Dezember 31st, 2023

Daniel PJ1 (#214, 2022)

Posted in interview by Jan

„Hinter der nächsten Palme links ist immer noch eine Kneipe offen!“

Unser verdientes früheres Trust Zine-Gaspedal Daniel „PJ1“ hat ein Buch geschrieben: „Hafenkneipen. Ein praktischer Reiseführer“ (2022). Wegen Buch und Trust tranken wir neulich Bier zusammen. Wir fanden manches heraus!

„Der Hot Water Music-Biertest war auch eine Hommage an diesen Poison Idea-Biertest einige Jahre vorher im Trust, das war mir durchaus bewusst. Und ich dachte zumindest vom Trinkverhalten geben sich die beiden Bands nicht so viel. Und ja, ich denke daran gerne zurück, weil ein Satz stehenblieb, als ein milde betrunkener Wollard, der eine Sänger von Hot Water Music, die anderen fragte, ob es als These vertretbar sei zu sagen, dass Beck‘s pasteurisierter schmeckt als Jever. Das war schon so ein Satz für die Ewigkeit.“

Ihr habt im Interview mit den beiden früheren Frankfurter Schreiber*innen Andrea und Al schon einiges dazu erfahren, wie es bei Frankfurter Trust-People so in den 90ern und den 2000ern war. Daniel aus Frankfurt (auch bekannt im Heft als „PJ1“) war noch ein bisschen früher als Al und Andrea am Start (1992). Lustigerweise war ja Frankfurt am Main eine Zeitlang eine richtige „Trust-Stadt“, denn es gab ja noch Anfang der 90er Matthias, Michael (der heute den tollen Rockstage Riot Frankfurt-Konzertkalender-Blog mit-betreibt), dann Daniel, Al, Andrea, Joachim, seit 2006 wohne ich in der Stadt (ich zog mit Andrea zusammen) und später schrieb Matze auch eine Zeitlang bei uns mit…Tja, lange ist es teilweise her.

„Wo ich herkomme, wird angestoßen!“
Die meisten von uns sehen sich fast alle jeden Donnerstag beim Plattensammler-Stammtisch oder auf Gigs wieder. Daniel ist der zweite und letzte Teil meiner kleinen Interview-Reihe mit früheren Trust-Schreibern aus Frankfurt. Ich bin von seinem Schaffen genauso Fan wie von Andrea und Al, aber Daniel benötigt ein eigenes Interview, da es auch mit seinem Buch eine andere Nuance als das Gespräch mit Al und Andrea besitzt. Wobei alle drei natürlich viel gemeinsam beim Trust damals erlebten, Konzerte für Trust-Treffen organisierten und in ganz Deutschland im Namen des Heftes gesoffen haben und so weiter. Daniel war auch schon immer gerne weltweit auf Reisen und diese Leidenschaft prägt ihn natürlich auch noch nach seinem Ausstieg im Trust circa 2008. Wir werden nun im Interview erst mal über das Reisen sprechen, das zu seinem Buch über die Hafenkneipen der Welt führte, und anschließend ein paar Takte über Daniels Zeit beim Trust reden. Doch bevor er loslegt, noch einige Infos zu ihm.

„Act one – I was sitting and thinking of all the beautiful things he could have become. Instead of a lyrical oracle and I’m a most appreciative one“
Der Kollege machte vor seinem Trust-Einstieg eigene Fanzines von Ende der 80er bis Anfang der 90er, „Strych9“ und „Lay Screaming“, legt(e) als DJ in verschiedenen Kneipen wie der Guten Stute , Intimbar, Alte Liebe, Dreikönigskeller oder auch im Backstage im Nordend seit über 30 Jahren Vinyl auf, gerne mit seinem Uralt-Freund Conni unter dem DJ-Namen „Heaven Hill“, ihr Hüsker-Dü-Fans wisst Bescheid, 1985 sahen beide als Fünfzehnjährige die Band in Frankfurt, dumme Arschlöcher, wir jüngeren spielten damals noch ehrliches Tennis! Aber es war ja schon im Gespräch mit den beiden anderen Frankfurter Trust-Senioren*innen die Erkenntnis: die sahen halt in den 80er schon geile Gigs, Al 1982 SS Decontrol in Boston, Andrea 1983 in London X-Mal Deutschland und Daniel hatte dann doch tatsächlich Anfang der 90er in L.A. bzw. San Diego die Gelegenheit, GG Allin live zu sehen, was durch mirakulöse Zufälle nicht klappte, aber das wäre ja wohl auch zu viel gewesen, aber vielleicht ja eben auch nicht!

„Man sagt, er habe magische Kräfte“
Daniel kommt aus Frankfurt, „lebt und arbeitet“ hier, wenn er eben nicht gerade unterwegs ist, zu einem Naked Raygun-Gig fliegt oder in einem Sabbatjahr die Welt bereiste wie neulich: (auch) Mission (und erfüllt): mit Frachtschiffen durch die Südsee gondeln. Tja, bei ihm zu Hause steht die sicherlich größte Sonic-Youth-Sammlung östlich von Downtown New York, überhaupt ist auch Platten sammeln durchaus eine Passion von dem Kollegen – ich meine, wie viele Leute kennt ihr, die ihre eigene Plattenwaschmaschinen-Flüssigkeit herstellen und zum Selbstkostenpreis weitergeben! Daniel ist auch seit vielen Jahrzehnten aktiv im DIY-Gig&Theater-“Veranstalter-Ding“. Sehr wahrscheinlich kommt seine Power auch von seiner kindlichen Leidenschaft für Eintracht Frankfurt, jeden Sonntag wird aber auch im Park selber gekickt und danach „ab und an ein kleines Bier getrunken“. Ich lernte Daniel 2004 bei meinem ersten Trust-Treffen in Nürnberg kennen, erst viel später verstand ich, dass wir 1999 sogar auf einem gleichen Konzert waren. Denn bei At-The-Drive-In im Juz Kolbergerstraße in meiner alten Heimat Leverkusen war er auch.

„Der Fehler der Alten: sie denken, mit ihnen hört alles auf. Der Fehler der Jugend: sie denken, mit ihnen fängt alles an“
Mir ist noch eine Sache wichtig, die sowohl für das Gespräch mit Andrea und Al aus der Trust #213 (2022) als auch speziell für den Dialog mit Daniel zutrifft und an dieser Stelle gut passt: melancholische Geigenmusik erklingt – danke Daniel, Andrea und Al (stellvertretend für alle anderen früheren und aktuellen Senior*innen vom Trust), „For those about to rock I salute you“ plus: „Und echt auch danke für den tollen Zustand des Planeten, das habt ihr ganz spitze für uns vorbereitet !“

„On The Off Beat“
Liebe Gemeinde, genug gesabbelt, ich wünsche euch jetzt viel Spaß am Glas mit Daniel! Er fand sich an einem verregneten Freitag Abend bei mir und Andrea in der Casa zu Frankfurt ein, um über früher und heute zu plaudern, nebst der Degustation einer exquisiten Auswahl Dosenbiere und natürlich Jever-Pils, das musste ich für den Papst Jever dem Ersten ja wohl besorgen!

Daniel mein Lieber, schön, dass du hier bist, danke für deine Zeit. Lass uns über dein Buch über die Hafenkneipen plaudern. Was können wir uns unter diesem Werk vorstellen?
Ursprünglich sollte es „Hafenkneipen des Südpazifiks. Ein praktischer Reiseführer“ heißen, aber da gibt es eben gar nicht so viele Kneipen, die wirklich erwähnenswert sind, so dass man ein ganzes Buch damit hätte füllen können, ich habe es ja versucht (lacht). Es handelt grob gesprochen von circa vierzehneinhalb Kneipen, die sich irgendwo auf diesem Planeten befinden und geht der Frage nach, was passieren kann, wenn man diese seriös aufsucht.

Du hattest ja vor einigen Jahren ein Sabbatjahr gemacht und die Welt bereist, kamen die ausgewählten Kneipen dann hauptsächlich von diesem Trip?

Ein großer Teil, aber auch schon von den Reisen vorher. Es ist so: ich bin mein ganzes Leben sehr viel und sehr gerne gereist, auch auf eine bestimmte Art und Weise. Menschen reisen sehr unterschiedlich und es ergab sich, dass ich mit zwei Freunden im Nordatlantik hing und wir da eine ziemlich bizarre Kneipenerfahrung hatten.

Wann war das?
Das muss so vor zehn Jahren gewesen sein. Die beiden Abende in der Kneipe waren so bemerkenswert, dass ich sie niedergeschrieben habe. Wir standen zwischen völlig abgefüllten Seeleuten, die Hitlergrüße machten und ab und an auch umfielen, wenn sie nicht gerade versuchten, die Aufmerksamkeit zweier Prostituierter herzustellen oder uns anblökten: Und wir haben, warum auch immer, nicht auf die Fresse bekommen. Später entstand dann in meinem Kopf diese Idee mit den Hafenkneipen.

Was unter dem Begriff verstanden werden könnte, wie dieses Konzept Ideen und Anschauungen transportieren könnte oder einfach nur unterhält. Es gibt einige Bücher über Menschen, die Kneipen besuchen und erzählen, was dort passiert, wobei häufig eine distanzierte Position eingenommen wird, was ich vielleicht vermeiden konnte (trinkt). Und ich habe versucht, all das aufzuspüren und darzulegen. Für mich kommen da zwei Sachen zusammen, die für mein Leben sehr wichtig sind. Das eine ist das Reisen, durchaus in einer kräftezehrenden Form. Und das andere sind die Kneipen und Bier. (lacht) Ein Buch über Saufen und über Fernweh und wenn man so will, ist beides nicht heilbar. Das Fernweh ganz sicher nicht.

Ok, es ist eine Art DIY-Reiseführer für Kneipen weltweit oder kann man das auch als eine Art „Coming of Age“-Erzählung betrachten? Ältere Punks publizieren so eine Literatur ja ganz gerne! (lacht)
…noch eine Erzählung über die erste Punkshow als Fünfzehnjähriger erträgt die Welt nicht! Na ja, „Reiseführer“ stimmt wohl nur im übertragenen Sinne. Das sind zunächst Geschichten, die mir in den Kneipen passiert sind. Und wer das Buch liest, wird hoffentlich mitbekommen, dass es um mehr geht: eine bestimmte Art der Neugier, eine gewisse Offenheit, eine Geisteshaltung. Es ging mir nicht darum, drei Plattenläden in Usbekistan zu finden und zu berichten, wie sie ihre Platten sortieren, beispielhaft gesagt.

Wie, da gibt es drei? (lacht)
Ich gehe davon aus, hmmmh, ich kenne einige wenige Leute, die diese auch finden würden. Wahrscheinlich, wenn ich mir Mühe gebe, schaffe ich einen! (lacht).

„Malle ist nur einmal im Jahr“?
Ja, vielleicht. Wobei, „Malle ist nur einmal im Jahr“ ist erst mal gar nicht so schlimm. Jeder reist so, wie sie oder er es möchten. Und natürlich ist Malle irgendwie scheiße, da in der Betonburg – und Kreuzfahrtschiffe sind ja nun echte Scheiße! (lacht) Aber das hat auch seine Berechtigung, weil ich doch gar nicht in der Position bin, diese abzusprechen. Dass jeder sich den Planeten so anschaut, wie man das für sich selbst möchte. (überlegt) Wenn du fünf Leute fragst, „reist bitte mal voneinander getrennt für ein Wochenende nach Kopenhagen oder London oder was weiß ich, wohin, Usbekistan“: dann werden diese fünf Personen ganz unterschiedliche Dinge erleben. Jede wird ihren Weg gehen.

Der eine Mensch schaut sich vielleicht ein Kunstmuseum an. Eine anderer wird versuchen, das Essen kennenzulernen. Vielleicht liegt auch jemand einfach nur in der Sonne und entspannt. Und einige setzen sich dann halt ganz gerne in oder vor Kneipen und schauen, wie es sich entwickelt. Da passieren Dinge! Es ist ein sehr sehr intensiver Weg, um mit Menschen, wenn man offen und neugierig ist, in Kontakt zu treten, finde ich, in ihre Welt mit-einzutauchen und zu fluten. Mit einem Insulaner auf der lokalen Droge kochend über Kommunismus reden, Schmugglergeschichten aus den Siebzigern lauschen, Diskussionen über die richtigen Techniken beim Kielholen vor zweihundert Jahren – oder von einem Schiffbrüchigen hören, wie es so ist, wenn der Kahn absäuft. Über solche Begebenheiten geht’s. Und ja, meistens schmeckt es da auch ganz gut. (lacht)

Hat sich die Art des Reisens für dich irgendwie verändert? Du bist jetzt Anfang fünfzig, bist du früher anders gereist, als du zwanzig warst, war da noch mehr „Tassen hoch“ und heute ist da mehr Kultur dabei?
Nee, früher bin ich halt total viel getrampt, ich habe so mit 16 oder 17 mit dem Trampen angefangen, in Schottland, aber dann quer durch die Welt.

Da reden wir über die Achtziger oder?
Genau, das ist schon eine Weile her und das Trampen entpuppte sich als extrem unterhaltsam, wenn auch anstrengend. Ein ziemliches Freiheitsgefühl stellte sich so ein. Das würde ich heute nicht mehr machen, weil ich heute mehr Kohle habe, was mieten kann und mir auch Orte anschauen möchte, die eigentlich nicht per Autostopp zu erreichen sind, weil es dort kaum Autos gibt. Das hat sich sicherlich geändert. Was sich nicht geändert hat: die Übernachtungen sind jetzt auch nicht wirklich komfortabler geworden. Da geht es um ein Bett und fertig. Ich zelte auch immer noch gerne. Gut, früher gab’s auch mal einen Park etc. zum Ablegen, das würde ich heute nicht mehr so in der Form machen, wobei…(lacht). Es hat sich nichts grundsätzlich geändert, wie ich unterwegs bin.

Bist du früher am meisten alleine verreist, warst du mit Kumpels oder mit der Freundin unterwegs?
Ich bin meistens alleine gereist, bis ich dann mit meiner Partnerin zusammenkam. Und seitdem machen wir die meisten Reisen gemeinsam.

Ich freue mich schon sehr auf dein Buch und ohne groß zu spoilern, aber was ist die geilste Kneipe weltweit, wo müssen wir unbedingt mal zehn Bier trinken?
Das ist einfach die Kneipe, wo du herauskommst und dich den ganzen Abend brillant unterhalten hast. Wo du irgendwie das Gefühl hast, mit diesen Menschen dort, die von wo ganz anders herkommen und eine ganz andere Kultur haben, in irgendeiner Form total verschmolzen zu sein. Einfach ein nicht zu wiederholender Riesenabend und vielleicht sind ja auch skurrile Geschichten passiert oder vielleicht auch nur ein kleines Bild, welches mich faszinierte und zum Verweilen einlud: die Bar gegenüber eines Hafengeländes in Südamerika, vor der eine tote maximal aufgeblähte Ratte liegt, um die sich einige Hunde, einen Halbkreis bildend, zum Schlafen hingelegt haben.

Könnte also auch in Frankfurt sein und muss jetzt nicht total exotisch-tropisch sein?
Ja, vielleicht. Aber die Weite, der Weg dorthin, das gehört für mich dazu. „You gotta earn your rides“ sagten die Surfer früher. Der Grund-Gedanke ist, das habe ich im Buch auch geschrieben, „Hinter der nächsten Palme links ist noch eine Kneipe offen“. (überlegt) Weiterlaufen, sich nicht fahren lassen. Das ist sicher so, dass ein Zusammenhang zwischen beispielsweise einem Fanzine wie dem Trust oder einem DIY-Konzertladen und diesem Buch besteht. Dahinter steht meines Erachtens eine bestimmte Geisteshaltung und die halte ich für sehr wesentlich für mein Leben.

„DIY“ stimmt ja auch für Produktionsbedingungen.
Genau, ohne Verlag, alles selbst gemacht.

Du bringst es also ganz alleine heraus?
Ich bin glücklicherweise nicht darauf angewiesen, damit Geld verdienen zu müssen oder meine Zukunft als Schriftsteller zu sehen. Ich will versuchen, die Kosten zu decken. Und schöner-weise habe ich gute Freunde, die sich in dem Business ein bisschen auskennen und mir beim Lektorat, Satz und anderen Sachen helfen konnten, wie zum Beispiel die Graphikerin Imke, die die Illustrationen gemacht hat.

Wo kann man das scheiß Buch eigentlich kaufen? (lacht)
Irgendwo am Anfang oder Ende dieses Interviews wird wahrscheinlich eine E-Mail-Adresse stehen und da können interessierte Leserinnen und Leser vielleicht eins erhaschen.

Oder irgendwo auf der Welt sich eins besorgen!
Ja, wobei, da musst du erst mal in die Welt kommen! Ich freue mich aber, wenn es also jetzt tatsächlich jemand in Usbekistan in einem der drei Plattenläden erwirbt, dann gebe ich dem Käufer einen bis fünf aus! (lacht)

Lass uns von der großen weiten Welt nach Deutschland aufs Trust zu sprechen kommen. Ich bin mir da nicht hundertprozentig sicher: du hast das erste Jawbreaker-Interview in Deutschland bei uns veröffentlicht oder war das noch für dein eigenes Fanzine vorher?
Das war nicht fürs Trust, aber ich würde das gerne etwas anders formulieren. Ich glaube, dass in der Zeit, wo ich beim Trust aktiv war, viele Leute wie ich als Fans, die eben für eine Fanzine schreiben, natürlich total geil darauf waren, die coolen neuen Bands zu finden, the next big thing. Und du willst vielleicht auch vor irgendjemand anderem über deine Entdeckungen schreiben: weil dich die Musik so bewegt und weil es sich (grinst) gut anfühlt. Das kommt aus diesem „Fan“ im Wort „Fanzine“. Und ja, ich denke, wir, also das Trust, hatten doch in der Summe diesbezüglich ziemlich viele Treffer. Für die Zeit, die ich beurteilen kann, gab es viele viele Bands, bei denen ich sagen kann „Wow, das haben wir ziemlich früh mitbekommen“.

Das ist für uns Spätgeborenen natürlich absolut ärgerlich! (lacht)
Ich werde da jetzt aber auch keine Namen nennen, dieses Name-Dropping bringt nichts, das finde ich fürchterlich. Aber es macht einfach Spaß, wenn du halt merkst: „Cool, ich sehe jetzt so eine kleine Band irgendwo gerade vor ner Handvoll Leuten“, du findest das dann richtig toll und dann willst du natürlich auch dazu was runter schreiben – und auf einmal werden diese Bands irgendwie bekannt oder irgendwas. Was im Normalfall selten was mit einem Trust-Interview zu tun hat, da bin ich mir sicher!

Hey komm, aber auch schon mal. (lacht)
Na ja, gut, also vielleicht „auch mal“.

Was mir aufgefallen ist, als ich deine Interview-Diskografie durchgeschaut habe – sorry, das ist jetzt so ein blöder Begriff – aber du hattest echt immer eine gute „Trüffelschweinnase“. (lacht) Weil du eben echt sehr früh saucoole und später berühmte Bands entdeckt und dokumentiert hast.
Mag sein.

War das einfach Zufall oder hattest du einfach gute Tipps?
Keine Ahnung, aber da kommt das Reisen wieder ins Spiel. Ich hatte mir die Möglichkeit gebastelt, in den frühen Neunzigern sehr viel Zeit in Los Angeles zu verbringen und dort war ich gut vernetzt. Meine dortigen Freunde, die ich zum Teil heute noch habe, waren sehr aktiv in alle Richtungen, die man sich so vorstellen kann: Fanzine, Radio, Band, Label, die ganz Nummer. Und dadurch habe ich viel gesehen, das hat sicherlich einen großen Einfluss gehabt. Und damals, „Prä-Internet“, war es natürlich so, dass jeder in Deutschland, der sich für die Musik in unserem Spektrum interessiert hat, immer auch mal woanders hinwollte, schauen, „was geht in anderen Ländern?“. Ich konnte das damals oft machen und habe einfach vor allem viele Bands in Kalifornien gesehen.

Eine Band, die meines Wissens nicht aus Kalifornien kommt, aber auch von dir, glaube ich, im Trust entdeckt wurde, war ja Hot Water Music oder?
Das war Torsten.

Okay, schneide ich heraus.
Macht nichts. (lacht) Nein, nein, das war Torsten.

Mit Hot Water Music hast du ja auch einen sensationellen Biertest-Artikel gemacht. Es gab 1990 im Trust auch einen mit Poison Idea, die ich noch ´nen Ticken besser finde als Hot Water Music, aber dein Artikel gefiel mir besser! Der war von Mitte 90er oder?
Nein, nein, der war später. Das muss so Ende der Neunziger gewesen sein. Um das jetzt zu erläutern: Ich kannte das Poison Idea-Ding. Damals war ich aber noch nicht beim Heft. Der Hot Water Music-Biertest war auch eine Hommage an diesen Poison-Idea-Biertest einige Jahre vorher im Trust, also, das war mir durchaus bewusst. Und ich dachte zumindest vom Trinkverhalten geben sich die beiden Bands nicht so viel. Und ja, ich denke daran gerne zurück, weil ein Satz stehenblieb, als ein milde betrunkener Wollard, der eine Sänger von Hot Water Music, die anderen fragte, ob es als These vertretbar sei zu sagen, dass Beck‘s pasteurisierter schmeckt als Jever. Das war schon so ein Satz für die Ewigkeit. (lacht)

Ja, das war lustig, sehr lustig. Und ich denke an einige Interviews gerne zurück, ich glaube, zum Beispiel mit der Mr. T Experience. Eine Band, die ich super liebe und im Gespräch zeigte sich, dass wir den gleichen Humor haben. Bei meinen späteren Sachen… die meisten Interviews würde ich mir heute nicht mehr durchlesen, es gab einige, die Substanz hatten: „Ja, das war gut“. Da sind so vier, fünf, die mir da einfallen.

Manchmal fallen einem ja auch die „negativen“, also die nicht so tollen Interviews ein, die man sonst immer gut verdrängt. Gibt es auch solche, die in so einer Rückschau dann doch ärgerlicherweise auftauchen?
Nein, das jetzt nicht. Aber ich glaube, „negativ“ waren alle diejenigen, bei denen ich mir nicht wirklich Mühe gegeben habe. Das ist eine entscheidende Sache! Ja, ich glaube, dass ich mir bei vielen Interviews nicht wirklich vorher im Klaren darüber gewesen war, was ich jetzt überhaupt will im Gespräch, was ist die Richtung? Und das sieht man im Nachhinein. Und jetzt, mit über fünfzig, denke ich dazu „Na ja, ja gut.…egal – ich war damals 20 oder 25, so what“. Und da ist sicherlich einiges dabei an Ausschuss, auch wenn die Band super Musik machte.

Die Hauptzeit für das Trust war ja in den Neunzigern. Und in den Neunzigern war auch die Popkomm in Köln, eine Musikmesse, wo das Trust auch einen Stand hatte und viele Jahre Konzerte im Rahmen dieser veranstaltet hatte, ich hatte die oft besucht, weil ich aus dem Rheinland komme und Leser von Trust war. Ich erinnere mich gut, dass es damals einige kritische Leserbriefe gab, weil das Trust an der Popkomm teilgenommen hatte, Stichwort „Ausverkauf“ und „Kommerz“.
Diese Vorwürfe kamen vor allen Dingen von Christoph Marx, der war aus Köln und dort sehr aktiv, er ist ja leider gestorben – und sie waren nicht unberechtigt.

Stimmt, der machte auch im (AJZ) Rhenania in Köln Konzerte. Ich glaube, Dolf pennte sogar bei dem, wenn Popkomm war! (lacht)
Ich im Auto oder im Park! Der schrieb ja auch mal was für das Trust, war also kein prinzipieller Gegner vom Heft und ich glaube, dass er irgendwo recht hatte. Das Problem ist so ein bisschen: müssen alle deine Handlungen in einen bestimmten Rahmen passen? Es ist völliger Schwachsinn, zu glauben, dass die Popkomm in irgendeiner Form vom Trust profitiert hätte. Sich damit „greenwashen“ hätte können, d.h. sich nach außen das Antlitz zu geben, „wir sind an der Basis dran“ oder so. Das war für die ganzen Menschen, die dort verkehrten, die ihr Business betrieben, völlig egal.

Für uns hingegen haben wir dort in der „Nicht-AJZ-Welt“, die aber die Welt größerer unabhängiger Labels war, sehr viele Leute kennengelernt, die wir nur vom Telefon kannten oder so. Es gab ein Networking, so würde man das, denke ich, heute nennen. Persönlich habe ich so einige sehr tolle Leute kennengelernt. Die Kritik war aus so einer überhitzten Situation heraus entstanden, so Motto „Das Trust fährt jetzt in der gleichen Straßenbahn wie die Rockstars“. Eigentlich völlig legitim, berechtigt und in Teilen zutreffend, das haben wir oder ich seinerzeit ein bisschen verbockt. (lacht)

Ich kenne nur von den älteren Trustlern die Story mit dem legendären „Daniel-Popkomm-Moment am Trust-Stand“. Also, das waren mehrere Tage, da saßen halt die Schreiber und Schreiberinnen und da kamen halt immer diverse Leute vorbei, die irgendwas wollten. Und auch Kollege Jello Biafra kam mal dann am Trust-Stand vorbei, in seiner durchaus lebendigen Art wollte er irgendwas. Und speziell du warst dann irgendwie…
Also, es waren nur zwei Leute am Stand, Dolf und ich.

Tja, was war da los?
Jello wollte sich mit Dolf unterhalten und ich saß an diesem Stand, war komplett verkatert und wollte einfach nur meine Ruhe und eine Zigarette rauchen. Und dann kommt dieser Jello Biafra und ja, wir alle wissen, er ist natürlich die Legende. Und der Typ redet genauso, wie er singt, mit dem Unterschied, dass er beim Singen manchmal eine Pause macht. Dann sitzt du da, völlig im Eimer und hast echt keine Lust jetzt auf das – aber mehr war auch nicht, glaube, ich bin einfach aufgestanden und gegangen. Es war einfach nicht zu ertragen. Keine Story, sorry.

Sag mal, du hast sehr lange bei dem Heft mitgemacht, aber du hast auch nicht nur „mitgemacht“. Sondern hatte ich immer so den Eindruck – wir arbeiteten ja auch ein paar Jahre gemeinsam beim Heft von 2003 bis 2008 – dass es dir auch wichtig war, so ein bisschen „ die Heftlinie mitzugestalten“?
Ja.

Wie war damals das Verhältnis unter den Schreibern? Ihr wart viel mehr untereinander befreundet, ihr habt euch auch öfters gesehen. Aber es gab ja doch schon unterschiedliche Fraktionen im Heft. Zum Beispiel hattest du Jobst und Urte…
Sehr geile Leute!

Und beispielsweise die beiden hatten ja mehr so ein bisschen diesen „DIY-DIY-Punk“ vertreten – den ihr natürlich auch vertreten habt, aber, na ja, du weißt, was ich meine.
Ich habe vorher viele Jahre meine eigenen Hefte gemacht. Und ich glaube, das ist ein Format gewesen, welches mir liegt: Fanzine. Mit anderen zusammen haben wir uns später beim Trust überlegt: wie kann so ein Fanzine überhaupt aussehen? Und was soll da drin sein? Und gerade Stone, Dolf, andere – aber vor allem Torsten und ich – haben uns sehr rege dazu ausgetauscht. Wir haben uns ja alle auch über das Heft kennengelernt, das muss man dazu erwähnen.

Torsten war das legendäre „Kommando friesische Wiese“ im Trust?
Auch, ja, und wir sind alle seitdem gute Freunde. Daran hat sich nichts geändert. Und wir haben viel darüber geredet, wie so ein Heft sein könnte. Es gibt einen Rahmen, quasi äußere Zwänge: du willst eben alle zwei Monate herauskommen, was sind noch Möglichkeiten, wie könnte es sein, ja? Es waren spannende Diskussionen. Und ich habe da meine Position vertreten, andere haben eben ihre Sicht auf die Dinge gehabt. Und am Schluss ist es sowieso wieder in einer ganz anderen Weise verlaufen, weil irgendwas schiefging. (lacht) Unter den Leuten damals gab es ein sehr starkes, sich persönlich auch „kennenlernen-wollen“-Gefühl. Der Kai Laufen hat anfangs die Treffen in Augsburg initiiert. „Redaktionstreffen“. (lacht)

Stimmt, ja. Der war auch aus Augsburg ursprünglich, bevor er nach Karlsruhe ging.
…und dort haben wir uns dann alle mal live kennengelernt und ich empfand das als extrem befruchtend, das hat viel ausgemacht. Auf einmal war da jemand, den man live sah, zu dem du ein Gesicht hattest! Und dann fingen wir an, uns auch wirklich gegenseitig zu besuchen. Auch später unabhängig jetzt von irgendwelchen Redaktionsbesäufnissen oder so Geschichten.

Ihr habt euch also mit der Zeit angefreundet?
Ja, ganz sicher, natürlich nicht mit allen gleich. Aber wir hatten schon so eine Crew, wo ich heute noch sagen kann, dass ich mich nicht erinnere, ob es irgendeine große Zäsur gegeben hätte. Auch wenn mindestens die Hälfte dieser Menschen nicht mehr für das Heft schreibt. Das entspricht nicht zufällig dem ganzen Vernetzungsgedanken aus dem achtziger und neunziger Jahre-DIY-Underground.

Tatsächlich hatte ich immer auch den Eindruck, als wir noch parallel beim Heft mitgemacht haben, dass es dir wichtig war, dass es da so eine Art „gute Stimmung“ gibt, dass es „der Gruppe der Trust-People gut geht“, die Nummer?
Ach Gott, ja, ich bin ein sozialer Mensch, glaube ich. Und natürlich ist es schön, wenn alle bei der Party eine gute Zeit haben.

Wobei manchmal gab es ja auch Dispute unter den Schreibern. Also, es gab ja auch diesen „Bremen Bouncer“ im Trust, der sich dann irgendwann in die politisch unangenehme Ecke entwickelte?
Ich fand das nicht so prickelnd, was der schrieb – von Anfang an. Man muss auch nicht mit allen Leuten gleich gut können.

Es gab auch immer Frauen, die beim Trust mitgemacht haben, aber die meisten Redakteure waren erst mal junge Männer in ihren Zwanzigern?
Das ist richtig.

Blöde Frage eigentlich. (lacht)
Jein, es spiegelt ja wieder, wie es eigentlich war und ist. Die meisten Bands werden von jungen Männern in ihren Zwanzigern gegründet bzw. betrieben, das gilt auch für die meisten Labels, die eben auch von jungen Männern in ihren Zwanzigern gemacht werden. D.h. viele viele Outlets, die mit Musik zu tun haben, werden ganz klar in der großen Mehrheit von jungen weißen Männern in ihren Zwanzigern betrieben. Das ist erst mal eine Feststellung. Und das kann man gerne kritisieren.

Sag mal, dein Schaffen im Trust-Kosmos ragte ja noch viel in die 2000er hinein. 2008 war dein allerletztes Interview ja mit mir.
Das war ja total geil. (lacht)

Ja, irgendwie hab ich das scheiße abgetippt! (lacht)
Also, das Problem lag darin, dass du das Tape in den Main geworfen oder was auch immer du damit gemacht hast, bevor du es abtippen wolltest. Der Gedanke war schon gut, also das Interview-Setting: mit der alles überragenden Frankfurter beziehungsweise Bad Vilbeler Band Antitainment, die ich immer noch gerne höre, Jahrzehnte später. Und wir sind mit zwei Musikern dieser Band, dem Sänger/Gitarristen und dem Keyboarder, mit der Straßenbahnlinie 11 von Trinkhalle zu Trinkhalle gefahren, haben Haltestopps eingelegt und geredet. Und allein dieses Setting war, glaube ich, dadurch einzigartig und führte zu einer gewissen Intensität. Daran denke ich sehr gerne zurück.

Ja, das war echt genial! Wie sah eigentlich so eine Woche bei dir in den 90ern zu Trust-Zeiten aus, wie heute?
Das Alter ist natürlich immer eine wichtige Frage und ist in diesem Zusammenhang ziemlich grundlegend. In den 90ern habe ich studiert und bin sieben Tage die Woche weggegangen. Jetzt arbeite ich und treffe mich zwar immer noch gerne mit Menschen, gerne Trinkhalle, und schaue zu, dass ich im besten Fall um zehn Uhr abends spätestens zu Hause bin: ich muss einfach auf meinen Körper mehr achten, sonst würde ich das überhaupt nicht mehr hinbekommen. Das war ja damals schon zum Teil recht fordernd.

Kann man das an bestimmten Konzert-Locations im Frankfurt der Neunziger festmachen, wo du da immer so ausgegangen bist?
Ich bin ein Gewohnheitstier. Es gab Kneipenabende in den Konzertzentren der Uni bzw. FH. Und es gab die Kneipenabende hier in unseren autonomen Gebilden. (lacht) Ich fühle mich an verschiedenen Orten wohl, was nicht mehr so von Interesse ist, in „Szene-Läden“ zu gehen. Ich bin sehr gerne im Exzess und in der Au und im Klapperfeld.

Aber ich muss dort nicht immer hingehen, um „sehen und gesehen werden“ zu spielen, sondern ich bin lieber mit meinen Leuten überall unterwegs, verabrede mich privat und komme so zu meinem sozialen Austausch. Und das andere, was natürlich inzwischen ziemlich stark hineinspielt: früher bin ich auch sehr gerne auf viele Konzerte gegangen. Ich habe aber seit zwanzig Jahren enorme Hörprobleme, mein Gehör ist ziemlich im Eimer und viele Konzertbesuche fallen somit einfach flach.

Kommt das von dem vielen Konzertbesuchen früher?
Ja und das geht eben auch nicht mehr weg. Es gibt alle paar Jahre mal wieder dann ein Konzert, bei dem ich denke: „Oh ja, jetzt gibst du es dir ohne Ohrenstöpsel“ Und dann liege ich wieder die ganze Nacht wach, nicht mit Tinnitus, sondern mit einem sehr viel seriöseren Geräusch im Mitteltonbereich im Ohr im Bett und kann nicht schlafen. Und das dauert Wochen, bis es wieder weggeht. D.h. ich muss da leider sehr aufpassen.

Bevor ich es vergesse: du hast ja auch teilweise fürs Trust Artikel von anderen gelayoutet und auch Titelbilder gemacht!
„Surfen, saufen, Platten kaufen!“, das war das Mörser-Foto auf dem Trust-Cover von 2000 (#86)! Immer noch eines der besten, aber gut, es war nicht ganz so lustig wie das Trust-Cover von der #3 (1986) mit der Colaflasche, die ins Klo gekippt wird – Titel „Gülle zu Gülle“! Das war lange vor meiner aktiven Trust-Zeit, ich hatte es damals schon zu Hause und las es deutlich vor meiner aktiven Zeit beim Heft. Aber das Mörser-Cover war auch schon ganz geil! (lacht)

Du hast ja wirklich viele Patten-Rezensionen geschrieben.
Auch nicht mehr als andere.

Du hast irgendwann mal eine Flight 13 Records-Platte besprochen. Ich weiß nicht mehr, welche Band es war, aber Flight 13-Tom ist ja auch so ein „Freund des Trust-Hauses“, ihr kanntet euch und das hattest du auch in dem Review geschrieben, so Motto „Lieber Tom, wir haben schon viel Bier zusammen getrunken, aber diese Platte ist totaler Mist!“ (lacht). Sensationell!
Das wusste ich gar nicht mehr.

Das war für mich eine beeindruckende Rezi, weil da hatte ich gerade frisch angefangen. Und es war für mich anfangs dann ein Problem, wenn man halt Leute kennt (oder kennenlernt): wie bespricht man dann deren Kulturprodukte, ist man ehrlich oder nicht. Das fand ich einfach sehr sehr mutig und einfach sehr ehrlich, dass du einfach das heraus gehauen hast, ich lernte daraus, dass ich solche Reviews gar nicht mehr mache, weil ich da nicht so ehrlich sein „kann“. (lacht) Wie gesagt, ich weiß die Band nicht mehr von deinem Review.
Nein, ich weiß es auch nicht mehr. Prinzipiell war meine Haltung immer eine andere gewesen. Ich war der Meinung, dass Rezensionen abgeschafft gehören. Das war auch einer meiner Standardsprüche. Ich versuchte, den immer mal wieder anzubringen, weil ich glaube, dass wir in den normalen Rezensionen weder den Bands noch den Konsumenten gerecht werden. Da sind ein paar junge Menschen, die nehmen eine Platte auf. Für die ist das alles in dem Moment. Und jetzt sitzt du da mit deinen vielen vielen tausend Platten, gibst der Sache dann so ein paar Minuten und sagst: „Ja, taugt nichts“.

Es ist für die Band nicht besonders schön und ich weiß jetzt auch nicht, was der Leser oder die Leserin davon hat. Es wäre meines Erachtens sinnvoller gewesen, zu sagen: unter all den Schallplatten bzw. Tonträgern, die man sich in einer gewissen Zeit angehört hat, hat man folgende zwei drei tolle Dinger gefunden und über die wird dann geschrieben. Dann hätte man diesen Rezi-Teil deutlich kürzen können und der wäre für die Leserinnen und Leser, die auch Konsumentinnen und Konsumenten sind, eine gute Kaufempfehlung: das hätte ich besser gefunden.

Also immer noch „Reviews abschaffen“, im Prinzip?
Ja, die meisten auf jeden Fall.

Die Drogen-Schwerpunktausgabe, die du 1999 gemacht hast, war eine tolle und auch wichtige Ausgabe. Es gab vorher nur eine Schwerpunktausgabe, nämlich die Split-Ausgabe vom Trust und dem Maximum RocknRoll von 1987 bezüglich Fotos europäischer HC-Bands. Und du hast dann circa zehn Jahre später diese Drogenausgabe zusammengehauen, das muss ja auch eine Riesenarbeit gewesen sein, es gab damals zwar schon das Internet, aber eigentlich gab es doch irgendwie noch nicht. (lacht)
Ja, es gab das und es war schwierig. Also, die Riesenarbeit bestand eigentlich darin, Dolf davon zu überzeugen, dass er 16 Seiten mehr macht und ein Farbcover zum gleichen Preis. (lacht) Im Nachhinein glaube ich: das war ein entscheidender Punkt an dieser Ausgabe. Und weil ich dachte, dass wir vielleicht mal eine Ausgabe über etwas machen, wovon wir auch wirklich Ahnung von haben…

Ist das so eine Ausgabe, die du dann manchmal noch aus dem Regal oder wahrscheinlich dann eher aus dem Keller mal ziehst und dann so: „Ach komm, das war gar nicht so schlecht“?
Nee, ich kaufe mir das Trust ja immer noch, habe mein Abonnement und lese den ein oder anderen Artikel. Und ärgere mich, dass ich einen Bericht nicht gelesen habe und später feststelle: „Oh, die Band war schon im Heft? Fuck, warum habe ich denn das nicht gelesen?“. Das ist auch jetzt unlängst, Prä-Corona, mal bei den Deutschen Laichen vorgekommen. Aber sonst, was du ansprichst, nein, ich wühle nicht so sehr in der Vergangenheit bei diesen Dingen. Ich finde, das ist so ein Ding, was wir auch an anderer Stelle haben. Je später der Abend, die Biere werden leer, die Schnäpse kommen und dann geht es oft darum, was wer wann wie irgendwann gesehen hat.

Das kann man schon mal machen, aber das ist so ein bisschen so, wie man sich irgendwelche Orden anhängt, die meistens darauf beruhen, dass man nur eben älter ist als andere Menschen. Und das ist irgendwie doch zu wenig, das kann es nicht sein.

Mein Lieber, du bist 2008 ausgestiegen. Im Gegensatz zu vielen anderen Schreiber*innen hast du eine Abschiedskolumne geschrieben mit einer Auflistung von allen deinen Interviews. Ganz ganz große Nummer, Respekt! Du bist immer noch Musikfan; informierst du dich generell noch durch gedruckte Fanzines?
Erst mal was zu dieser letzten Kolumne. Die Bandnamen waren das eine. Eigentlich ging es mir eher darum: ich bin nicht in irgendeinem Streit aus dem Trust heraus gegangen. Sondern, weil ich für mich festgestellt habe, dass ich nicht mehr meinem eigenen Anspruch gerecht werde, dass ich wirklich im Schnitt nicht mehr weiß, was noch so passiert – in einer Trust-Musikwelt. Das war die Erkenntnis.

Fand ich sehr sehr geil, wie du „Bye“ gesagt hast! Macht halt fast niemand so, deshalb reite ich so drauf rum! (lacht)
Ich war hundert Ausgaben beim Trust. Und das Heft war während dieser hundert Ausgaben ein sehr sehr wichtiger Teil meines Lebens, den ich auch nicht missen möchte. Und das sollte einfach nur dann zu einem vernünftigen Ende kommen. Auch eben dahingehend, dass ich noch weiterhin mit den Menschen befreundet bin. So, das war die eine Sache. Und heutzutage ist es eben so, dass mich, ein bisschen auch wie Stone, schon seit langer Zeit ganz unterschiedliche Musikrichtungen interessieren. Gleichwohl wir alle dann irgendwann zugeben müssen, dass es nie nie wieder etwas geben wird, was uns so in den Arsch gekickt hat wie das erste Mal, als wir Punk Schrägstrich Hardcore gehört haben.

Da gibt´s doch diesen Spruch von dir, so Richtung „Wenn es mir bei „Nervous Breakdown“ nicht mehr kalt den Rücken herunterläuft, dann ist alles vorbei!“.
Stimmt immer noch.

Es gab mal diese Geschichte von einem Trust-Redaktionstreffen Ende der Neunziger in einer Wohnung in Frankfurt, bei dem Kollege Dolf überraschend vom Stuhl gefallen ist. Was war da eigentlich los, Erdbeben? (lacht)
Also, ich kann mich an kein Trust-Treffen erinnern, bei dem nicht mindestens eine/r vom Stuhl gefallen ist. Kinners, wir sind Punker!

Sehr gut! (lacht) Zwei letzten Fragen habe ich noch: Wann wird Eintracht Frankfurt Weltmeister?
Hoffentlich nie.

AC/DC oder KISS?
Ich tue mich mit beiden Bands ein bisschen schwer.

Hast du noch Grüße an die drei Leute, die hier das lesen?
Ach, die erzählen mir das dann eh schon!

Nochmal vielen Dank, lieber Daniel! Und jetzt lass uns endlich anstoßen!

Interview: 1L
Kontakt: gute-stute.com, Hafenkneipen@gmx.de
Pics: Daniel

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