Juli 26th, 2019

BENGUELA (#92, 2002)

Posted in interview by Thorsten

DIGITAL INABILITY oder wie Musik zum Film wird-

Sie waren meine absoluten Favoriten auf dem diesjährigen OPPIKOPPI-Festival im Fountain Valley bei Pretoria: BENGUELA, ein rein instrumentales Dreiergespann aus Capetown. Lange hat es keinen überzeugenderen Ansatz gegeben, wechselnde innere Seelenzustände in Interaktion mit äusseren Einflüssen, Landschaftsbildern und anderen Naturzuständen treten zu lassen. Und dabei Musik als Sprache zu entwickeln, wie sie tiefgehender, emotionaler und organisch gewachsener kaum sein kann. Klassische Songstrukturen im rock-n-roll´schen Sinne werden schon wegen der damit verbundenen minderbemittelten Ausdrucksfähigkeit weitläufig umfahren. Stattdessen wechseln BENGUELA´s musikalische Motive fliessend, Zentrum und zugleich roter Faden ist Rhythmus, Rhythmus und nochmals Rhythmus als stetes Pulsieren.

Afrika, ick hör´ dir trapsen, könnte man da heraushören; ein Kernstück ihrer Musik jedenfalls ist ganz sicher die weitaus vielschichtiger und facettenreicher ausgespielte Beat-Akzentuierung, als wir es von europäischer oder amerikanischer Undergroundmusik her gewöhnt sind.
Wenn BENGUELA von einem ihrer Stücke ins nächste gleiten, gelingt dies gerade deshalb so elegant, weil sie definitiv keine riff-produzierende Schlagmaschine sein wollen. Selten einmal wartet die Gitarre mit traditionellen Melodiebögen auf, im Gegenteil wird fast ausschließlich klangmalerisch gearbeitet, was BENGUELA´s Musik unterm Strich viel Raum zum Atmen lässt. Jeder Mensch, der in seiner Rezeption von Musik auch auf einen Ausdruck von Freiheit wertlegt, wird daher nur schwer an BENGUELA vorbeikommen. Oder hast Du jemals gehört, wie funkelnde Sonnenstrahlen, die über Asphalt wandern, klingen? Wie sich das Abendlicht über den Drakensbergen anhört? Oder die staubige Straße von Kapstadt nach Namibia, der rötliche Glanz des Wüstensands?

Vor fünf Jahren wurden BENGUELA von Brydon (halbakkustischer Kontrabass, mal gezupft, geschlagen oder mit dem Bogen gestrichen), von Alex (Gitarrenmodulationen & Klanggewitter) und von Ross (Schlagzeug & Percussion) ins Leben gerufen. Weil ihre musikalischen Wurzeln verschiedener nicht sein könnten, war es fast zwingend notwendig, sich von traditionellen Überbauten zu lösen und neue Wege zu beschreiten. Mit „Digital Inability“ liegt nun das zweite Album vor, ein Meisterwerk, das als erster nicht-visueller Film zum wichtigsten gehört, was mir seit geraumer Zeit in die Hände gefallen ist.
Folgendes Interview fand im September in Südafrika statt.

BENGUELA sind für mich definitiv die musikalische Überraschung des diesjährigen OPPIKOPPI-Festivals gewesen. Ihr seid drei exzellente Musiker, wahrscheinlich keine Autodidakten, oder? Erzählt mir doch bitte etwas über Eure persönliche und BENGUELA´s Vergangenheit.

ALEX: Von Musik bin ich seit meiner jüngsten Kindheit besessen. Ich habe alle möglichen Formen gespielt… Rock, Reggae, Afro-Funk, Ska, Acid-Jazz … etwas elektronischen Crossover. Allerdings ziemlich weit vom Mainstream entfernt. Das war gutes Training, mit einigen großartigen Musikern zusammenzuarbeiten. BENGUELA war meine Idee etwas Kompaktes, gleichzeitig aber frei und ausdrucksstark zu schaffen. Die Anderen (Ross & Brydon) waren zu Beginn sehr skeptisch, da ich nur ein Stück zum Ausprobieren mit ihnen hatte. Die ersten Monate waren wir ziemlich schwammig und sechs Monate lang wollte uns kein passender Name einfallen. Ross kam dann mit BENGUELA an und zu dem Zeitpunkt hatten wir auch eine Soundidentität gefunden. Geboren wurden wir im Grunde genommen in einem kleinen Café, (Café Camissa), wo wir für einige Zeit residierten, ungefähr ein Jahr. Jede Woche improvisierten wir dort also, hatten unsere Proben. Für uns war das etwas Besonderes. Wir konnten einige Ideen lose festhalten und gleichzeitig vor Publikum spielen.

BRYDON: Ich liebe Musik bereits mein ganzes Leben. Früher bin ich immer mit einem Radio direkt am Ohr durch die Gegend gelaufen. Das erste, was ich mir jemals gekauft habe, war eine Hifi-Anlage. In der Grundschule habe ich Schlagzeug und Gitarre gespielt und in der Highschool zusammen mit einem russischen Cellisten namens Slobodan Rancic angefangen, Doublebass zu lernen. Später habe ich Musik an der Universität studiert, aber nicht abgeschlossen. War wohl etwas von einem Rebell, was aber auch als Bastard mit eigener Meinung gelesen werden kann. Musik jedoch habe ich mein ganzes Leben lang professionell gespielt. Klassik, Jazz und Experimentelles. BENGUELA sind eigentlich von Alex ins Leben gerufen worden, indem er sich die zwei skeptischsten, zynischsten Bastarde holte, die er finden konnte.

ROSS: Ich glaube, Alex hat BENGUELA´s Geschichte auf den Punkt gebracht. Die Band besteht jetzt seit beinahe fünf Jahren. Ich selbst habe in ziemlich vielen Bands gespielt, mit unterschiedlichem Erfolg: Ein schrecklicher SIMPLE MINDS-Abzug in den späten 80ern als ich noch zur Schule ging, CELTIC RUMOURS genannt. Wir hatten einen No.1 Hit hier.

Dann die LANDSCAPE PRAYERS, eine Fusion aus Klassischem, Afro, Bluegrass etc. URBAN CREEK im Anschluß war Rock mit einem bestimmten Afro-Einfluß. Wir hatten ebenfalls einige No.1 Hits in Südafrika und nun BENGUELA und eine weitere Band, die FETISH heisst, bei Virgin unter Vertrag steht, auch einige No.1 Hits verzeichnen konnte und in etwa wie MASSIVE ATTACK mit TORI AMOS klingt.

In Eurer Musik ist im klassischen Sinn keine Rockstruktur. Stattdessen wechselt Ihr alle möglichen Motive fliessend, eingebettet in einen Strom von Rhythmus. Ist Rhythmus der Rahmen? Und in Eurem Live-Spiel dreht sich alles um Improvisation?

ROSS: Der Song wird von demjenigen begonnen, der auf der Bühne gewählt wird. Das ist wie Flaschen-Drehen. Die anderen Beiden denken sich da rein und spielen etwas, das dazu passt. Üblicherweise ist da diese Art von Basar-Intro, das sich ähnlich dem Balzverhalten der Wale erstreckt, dann setzt der Groove ein und beruhigt, die Gitarre kommt mit einer Stimmung oder einer Melodie und dann versuchen wir das Ganze irgendwohin zu tragen. Entweder durch langsames Wachsen des Grooves, in dem die Beats elektronisch gesetzt werden oder durch völligen Wechsel, wenn wir meinen, das keine Richtung zu erkennen ist. Oft beschleunigen wir das Tempo und werden wieder langsamer, um herauszufinden wo der Groove sitzt oder um neues Leben zu injizieren.

ALEX: Das erste Album, das unseren originalen Sound repräsentiert, war grundsätzlich ziemlich strukturiert. Zumindest für uns. Eher wie die traditionelle Art des Jazz, erst das Intro zu spielen, dann das Hauptmotiv…, Solo oder freie Passagen werden gefolgt von einer „middle eight“,… dann entweder wieder das Hauptthema oder der Ausklang. Manchmal passieren neue Sachen spontan oder wir verbinden einen anderen Rhythmus mit der gleichen Idee. Das gute Zeug bleibt und die schwachen Ideen verblassen schnell. Über die Jahre wird uns langweilig mit einem immer gleichen Repertoire. Wir haben alle unsere Seitenprojekte. Zurückblickend muß ich sagen, sind wir alle in unterschiedlichen Gegenden aufgewachsen, musikalisch wie persönlich. Wir steuern unsere Musik nicht wirklich mechanisch. Es scheint einfach herauszukommen. Jeder Auftritt fühlt sich anders an, aber ich denke es gibt da eine Konsistenz. Sogar was die Variationen anbelangt.

BRYDON: Ich habe schon immer STEVE REICHs Konzept des Phasierens geliebt. Ich versuche soweit wie möglich meine Ideen so langsam und transparent es nur geht zu entwickeln. Von meiner Seite also ein klares Ja zur Variation, so organisch als möglich. Rhythmus ist sehr wichtig und etwas, das vielen westlichen Musiken ermangelt. Ich bin ein Tabla-Student. Die hindustanischen und carnatischen Systeme haben mich viel gelehrt, wie Rhythmus erreicht werden kann und wie damit zu spielen ist. Systematisch, um Freiheit zu kreieren.

Eure erste, in Namibia aufgenommene CD ist durchweg live eingespielt. Euer exzellentes, gerade erscheinendes zweites Album klingt auch ziemlich nach Live-Einspielung. Gibt es da Parallelen, was sind die Unterschiede?

ALEX: Beide Alben könnten als lo-fi betrachtet werden. In dem Sinne, daß es sehr wenig Produktions-Ethik gibt. Beides sind Liveaufnahmen mit dem Unterschied, daß „SPUTNIK“, unser Debut, ein Ausprobieren von mir war. Ich wollte eine Erinnerung, etwas zum Wiederanhören. Das war nie angelegt, veröffentlicht zu werden, daher auch mit einem billigen Tapedeck aufgenommen. Die ganze Aufnahme fand in einem Club über zwei Nächte hinweg statt, von daher gibt es so etwas wie einen Faden. Das jetzt erscheinende Album umfasst eine Periode von drei Jahren. Eine Auswahl an unterschiedlichen Auftrittsorten, unterschiedlichen Aufnahmeweisen und Soundaussteuerern. Was stilistisch zum ersten Album differiert, ist der Gebrauch von Live Loops als drittes oder viertes virtuelles Instrument. Einige Stücke sind wiederum von mir aufgenommen; und offensichtlich gibt es da eine Grenze, bis zu der ich die Qualität kontrollieren kann, weil ich immer noch mit dem Spielen beschäftigt bin. Doch dies scheint eine gute Angewohnheit zu sein, da wir versucht haben, sich durchgesetzte Ideen in einem kontrollierten Bereich, einem Heimstudio, aufzunehmen, wo die Performance gewöhnlich mondän ausfällt. Alles geht also zurück auf die Livemomente, wo wir zu funkeln scheinen. Daraus folgt auch der Name des neuen Albums „DIGITAL INABILITY“, der wiedermal von Ross stammt.

BRYDON: Zwischen beiden Aufnahmen liegen einige Jahre des Wachsens und Ausreifens.

ROSS: Das Konzept ist dasselbe, nur besser ausgespielt. Wir lesen uns gegenseitig besser. Electonica haben auch einen Einfluß auf unseren Sound gehabt. Je mehr wir gespielt haben, desto selbstbewusster wurden wir im Improvisieren, desto mehr warfen wir dem Publikum vor, desto mehr versuchten wir unser Glück zu drücken. Es ist eine unglaublich befreiende Band.

Ein Aspekt Eurer Musik scheint das Gleiten von einem Stück ins nächste zu sein, wie in einem Fluß. Liegt es daran, daß Ihr Euch nach einer Strömung im Meer benannt habt?

ROSS: Das Fliessen/Strömen ist sicherlich ein Kernstück von BENGUELA, aber der Name stammt eher von unserer Ansässigkeit. Niemand von uns stammt ursprünglich aus Cape Town und die Benguela-Strömung hat viel mit dem Klima
am Kap zu tun und warum die Gegend so gänzlich anders als der Rest Südafrikas ist. Ich dachte es wäre nett, einen Namen zu haben, der unsere Position reflektiert.

BRYDON: Ich stimme Deiner Frage zu. Es geht um subtiles, organisches Wachsen, der Musik zu erlauben, wie eine Spirale auszufahren und das Publikum und die Umgebung in unserer Stimmung einzufangen.

ALEX: Ich fühle oft, daß ich eigentlich Bass oder Schlagzeug spielen sollte, also bin ich an der Gitarre und versuche nicht ein Gitarrist zu sein. Wenn das irgendeinen Sinn macht. Ebbe und Flut, das spontane Kreieren ist der großartigste Aspekt an uns.

Eure Musik erinnert mich sehr an einen Soundtrack zu einer Reise. Habt Ihr jemals daran gedacht, Eure Sounds mit einem Film über (süd-)afrikanische Landschaften, Wüsten zu verbinden? Wie Fred Frith in seinem Meisterwerk „Step Across The Border“?

ALEX: Auf alle Fälle… Musik ist eine sehr visuelle Erfahrung. Die Autofahrt nach Windhoek/Spitzkop/Namibia ist eine Sache, die ich lieben würde zu filmen. Wirklich scheitert das nur am Kapital, aber ich denke, dies ist eines unserer ultimativen Ziele als Band und ganz bestimmt für mich.

ROSS: Ich bin ein Film-Freak! Ich würde es lieben, einen eigenen Film zu machen und dazu einen BENGUELA-Soundtrack zu haben.
BRYDON: Ja!!!! Wenn du in einem derart riesigen Land lebst und durchreist, kommt man mit dem großen Warten dieses Landes in Berührung, – warten aber nicht erwartungsvoll -, das in unserer Musik einzufangen, zusammen mit Bildern unseres Landes, würde einen Traum verwirklichen heissen. Wir alle sind von unserem schönen Land angetan.

Eure Musik ist voll von Rezitationen verschiedenster Stile. Da ist jazziger Rhythmus, manchmal seid Ihr dubbig, bunt wie 70er AcidRock („Xnic“), manchmal tribal („Bushmatic“). Und wenn Du den Bass mit dem Bogen streichst, klopft sogar der krachige JOHN CALE an die Tür. Was sind Eure musikalischen Wurzeln, mit welcher Musik seid Ihr aufgewachsen?

BRYDON: Ich glaube, die erste Band die ich gehört habe und die mich umgehauen hat, war SHAKTI. Stundenlang habe ich das immer und immer wieder angehört. Seit meiner Kindheit habe ich ein starkes Interesse an Indien. Die ersten beiden Alben, die ich überhaupt kaufte, waren SHAKTI und VOLLENWEIDER´s „Caverna Magica“. In der Schule habe ich viel Jazz gehört. Ich habe viel dabei gelernt, all diese Stile zu kopieren und mit einem Freund zusammen draußen in einem öffentlichen Park zu spielen. Damals spielte ich auch in einem örtlichen Orchester, also spielten wir das ganze Orchester-Repertoire. Danach fing ich an, mir viele ECM-Aufnahmen anzuhören: EBERHARD WEBER, KEITH JARRET, OREGON, GISMONTI etc. Im Augenblick höre ich viel zeitgenössische Klassik, wobei REICH den grössten Einfluß auf mich hat, und Ambient/Experimental-Musik wie ENO, HASSEL, CZUKAY, LABRADFORD. Soweit es Bassisten betrifft, ist es RENAUD GARCIA-FONS den ich favorisiere.
ROSS: Ich bin tragischerweise in den 80ern verstrickt. Aufgewachsen mit THE CURE, U2, LLOYD COLE etc., begann ich mir späte TALK TALK anzuhören, TOM WAITS, SUZANNE VEGA, JOHN LURIE. Viel obskures Zeug auch, wie KIP HANRAHAN und viel Weltmusik aus Afrika und Asien. Und dann das ECM-Zeug, wie PETER ERSKINE, BILL CONNORS, JAN GABAREK und JARRET und dunkel Klassisches, wie ARVO PART und KODALY, DVORAK und BACH´s Cello-Sonaten. Dann die traditionelle Musik in KwaZulu/Natal, die immer auf der Straße und im TV zu hören war. Dauerhaft high machen mich PJ HARVEY, RADIOHEAD, TORTOISE, MATTHEW HERBERT, SPARKLEHORSE… zu viele.

ALEX: Das wichtigste für mich ist Rhythmus, gefolgt von Raum und Dissonanz. Das wir in verschiedensten Bands und die unterschiedlichsten Stile gespielt haben, ermöglicht es uns jetzt, mit jedem dieser Genre zu experimentieren und sie ohne Einschränkungen zu vermischen. Das ich in einer kleinen Stadt im ländlichen Zululand mit dieser ganz eigenen Musik aufgewachsen bin, mit Maskanda (ein schnell-gepickter Straßenfolkstil) und Mbaqanga (ein sehr vibrierender, bass-getriebener Stil), hat sicherlich auch seine Spuren hinterlassen. Spuren hinterlassen haben ebenfalls die BEATLES, PINK FLOYD, LED ZEPPELIN… und über die Jahre BOB MARLEY, THE POLICE, THE SPECIALS, TOM WAITS, die späteren TALK TALK, CAPTAIN BEEFHEART, ZAPPA, HENDRIX… SLY STONE. Dann die frühen elektronischen Ambient-Experimental-Sachen wie ENO, TANGERINE DREAM, CAN. Drei oder vier Jahre lang habe ich intensiv Jazz studiert und eine Zeit lang nur sowas gehört, KEITH JARRET, COLTRANE, WEATHER REPORT, JACO & JONI MITCHELL, MINGUS, MILES DAVIS, SONNY ROLLINS. Die Liste ist endlos. Auch viele panafrikanische Künstler wie DOLLAR BRAND, KIPPIE MOKHETSI & ABDULLAH IBRAHIM, TANANAS, PHILIP TABANE & MALOMBO, frühe SAKHILE, FELA KUTI… DEEPAK RAM, POPS MOHAMMED, GEOFFREY ORYEMA, NUSRAT FATEH ALI KHAN. Die letzten zehn Jahre war das extrem gemischt zwischen CHILLI PEPPERS, JEFF BUCKLEY, MASSIVE ATTACK, THE ORB, PROPELLERHEADS, LEFTFIELD, CHEMICAL BROTHERS, KRUDER & DORFMEISTER, JUNO REACTOR, SOFA
SURFERS, BETA BAND, RADIOHEAD, PLASTIKMAN, TARWATER… viel zu viele, um die alle zu erwähnen.

Wenn ich nicht wüsste, daß Ihr aus Cape Town kommt, hätte ich wahrscheinlich getippt, daß Euer Album in Chicago aufgenommen und über THRILL JOCKEY veröffentlicht wurde. Da ist eine ganz besondere Freiheit in Eurer Musik, die mich sehr an die Neue Schule des Chicago-Sounds erinnert. Gruppen wie PELL MELL oder TORTOISE sind nicht allzuweit entfernt von dem, was Ihr versucht. Gibt es in diese Richtung irgendwelche Verbindungen oder Kontakte?

ALEX: Nein, nicht wirklich… Obwohl Ross TORTOISE liebt und sich schon seit einer halben Ewigkeit für THRILL JOCKEY begeistert und Brydon ein derart musikalischer Purist ist, der dieses ECM-Zeug bevorzugt und ich einen Kontakt zu REAL WORLD (PETER GABRIEL´s Weltmusiklabel) halte, hat uns das nicht in eine bestimmte Richtung getrieben. Wir werden Kopien unseres neuen Albums an alle senden, doch THRILL JOCKEY scheint die richtige Richtung für uns zu sein.

BRYDON: Ich glaube, die einzige Band, die wir gemeinsam gut fanden, war TALK TALK.

ROSS: Ich würde mir wünschen, Verbindungen Richtung Chicago zu haben. Ich beziehe mich wirklich auf die Geburt des Post-Rock, als Ausweg aus den Einschränkungen und Sensibilitäten des Rock und den sich daraus ergebenen Möglichkeiten, Musik so zu gestalten, wie wir sie haben wollen. Ich glaube wirklich, daß die (THRILL JOCKEY) sich auf uns beziehen könnten und umgekehrt. Wir müssen vor diesen Leuten spielen!!!

Aktuell lebt Ihr aber in Südafrika. Wie ist Euer Leben in Cape Town und wie ist es um die Musik dort bestellt? Könnt Ihr von Eurer Musik überleben? Was arbeitet Ihr ansonsten? Seid Ihr für Euch allein oder schwimmt Ihr in einem größeren Pool an Kreativität?

BRYDON: In Cape Town passiert eine ganze Menge. Es ist nur schwierig, Unterstützung zu bekommen, die Leute hier sind so abhängig von den Medien. Die Künstler leiden unter dem Regime der Konsumenten. Neulich habe ich erst in einem CD-Geschäft angefangen, weil ich nicht länger von Nichts überleben kann.

ROSS: Der Kreis an Leuten hier ist zu klein, besonders mit den großen Wegstrecken zwischen den Städten, um etwas anderes als jene, die dieses permanente Jazz-Ding machen, zu unterstützen. Ich habe das schon mit einigen Bands ausprobiert. Du berührst die Zimmerdecke ziemlich schnell und dann musst du nach Übersee gehen, was ziemlich hart ist. Also, ja, wir haben andere Jobs. Ich arbeite für ein Indie-Label namens SHEER SOUND, das Massen an Afrojazz/Worldmusic/Dance veröffentlicht, was nicht nur eine gute Erfahrung für mich ist, sondern auch Augen-öffnend bezüglich der Maschinerie
dieser Industrie wirkt. Echte Musik und Geld lassen sich halt nicht verknüpfen.

ALEX: Cape Town quirlt nur so von brillanten Künstlern, aber es gibt einen realen Mangel an guten, korrekt ausgestatteten und verwalteten Auftrittsorten. Die Radiosender bspw. sind so stromlinienförmig und obwohl sie sich damit brüsten, lokale Musik zu fördern, neigen sie dazu, nur das sichere Zeug zu spielen. Top 20 eben. Ich bin ein Photograph, was mir beim Überleben hilft, daraus folgt allerdings auch das langfristige Interesse, das Visuelle mit Musik zu verbinden. Z.B. einige der jüngsten Einflüsse von RADIOHEAD zu lesen und zu begreifen, daß wir und tausende Andere in einer universellen Quelle herumtapsen und Musik wie eine riesige spirituelle Strömung ist, was immer nun deine Bezüge oder Vorlieben sind…, also im kreativen Sinne fühle ich mich nicht allein. Eher allein in einem globalen Zusammenhang, daß Leute sich ausstrecken und versuchen, eine größere Bedeutung für unsere Existenz zu finden und Menschen sich lieber füttern lassen, als ihren eigenen Weg zu gehen.

Ihr seid wie Klangmaler. Was inspiriert Euch? Natur? Gutes Essen? Sex?

BRYDON: Innenbetrachtungen, Schönheit in vielen Formen, Natur, insbesondere das Meer.
ROSS: Zynismus und etwas lächerlicher Glaube an mich selbst.

ALEX: Raum, Kontraste, Freundschaften, gutes Curry… und mehr.

Wie können interessierte Leute in Europa jetzt Euer letztes Meisterwerk „DIGITAL INABILITY“ bekommen?

(Anm. des Uploaders: Die ursprünglich hier angegebenen Bezugsquellen und Internetadressen sind nach knapp zwanzig Jahren nicht mehr abrufbar und werden hier nicht angegeben.)

Danke für das Interview.

BENGUELA – Diskographie:

„SPUTNIK“CD (98)
„DIGITAL INABILITY“CD (01)

tom dreyer

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