mit David Horowitz und Peter Collier auch zwei Konvertierte aus den Neuen Linken, beide waren bekannte Autoren von Ramparts, einer Zeitschrift der Neuen Linken.“ Unter http://rightwingnews.com/interview/horowitz.php findet sich dann auch ein Interview mit Horowitz und ein weiteres Beispiel für geniale Logik im Zusammenhang mit dem „Nein“ der Linken zum Irak-Krieg: „Wie kann man eine Person sein, die für die Befreiung der Frau, für Homosexuelle und für arme Leute ist, und gleichzeitig die Befreiung des irakischen Volkes ablehnet, wenn man keine irregeführte Person ist, die in einem Wahn lebt?“

2. Von Fat Wreck Chrods Deutschland wollte ich dann per Email wissen, ob sie es nicht als ein Widerspruch empfinden, wenn ihr Label eine Band unter Vertrag hat, eben die Dickies, und das sich einer von denen auf einer eindeutig gegen-punkvoter-Seite positioniert (Punkvoter ist ja von Fat Mike, dem Labelchef von Fat Wreck, ins Leben gerufen wurde). Nanette von Fat aus Berlin antwortete mir freundlicherweise und war mit zitieren einverstanden: „Das Statement von Leonhard erwähnt ja weder Punkvoter noch die Rock against Bush Kampagne im Speziellen. Würde man es ausserhalb dieses expliziten Zusammenhangs auf der Website sehen, käme es vermutlich ganz anderes rüber. … Ich meine, natürlich muß keine Band, die bei Fat eine CD rausbringt, ihre Meinung an der Tür abgeben, Propagandhi sind ja auch keine Punkvoter Fans, denen ist die Kampagne nicht radikal genug.“

Nanette meinte noch, dass ja eigentlich Leonhard (Dickies) selber die Person sein sollte, die etwas dazu zu sagen hätte. Das stimmt, und so habe ich an die Email Adresse von ihm auf conservativepunk geschrieben. (Anm: hier nur gekürzte Fragen und Antworten). Meine Frage an ihn: „Ist es nicht ein wenig ironisch, dass einer von den Dickies auf einer anti-punkvoter-seite (siehe auch den Link zu der anti-anti-flag-Seite) schreibt und dass die selbe Band bei Fat unterschrieben hat?“

„Wahrscheinlich ist es so. Ich liebe Ironie, weil Ironie normalerweise auch einen Funken Wahrheit bedeutet. Reg dich nicht zu doll über die Links auf der Seite auf. Ich habe da einiges an rechts-liberalem Zeug gesehen, was in etwa genauso ist wie dieses „Politpunk sein aus modischen Gründen“, worüber ich ja auf der Seite geschrieben habe. Die anti-anti-flag Seite, ich weiss, dass das ein Wortspiel ist, aber warum all diese doppelte Verneinung? Anstelle von anti-anti-flag; sollten sie die Seite nicht einfach „flag“ nennen?“ „Wusstest du, dass conservativepunk deinen Kommentar auf die Seite gestellt hatte?“ „Ja, wie ich bereits erwähnte (Anm. er hats davor schon erwähnt), habe ich in der Tat den Kommentar geschrieben und habe dann gesehen, dass sie den auch auf der Seite verwendet haben, nachdem ich von Rizzuto eine email bekommen habe, wo er mir mitteilte, dass er meinen Kommentar mochte. Er ist ja genau so wie Fat Mike ein grosser Dickies-Fan.“ „Aber denkst du nicht, das ist irgendwie ein Widerspruch, der irgendwie geklärt werden müsste? Eine anti-Bush Seite gesponsort von Fat und eine Band, die sich auf einer gegen-Punkvoter-Seite schreibt?“

„Ja, es ist ein Widerspruch. Ist das nicht schön? Denkst du nicht auch, dass das Leben voller Paradoxoen ist? Nicht immer einfach links, nicht immer einfach rechts? Nicht immer einfach dafür, aber auch nicht immer einfach dagegen, nicht immer einfach anti-anti? Glücklicherweise musste ich kein politisches Quiz absolvieren, damit Fat Mike die Dickies unter Vertrag genommen hat. Für den zweiten Teil deiner Frage: ich denke da, dass du etwas zu viel mutmaßt. … Mike und ich hatten ein sachliches Gespräch über die politische Szene in den USA auf einer Weihnachtsparty letztes Jahr. Ich habe ihm gesagt, dass einer der Pfade zur Weisheit ist, das man herausfindet, dass man sich geirrt hat. Er war damit einverstanden und meinte, dass er es liebt, herauszufinden, dass er sich geirrt hatte. So etwas respektiere ich. …Wie ich gesagt habe, ich bin nicht an den Links-Rechts-Debatten interessiert und meine Band repräsentiert auch keine bestimmten politische Meinung per se. Ich bin einfach nur ein Künstler, der es gut findet, dass die Kids für sich selber denken.“ Leonard Graves Philips so weit.

3. Fiend Force Records ist ein neues Horrorpunklabel aus Leverkusen und einer der Macher, Thorsten Wilms, wurde von der New York Times auf sein Verhältnis mit Michale Graves angesprochen. Thorsten hat dabei folgendes Statement gesagt, was dann gekürzt in dem Artikel wiedergegeben wurde: „Wenn du die Politik aus dem Punk-Rock rausreißt, wirst du nur noch eine leere Hülle haben, eine Musik, die nichts anderes ist, als das, was auf MTVIVA läuft. Nur eben schneller und mit Typen, die bunte Haare haben. Und das wäre der Tod von Punk-Rock. Punk würde belanglos werden, ohne Sinn! Conservativepunk ist ein Widerspruch in sich.“ Das Zitat bekam ich dann auf email –Anfrage. (Vgl. )

4. Epitaph Records Europe habe ich angeemailt, um das Down by Law Label, dass ja zumindest indirekt Punkvoter unterstützt, weil Epitpah Künstler wie Jay Bently von Bad Religion für Punkvoter schreiben, nach einem Statement zu Smalley`s Aussagen zu fragen, aber wie sich herausstellte, ist Down by Law gar nicht mehr auf Epitaph, sondern bei der Union 13 Label Group. Revelation Records, wie ich dachte das Label von Dag Nasty, wollten kein Statement zu Dave Smalley abgeben – Dag Nasty sind auch gar nicht mehr auf Revelation, sie waren es nur für ihre letzte Platte. Vique Martin, Sales Managerin dort, meinte aber, ich könnte ihre persönliche Meinung (nicht die offizielle Revelation Meinung) ruhig zitieren: „Ich persönlich denke, dass Dave Smalley´s Kolumnen entsetzlich sind, sie haben mein Meinung über ihn immens verändert. Jeder, der Bush gutfindet, ist ein Vollidiot.“ „Glaubst du, dass das mit Smalley vielleicht eine Satire oder ein schlechter Scherz ist?“ „Nein, das glaube ich leider nicht“. So weit ein persönlicher Kommentar von Vique Martin.

Dave Smalley antwortete mit einem langen Statement auf 2 Fragen von mir (beides hier gekürzt wiedergegeben) an seine email-Adresse auf conservativepunk. „Lieber Dave, siehst du nicht einen Widerspruch zwischen dem Ziel von conservativepunk, nämlich „über komplexe Themen nicht eindimensional zu berichten“ und deinen Kolumnen, die ja die Linken für alles verantwortlich machen? Was denkst du, war gut an Reagan? Ich habe Dag Nasty und Down by Law immer sehr geschätzt, für die Musik und die Texte, die immer sehr offen, tolerant und liberal rüberkamen. Ich hätte mir niemals vorstellen können, so etwas von meinen einst-geschätzten Bands zu lesen. Ich bin sehr enttäuscht, wirklich sehr sehr. Nichtsdesto trotz würde ich gerne ein Statement von dir hören.“

„Hi Jan, danke für deine email. Als erstes mal zu der Homepage. Ich denke, wir alle sollten Respekt für verschiedene Meinungen zulassen und die Quintessenzen von Punk hoch halten, nämlich für sich selber denken, keine Regeln, Respekt für verständliche Unterschiede und für wirkliche Vielfalt, die Welt zu einem besseren Ort machen. Das sind alles Kernelemente von Punk und ich denke, wir haben die Pflicht, diese zu leben und nicht Konformität zu fordern. Ich denke, da ist ein Punkt, an dem wir übereinstimmen, nämlich, dass es in der Welt immer so ein bisschen nehmen und geben gibt und dass es in Ordnung geht, wenn Menschen andere Meinungen haben. Und vergiss nicht, dass eine andere politische Überzeugung eben auch nur die Politik betrifft. Es geht nur um Politik. Politik ist eine Sache, aber auf keinen Fall die einzigste Sache eines Menschen. Um mal einen lustigen, aber auch wahren Spruch zu benutzen, einige meiner besten Freunde sind Liberale.

Ob ich denke, dass John F. Kennedy und Ronald Reagan beide ihr Land geliebt haben und ihr best-möglichstes für ihr Land versucht haben? Ja, ich denke das wirklich, dass beide ihr Land geliebt haben und ihr best-mögliches versucht haben. Ich hasse keinen, nur weil er einen anderen Präsidenten gut findet. Als zweites möchte ich sagen, dass ich, soweit ich es überblicken kann, nicht denke, dass die Seite eine anti-Punkvoter Seite ist. Vielleicht hast du die Möglichkeit, dir mal meine Kolumne mit dem Titel „Punk rock, diversity, and the gonzo conservatives“ durchzulesen. Ich denke, dass die nützlich ist für die Leute, dass die Leute verstehen, dass Punk Rocker in allen möglichen Grössen und Formen existieren und das eine starke Punk Gemeinschaft Pluralität, Respekt und unterschiedliche Sichtweisen bedeutet. In der Kolumne versuche ich, bestimme Überzeugungen auszudrücken für eine Position, die ich gonzo conservatives genannt habe: eine kleinere Regierung, anti-Rassismus, niedrigere Steuern für die arbeitende Bevölkerung. Und, in der post 9-11-Welt, auch eine stärkere Verteidigung.

Ich finde es schade, dass du automatisch einen aburteilst und zu mir sagst, dass du dachtest, ich wäre open-minded. Für mich war es so, dass ich die Sache, über die ich denke, dass sie wirklich open-minded ist, dass ich genau diese Sache getan habe: ich habe ein Risiko auf mich genommen und die Leute darin erinnert, dass wir alle, jeder, open-minded sein sollte. Das ist wirklich eine wichtige Sache im Punk Rock. Es ist schade bzw. tut es mir leid, wenn du da mit mir nicht übereinstimmst. Es gibt mehrere Wege, um eine bessere Welt zu schaffen. Best wishes, and as the Clash said, stay free, Dave.“

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Text/Interviews: Jan Röhlk

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