April 14th, 2020

AARON STAUFFER (#121, 2006)

Posted in interview by Thorsten

1988 Gründungsjahr

Die Mitglieder kannten sich aus den zwei Punkschuppen in Tacoma, die sich aufgrund eines Problems in Seattle gegründet hatten: Nach einem kleinen Riot im Rahmen einer Circle Jerks Show forderte eine lokale TV-Größe, Lou Guzzo, „dass die Punkrocker davor geschützt werden müssten, ihr Leben zu ruinieren“ – indem man sie zum Angeln schickt. (Vertont wurde dies durch die Dehumanizers). Folge dessen war, dass alle All Ages Shows von Seattle nach Tacoma ausgelagert wurden. Aus einigen der sich dort dann gründenden Bands (Cactus Love, Alphabet swill, Inner strength) – man brauchte ja lokale Vorbands – reformierten sich dann Seaweed.

Diskographie – Vinyl natürlich.

Seaweed

Singles:
* Seaweed 7″ (Leopard Gecko, 1989, lg 007)
Mit Stargirl, einem wahnwitzig großartigem Song
* Just A Smirk 7″ (Leopard Gecko, year 1990, lg 009), 1500 numbered, 500 green
Mit Just a smirk, einem wahnwitzig großartigen Song
* Deertrap 7″ (K Records, 1991, IPU 16), gibt’s mit Cover oben oder an drei Seiten offen: Erstauflage unklar
* Bill 7″/12″ (Subpop, 1992, SP 141), blaugrün
* Measure 7″/12″ (Subpop, 1992, SP 168)
* Go Your Own Way 7″/CDS (Subpop, 1993, SP 123/304), weiß

Albums
* s/t 7″-Compilation (Tupelo, 1990, mit den ersten 3 7″)
* Despised 12″ (Subpop, 1991, SP 110)
* Weak LP (Subpop, 1992, SP 144), Erstauflage in grün
* Four LP (Subpop, 1993, SP 222)
* Spanaway LP (Hollywood Records, 1995, HR 62009)
* Actions & Indications LP/CD (Merge Records, 1999, MRG 150)

Compilations
* The Estrus Lunch Bucket 3×7″-box (Estrus, 1990, ESBX1/ES708)
Bewitched
* Three’s A Company 7″ (Simple Machines/Merge Records/Leopard Gecko, 1990, SMR 2.33)
Patchwork
* The Estrus Half-Rack 3×7″-box/CD (Estrus, 1991, ESBX3 – ES717/ESCD3)
Foggy Eyes (Beat Happening)
* International Pop Underground Convention 2xLP/CD (K Records, 1991, KLP11)
Bill
* Fortune Cookie Prize LP/CD/CS (Simple Machines, 1992, SMR 007)
Foggy Eyes (Beat Happening)
* Revolution Come ’n‘ Gone CD (Subpop GER, 1992, SP 31/186)
Baggage
* Self Mutilation Vol.3 7″ (Get Hip!, 1993)
Selfish (live)
* Alternative Route ’94 (label ?, 1994 )
Losing Skin
* Jabberjaw No. 4 7″ (Mammoth Records, 1994, MR 0080)
My Letters
* Jabberjaw No. 5 Good To The Last Drop 4×7″-box/2×10″/CD (Mammoth Records, 1994, MR 00981)
My Letters
* Music From The Motion Picture Clerks CD (Sony, 1994)
Go Your Own Way
* West X North-South 5×7″-Box (Vagrant Records, 1995, VR 316-317-318-319-320)
Sing Through Me
* Oh, Merge CD (Merge Records, 1999, MRG 161)
Brand New Order
* Live At Emo’s CD (Rise Records, 2001, RR-125)
Baggage
* Patchwork Compilation CD (Mere Exposure Records, 2002, Mere001)
Days Missed Dearly

Aaron Stauffer solo:
* Magic Ribbons 3×7″ Compilation (unter dem Namen Spook & the zombies) (Lepoard Gecko, 1989)

Gardener:
*New dawning time (Index Rec / Sub Pop, 1999, Index 0007)
* Intermission / Boys of summer /“ (Paperbag Rec series, 2000, CPBS 0004)
(Jahre bevor die Ataris das schreckliche Don Henley Lied coverten. Aaron singt dabei übrigens ‚Black Flag sticker on a Cadillac‘, was die Ataris dann interessanterweise übernahmen, ‚poseurs‘ meint Aaron dazu)
* Saddle ridge auf der Patchwork Compilation (s.o.)

Blue Dot
* Homes! (CD, whoa’03, 2005, 150 copies)
*Diamond Lite (CD) via thebluedotmusic.com

Pathetischer Anfang:
Als ich 1990 am Ende eines Urlaubsaufenthalts in Los Angeles meinen letzten Besuch in einem Plattenladen machte, um dort letzte Dollars mit einigen letzten Plattenkäufen auszugeben, empfahl mir Tomás, Freund und Verkäufer, eine LP namens Unfun von einer Band namens Jawbreaker sowie zwei Singles, die ich kurz anhörte. Love Buzz von Nirvana ließ ich stehen (die stand da wirklich noch rum!), klang zu schlecht, während Just a smirk von Seaweed eine meiner meistgehörten Platten seitdem ist. Yup, so war’s.
Seaweed kamen einmal nach Deutschland, spielten sogar in Frankfurt, fesselten mich als eine der wenigen Bands, bei denen alle (na gut, der Drummer nicht) Mitglieder mehr in der Luft als auf dem Boden waren und sorgten mit jeder neuen Platte für Erleuchtung auf dem Teller. Das, was später einmal Emo werden sollte, war damals sicher unglücklich auf dem Label der Stunde, SubPop, aufgehoben, denn wie fucking Soundgarden klangen die nun wirklich nicht. Die Fleischtöpfe lockten, die Band machte eine Platte bei einem echten Major, die grandios floppte… und dann dachte ich, es sei aus mit ihnen. Aus dem Nichts dann eine Platte auf Merge, dem Label ihrer Freunde von Superchunk (deren frühe, rockigere Aufnahmen, Seaweed nicht ganz unähnlich klingen): Es gab sie wieder oder noch, genau konnte man das von hier aus nicht sagen. Dann lange nichts, bis Anja per Zufall auf die Gardener LP stieß, eine wundervolle Folkplatte mit wundervollen Melodien und ruhiger, sympathischer Unterproduktion, danach stellte sie weitere Recherchen an und dank Myspace wurden wir so auf Blue Dot aufmerksam, das neuest Projekt eines der besseren Sänger unserer Musikwelt: Aaron Stauffer. Und dem will ich jetzt als Fan mein kleines Denkmal setzen. Daniel.

Bitte stell Dich doch einmal kurz vor, damit die Leser in etwa wissen, mit wem sie es zu tun haben. Welche Interessen – neben der Musik – hast Du noch? Lieblingsbücher?

Ich bin 35 Jahre alt, surfe und skateboarde – ein Pogo Longboard mit G Trucks – und mache gerade eine Ausbildung zum Krankenpfleger. Daher lerne ich eine Menge Bio und Anatomie, aber ich gärtnere auch sehr gern: Ich besitze zwei Gärten, der eine mit einer Menge Sonne für Erdbeeren und Artischocken, der andere mit Halbschatten für meinen geliebten Wirsing und grünen Salat. Mein Lieblingsautor ist definitiv THOMAS PYNCHON, ich liebe seine Bücher und habe auch alle gelesen, wobei Gravity vs. Rainbow das Beste ist, Mason and Dixon das zweitbeste, nur knapp geschlagen. Seine Büche haben eine Menge Gehirnvergrösserung bei mir betrieben, ich habe da eine Menge gelernt: Er ist mein Held, ich liebe ihn!

Deine musikalische Karriere ist vor allem wegen der Band Seaweed im ein oder anderen Ohr. Wenn Du auf Eure ersten beiden Singles zurückblickst, die ihr damals für Leopard Gecko aufgenommen habt: Wie kam es, daß ihr gleich mit solchen Hammersongs ins Rennen seid?

Clint von Seaweed meint dazu öfters, dass wie nach der Just a smirk 7″ gleich hätten aufhören sollen. Ein anderer, Band-interner Witz lautet „Hätten bei Leopard (Gecko) bleiben sollen“. Wir haben uns damals stark an Hüsker Dü’s ‚Could you be the one‘ orientiert – und an einem Gitarristen namens Mike Mullagn, der mit unserem Freund Steve Ross in einer Band war – heutzutage The Briefs. Mike spielte in einer Band namens The Really Rottens – nun ja, er war auf einer Privatschule, Clint und ich auf einer normalen Schule – mit Steve Ross und das klang ein wenig nach den Saints. Mike hatte beim Gitarrespielen eine ganz eigen Art entwickelt, gewisse Molltonarten zu spielen, trotz seiner Jugend schon sehr weit entwickelt. Er hat danach nie wieder in anderen Bands gespielt, aber letztlich sind unsere ersten Platten Clints Versuch, wie er versucht, wie Mike Gitarre zu spielen. Mein Teil an diesen Platten (die Texte) hat viel mit Mädchen in Olympia zu tun, die ich damals kannte, die später die Riot Grrrl Bewegung erfanden und uns dann auch aus der Stadt gejagt haben!

Da muss ich einmal nachhaken, sonst fällt einer unserer Schreiberinnen der Gemüsebratling in den Sojashake… also wie war das genau?

Ich bin mit einigen Mädchen ausgegangen, die an vorderster Front der ersten Welle von Riot Grrls standen. Nun war ich garantiert kein gutes Boyfriend-Modell, so dass sie sich über mich schon den Mund zerrissen haben – und zwar derart, dass ich aus Olympia rausgeekelt wurde. Nicht dass wir uns hier falsch verstehen: Ich fand die Riot Grrl Bewegung eine klasse Sache und eine logische Folge aus der männlich dominierten Punk Rock Welt. Die Grrls bevorzugten allerdings die Smarten-Hosen-Schreib eine Menge Bullshit in die Liner Notes-Punks wie die Nation of Uselessness – Mann, haben die gesaugt! NOU sind bei uns herumgezogen und haben so viel Müll über unsere Band Seaweed erzählt, dass wir sie in LA mal bei einem Konzert besucht haben, als wir auch in der Stadt spielten, und sie dort dann alles verneinten – ‚Wir haben doch nie etwas gesagt‘ – jeder wusste, dass sie lügen. So oder so, die Riot Grrls und Olympia im Allgemeinen hatten größere Visionen für Punk als eine Horde Hardrock Nerds aus Tacoma, die T-Shirts tragen.

Zur Zeit, als Euer Album ‚Weak‘ auf SubPop herauskam, explodierte das Label und die Welt schien sich um Seattle zu drehen. Woran denkst Du zuerst, wenn Du Dich an diese Zeit erinnerst? Wie erging es euch damals als Band?

Ich habe damals für Sub Pop gearbeitet, Platten – ja, die Dinger, für die man einen Plattenspieler braucht – direkt an Läden zu verkaufen. Als Weak herauskam, hatte ich gekündigt, damit wir auf Tour gehen könen. Es ist meinem Geschmack nach mit Abstand unsere schlechteste Platte.
Der Seattle Sound – nun ja, mir gefielen die Bands, die gar nicht aus Seattle waren, besser. Melvins, Screaming Trees, Beat Happening. Denen allen bin ich im pazifischen Nordwesten (der USA; die Staaten Washington und Oregon, Anm.) seit 1986 immer nachgereist, als einer der ersten Die-Hard Melvins Fans. 1992 mochte ich das alles nicht, aber Bands von der Ostküste wie Superchunk, Quicksand, Pavement oder Lungfish gefielen mir einfach besser. Mark Lanegans Solo Album gefiel mir gut und natürlich Rocket from the crypt – deren erste Platte ich mir am Tag ihres Erscheinens kaufte. Und wer eine völlig unterbewertete Sub Pop Platte kaufen will, dem empfehle ich Mariposa, das zweite Rein Sanction Album.
Seattle war natürlich vor allem Nirvana, die fanden wir ja auch alle gut, Nevermind habe ich geliebt. Sie hatten oft bei uns in Tacoma gespielt, als sie noch Nirvaana hießen und nicht Nirvana und für SubPop aufnahmen. Als Dave Grohl anfing, für Nirvana zu spielen, hat es mich umgehauen, wie dicht ihr Sound dadurch wurde. Die Slive/Dive 7″ spiele ich auch ab und an noch ganz gerne. Und Kurt – nun ja, ich hatte mal einen recht merkwürdigen Traum, in dem er mir einen Song beibrachte, den er gesungen hatte, der klang, als ob ihn ein Engelschor singen würde. Ich sagte mir im Traum, dass ich mir den Song unbedingt merken müsste, was natürlich nicht geklappt hat, aber vielleicht hat es ja einen Einfluss auf mein Songwriting gehabt?
Es ist alles eine liebevolle Erinnerung. Ich war jung, habe in einer Band gesungen, für dies es ganz gut lief, aber wir waren aus Tacoma und mussten daher natürlich Seattle hassen. Jedes Mal, wenn wir die Wörter Grunge oder Seattle Sound hörten, ging es ‚Yuck‘.

Auf dem Album ‚Four‘ steht im Insert u.a. auch ein ‚Team Seaweed‘ mit einem Managment, einem Anwalt usw.. Sah und sieht so aus, als ob ihr sehr absichtlich einen ‚wir wollen es kommerziell schaffen‘ -Weg eingeschlagen habt. Stimmt das?

Ja. Es lief aus dem Ruder. Kim, unser Manager, hatte damit angefangen.

Auf welche Seaweed Platte bis du am stolzesten?

Auf ‚Four‘, weil Clint sie in unserem Proberaum aufgenommen hat und die Songs Kid Kandy, Losing Sking und Card Tricks gut sind. Wenn man Song für Song schaut, müsste aber ‚Spanaway‘ den Kuchen abbekommen – unser politisches Album: ohne zu predigen. Es gibt auf Spanaway nur einen Lovesong, wobei auch der nur zur Hälfte Liebe und zur anderen Hälfte Gerüchte ist. Die Keyboards auf dem Album gefallen mir sehr gut, weil sie raffiniert sind und eine Menge Tiefe haben.

Auf einer kommerziellen Ebene war Spanaway sicher nicht das, was sich Hollywood Records erhofft hatten. Wie war eure Beziehung zu dieser Firma? War es ein Vertrag für eine Platte oder haben sie euch danach entlassen?

Das Verhältnis zwischen denen und uns war schon im Arsch, bevor die Platte herauskam. „Crush us all“ geht um das große Geld, die großen reichen Schnösel, mit denen wir in L.A. zu tun hatten. Sie hatte uns gebeten, aus unserem Vertrag auszutreten, was wir sehr gerne gemacht hatten, um aus dem Alptraum herauszukommen.

Was genau war mit dem Label denn so schlimm?

Das fing damit an, dass sie uns gesagt hatten, dass wir natürlich unsere Platte in Clints Studio aufnehmen dürfen. Als die Tinte getrocknet war haben sie ihre Meinung geändert und wollten, dass wir eine Menge Geld in einem schicken Studio mit einem schicken Produzenten ausgeben. Die Platte klingt nicht schlecht und Adam Kaspar war ein guter Produzent… aber es war eben nicht so, wie wir das wollten. Das andere Problem war die Suche nach dem Hit. Die Plattenfirma wurde von einem Präsidenten geführt, der so heftig auf Pillen war, dass er die Hälfte der Woche nicht zur Arbeit ging. Und wenn, dann fragte er immer ‚der Kram ist gut, aber wo ist der Hit?‘. Das war die Antwort auf jedes Demo, was wir eingesandt hatten, bis sie dann beschlossen hatten, dass ‚Start with‘ der Hit sei: Es ist eben nur keiner.

Danach kam einige Jahre später, als niemand mehr damit rechnete, ‚Actions and indications‘ heraus. Auf dem Cover sind asiatische Schriftzeichen, was bedeuten sie? Warum hat Bob nicht mehr an den Drums gesessen?

Die Zeichen bedeuten „Happy Brain Pills“ – irgendwelche chinesischen Tabletten, die ich besaß. Heutzutage bevorzuge ich Pfefferminz-Tee und Yerba Mate, obwohl ich ab und an noch Ginseng trinke. Bobs und der Seaweed Pfad liefen auseinander. Wir sind immer noch befreundet und er war auch bei unserer Blue Dot / Leuko Show in Tacoma.

Anders herum, ich habt es recht lange zusammen ausgehalten, seid ihr Freunde (‚echte‘ Freunde)?

Wir sind natürlich alle befreundet, aber da gibt es schon Unterschiede. Clint und ich sind immer noch sehr eng verbunden, aber das sind wir auch schon seit unserer Kindheit. Wir haben mit Seaweed auch einige Male diesen Sommer geprobt, es soll ein neues Album geben. Es wäre so wie immer geworden, wir treffen uns, fangen an, Bier zu trinken… aber ich habe mit dem Biertrinken aufgehört, deshalb mussten wir proben! So oder so – wenn wir mit Blue Dot nach Washington kommen, spielen die anderen Bands mit Seaweed Leuten immer mit uns zusammen. Atkins neue Band, The fucking eagles, sind großartig! Kaputte Rock Roll Punk Action.

Auf „Actions and indications“ singst Du da:- „we’ve been walking through the hard times – see the goodness vanish before it’s shown – but I don’t fake a smile “ Geht’s da um die gesamte Bandgeschichte?

Ja, eine Menge auf der Platte ist über das Ende von Seaweed. ‚Let go‘ ist eher über das sich abzeichnende Ende. Meine liebste Tränendrüsen-Ode an Seaweed und all den besten Freunden, die ich vermisse, ist von Gardener und heißt „End up that way“
now with destruction pending- what could i say – i don’t know how this could be the ending- things end up that way… so, und jetzt muss ich schluchzen!

Meine Fragen zu Deiner nächsten Band, Gardener, beziehen sich auf das Booklet der ‚New dawning time‘: Es wurde schwerer, an Dein Output heranzukommen. Du singst auf der Platte, dass das Apartment in Tacoma keinen Sinn mehr ergab. Warum?

Ich wollte auf dem Land leben und im Ozean spielen können.

Das Wasser in Washington und Orgeon ist bitterlich kalt, wie kamst Du da aufs Surfen?

Damit hatte ich erst nach meinem Umzug nach Nordkalifornien begonnen. Ich war immer ein guter Schwimmer gewesen. Mein Vater, von ihm handelt ‚Kid Kandy‘, war Schwimmlehrer und meine beiden Schwestern haben auch Rekorde im Staat Washington aufgestellt: Ich fing mit dem schwimmen an, als ich gerade auch laufen lernte. Jetzt habe ich zum Surfen wegen meiner Ausbildung kaum noch Zeit – da gibt es auch noch meine vierjährige Tochter. Daher gehe ich meistens Skaten, das kann man immer noch einmal irgendwo reinquetschen.

Die Songtexte, die Photos, alles deutet auf einen sehr einfachen, ländlichen Lebensstil hin. Wie sahen damals deine durchschnittlichen Tage aus?

Nach Wellen suchen. Du musst so viel Scheisse fressen, wenn du es lernen willst. Manchmal habe ich als Landschaftsgärtner gearbeitet, manchmal Kayak Touren veranstaltet, geschreinert… in den späten Neunzigern habe ich nicht viel gearbeitet. Im Sommer war ich immer angeln, im Winter musst Du aufstehen und ein Feuer machen. Viel Holz machen, ich habe eine Stihl Motorsäge. Als ich nach Mendo (Mendocino County, nördlich San Francisco) kam war mein erster Job, eine etwa einen halben Quadratkilometer große Ranch zu bewirtschaften. Mit dem Traktor herumfahren und Windbruch schneiden – ich arbeite heute noch dort. Viele, viele Kräuter geraucht. Manchmal fuhr ich dann nach Washington hoch, um mit Seaweed Shows zu spielen.

Viele Leute, die in Punk/Rock-Bands spielten, haben sich dem Folk und Singer/Songwriter-artiger Musik zugewandt. Welche davon magst Du, welche nicht?

(Mark) Lanegan Held, wenn es ums singen geht. Ich mag Bubblegum, es gibt nichts Besseres, als wenn PJ Harvey und Lanegan von einander singen- Die neue EP von ihm mit dem Mädchen von Belle and Sebastian gefällt mir auch sehr gut. Elliot Smith – es ist alles viel trauriger, seid er sich aus dem Leben entfernt hat.

Woher kamen die anderen Musiker auf der Gardener LP?

Van Conner von den Screaming Trees und ich waren zu zweit die erste Phase Gardener. Sein Bruder Patm dessen Kumpel Adrian – alle aus Ellenburg aus der Gegend östlich des Kaskadengebirges in Washington. Wir hatten das alles auf 4-Track aufgenommen, meine Dame Iana sang dann die Mädchen-Parts. Als ich nach Mendo gezogen bin, bauten wir eine komplett neue Band unter dem alten Namen auf, wurde eher eine Bar-Band und spielen Rock, manchmal auch Dub, Funk und Soul. Wir haben davon auch eine Menge aufgenommen, was natürlich mit der ersten Gardener Platte nichts zu tun hatte. Ich wollte einfach genau die Art von Musik machen, auf die ich Lust hatte, und wenn das erste Album abgefahrener Folk war, warum darf das zweite Album nicht Bar-Rock oder Funk sein – wir hatten sogar ein paar Hardcore Stücke. Mal spielten wir ein halbstündiges Dub Stück ‚Gaza strip‘ mit Trompete und Loops, dann kam zum Schluß ein HC-Stück ‚Sediment delivery‘: so endete jedes Konzert von uns in Mendo. Sub Pop hassten es, sie wollten eine zweite Platte mit Folk: bessere Produktion und weniger Delay, ich wollte nur ausrasten und Spaß haben: Wie du weißt, gab es keine zweite Platte, auch wenn wir CDs aufgenommen und bei Shows verkauft haben.

Warum habt ihr damit aufgehört?

Ich wurde Vater, meine Schwester Sarah, die damals auch sang und Keyboards spielte, bekam ein Kind, wir hatte schon so viel an der Band verändert… es war an der Zeit. Wir haben unsere letzte Show 2003 gespielt, als ich anfing mit Scotty am Bass zu spielen: The Blue Dot. Damals bastelte ich Drum Loops zusammen und spielte Synth, er hat schon in vielen Bands aus der Gegend von Sacramento gespielt.
Wieder eine ganz andere Musikrichtung…warum hast du dem Folk den Rücken zugewandt?

Mein Rücken dreht sich beim Tanzen eben…

Bei Blue Dot sehe ich -mit dem Internet im Rücken- einen DIY – bis zum Anschlag – Ansatz. Wenn ich annehme, dass dies absichtlich passiert ist, was wären die exakten Gründe, alle anderen Formen der Plattenproduktion abzulehnen?

Es hat mir noch nie gefallen, mit Plattenfirmen zu arbeiten – es ist höchste Zeit, die eigenen herzustellen. Die Klangqualität des ‚Diamond Lite‘ – Albums ist sehr gut, von allen Platten, bei denen ich dabei war, klingt nur Spanaway besser.

Das Aussehen, der Sound: alles klingt wieder urbaner. Wo wohnst du im Moment, gibt es da eine Verbindung?

Ich lebe immer noch am gleichen Ort, aber wir haben über die Jahre viele Möbel von Ikea gekauft – vielleicht hat das einen urbanen Einfluss auf mich ausgeübt. Bei den Gardener Stücken habe ich zum Großteil ja auch noch in Tacoma gewohnt. Blue Dot haben wir in einer ländlichen Gegend, direkt an der Küste, aufgenommen. Ich fühle mich inzwischen anders, trinke nichts mehr, was ich auch während der frühen Seaweed Jahre nicht tat, rauche auch nicht mehr so viel, kümmere mich um mein Studium und skate mehr. Alles wird anders: meine erste Band aus vier Leute mit einer Bläsersektion, da David – auch von Gardener – beim Trommeln trötet. Mickey wechselt sich zwischen Sax und Gitarre ab, ich habe ihn beim Surfen kennen gelernt, als er 15 war. Ich sah ihn als Saxophonisten einer High School Jazz Band und dachte mir, ‚Der hat’s drauf … wenn der älter wird‘ – habe ich ihn angerufen. Es hat alles wieder viel Energie für mich, erinnert mich ein wenig an Seaweed, das laut werden, Dinge herauslassen. Wir sind übrigens auch im Film ‚Rural Rock‘ über nordkalifornische Rockbands, aber den kennt eigentlich keiner.
Ich habe über die Frage, ob ich meinen Rücken dem ländlichen Rock zugedreht habe, nachgedacht. Seit 9 Jahren wohne ich an einer nicht geteerten Straße und die Musikszene um mich herum hat sich verändert. Natürlich passiert Musik dort, wo die Straßen geteert sind, also in Mendocino, Fort Bragg oder Caspar. Aber die Kids sind inzwischen anders drauf, mit Anfang 20 wissen die heute, wer die Ramones UND Jonathan Richman sind. Früher gab es hier nur schlechte Bluesbands, die eventuell mal Cake gecovert haben, heute haben die Kids urbanes R’n’R Wissen. Zwei Bands, die man hier mal erwähnen sollte, sind Blushing Roulettes und Kerosene Kondors, die spielen ‚Old Tyme‘ Roots Music, wenn ich das höre, will ich sofort Synthezizer und Punkrock spielen, obwohl ich die Bands mag! Ein Johnny Cash Konzert mit Mark Lanegan als Opener 1993 war das beste Konzert, was ich je gesehen habe, aber dennoch mag ich Punk und laute Tanzmusik: vielleicht erklärt das, warum Blue Dot so anders klingt als Gardener.
Eins noch: Ich war neulich bei einem Festival für nachhaltige Landwirtschaft und ein anderer Surfer namens Woody hat den Wettbewerb im Baumstammsägen mit der großen Zweihandsäge gewonnen! Wenn das nicht ländlich ist….

Du arbeitest auch als Kayak-Führer. Erzähl doch mal, was ihr macht und warum ich mit dir auf den Ozean paddeln soll, wo ich doch recht einfach mir ein eigenes mieten könnte?

Was wir mit unseren Kunden machen ist recht intensiv. Es geht gleich in die Wellen und hinter denen dann vier Meilen über das offene Meer, zur Küste, in Höhlen rein und raus… die Leute sagen, es sei die beste Tour, die sie je gemacht hätten. Ich liebe den Ozean, ich war schon oft so nah an Walen und anderen Meeressäugern und bin dabei auch sehr viel kräftiger geworden. Dann habe ich auch andere Kajakführer ausgebildet, was ich als sehr lohnend empfand, mein Wissen weiterzugeben. Ich habe gerne Leute um mich herum und wenn ich sie dann mit auf ein Abenteuer nehmen kann, auf das sie sonst nie kämen, ist das toll. Seit einem Jahr arbeite ich als ehrenamtlich in einem Krankenhaus, in drei Jahren bin ich dann Krankenpfleger. Den Leuten zuhören, sie beruhigen, ihnen helfen: Mit Seaweed habe ich über meine Stimme mit Leuten kommuniziert, Verbindung aufgenommen und so erforsche ich eben andere Wege, dasselbe zu machen. Wir haben zusammen zu wenig Zeit auf diesem Planeten, um alles isoliert voneinander zu tun.

Both comments and pings are currently closed. RSS 2.0