Dezember 31st, 2023

Dominic Saxl (#216/Oktober/November 2022)

Posted in interview by Jan

„24 DOORS TO HELL“. Interview mit Horrorfilm-Redakteur-Filmemacher Dominic Saxl

Seit Jahren gehe ich in „meine Stammkneipe“, die Rock-Kneipe „Zappbar“ in Frankfurt am Main. Und seit Jahren kenne ich Kumpeline Caren, die mit Dominic befreundet ist, der auch „Zappbar-Local“ ist – so lernten wir uns also durch das Frankfurter Nachtleben besser kennen. Ich erfuhr, dass Dominic vor einiger Zeit seinen ersten Weihnachtshorrorfilm – Deathcember – veröffentlichte und er für die Filmzeitschrift Deadline schreibt. Für diese wiederum macht Caren seit einiger Zeit die Grafik, sie designte vorher auch Bilder für die Deathcember-Promotion.
So richtig beschäftigte ich mich mit dem Deathcember-Film und der Deadline dann im ersten Corona-Jahr. Weil mir beide Medien total gut gefallen, reifte über die Pandemie der Gedanke für dieses Interview. Auch weil: Wie viele Leute kennt ihr so, die „Horrorfilme machen“ – und die dann auch noch richtig klasse sind? Und sicher, ihr Kinder des Korns: Vielleicht ist es bei Erscheinen dieses Trust im Spätsommer noch nicht „die“ Jahreszeit für den Genuss eines Weihnachtshorrorfilms – wobei ich mir Deathcember im Frühjahr an einem sonnigen Nachmittag anschaute und nach den ersten zehn Minuten wirklich auch alle Lichtquellen in meinem Home-Kino anmachte! Aber es geht hier im Interview ja nicht „nur“ um den Film, ich wollte dieses Gespräch auch ein wenig anders „framen“ als die sonstigen Interviews mit Dominic, die sich nur um den Film drehten. Denn es geht eben um die vielschichtige Persönlichkeit und Vergangenheit von Dominic, was fürs Trust ziemlich gut passt, denn…

„We’ll Tear Your Soul Apart“ (Hellraiser I)
Er kommt ursprünglich aus dem West-Berlin-HC-Punk der 80er und 90er und spielte in einer sehr coolen Band, die ich auch bislang nicht kannte (Ultimate Warning), d.h. er kannte auch das Trust von „damals“. Und seit vielen Jahren schreibt der Kollege als Filmredakteur für Online-Formate und eben für die Deadline. Es gab viel zu fragen und so fanden sich Dominic, Fotografin Caren und unsere beiden Freunde Bier und Zigaretten in meiner Casa ein. Logisch, dass wir den Abend in der „Zappbar“ beendeten! Ich bin einfach Fan von Dominics kreativem Schaffen, deshalb also dieses Gespräch, und da dieses mit dem „Horror-Sujet“ etwas von unseren sonstigen Standards – „HC-Punk-Band-oder-Label-Interview“ – abweicht und ich auch nicht genau weiß, ob alle die Deadline bzw. Deathcember schon kennen, gibt es nun noch einige Hintergrundinfos (und mir machte es einfach Spaß, die Einleitung mit einigen Zitaten aus (größtenteils) Horrorfilmen zu „collagieren“).

„Ich hab ihn vor 15 Jahren kennengelernt. Man sagte mir, er sei ein hoffnungsloser Fall. Kein Verstand, kein Gewissen und auch nicht das elementare Differenzierungsvermögen zwischen Leben und Tod, zwischen Gut und Böse, Recht oder Unrecht.“ (Halloween I)
Wiki teilt uns zu Deathcember folgendes mit: „Deathcember ist ein Episodenfilm aus dem Genre des Weihnachtshorrors, der die Mechanik des Adventskalenders aufgreift: In der Rahmenhandlung werden nacheinander 24 Türchen geöffnet, hinter denen sich Kurzfilme von 24 internationalen Regisseuren befinden. Seine Weltpremiere war am 31. Oktober 2019 beim San Sebastián Horror and Fantasy Film Festival, seine Deutschlandpremiere beim Fantasy Filmfest 2020 – „White Nights“ am 11. Januar 2020 in Hamburg, München und Nürnberg. Der von den deutschen Produzenten Dominic Saxl (Deadline-Kolumnist), Ivo Scheloske (Anolis Entertainment) und Frank Vogt (Magna Mana) erdachte sowie produzierte Film wird als „der erste filmische Adventskalender der Welt“ und „die ultimative Horror-Anthologie für die Weihnachtszeit“ vermarktet. Er erschien in Deutschland am 28. November 2020 als Video on Demand und am 4. Dezember 2020 als Blu-ray und DVD im Vertrieb der Busch Media Group. Er erhielt eine FSK18- bzw. KJ-Freigabe. Zudem wurde er im November 2020 von Raven Banner Entertainment als Blu-ray/DVD-Kombo in Kanada veröffentlicht, in den USA und Großbritannien von Shout! Factory sowie von verschiedenen weiteren Verleihern in mehreren anderen Ländern weltweit als Video on Demand. Außerdem wurde er vom US-amerikanischen Label Witter Entertainment in limitierter Auflage als VHS-Kassette veröffentlicht. Der Weltvertrieb des Films liegt bei Epic Pictures.“

„Ich kann Ihnen nichts vormachen, was Ihre Chancen angeht. Aber: Sie haben mein Mitgefühl.“ (Alien I)
Die Deadline-Zeitschrift kann ich euch ebenfalls bedenkenlos ans Herz legen, also, ich bin ja Laie, ich mag Horrorfilme und Lektüre dazu, aber ich bin eben kein Experte! Und genau deswegen, weil man halt mehr wissen will, führt man ja Interviews mit Leuten, die in dem Sujet schon viel erfahrener sind! Aus obiger Quelle noch folgende Infos zur Zeitschrift: „Deadline erscheint seit 2006 zweimonatlich im Bahnhofsbuchhandel. Die thematischen Schwerpunkte liegen im Bereich Horrorfilm, Phantastischer Film, Science-Fiction-Film und Thriller. Die Zeitschrift enthält Reviews zu aktuellen Kinofilmen und DVD- und Blu-ray-Veröffentlichungen, Interviews und Hintergrundberichte. Für Kolumnen konnten die Regisseure Jörg Buttgereit, Thilo Gosejohann und Dominic Saxl sowie der Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger gewonnen werden. Darüber hinaus gibt es Rezensionen zu Konsolenspielen, Comics und Büchern. In der Reihe „Horror, privat“ konnten sich bisher bekannte Persönlichkeiten wie Bela B., Martin Semmelrogge und Mille Petrozza zu dem Thema Horrorfilm äußern“.

Private Hudson: „Hey Vasquez, have you ever been mistaken for a man?“
Private Vasquez: „No. Have you?“ (Alien II)

Trust-Redakteurin Andrea interviewte vor Jahren Marcus Menold, den Chefredakteur der Frankfurter Horrorfilmzeitschrift Virus. Da ging es auch ganz allgemein um Horrorfilme und deren Rezeption, zum Beispiel die mögliche Deutung der ersten beiden Teile von „Alien“ als feministische Horror-Filme. Bei Interesse (und weil das Virus später in unserem Gespräch vorkommt) könnt ihr das ausführliche Interview hier nachlesen: Teil I erschien in Trust #143, 2010 (trust-zine.de/horrorspecial-teil-i-143-2010/), die Teile II (#144, 2010) und Teil III (#146, 2010) sind dort am Ende auch verlinkt.

„Gory Days“ (angelehnt an Springsteens ‘Glory Days‘)
Tja, Horrorfilme sind vielleicht teilweise heute so was wie Black Metal oder Punk-HC? „Früher“ totaler (Nerd-) Underground, heute Teil des bürgerlichen Feuilletons, eben genau wie Punk und HC sich aus einem Underground-Phänomen zu einem ganz normalen Rock-Ding entwickelte.

„The Horror. The Horror.“ (Apocalypse Now)
Das Schöne an Live-Interviews ist ja, dass man vorher nie weiß, wie es wird. Das Schöne an Horrorfilmen? Sich zu erschrecken. Sehr wahrscheinlich auch, weil ich „zu viel Fan“ bin, passierte hier mein erster Live-Interview-Fail in zwanzig Jahren Trust mit bislang 300 Interviews (100 davon live). Denn ich speicherte von unserem Talk nicht das letzte Drittel ab, durchaus ein Schock-Moment für mich, als ich später reinhörte! Wir führten den entsprechenden Part dann nochmal. Big thx für die Nachsicht!

„Das Kino kann die Zuschauer in eine Welt jenseits des Intellekts entführen, in der sie sich ganz und gar ihrer eigenen Intuition anvertrauen müssen. Es geht nicht darum, etwas zu verstehen, sondern darum, etwas zu erfahren.“ (David Lynch)
Well, einmal war ich auch kurz Teil der Filmjournalisten-Welt: als Studi-Praktikant im Feuilleton der jungen welt durfte ich in Berlin 2006 auch Filmpremieren besuchen. Unvergessen die der neuen Staffel der sensationellen Frauenknast-Soap Hinter Gittern! Den anwesenden Redakteur*innen wurden dann so Häppchen zum Film in „Knast-Optik“ kredenzt, zum Beispiel wurde so feingeschnittenes Gemüse wie Gitterstäbe auf den Brötchen platziert. Junge Junge Junge, das ist Glamour, das ist Kenneth Anger, das ist Hollywood! In diesem augenzwinkernden Sinne nun aber Vorhang auf für ein kleines bisschen Horrorshow, hier kommt Dominic, viel Vergnügen!

Dominic mein Lieber, schön, dass du hier bist. Du kommst ja eigentlich aus dem West-Berlin-Hardcore. Vielleicht willst du das mal ein bisschen erläutern, wie deine musikalische Sozialisation so lief?
Danke! Ja, also, meine Familie kommt aus Berlin. Ich selber bin zwar nicht dort geboren, aber nach ein paar Jahren Absenz, als meine Eltern in Rheinland-Pfalz lebten, war ich dann ab Kindesalter in Berlin. Ich habe dort Abi gemacht und später studiert und so mit 16 Jahren bin ich zum Punk gekommen, das war dann so zweite Hälfte der Achtziger. Und ich hatte dann zwei Bands mit Freunden. Eine war in einem Jugendzentrum und ne andere in einem Proberaum, ich weiß gar nicht mehr, wo. Das war aber alles echt eher auf Schülerbandniveau. Musikalisch war die eine Band so zwischen Sham 69 und Slime, wir hatten 2–3 Konzerte, die andere ging tatsächlich mehr in Richtung Napalm Death. Aber das war schon alles eher Müll, und es ist auch nie irgendwas veröffentlicht worden. Und dann bin ich so gegen Ende der Achtziger Schritt für Schritt zum Hardcore konvertiert. Habe dann zum Beispiel 1989 Youth Of Today live gesehen, im „Blockshock“ damals.

Krass! Du hattest dann auch ne neue Combo am Start um den Dreh?
Genau, Anfang der Neunziger war ich in Backfire, einer klassischen Straight-Edge-Band mit ein paar Jungs aus Berlin. Darunter auch Andy, der heute das „CoreTex“ leitet, er war unser Sänger. Wir klangen so in Richtung A Chorus of Disapproval und ähnliche typische Edge-Bands aus Kalifornien und New York der damaligen Zeit. Ist aber auch nicht viel bei rumgekommen, ein oder zwei Songs erschienen mal auf einem Sampler, „See, hear and shout!“, mit anderen deutschen HC-Bands der damaligen Zeit. Und dann wurde ich 1992 von Ultimate Warning (UW) sozusagen abgeworben. Deren zweiter Gitarrist Heiko war gerade zu Charley‘s War gewechselt und sie brauchten einen neuen. Und ich kannte den Sänger von UW, Boris, recht gut. UW war eine Band, die zu der Zeit eigentlich auch noch klassischer New York Hardcore war. Boris war so’n bisschen „der Sohn von John Joseph“, wenn man so will. (lacht) Die Band hatte vorher schon eine Single draußen, auf der ich noch nicht dabei war. Und in der Zeit, in der ich dabei war, brachten wir dann eine ganze Reihe Demotapes raus plus ne Full-Length-10“.

Ja, danke, dass du mir die geschenkt hast. Sehr geil.
Gerne doch. Ich hoffe, sie gefällt. Und eine Live-Split-Single und diverse Samplerbeiträge gab es noch. Wir haben aber vor allen Dingen live gespielt ohne Ende. Nach Frankfurt haben wir es nie geschafft, von Berlin aus war das damals auch noch ein bisschen schwierig. Also, die Mauer stand zwar nicht mehr, aber du hast halt dann trotzdem eher in Ostdeutschland gespielt. Wir spielten viel in Brandenburger Käffern, aber auch in Leipzig und Dresden. Wir haben aber auch mal eine kleine Deutschlandtour gemacht. Unser anderer Gitarrist kam ursprünglich aus Bayern, deshalb waren wir hauptsächlich in Baden-Württemberg und im Bayernraum unterwegs. Zwei volle Tschechientouren gab es außerdem. Zu unseren Band-Highlights gehörte eine Ostdeutschland-„Tour“ mit Integrity, das waren sehr coole Konzerte gewesen. In Prag haben wir mehrmals gespielt, unter anderem mit Avail, Spitboy und auch mit Slapshot. Dazu gibt es auch einen tollen Fotografenbeweis: Wir haben irgendeinem Typen, den wir kennengelernt hatten, die Kamera in die Hand gedrückt. Aber der stand ziemlich weit hinten im Raum und hat dann Fotos gemacht… das Einzige, was du auf denen siehst, sind wir so in Ameisengröße ganz weit hinten auf der Bühne. Und im Vordergrund siehst du eine Punkrock-Fotolovestory von nem Pärchen, was sich im Laufe der Fotos näher und näher kommt und sich am Ende total abknutscht.

Großartig! (lacht)
Ja, schon irgendwie eklig. (lacht) In Berlin gab es natürlich auch jede Menge Konzerte von uns, mit Quicksand, Nations On Fire oder auch Sick Of It All.

Integrity ist echt cool, ich weiß noch genau, wann ich die gesehen habe. Das war nämlich 1995 in Köln und an dem Abend vorher habe ich meinen Führerschein gemacht und fuhr dann mit dem Auto voll mit Kumpels von Leverkusen ab nach Köln. Wir dachten, dass Integrity „die“ Cleveland-Straight-Edge-Band ist. Sänger Dwid kam dann auf die Bühne und in der Hand schön nen Dosenbier… das war überraschend! (lacht)
Ja, die waren das ganz am Anfang mal. Aber Dwid hat sich dann ja mehr für die düstere Seite von Religion interessiert. Er ist ein sehr cooler Kerl und wohnt jetzt schon seit vielen Jahren in Belgien. Eine interessante Figur und interessante Musik, auch wenn nicht alles von seinen 20 bis 30 Nebenprojekten wirklich super ist, wenn man jetzt nicht gerade auf Industrial steht. Ich glaube, mein erstes Konzert mit Ultimate Warning war tatsächlich als Vorband für SNFU auf ihrer Comeback-Tour im ausverkauften „SO36“ vor über tausend Leuten. Das war spannend. Leider hatten wir damals einen Schlagzeuger, der irgendwie die Nervosität in Person war und ich glaube, er hat fast jeden Song verkackt und ist irgendwann von der Bühne gerannt, weil er das nicht mehr gepackt hat. (lacht) War ne lustige Zeit, aber die musikalischen Interessen von uns fünf Bandmitgliedern waren später doch sehr unterschiedlich. Unser Sänger war, wie gesagt, mehr so klassischer New York Hardcore.

Ich habe mich mehr und mehr zum metallischen New School Straight Edge hin entwickelt. Und unsere anderen Mitglieder waren irgendwo zwischen Rock/Pop und Free Jazz angesiedelt, irgendwann hat sich das zu weit auseinander entwickelt, und es ging auch nicht mehr vorwärts mit der Band. Und wir hatten außerdem bei den „richtigen Leuten“ – auch im Berliner Hardcore – nicht unbedingt so das super Standing. 1996 war es dann vorbei mit der Band. Es war aber echt eine sehr spannende Zeit mit sehr schönen Konzerten.

Du lebst seit 2000 in Frankfurt. Hattest du dann angefangen, für die Deadline zu schreiben, du bist ja Kolumnist und schreibst auch Filmrezis für dieses saarländische Filmmagazin. Peinlicherweise ist mir das erst seit drei Jahren bekannt, wie bist du zur Deadline gekommen?
„Saarländisch“, also, so würde ich es erst mal nicht nennen. Die drei Chefredakteure sitzen zwar im Saarland, aber man merkt der Zeitschrift jetzt nicht unbedingt an, dass sie sehr saarländisch ist. Abgesehen davon, dass die Deadline vor Jahren mal den Saarländischen Designpreis gewonnen hat (und tatsächlich auch für den Deutschen Designpreis nominiert war). Ich schreibe seit Ewigkeiten Filmrezensionen, weil Filme, das ist seit noch längerem mein großes privates Thema. Ich hatte das auch in der Uni als Zweitfach, Filmtheorie und Krams, und habe irgendwann in der zweiten Hälfte der Neunziger angefangen, das „Fantasy Filmfest“ zu besuchen. Und dann gibt es immer noch dazu diese riesengroße Fan-Website, das „Fantasy Filmfest Archiv“, f3a.net. Dafür habe ich halt angefangen, ganz viele Kritiken zu schreiben und bin da auch seit mittlerweile über zwanzig Jahren Co-Admin auf der Page. Aber meine Leidenschaft für Filme und Rezis schreiben war schon davor relativ früh entbrannt.

Ist das eine noch viel größere Liebe als zur Musik?
Das würde ich jetzt nicht unbedingt vergleichen wollen. Ich meine, wie vielleicht bei den meisten Leuten hat Musik – gerade, wenn du jünger bist – eine noch größere direkte Wichtigkeit für dich. Du erlebst viele Emotionen zum ersten Mal und findest dazu die Musik, die diese Emotionen genau ausdrückt oder unterstützt. Das lässt irgendwann ein bisschen nach, wenn du älter wirst, du erlebst nicht mehr so unglaublich viele neue emotionale Zustände, vielleicht verliert darum Musik ein bisschen ihre direkte Kraft. Aber ich könnte mir trotzdem ohne Musik kein Leben vorstellen. Ich mache mir immer noch jedes Jahr ne Playlist mit neuen Hardcoresachen, ich kaufe immer noch unfassbar viele Platten und wenn ich so durch die Stadt spazieren gehe, höre ich diese Playlist echt gerne.

Aber Filme, das ist ein anderes Erlebnis. Weil du kannst zwar gute Songs unendlich oft hören und einen Film, egal wie gut der ist, das schaffst du vielleicht maximal zehn Mal, irgendwann langweilt der dich dann halt doch. Trotzdem können Filme mir halt mehr zum Nachdenken geben. Sie erzählen meistens eine tiefergehende Geschichte als Musik das kann. Aber zurück zur Deadline, die ist ja aus der Gory News entstanden, die es lange vorher gab. Yazid Benfeghoul hat die rausgebracht. Das war schon eher eine Indie-orientierte Schwarz-Weiß-Zeitschrift, mit einer gewissen Ähnlichkeit zum Trust, wenn man so will. Mehr Fotos vielleicht, aber ansonsten halt auch eher mehr Richtung Fanzine. Und die haben sich sehr für den Amateurfilm interessiert. Damals galt auch noch so das Motto „je blutiger und brutaler, desto besser“. Das war halt auch noch alles sehr jung und klein. Yazid ist unheimlich gut connected in der Szene, der hat auch über viele Jahre hinweg in Saarbrücken regelmäßig ein Filmfestival gemacht, das hieß „Splatterday Night Fever“, was ich auch sehr schön fand.

Und ich hatte damals eine Freundin, die ich beim „Fantasy Filmfest“ kennengelernt habe, als ich hier in Frankfurt angekommen war. Und die meinte damals, „Lass uns doch mal hinfahren zum Festival“, sie war damals schon mit Yazid befreundet, der damals immer noch zum Filmfest nach Frankfurt kam. Da hatte ich Yazid auch schon mal gesehen glaub ich, ich weiß es gar nicht mehr. Jedenfalls sind wir dann mit ihrem Auto da runter gedackelt. Das war dann ein ganz klassisches altes Kino mit einer Bar im Saal. Da konntest du während des Films aufstehen und an die Bar gehen, dir einen Drink holen und man konnte auch noch rauchen im Saal! Das war so ein „Ganznacht-Event“, wo total krasse Filme liefen. Immer so drei Hauptfilme plus viele Kurz- und Amateurfilme. So lernte ich Yazid dann richtig kennen, mein erster Kurzfilm – Zielgerade, von 2005 – lief auch auf dem Festival. Wir freundeten uns an und ich hatte dann ca. 2010 die Idee für diese Kolumne für die Deadline, die ich auch immer noch mache, wobei ich auch mal pausiert habe.

Ja, die Kolumne gefällt mir richtig gut!
Freut mich! Wir haben schon Abonnenten verloren, weil sie es zu geschmacklos fanden. Da gab es böse Mails am Anfang. Ich handle halt bizarre bis sehr brutale Nachrichtenmeldungen ab, die in der deutschen (Online-) Presse erschienen sind und verpacke das halt in einen satirischen Rahmen, das liebe ich sehr, weil ich da ungestört meine zynischen Meinungen über die Menschheit ausbreiten kann! (lacht) In einer der ersten Ausgaben gab es ne Meldung über einen Vater, der sein eigenes Kind getötet hat. Was natürlich sehr übel ist, aber auch sowas habe ich dann drastisch und sarkastisch aufbereitet, das konnte dieser Leser jedenfalls nicht akzeptieren und hat sein Abo gekündigt. Yazid hatte ich eben anfangs gefragt, ob er diese Kolumnenidee gut fände, er meinte „auf jeden Fall“ und die anderen Chefredakteure sahen es auch so. Später schrieb ich dann auch Filmreviews, das mache ich auch immer noch. Bei der Gory News hatten auch die beiden anderen heutigen Deadline-Chefredakteure (Andreas und Germaine) noch gar nicht direkt mitgewirkt. Heute ist es halt ein Vollzeitunternehmen geworden, Andreas ist der Vollzeit-Herausgeber, der arbeitete damals auch noch als Bäcker. Es gibt circa 70 Mitarbeiter pro Ausgabe, von mir kommen je nach Ausgabe unterschiedlich viele Beiträge, in der der aktuellen sind zum Beispiel nur zwei oder drei Beiträge drinnen.

In Sachen Horror-Filmzeitschriften kenne ich das Splatting Image, das gibt’s ja jetzt nur noch online. Das galt ja früher als „das Horrorfilm-Theorie-Organ“, vielleicht wie die Spex in ihren Hochzeiten bei Musikzeitschriften auch einen sehr hohen intellektuellen Anspruch pflegte. In Frankfurt gibt es ja auch das Virus-Magazin. Kann man Deadline irgendwie so zwischen Splatting Image und Virus grob charakterisieren?
Das ist ein bisschen schwierig. Zum Splatting Image kann ich gar nicht so viel sagen. Ich habe das quasi nie gelesen damals. Es schwebte natürlich über allen Publikationen als der Urvater der Horrorzeitschrift in Deutschland und jeder kannte die. Ich kannte sie natürlich auch, aber ich kann dir jetzt gar nicht sagen, inwieweit deren Theorieprogramm genau aussah, auch im Unterschied zur Deadline. Mein Deathcember-Produktionspartner Ivo ist befreundet mit dem einem der Herausgeber, die besprachen uns auch, aber, wie du schon sagst, nur online. Und die Virus kenne ich auch noch gar nicht so lange. Mittlerweile bin ich auch Abonnent. Da freute ich mich als Neu-Abonnent noch, weil Virus und Deadline zeitversetzt kamen. Beide erscheinen zweimonatlich, aber anfangs war das noch so versetzt, den einen Monat kam die neue Deadline, im nächsten die neue Virus.

Mittlerweile erscheinen sie leider quasi gleichzeitig. Wenn ich mir das so anschaue, dann ist der Virus-Ansatz ein bisschen anders als bei Deadline, vor allem in der Hinsicht, dass die Deadline umfangreicher ist. Und wir besprechen halt vor allen Dingen aktuelle Erscheinungen. Nicht nur aus dem Filmbereich, sondern auch viele neue Computerspiele, das ist ein großer Teil, ja und Animes auch ganz viele, womit ich allerdings nicht so viel anfangen kann. Ab und zu mal gibt es bei uns auch Interviews mit Bands und etwas zu neuen Platten, das macht Virus ja auch, aber regulärer. Wir haben mehr Kolumnen, aber auf der anderen Seite legt Virus einen großen Teil Gewicht auf tiefschürfende Artikel, die keinen aktuellen Anlass haben. Die irgendwie in die Historie des Genres eintauchen oder sich einem bestimmten Regisseur anlassfrei widmen. Deadline ist doch stärker aktualitätsbezogen, bei uns ist es das halbe Heft, wir haben auch einen großen Kinoteil. Aber ich sehe die beiden Magazine ansonsten ehrlich gesagt gar nicht als so großartig unterschiedlich an; gut, das würden die jeweiligen Chefredakteure wahrscheinlich anders sehen.

Sehr wahrscheinlich. Hallo Virus-Marcus! (lacht)
Unser Film wurde auch in beiden Zeitschriften mit großen Interviews vorgestellt, wofür wir sehr dankbar sind, und ja, ich lese beide wirklich gerne.

Jörg Buttgereit hat in seiner Deadline-Kolumne neulich was für mich super Interessantes erwähnt. Er stellte einen Comic vor, der auf ein Horrorfilmbuch bezüglich Ami-Serienkiller zurückgeht. Dieses Buch kaufte ich mir dann und dass der Massenmörder Ed Gein, also seine Figur, das historische Vorbild für viele Horrorfilme ist – Norman Bates in Psycho, Leatherface in Texas Chainsaw Massacre, Buffalo Bill in Das Schweigen der Lämmer – das war mir völlig unbekannt. Du hattest neulich diesen neuen Ted-Bundy-Film, No Man of God, klasse rezensiert. Wie kann man sich das erklären, warum wollen die Leute über diese Massenmörder-Wahnsinnigen immer noch so viel wissen?
Ed Gein war ja eine extrem kaputte komische Figur, der irgendwie von seiner Mutter auch super restriktiv erzogen wurde. Zeit seines Lebens hatte er, glaube ich, niemals eine Freundin, er hatte aber auf jeden Fall schwer tiefgehende Probleme mit Frauen. Und sein Weg fing ja damit an, dass er Leichen ausgebuddelt hat. Er hat dann aus Leichenteilen irgendwelche Schüsseln und so weiter gebastelt und auch Sex mit Leichen gehabt. Und dann wurde er tatsächlich auch zum Mörder, von lebenden Menschen, und er war halt auf jeden Fall natürlich ein Einfluss für Psycho, die ganze Geschichte mit der toten Mutter. Und auch für Buffalo Bill, das mit der Kleidung aus Menschenhaut. Warum das aber für so viele noch interessant ist, das ist eine gute Frage, ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich wirklich qualifiziert genug bin, dir das zu beantworten.

Oder dieser Charles-Manson-Kult. Ich meine, das hast du ja auch im Hardcore Punk.
Manson ist nochmal eine Spezialgeschichte. Weil er halt auch Musiker war, das weißt du ja selber. Er hat sogar ein paar echt spannende Songs gemacht. Und er redete eben von der Apokalypse und vom Rassenhass, er meinte, „wir brauchen diesen Rassenkrieg, damit es zu einem Umsturz der Gesellschaft kommt“ – also etwas, was ja auch heute immer noch Nazibands und andere Nazis von sich geben. Manson ist ein bisschen spezieller. Das ist für mich eher im Bereich Sekte anzusiedeln. So ganz generell: Psychologen – oder Horrorautoren – würden wahrscheinlich jetzt zu diesen Solo-Serienmördern etwas sagen wie „ein Blick auf einen Serienmörder ist ein Blick auf die dunkle Seite des Menschen“, „die Faszination des zivilisierten oder domestizierten Menschen für seine dunkle animalische Seite äußert sich in diesem Interesse an Massenmördern“.

Ich glaube, für die meisten Leute ist es kein großer Unterschied zu ihrer Faszination für Monster, Vampire, Zombies und Alpträume, das ist ja eigentlich schon in der Bibel so, wenn du es genauer nimmst. Da gab es ja auch schon Monster und das absolut Böse, der unfassbare Schrecken. Ich hatte mal in unserer Schülerzeitung einen Artikel, wo ich versuchte zu begründen, dass Alpträume auch was Schönes sind, weil diese Schreckensstorys lösen halt Adrenalin aus und das ist eine echt heftige Droge. Das kann durchaus ein Grund sein. Bei manchen Menschen ist es sicherlich auch so was wie das Gaffersyndrom bei Unfällen. Die Freude am Leiden von anderen Menschen. Oder ein Interesse an Kriminalitätsstrategien, das ist sicher auch ein Thema. Ein Serienkiller muss kein Mastermind sein, aber die meisten Serienmörder wären ja keine Serienmörder, wenn sie es nicht schaffen würden, über eine längere Zeit unentdeckt zu bleiben. Und das kann man dann halt auch interessant finden, das überschneidet sich dann mit Fans von „True Crime“.

Es muss dabei ja auch nicht immer um Serienmörder gehen. Als Letztes fällt mir noch das psychologische Interesse daran ein, eben, wie solche Leute ticken, was mit ihnen passiert ist. Ich glaube, das ist bei mir persönlich wahrscheinlich der Hauptgrund. Mein erster Kurzfilm war übrigens tatsächlich ein Film über einen Serienmörder. (lacht) Komplett mit einem Fake-Ausschnitt aus der Bild-Zeitung am Ende: „der Frankfurter Schlitzer schlägt wieder zu“. Tatsächlich war das ein Film, bei dem der gesamte Dialog aus der Sicht des Serienmörders war, der seine Regeln für die erfolgreiche Jagd aufsagte, und das wurde konterkariert mit entsprechenden Bildern.

Es gibt doch auch noch diesen „Vampir von Düsseldorf“-Mörder, der Ende der Zwanziger bzw. Anfang der Dreißiger sein Unwesen trieb.
Stimmt, es gibt ja unfassbar viele solcher Geschichten, auch in Deutschland. Ich meine, schau dir den Goldenen Handschuh an, diese Geschichte in Hamburg. Woran ich mich erinnere: Mein Opa hat mir als Kind zum Einschlafen, wenn ich bei den Großeltern übernachtet habe, immer Schauergeschichten erzählt. Wenn ich so darüber nachdenke, dann waren die nicht immer zum Einschlafen geeignet. (lacht) Es war auch sowas wie Till Eulenspiegel dabei, aber er erzählte auch Storys mit so einem, ja, Menschenfresser, der Kinder angelockt hat und sie dann getötet und gegessen hat. Das ist übrigens auch tatsächlich ein realer Fall gewesen aus der Sowjetunion. Mir fällt jetzt gerade der richtige Name dieses Massenmörders nicht ein, aber es gibt einen ganz guten Film über ihn, der heißt Evilenko, mit dem Hauptdarsteller aus Clockwork Orange, Malcolm McDowell, in der Hauptrolle. Das ist eine richtig krasse Geschichte. Der Film ist auch ganz gut.

Es gibt nicht so viele gute Serienmörderfilme, muss man noch dazu sagen, aber der ist ziemlich gut. Und das Bizarre an dem Fall ist halt, dass der Parteimitglied war in der KPdSU und dadurch geschützt wurde. Es wurde schon mehrfach ermittelt, dass er der Mörder sein musste, er war früher auch noch Lehrer. Aber dadurch, dass er so gut in der Partei positioniert war, hat es sehr lange gedauert, bis er wirklich enttarnt wurde, ganz krasse Geschichte. Und der hat das genauso gemacht, wie es mir mein Opa immer erzählte, der hat Kinder in seine „Höhle“ gelockt, umgebracht und dann gegessen. Ich glaube, im menschlichen Übel gibt es keine Untiefen, die es nicht gibt. Und der Horrorfilm kann, wenn man es genau nimmt, eigentlich auch immer nur müde versuchen, an diesen Kern der bösen finsteren menschlichen Seele ansatzweise heranzukommen.

Ich habe neulich ein Buch gelesen, das hat so ein bisschen die Geschichte des Horrorfilms abgehandelt. War ziemlich interessant, aber irgendwie lustig, dass da meine drei Lieblingsfilme – Alien 1, Resident Evil und Hellraiser – gar nicht drin waren. Du bist selber Filmemacher, d.h. du schreibst also nicht nur darüber, sondern machst den Shit auch selber. Hast du so drei Lieblings-(Horror-) Filme, vielleicht auch als Einfluss für deine cineastischen Werke?
Ob beeinflusst oder nicht, das ist eine sehr schwierige Frage natürlich, weil ich schaue ja natürlich nicht nur Horrorfilme. Bei meinen Lieblingsfilmen hast du ganz andere Sachen drunter. Da ist Lost Highway auf jeden Fall drin, ich bin großer David-Lynch-Fan.

Echt, ich habe den nie verstanden. (lacht)
Ich ja auch nicht. (lacht) Das ist ja auch der Sinn und Zweck des Ganzen. Ich liebe Filme, die mein Gehirn irritieren, wo ich dann überhaupt nicht weiß, was da gerade passiert, so Sachen, die mich überfordern, wo ich ewig brauche, herauszufinden „was wollen die mir eigentlich sagen“? Für mich sind das Filme, die inspirieren und neue Gedanken bringen, die einen komplett aus der bekannten Bahn werfen. Horrorfilme schaue ich natürlich ständig, aber es gibt sehr wenige, die ich wirklich gut finde. Die allermeisten sind ziemlich schäbig, wenn man mal ehrlich ist. Weil sie immer dasselbe recyceln.

Das kann ja auch unterhaltsam sein, so wie man halt die hundertste Ramones-Platte hört und es ist immer dasselbe – das muss ja nichts Schlechtes sein, weil es kann ja trotzdem nett sein und auch ein „wohlig vertrautes Gefühl“ erzeugen. Aber Filme, die mich herausfordern, das sind die, die ich dann meistens beeindruckender finde und das ist viel von Lynch. Ich liebe aber auch echt süffige Melodramen, Magnolia fand ich toll. Natürlich auch Donnie Darko, der jetzt rein filmisch betrachtet kein so fantastischer Film ist, aber den finde ich auch großartig. Der spielt natürlich auch genau in den Achtzigern und das ist die Zeit, in der ich groß geworden bin.

Wunderschöne tolle Musik gibt es da auch. „Killing Moon“ von Echo and the Bunnymen! Es hat noch niemals ein Song besser in einen Film gepasst als dieser Song in diesem Film in der damaligen Ursprungsfassung. Blade Runner ist natürlich auch klasse. D.h. es gibt für mich echt tolle Filme, die keine Horrorfilme sind. Und was Horrorfilme angeht, da habe ich natürlich ein paar mit sehr bestimmten Geschichten. Das große Ding ist für mich Evil Dead, also Tanz der Teufel von Sam Raimi. Der ist ja jetzt im Kino mit dem neuen Doctor Strange-Film, er hat es nach ganz oben geschafft in das Marvel-Universum, er hat ja auch schon Spider-Man-Filme gemacht. Evil Dead war für mich etwas echt Prägendes. Es war einer der ersten krassen Horrorfilme, die ich bewusst wahrgenommen habe. In der Schule hatten wir damals eine Doppelfreistunde oder so und sind zu einem Mitschüler gegangen, der in der Nähe der Schule wohnte.

Und der schob dann in den VHS-Rekorder eine Raubkopie der Raubkopie der Raubkopie von Tanz der Teufel rein, tatsächlich war der Film zur Hälfte in Schwarz-Weiß, es war echt beschissene, verwaschene Qualität, da lief dieser typische Störbalken durch das Bild. Aber ich war komplett hooked. Der hat mich dermaßen beeindruckt. Jahre später bin ich dann extra nach Holland gefahren, um mir dort im Videoladen das holländische Tape zu kaufen, mit eingebrannten holländischen Untertiteln. Weil in Deutschland war der Film ja bis vor einigen Jahren noch komplett illegal und tatsächlich beschlagnahmt. Das war einer der ganz großen Streichkandidaten in Deutschland. Das wissen viele Leute auch nicht: Wir haben eine der heftigsten Filmzensuren in Deutschland, ich habe mal gelesen, es sind echt nur noch Länder wie Afghanistan und Nordkorea krasser in der Filmzensur.

Es hat sich inzwischen ein bisschen gebessert und in den letzten Jahren wurde jetzt unheimlich viel freigegeben. Aber bis vor zwei Jahren war auch noch Freitag der 13. Teil 3 und 4 beschlagnahmt, also nicht nur zensiert. Und bei Tanz der Teufel war das eben auch so. Man hat sich dann die VHS gekauft mit den holländischen Untertiteln, nur damit man das Ding mal ungeschnitten sehen kann. Das ist also der eine Film, der mir sehr viel bedeutet hat. Ansonsten habe ich relativ früh auch ein ziemlich großes Interesse an Zombiefilmen entwickelt. Neben den Klassikern von Romero war Woodoo da sehr wichtig. Der hat den schön dämlichen deutschen Untertitel Die Schreckensinsel der Zombies. Jedenfalls ist es ein Film von Lucio Fulci, einem der Großväter des Zombiegenres.

In Italien wurde der als Zombie 2 vermarktet und in England als Zombie Flesh Eaters, der Film hat also ganz viele Namen. Aber er ist jedenfalls richtig krass, derbe brutal. Es gab diese legendäre Szene vom Kampf zwischen einem Zombie und einem Haifisch, was schon ohne Ende geil ist. Ansonsten richtig düster und wirklich gruselig und beklemmend mit einem fantastischen Score; der Film hat mich auch ganz groß beeindruckt. Und die wunderbar dämlichen Freitag der 13.-Filme prägten mich auch. Weil die super kreative Kills gebracht haben, da wird jemand in dem einen Film durch eine Karnevalströte durch den Kopf getötet, die haben sehr innovative Kills. (lacht) Gut, diese Filme sind halt alle mega blöd, es passiert nicht viel und es gab auch damals schon bessere Vertreter des Slasher-Genres.

Aber das Slasher-Genre als solches hat es mir sehr angetan, es ist auch eines meiner Lieblingsgenres, auch wenn es wirklich wahnsinnig repetitiv ist, mit immer den gleichen Motiven. Dann gibt es diese Backwoods-Horrorfilme wie natürlich Texas Chainsaw Massacre, da mag ich das Original natürlich auch. Heutzutage bin ich dann eher begeistert von so „Elevated Horror“- und Folk-Horror-Filmen.

„Elevated Horror“?
Ja, Genrevertreter, die halt intelligenter sind, hintergründiger, noch mehr inhaltliche Abgründe erkunden. Jordan Peele mit Wir (Us im Original) wäre so ein Vertreter. Oder Hereditary vom Regisseur des Folk-Horror-Films Midsommar ist auch ein fantastischer Film. The VVitch ist klasse, von Robert Eggers, dem Regisseur, der jetzt gerade The Northman im Kino hat und Northman ist zwar kein Horrorfilm, aber auch ein toller Film.

Hast du so für uns Laien, die sich für Horrorfilme interessieren, einen coolen Buch-Lektüretipp? Außer der Deadline natürlich! (lacht)

Das ist wahrscheinlich wie bei jedem Genre: Es gibt unglaublich viele Bücher über das Genre und einzelne Filme. Ich habe fast nichts davon gelesen! (lacht) Nein, ich habe tatsächlich auch so Anschauungsmaterial fürs Interview mitgebracht. Ein Buch, das habe ich mir erst neulich gekauft und ich kann noch nicht so viel dazu sagen, aber „The Teenage Slasher Movie Book“ – wo es eben um den Teen-Slasherfilm geht – das scheint doch recht umfassend zu sein. Zwar wird auf die einzelnen Filme nur kurz eingegangen, weil das goldene Zeitalter des Slasher-Kinos war in den Achtzigern, und da sind eben so unglaublich viele Filme erschienen. Alleine, die alle mal sehen zu wollen, das ist schon fast ein Ding der Unmöglichkeit, zudem sind in Deutschland viele auch gar nicht erschienen, und viele sind auch nicht gut. Solche Bücher gibt es viele.

Wenn man mehr über einen einzelnen Film erfahren möchte, unbedingt z.B. die Bücher von Bruce Campbell, dem Hauptdarsteller aus Evil Dead, auschecken. Er ist überhaupt die coolste Sau, die so rumläuft im Filmbusiness! (lacht) Der spielt den Ash in Evil Dead und natürlich auch in der Serie Ash vs Evil Dead und hat eben zwei autobiografische Bücher veröffentlicht. Er hat ja auch hunderte andere Filme gedreht und es geht da nur zum Teil um die Evil Dead-Filme, aber er haut halt einfach einen Spruch nach dem anderen raus. Genau wie seine Figur Ash. Der ist halt dafür berühmt, dass er die geilen Sprüche bringt. „If Chins Could Kill“ heißt das eine Buch, er ist eben stolz auf sein Doppelkinn, das andere Buch von ihm ist auch irgendwas mit seinem Kinn im Titel.

Das ist so ein Einblick in den Underground-/Indie-Horror-Film, aber er hat auch ganz viele B-Science-Fiction-Filme gedreht. Sehr interessant, lustig und empfehlenswert. Für mich persönlich waren noch zwei andere Bücher wichtig. Eins habe ich hier mit, es ist ja irgendwie in Buchform, das war eigentlich der früher alle zwei, drei Jahre neu aufgelegte Katalog vom „Videodrom“-Laden. Alle paar Monate gab es dann noch so kleine Broschüren als Update dazu. Das „Videodrom“ war und ist noch eine absolute Hammervideothek in Berlin. Wobei mittlerweile, ich weiß nicht, ob sie überhaupt noch eine Videothek sind oder nur noch ein reiner Verkaufsladen.

Ich war sogar mal drinnen vor vielen Jahren, es erschreckte mich, dass ich fast nichts kannte! (lacht)
Die sind auch mehrfach umgezogen. Aber das war damals halt der Hammerladen schlechthin, wo du alles bekommen hast. Und dieser Katalog ist immer ein relativ dickes Buch gewesen, wo unglaublich viele Filme, die sie verkauft haben, drin waren, das war echt ne „Horrorfibel“. Die stellten auch Bücher und Fanzines vor. Das war damals eigentlich die ultimative Möglichkeit in Deutschland, solche Sachen zu bekommen bzw. von solchen Sachen überhaupt zu wissen. Die Filme wurden immer nur in ein paar Zeilen vorgestellt, meistens auch sehr reißerisch positiv, ist ja klar. (lacht) Aber dadurch habe ich oft zum ersten Mal von so vielen Filmen gehört und mir immer notiert, was ich mir dann ansehen möchte. Es gab damals ja eben auch kein Internet, wo du heute alle obskuren Filme finden kannst. Und in dem Katalog hast du dann von Filmen gelesen, von denen du niemals vorher etwas gehört hast. Einige davon sind garantiert auch heute komplett von der Bildfläche verschwunden. Im Indie-Horror-Film ist es ja nicht so, dass diese Filme so wie bei alten Punkplatten immer wieder neu aufgelegt werden, die sind dann halt einmal erschienen, dann waren sie vergriffen – und wenn man nicht gerade Revelation Records heißt, alles hundertmal wieder rausbringt, damit auch noch jeder letzte Depp sich die rare Platte kaufen kann … dann war es das halt damit, der Film war weg. (lacht)

Sehr schön! (lacht) Super Tipps, danke dir vielmals!
Gerne, noch ein letzter Buch-Tipp, das ist tatsächlich ein sehr tolles Buch von Stephen King, das heutzutage kaum jemand noch kennt. Das ist 1981 in den USA und in Deutschland 1988 als „Danse Macabre: Die Welt des Horrors in Literatur und Film“ erschienen. Das ist ein unglaublich gutes Sachbuch, das den Horrorfilm und die -Literatur zwischen 1950 und 1980 behandelt, richtig in die Tiefe gehend, mit unglaublich vielen Hintergrundinformationen zu den Sachen.

Krass, nie von gehört und ich habe hier einen Meter King-Bücher im Buchregal.
Das Ding ist sehr untergegangen. Ich war damals auch riesiger Stephen-King-Fan, so mit 15. Ich habe alles gelesen, natürlich mir dann auch dieses Buch besorgt und das ist eine richtig gute Ressource. So habe ich zum Beispiel zum ersten Mal den Namen David Cronenberg auf meinen Radar bekommen, der auch einer der tollsten Genre-Regisseure ist. Also ja, das sind dann so meine Literaturempfehlungen. Es gibt natürlich auch viele Webseiten, gerade aus den USA, zum Beispiel Bloody-Disgusting.com oder DreadCentral.com. Wobei die halt in allererster Hinsicht, ehrlich gesagt, dazu dienen, einen nur auf dem Laufenden zu halten, was neue Filme angeht.

Ich bin froh, dass du den Namen Stephen King erwähnt hast, endlich kenne ich mal wieder was! Wahrscheinlich jeder über 40 hat Stephen King als Teenie geliebt, so mit „Taschenlampe unter dem Bett und man muss dieses scheiß Buch jetzt zu Ende lesen, nachdem man 200 Seiten langweiligen komplexen Storyaufbau hinter sich hatte“. Später fand ich ihn nicht mehr so krass.
Naja, ich weiß nicht, wie das bei anderen ist, keine Ahnung. Ich hatte damals einen guten Freund, der die Bücher auch gelesen hat, aber er war irgendwann ganz empört, was das für eine total beschissene Literatur sei. (lacht) Jetzt weiß man zum Teil aber halt auch nicht, wie viel davon an den Übersetzungen lag. Ich habe tatsächlich vor Jahren wieder angefangen, einige seiner neuen Bücher zu lesen.

Der haut ja immer noch in erstaunlicher Vielfalt Sachen raus. Und ich muss schon sagen, er macht einfach einen soliden Job. Die Sachen haben einen guten Spannungsaufbau, natürlich hat er häufig die gleichen Tricks am Start. Es gibt auch noch „Das große Stephen-King-Buch“, das Ende der Achtziger im Heyne-Verlag erschienen ist, so ein großformatiges Ding, da ist mindestens ein Kapitel den Fehlern gewidmet, die er in seinen Romanen gemacht hat. Und da quellen dir echt die Augen über, wie viel du gar nicht wahrgenommen hast, obwohl man die Bücher verschlungen hat – und er sich dann wirklich innerhalb von ein paar Zeilen komplett widerspricht. Und er hat auch häufig dasselbe Schema: Vor dem Showdown wird das Wetter schlimm in der Stadt und die dunklen Wolken ziehen sich zusammen usw. Aber er kann einfach sehr gut Spannung erzeugen und vor allem Kinder unglaublich gut beschreiben und dafür sorgen, dass man wirklich auch Mitgefühl bekommt.

Ich habe jetzt gerade als Hörbuch einen seiner letzten Romane durch, „Das Institut“. Auch da geht es mal wieder um Kinder, die übernatürliche geistige Fähigkeiten haben; sie werden dann von der US-Regierung entführt und in ein Institut gebracht, wo ihre telepathischen Kräfte genutzt werden, um Attentate gegen missliche Personen auf der Welt auszuführen. Das ist echt gut! Er hat auch immer wieder – das vergisst man gerne – erstaunlich obszöne, vulgäre und derbe Sachen in seinen Werken drin. Seien es nur einzelne Sätze, auch unglaublich komischer und schmieriger Sex. Aber King ist cool, politisch auch, weil Anti-Trump und alleine das verdient schon sehr viel Respekt.

Und er mag die Ramones!
Genau. Er ist halt leider auch nicht mehr der Jüngste und ich fürchte, sehr lange wird sein Schaffen auch nicht mehr gehen. Er hat ja zum Glück zwei Söhne, die das fortführen. Joe Hill ist genauso gut unterwegs wie Herr Vater. Insofern haben wir da sicher noch lange was Schönes. Er hat mit seinem zweiten Sohn vor zwei Jahren ein Buch veröffentlicht, „Sleeping Beauties“. Und Joe Hill hat mit „Horns“ die Vorlage für einen der coolsten Horrorfilme der letzten Jahre, oder besser Genrefilme der letzten Jahre, rausgebracht. Da ist Daniel Radcliffe, also „Harry Potter“, in der Hauptrolle. Und der ist richtig gut, der Roman dazu ist auch klasse. Und Joe Hill hat zumindest auch eine Kurzgeschichte zusammen mit Stephen King geschrieben, er tritt nur bewusst unter dem Namen Joe Hill auf, weil er eben nicht von dem King-Namen eincashen wollte.

Lass uns jetzt über den aus meiner Sicht coolsten Horrorfilm der letzten Jahre sprechen, natürlich ist es Deathcember. Ein Weihnachtshorrorfilm, viele internationale Regisseure haben mitgemacht, kurz vor Covid erschienen, spitzen Film.
Das freut mich.

Du bist ja nicht nur der Regisseur, nicht nur der Produzent, du hast mehrere Rollen bei diesem ganzen Ding.
Ja, Produzent bin ich und Regisseur auch, von einem Kurzfilm im Film, A Door Too Far, das erste Kalendertürchen, sozusagen.

Tatsächlich auch wirklich der beste, finde ich.
Oh, das ist aber jetzt zu viel der Ehre! (lacht) Ich finde, der sieht am Ende nicht ganz so gut aus, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ich mag die Story aber nach wie vor, das ist meine kleine Hommage an die Twilight Zone. Twilight Zone liebe ich halt auch ohne Ende und das ist so ein bisschen eine Story, wie sie damals gut reingepasst hätte. Davon abgesehen: Deathcember ist schon weitgehend mein Baby. Also die gesamte Idee ist von mir, das Konzept, der Name usw.

Der Name ist übrigens spitze.
Danke, das haben wir schon oft gehört. Selbst Leute, die den Film nicht mögen, sagen, „immerhin ist der Name ganz cool“. (lacht) Aber ich habe zum Glück den Film nicht alleine gemacht. Das wäre auch überhaupt nicht zu stemmen gewesen. Ich habe zwei Partner, Ivo und Frank, mit denen ich das gemeinsam gemacht habe. Es war so: Seit Ewigkeiten entwickle ich immer wieder irgendwelche Ideen für Storys, für Drehbücher, für (Kurz-) Filme usw. Nur habe ich halt in den meisten Fällen nicht genug Ausdauer, die auch umzusetzen oder ich finde irgendwann, es waren dann doch nicht so super Einfälle. In der Regel ist es so: Wenn ich eine neue Idee habe, dann setze ich mich an den Computer oder auch mal in die „Zappbar“ und schreibe das runter und arbeite dann so weiter an den Ideen.

In den meisten Fällen, nach ein paar Wochen, verliere ich das Interesse daran oder glaube nicht mehr daran, dass die Idee wirklich gut war und dann schläft es ein. Ich habe unfassbar viele angefangene Sachen in meiner Schublade, jetzt zwar noch keinen fertigen Roman oder so, auch wenn ich schon echt gerne mal einen machen würde, aber ich glaube, dafür müsste ich mich echt Monate irgendwohin zurückziehen, auf einen Berg, wo es kein Internet gibt! (lacht) Jedenfalls war das mit Deathcember so, dass mir auffiel: Niemand ist bislang auf die Idee gekommen, zwei Sachen zu vereinen, die ich total mag: Das eine ist der Weihnachtshorrorfilm, ein sehr spezielles Subgenre im Horrorfilm, das sehr beliebt ist seit den frühen Achtzigern, durch Filme wie Stille Nacht, Horror Nacht, Christmas Evil oder Fröhliche Weihnacht (Don’t Open ‘Til Christmas im Original). Da gibt es eine ganze Reihe von so Filmen mit einem bösen Santa usw. Das fand ich eigentlich immer ganz cool.

Ich persönlich mag die Weihnachtszeit auch sehr und Weihnachten mit Horror zu verbinden, das angeblich Schönste mit dem Schlimmsten, das ist eine coole Sache. Und auf der anderen Seite gibt es halt so Anthologie-Filme, die ich auch sehr schätze, im Speziellen The ABCs of Death. Das ist eine Kurzfilmsammlung mit 26 Episoden in einem Film, wobei der Titel jeder Episode mit einem anderen Buchstaben des Alphabets beginnt. Und ich dachte mir damals irgendwie: „Ja scheiße, warum hat das eigentlich noch nie jemand verbunden?“. Und so kam ich dann zum Adventskalender-Episoden-Horrorfilm: Wie wäre es mit einem filmischen Horroradventskalender mit 24 Kurzfilmen, ein neuer Film hinter jeder neuen Tür.

Also so klassisch an Kumpels gepitcht, so „Hier ich habe da eine Idee“ in einem Word-Dokument, kann man sich das so vorstellen?
Nein, nicht ganz, ich hatte da also mal wieder eine Idee und habe darüber nachgedacht und etwas dazu geschrieben – diese Idee hat mich aber auch nach ein einigen Wochen nicht losgelassen. Und dann habe ich meinem Kumpel Ivo auf einer Party diese Idee vorgestellt. Weil, wir sind ja in Frankfurt, nicht in Hamburg, Köln oder Berlin, wo es mehr Leute aus dem Filmbusiness gibt. In Frankfurt ist jetzt nicht so schrecklich viel los, was das Filmbusiness angeht. Und Ivo war so mit der Einzige hier in der Ecke, den ich kannte, der eben mehr mit der Businessseite zu tun hat, weil er seit 20 Jahren für Anolis Entertainment arbeitet, die hauptsächlich Klassiker rausbringen, die alten Hammer-Filme und alte Monsterfilme, ganz selten auch aktuelle Filme. Ich habe Ivo gefragt, wie er diese Idee fände. Ob er glaubt, dass die Potenzial hat. Und der war halt völlig hin und weg.

War da Alkohol im Spiel? (lacht)
Ja, vielleicht hatte er auch schon zu viel getrunken auf der Party! (lacht) Auf jeden Fall fand er diese Idee super, wir haben uns dann zusammengetan und an dem Konzept gearbeitet. Und dann relativ bald festgestellt, dass wir, wenn wir jetzt nicht einen Amateurfilm herausbringen wollen, was wir explizit nicht wollten, dass wir mit dem Budget, das wir zur Verfügung haben, nicht auskommen. Und dann hat Ivo Frank mit ins Spiel gebracht. Frank war Besitzer oder Mitbesitzer einer Postproduction-Firma in Frankfurt-Ostend, Magna Mana. Er wollte. Und so hatten wir schon mal eben die gesamte Postproduction-Geschichte abgedeckt gehabt, das heißt, die CGI-Rahmenhandlung und die Nachbearbeitung der 24 Filme usw. Aber vor allem hatte Frank schon mehrere Filme durch die Filmförderung gebracht. Er hatte damit also schon Erfahrung und das war nämlich dann unser Gedanke, „lass uns doch mal schauen, ob wir Filmförderung kriegen“.

Wir waren da anfangs aber nicht super optimistisch, denn in Deutschland werden Horrorfilme eher selten gefördert, weil angeblich nicht künstlerisch wertvoll genug usw. Zum Glück ist die HessenFilm, die hessische Filmförderung, da aber etwas offener als die Behörden in anderen Bundesländern. Und die fanden das Konzept spannend, vor allem auch das Internationale an dem Ansatz. Also haben wir unsere Unterlagen da 2017 eingereicht… aber es wurde abgelehnt. Wir waren natürlich erst mal super enttäuscht, aber es hat sich dann herausgestellt, dass wir nur zu naiv an die Sache rangegangen waren, wir wollten uns nämlich ursprünglich auch selbst von unseren Regisseuren überraschen lassen und am liebsten gar nicht wissen, welche Filme wir am Ende präsentiert bekommen würden, wie ein echter Adventskalender auch für uns eben. Darum hatten wir bei der Filmförderung eben auch keine Drehbücher und Story-Details eingereicht, und die sagten dann halt, das geht nicht, ihr müsst uns schon genauer vermitteln, was das für ein Film werden soll.

Aber, wir durften noch mal neu einreichen, das ist sehr ungewöhnlich, wir mussten nur eben beim nächsten Versuch mindestens 10–12 fertige Drehbücher abliefern. Das war dann nicht ohne, wir mussten in kurzer Zeit jede Menge Regisseure überzeugen, uns filmfertige Skripte zu schicken, ohne versprechen zu können, dass aus dem Ganzen auch wirklich was wird. Aber es hat geklappt, wir haben genügend zusammenbekommen und die HessenFilm hat uns im September 2018 dann wirklich grünes Licht gegeben, die Förderung bewilligt. Und das für einen kleinen, blutigen Horrorfilm, das war schon was! (lacht)

Jede/r von uns träumt sicher davon, einen eigenen Film zu machen und du hast es durchgezogen, Respekt, auch vor dem langen Atem, den man bestimmt braucht. Und sicher einen Haufen Geld, wie lief das dann weiter?
Nach der Bewilligung der Förderung ging die ganze Sache wirklich direkt los, in Supergeschwindigkeit. Wir waren aber auch schon in den Startlöchern. Wir wollten den Film rechtzeitig zum Winter 2019 fertig haben, auf den ersten Festivals zeigen, also musste im Sommer eigentlich alles stehen, aber wir hatten in dem Moment noch nicht mal alle 24 Regisseure zusammen. Ivo und ich sind dann Anfang Oktober 2018 erstmal nach Sitges geflogen, zum größten Genre-Filmfestival der Welt, einmal um schon mal ein bisschen Werbung für Deathcember zu machen und ihn bei Journalisten anzukündigen, aber andererseits auch wirklich, um noch die ein, zwei fehlenden perfekten Regisseure für den Film zu finden. Das hat super geklappt, und gleichzeitig haben wir dort auch unsere beiden schon vorher bestätigten spanischen Regisseure getroffen und die haben sofort losgelegt – am 1.11.2018 war der konkrete Produktionsstart, am 1.12. die ersten beiden Filme fertig.

Die interne Premiere des Films, mit dem Team usw., hatten wir am 31.8.2019 und am 31.10.2019 hatte der Film schon seine offizielle Weltpremiere in San Sebastián. Er war also nach weniger als einem Jahr komplett fertig geworden, und das bei einer Laufzeit von zweieinhalb Stunden und 26 verschiedenen Regisseuren. Denn außer den 24 Episoden im Hauptfilm gibt’s noch zwei Bonusfilme im Abspann. Ich kann das ehrlich selbst kaum glauben, wenn ich so drüber nachdenke. Viel geschlafen haben wir in der Zeit jedenfalls nicht … denn dazu gab‘s ja auch noch die ganze nötige Öffentlichkeitsarbeit, Verhandlungen mit möglichen Weltvertrieben, Festivaleinreichungen usw. Das war heftig viel Arbeit alles, aber halt auch heftig viel Spaß, auch wenn es natürlich überhaupt keine Zeit gab, zwischendurch auch noch irgendwie zu arbeiten und Geld zu verdienen oder so! (lacht)

Geld ist halt sowieso so ein Thema, klar. Du kannst einen Film in einer normalen Größenordnung wahrscheinlich wirklich nur machen, wenn du wenigstens so viel Geld hast, dass es dich nicht komplett ruiniert, wenn du viel davon verlierst. Was bei uns leider passiert ist! (lacht) Also, die Filmförderung war super, aber das reicht finanziell natürlich von vorne bis hinten nicht. Wir haben alle drei jede Menge privates Geld reingesteckt, ein paar gute Freunde haben als private Investoren mitgemacht, und dann haben wir auch noch ne erfolgreiche Kickstarter-Kampagne gemacht, was ich ehrlich keinem wirklich empfehlen kann. Ich meine, es war toll, da erfolgreich zu sein und darüber auch das Interesse der ersten paar hundert Fans zu bekommen, aber unsere Kampagne war unglaublich zeitaufwendig, mit der Bekanntgabe eines neuen Regisseurs pro Tag und drumherum viel Trara, das war vielleicht das Stressigste überhaupt an der ganzen Produktion.

Naja, und neben Geld brauchst du halt auch wirklich viel Nerven, du musst dich dem Thema komplett widmen – bei uns war es halt auch so, dass wir Regisseure von Südkorea bis Mexiko hatten, dass du also in allen Zeitzonen der Welt jederzeit mit deinen Leuten kommunizieren musst, und dazu die ganzen Posts auf Social Media, da ist daneben nicht mehr viel Platz für anderes, wir haben auch ein paar Drehs hier direkt in Hessen selbst koordiniert. Und am Ende brauchst du auch einfach viele gute Kontakte. Damit du an die Regisseure rankommst, die du haben willst, damit du die nötige Unterstützung in der Filmszene findest, damit du vor allem auch die Öffentlichkeit bekommst, also Interviews und Ankündigungen und Reviews usw. Wenn du da „einfach so“ rangehst, kannst du kaum viel reißen. Leider.

Welchem Genre würdest du Deathcember zuordnen, reiner Slasher ist es ja nicht, oder?
Deathcember ist eine Anthologie und wir haben uns bemüht, den Regisseuren so wenige Vorgaben wie möglich zu machen, abgesehen von technischen Dingen und natürlich dem Advents-/Weihnachtsbezug. Schließlich bekamen sie von uns schon so schrecklich wenig Budget, da wollten wir sie nicht auch noch in kreativer Hinsicht einschränken. Deshalb sind auch x unterschiedliche Genres im Film enthalten. Klar gibt’s auch den klassischen Slasher, aber daneben haben wir auch Sci-Fi, Mystery, Thriller, Parasiten-Horror, Giallo, Monsterfilm, schwarze Komödie und und und dabei … und sogar einen Schwarz-Weiß-Horror-Western von Lucky McKee, einen extrem derben Stop-Motion-Animationsfilm und einen echten Stummfilm im Stile der 1920er-Jahre. Es fehlt eigentlich nur noch ein Musical! (lacht)

Normalerweise laufen Filme dann auf Filmfestivals und im Kino, trotz Covid klappte das ja auch teilweise noch. Wie waren so die Reaktionen?
Was die Festivals angeht, hatten wir ja noch Glück im Unglück. Unsere Festivaltour begann ja am 31.10.2019, also noch deutlich vor Corona, und bis es zu den Lockdowns kam, hatten wir schon eine große Zahl an Festivals runtergerissen, auch unsere Deutschlandpremiere in sieben Städten beim Fantasy Filmfest im Januar 2020. Nach Pandemiebeginn wurden dann zwar leider eine Menge Festivals gecancelt, aber vor allem im Sommer 2020 lief er international noch bei einigen Sachen, z.B. in Südkorea, Kanada, Mexiko oder Slowenien. Insgesamt war der Film bei über 35 Festivals und hat auch fünf oder sechs Preise eingesammelt, damit sind wir wirklich zufrieden. Einen deutschen Kinostart hat er wegen der Pandemie dann natürlich leider nicht bekommen, das war sehr schade, es gab nur ein paar ganz vereinzelte Aufführungen im Winter 2020 und 2021.

Leider waren zum Zeitpunkt unseres Erscheinens im Winter 2020 aber auch in vielen Ländern die Elektronikläden und sonstige DVD-Verkaufsgeschäfte geschlossen, deshalb ist der Film kaum irgendwo im physischen Format erschienen, sondern nur als Video on Demand bei Amazon, iTunes usw. Vielleicht kommt da jetzt international noch was nach, aber es ist nicht sehr wahrscheinlich, der Film ist ja inzwischen nicht mehr ganz „neu und aufregend“. Als Blu-ray erschienen ist er so bisher tatsächlich nur in Kanada und in Deutschland – hier kommt im Oktober/November 2022 auch noch mal zusätzlich eine fette Special Edition mit jeder Menge Bonusmaterial in die Läden.

Was die Reaktionen angeht … ich sage mal, gespalten. Der Film besteht halt aus so vielen total unterschiedlichen Filmen, dass die meisten Leute nur einen gewissen Teil davon mögen, einen anderen nicht – aber welcher Teil, welche Filme man toll findet, das ist bei fast jedem Zuschauer unterschiedlich. Einige finden ihn einfach zu lang, andere meinen, er sei vom Look her „zu billig“ – wobei das definitiv nicht für alle Filmbeiträge gilt –, aber es gibt auch ne Menge richtig harte Fans, die das Ding total abfeiern. Man muss sich nur mal die unterschiedlichen Reviews bei YouTube, bei Horrorwebsites und -podcasts, aber auch bei Amazon & Co. Ansehen, da ist auch viel Begeisterung dabei.

Ein paar unserer Kurzfilme spalten das Publikum aber auf jeden Fall komplett, darunter vor allem der Animationsfilm Crappy Christmas von Jürgen Kling hier aus Gelnhausen. Denn der zeigt ziemlich explizit den Missbrauch eines kleinen Jungen durch katholische Geistliche – und seine blutige Rache. Alles mit Knetfiguren, aber mega splatterig, und für viele glatt „geschmacklos“. Die FSK mochte den auch gar nicht und wollte uns zuerst die Freigabe für Deathcember komplett verweigern, wir mussten in Berufung gehen. Und in der amerikanischen Fassung fehlt der Film, wurde durch einen anderen ersetzt. Die Amis sind eben oft noch etwas empfindlicher …

Wie & wo können wir euch durch DVD-, Blu-ray- oder Streaming-Käufe unterstützen?
Wer den Film kaufen will, ob physisch oder zum Streamen, oder wer uns einfach nur bei Instagram usw. folgen will, findet alle Links auf unserer Website deathcembermovie.com. Wie gesagt, jetzt im Herbst erscheint die neue deutsche Special Edition, und die bekommt man dann bei Saturn und Amazon und und und. Oder man leiht/kauft den Film zur Weihnachtszeit digital, auch bei Amazon, oder iTunes, Videobuster und überall. Wenn man von der Laufzeit abgeschreckt ist, dann gibt’s einen ganz einfachen Weg, den Film zu genießen: eben wie einen Adventskalender, ein Segment pro Tag. (lacht)

Dominic, danke nochmal für deine Zeit, eine letzte Frage: Durch #metoo und Recherchen der New York Times wurde Weinsteins Hollywood-System aufgedeckt. Hatte das auch Folgen für die „Horrorfilm-Community“-Szene? Es gibt so wie überall auch bei der Horrorfilm-Community eher eine „durch männliche Nerd-Fans“-geprägte Struktur, oder? Weil außer der Regisseurin von Raw und Titane fällt mir zum Beispiel keine Frau in der Rolle ein. Das würde mich einfach mal interessieren, ob es da Rückwirkungen gab, entschuldige bitte die etwas sehr offene Fragestellung.
Oh, es gibt eine Menge mehr weiblicher Horrorfilm-Regisseure, als man vielleicht auf den ersten Blick denkt. Ein paar der besten Genrefilme der letzten Jahre wurden von Frauen gemacht, zum Beispiel The Babadook, Relic oder The Nightingale. Aber auch im Underground- oder extremeren Bereich gibt es fantastische Regisseurinnen, etwa die Soska Sisters (Rabid-Remake), Chelsea Stardust (Satanic Panic) oder Jill Gevargizian (The Stylist). Und natürlich ist ja auch bei Deathcember immerhin ein Drittel der Filme von Regisseurinnen gemacht. Es gibt auch einige Initiativen, um die Sichtbarkeit von Frauen im Genre zu erhöhen. Aber das ist ein langer Weg, weil hier natürlich auch, wie überall sonst, langjährige Macht- und Einflussstrukturen bestehen, und die sind, wie überall sonst, männlich dominiert. Deshalb gibt’s auch im Horrorfilm, wie im Filmbusiness als solches, wie im Musikbusiness, wie überall, Abhängigkeitsstrukturen, die Missbrauch befördern.

Und darum auch „MeToo“-artige Vorfälle – wahrscheinlich deutlich mehr, als an die Öffentlichkeit kommen. Im Filmbusiness ist außerdem meist auch noch eine Menge mehr Geld involviert als z.B. in der Musik, und es sind mindestens genauso viele manische Ego-Monster unterwegs, die sich am liebsten einfach nehmen, was sie wollen; ohne Rücksicht auf Verluste. Ganz ehrlich? Solche Vorfälle hab ich schon in den 90ern, in der kleinen, ach-wie-solidarischen, anti-kommerziellen, emanzipatorischen und politischen und „bewussten“ HC-Szene mitbekommen – natürlich gibt’s die auch in der undergroundigsten Variante des Underground-Horrorfilms. Die allermeisten Menschen sind eben einfach Dreckschweine. Monster. Und darum gibt’s ja nicht nur Santa Klaus. Sondern auch den Krampus! (lacht)

Interview: 1L
Pics: Interviewsituation Frankfurt 2022: Caren, Dominic
Kontakt: deathcembermovie.com, deadline-magazin.de

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