Juli 29th, 2025

Sisyphos im Maschinenraum – Eine Geschichte der Fehlbarkeit von Mensch und Technologie, Martina Heßler

Posted in bücher by Dolf

Verlag C.H. Beck, Wilhelmstraße 9, 80801 München, www.beck.de

Im Prinzip ist das Buch genau das, was im Untertitel beschrieben wird und das hat die Autorin lesenswert erzählt. Richtig viel neue Erkenntnis kommt da nicht wirklich dabei rum, aber um den Gedanken, das weder der Mensch noch die Maschine, beziehungsweise die Technologie perfekt sein wird und kann und es natürlich auch noch nie war, dreht sich das Buch. Das wird, grade heute, immer mal wieder gern ausgeblendet, dabei wurde darauf auch schon vor vielen Jahren hingewiesen, das die vielen Maschinen und Technologien immer mehr Arbeit machen und man sich mal fragen könnte was das eigentlich bringen soll, beziehungsweise wo das noch hinführen wird. Wir wissen dieses hinterfragen wird nicht passieren und ein begrenzen der Technologie auch nicht, es ist immer das gleiche Problem.

Der Mensch ist nicht nur nicht perfekt, er kann halt auch nicht aufhören mit dem voran streben. Und so wird die Geschichte des Technikchauvinismus immer weitergehen und der Mensch wird versuchen menschliche Fehler technologisch zu überwinden. Derweil sind wir im selbstgebauten Maschinenraum unentwegt damit beschäftigt Fehler und Defekte zu beseitigen. Und das der fehlerhafte Mensch durch fehlerlose Maschinen ersetzt werden kann scheint die Menschheit mittlerweile auch nicht mehr aus dem Kopf zu bekommen, bisher hat es noch nicht geklappt. Nach der Einleitung folgen vier Hauptkapitel. Das erste beschäftigt sich mit menschlicher und maschineller Unvollkommenheit: Überlegenheit der Technik, Minderwertigkeit des Menschen, Günter Anders frühe Kritik und anderen menschlichen Unvollkommenheiten – Mängel, Sünden, Irrtümer. Im zweiten Kapitel wird das Ideal der Maschine seit dem frühen 19. Jahrhundert erzählt, eine Obsession der mechanischen Moderne. Der fehlerhafte Mensch in der Fabrik, im Auto am Lügendetektor, Und auch die „Geistigen Automaten“ sind Entscheidungsmaschinen die den fehlerhaften Menschen ersetzen sollen. Dann geht es im dritten Teil um „Sysiphos im Maschinenraum“ wo er sich im 20.Jahrhundert befindet – Endlose Steigerung, die Human-Factors-Forschung wird vorgestellt und ein neuer Blick auf Fehler. Im letzten Kapitel geht es dann um heutige Computerbugs, irrtümliche KI und kaputte Superhumans und noch mal einen Blick auf die fehlerhaften Maschinen von 1970 bis heute. Die Fehler werden jetzt technologisch und Irren ist auch maschinell und natürlich ist die KI ebenso fehlerhaft, denn sie wurde ja von fehlerhaften Menschen geschaffen. Am Schluss heißt es dann „Doch keine Welt ohne Fehler“ und es gibt eine Art Zusammenfassung und hier noch ein Zitat von Seite 237: „Der glückliche Sisyphos erkannte die Absurdität seines Daseins und akzeptierte sein Schicksal der Sinnlosigkeit. Darin bestanden seine Freiheit und sein Glück. Camus endet mit dem bekannten Satz: «Der Kampf gegen den Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen.» Doch der moderne, technisierte Sisyphos hat kein Einsehen in sein endloses prometheisches Schicksal, das ihn überhaupt erst zum Sisyphos macht. Vielmehr arbeitet er stetig, getrieben und unaufhörlich am Fortschritt — daran, die Welt besser, vielleicht ja doch perfekt zu machen. Sein Dasein scheint daher einen Sinn zu haben: die maschinelle Verbesserung der Welt. So mag er zwischenzeitlich glücklich sein, weil er immer wieder Erfolge aufzuweisen hat, beeindruckende Erfolge. Doch er kommt nie zur Ruhe; sein Glück ist stets von begrenzter Dauer, weil er, um die immer leistungsfähigeren, fortschrittlichen Maschinen nutzen zu können, immer wieder neue, leistungsfähigere Maschinen konstruieren muss. Wenn das Glück des Camus’schen Sisyphos auf der Einsicht in die Absurdität des Daseins beruht, so ist der technisierte Sisyphos kein wirklich glücklicher Mensch. Er changiert permanent zwischen Erfolgen und Neuanfangen. Ein glücklicher Sisyphos würde die selbst erzeugte Notwendigkeit der permanenten technologischen Steigerung akzeptieren, gleichsam als Einsicht in die Bedingung des von ihm angestrebten technologischen Fortschritts, der sich dann gar nicht mehr eindeutig als Fortschritt beschreiben lässt. Vielleicht wäre es an der Zeit, dass der technisierte Sisyphos den Stein einfach mal liegen lässt.“ Wenn dir ihr Style gefällt und du Zeit und Bock hast das Thema zu vertiefen, schönes Buch mit guten Gedanken. Aber zwingend lesen muss man es auch nicht, höchstens wegen den geschichtlichen Infos und wie früh Menschen schon erkannt haben das es so eigentlich nicht weitergeht. 297 Seiten, Gebunden, 32,00 Euro (dolf)

Isbn 978-3406823305

[Trust # 232 Juni 2025]

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