Limitarismus – Warum Reichtum begrenzt werden muss, Ingrid Robeyns
S.Fischer Verlag, Hedderichstr. 114, 60596 Frankfurt, www.fischerverlage.de
Also, für viele ist das Thema ja nichts neues – Eat the Rich – aber es lohnt sich dieses Buch (Originaltitel: Limitarianism. The Case Against Extreme Wealth) der belgischen Philosophin und Ökonomin zu lesen. Denn hier sind wirklich alle Aspekte des Problems detailliert aufgeführt. Zehn Jahre hat die Autorin dafür geforscht und recherchiert und das merkt man auch. Man könnte sagen das mit diesem Buch die rationale, faktenbasierte Begründung warum das mit dem exzessiven Reichtum beendet gehört, abgeschlossen ist – natürlich nur bis neue Erkenntnisse auftauchen. Aber der Reihe nach. Nach einer aussagekräftigen Einleitung ist das Buch in zehn Kapitel unterteilt und die Überschriften dieser Kapitel sind auch schon sehr aufschlussreich:
Wie viel ist zu viel? / Extremer Reichtum hält die Armen in Armut, während die Ungleichheit wächst / Extremer Reichtum stammt aus schmutzigem Geld / Extremer Reichtum untergräbt die Demokratie / Extremer Reichtum steckt die Welt in Brand / Niemand verdient es, Multimillionär zu sein / Mit dem Geld lässt sich so viel machen / Philanthropie ist nicht die Lösung / Auch die reichen werden profitieren / Der weitere Weg. Wenn man im ersten Kapitel nochmal in aller Ausführlichkeit, mit den neuesten Zahlen gespickt, lesen kann wie reich die extrem Reichen wirklich sind wird man schon wütend. („Das Vermögen des reichsten Menschen im Vereinigten Königreich wurde 2021 auf 23 Milliarden Pfund geschätzt. Um dieses Vermögen zu erarbeiten, müsste ihr Stundenlohn 196.581 Pfund betragen – bei einer 50-Stunden-Woche und einer Gesamtarbeitszeit von 45 Jahren. Bei diesem Stundenlohn könnten sie sich täglich eine Dreizimmerwohnung mitten in London kaufen.“) Und fragt sich was mit diesen Menschen eigentlich los ist – oder noch besser, was mit dem Großteil der Menschheit los ist – statt diese armen, kranken Menschen in Behandlung zu schicken um sie von ihrer unsinnigen Gier zu heilen und sie zu resozialisieren, werden sie von vielen abgefeiert und als Helden gesehen. Es gibt einfach keine Erklärung warum Menschen so viel Geld besitzen sollten, es darf kein Vermögen ohne Grenzen geben.. Und das dieser überzogene Reichtum, den man getrost als Parallelgesellschaft bezeichnen kann, eben nicht allen gut tut, sondern die Armen immer mehr betrifft, wird hier so gut erklärt das es sicher nicht noch mehr Erklärung bedarf, um diesen untragbaren Zustand zu ändern. Denn es ist natürlich so, das wir merken wenn die Armen ärmer werden, es aber kaum öffentlich ist, wenn die Reichen reicher werden. Stichwort „schmutziges Geld“ viele der Überreichen haben ihr Vermögen noch aus kolonialen Geschäften zum Teil mit Sklaven, der Nazizeit mit Zwangsarbeitenden, oder aus anderen schmutzigen Quellen wo Menschen, auch heute noch, ausgebeutet werden. Das diese Ungleichheit die Demokratie untergräbt, beziehungsweise zerstört, kann man ja in der Gegenwart sehr gut live mitverfolgen. Und das streben nach immer mehr, natürlich auch das Klima verändert und die Umwelt kaputt macht, kann man parallel dazu auch gegenwärtig live verfolgen. Aber es scheint nichts zu nützen, es geht weiter wie bisher. Das Robeyns auch Philosophin ist merkt man wenn sie klar ausführt das kein Mensch es verdient so viel zu verdienen – es kann nicht sein das in einer Firma ein Chef 100 mal (oder mehr) verdient als ein „normal“ Arbeitender. Und das man mit dem Geld so viel anderes machen könnte als zu horten oder ständig zu vermehren ist ja auch nichts neues. Ob das dann auf Dauer zum erwünschten Ziel führen würde wäre einen Versuch wert. Und die Kritik an der Philanthropie ist auch berechtigt, weil halt immer nur eine Person entscheidet wo die Hilfe hingehen soll oder was unternommen wird und es oftmals auch noch eine Steuerersparnis bedeutet. Leider merken die Reichen auch nicht wie sie ihr Reichtum auch selbst verändert und belastet und natürlich auch die Familien und sowieso die Kinder. Das eine gleiche Gesellschaft und eine intakte Umwelt letztendlich allen zugute kommt wird von ihnen leider nicht gesehen. Was also geschehen sollte: die Neoliberale Ideologie demontieren, die Spaltung der Gesellschaftsschichten reduzieren, für ein wirtschaftliches Machtgleichgewicht sorgen, fiskalische Handlungsfähigkeit des Staates wiederherstellen, schmutziges Geld konfiszieren, internationale Wirtschaftsarchitektur gerechter gestalten, Managergehälter begrenzen und der Vererbung von Vermögen von einer Generation an die nächste Einhalt zu gebieten. Das klingt alles plausibel und wurde in der ein oder anderen Form auch schon in der Vergangenheit vorgeschlagen und gefordert – zum Beispiel: wenn es einen Mindestlohn gibt, dann muss es auch einen Höchstlohn geben. Hierzu gibt es auch konkrete Vorschläge, ebenso auf die Höhe des zu begrenzenden Reichtums, eine bis maximal 10 Millionen pro Person, vereinfacht gesagt. Selten so viel wichtiges und richtiges über die Problematik gelesen die schon immer mehr oder weniger – eher mehr – besteht aber heute eben dermaßen überhand genommen hat das man jetzt handeln muss. Nur, es gibt ein paar vorbildhafte Beispiele von Erben oder Superreichen die ihr Geld umverteilen, aber das sind die allerwenigsten. Die meisten lassen sich ihr Vermögen von der „Wealth Defend Industry“ schützen und weiter vermehren. Und auch kein Staat wird die Steuerschlupflöcher für die Reichen entfernen oder Steuerparadiese schließen. Sondern weiterhin lieber auf den „Sozialbetrügern“ herumhacken, weil es wie immer ist: down to top, statt andersrum. Wie gesagt, alle rationalen Fakten sind in diesem Buch mehr als plausibel erklärt und dargelegt. Es ist so, das extremer Reichtum aus moralischer, politischer, ökonomischer, sozialer, ökologischer und psychologischer Hinsicht nicht nur nicht gerechtfertigt werden kann, sondern uns allen zutiefst schadet – auch den Superreichen. Aber auch dieses Buch wird leider an der Situation nichts ändern. Dennoch und ich weiß das ich das in letzter Zeit schon ein paarmal gesagt hab, aber das Buch ist echt Pflicht zu lesen. Denn danach weiß man was hier wirklich schief läuft (natürlich weiß das der langjährige Trust-Lesende sowieso), wie man das ändern könnte und das es wahrscheinlich nicht passieren wird. Noch dazu liest es sich überhaupt nicht trocken und sehr flüssig, auch wenn die Autorin hin und wieder – zurecht – ein wenig zu viel appelliert – aber das soll ihr gegönnt sein. Eindrucksvolles Buch, hervorragend auf ganzer Linie. Nächstes Ziel, Limitarismus! 377 Seiten, Gebunden, 26,00 Euro (dolf)
Isbn 978-3103971620
[Trust # 229 Oktober 2024]