August 7th, 2015

MUDHONEY (#53, 08-1995)

Posted in interview by Jan

Mudhoney waren eigenartigerweise in der „Scene“ nie sehr beliebt. Ob es jetzt daran lag, daß ihr Hit „Touch Me I’m Sick“ die Grunge-Welle einleitete oder an der Tatsache, daß sie kurz nach ihrer besten Platte von Sub-Pop zu Bugs Bunny und der WEA wechselten, ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, daß ich nach den fünf bis sechs Malen, die ich Mudhoney live gesehen habe, immer mit diesem Gedanken im Kopf nach Hause ging: „Naja, wenn das jetzt Grunge war, dann ist Grunge wohl doch fucking cool!“.

Klangen die ersten beiden Platten noch nach purem MC 5/Blue Cheer beeinflußtem Hardrock, wurden sie mit der Zeit immer besser. Der Höhepunkt war für mich dann die Single mit der Angry Samoans Coverversion „You Stupid Asshole“ und die LP „Every Good Boy Deserves Fudge“. Da war man von dem durch die so erfolgreich gewordenen Nirvana aufgezeichneten Weg Grunge zu machen ziemlich weit abgekommen.

Die LP strotzte vor Sixties-Einflüssen und klang eher nach einer 4-Track Mono Estrus Scheibe als nach Butch Vig und das Konzert kurz nach Erscheinen der Platte in Hanau bei Frankfurt war fast unglaublich. Die Band spielte alles dreimal so schnell wie vorher und das Publikum konnte gut 70 Minuten Stagediven. Danach gingen sie dann also zur Industrie, um fortan nicht mehr in heimischen Gefilden zu touren.

Bis zum Mai dieses Jahres, als sie mit neuer LP in der Batschkapp in Frankfurt spielten. Das war auch Grund genug für Andrea und mich mit Matt Lukin und Dan Peters (Bass und Schlagzeug) ein wenig Smalltalk zu halten. An dieser Stelle muß ich nochmal ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Batschkapp einer der BESCHISSENSTEN Läden in diesem Universum ist. Es ist einfach nicht möglich, den debilen Hells-Angels, die dort als Bouncer arbeiten, klar zu machen, daß man Fotos von dem Konzert für das Fanzine machen will, auch nicht wenn Band, respektive Tourmanager, damit einverstanden sind. Nach einigen Minuten Diskussion mit 200 Kilo tätowiertem Fett wurde mir „was aufs Maul“ angedroht, wenn ich meine Kamera nicht zum Auto bringen würde.

***

Andrea: Die letzten Platten, die ihr gemacht habt, hatten alle Coverzeichnungen von E.J. Fotheringham. Wer ist er und versucht ihr damit eine Art Corporate Identity zu schaffen?

Dan: Er ist schon seit langer Zeit unser Freund….

Matt: Dan und Steve ham mal mit ihm zusam-men gewohnt…Mark ja auch …

Dan: Er ist nur ein Künstler, den wir kennen, er hat schon die Schrift auf „Superfuzz Bigmuff“ gezeichnet. Er macht viel Illustrationen für Magazine wie „New Yorker“ oder auch „Entertainment Weekly“.

Matt: Früher war er nur ein Maler, jetzt ist er ein „Commercial Artist“ und will richtiges Geld für die Cover und jetzt motzt er, daß er nicht genug Geld mit unseren T-Shirts verdient.. Naja, nicht wirklich…

Andrea: Im Vergleich zu den Zeichnungen sind eure Bandfotos immer ziemlich peinlich, ist das Absicht?

Matt: (lacht) Wir wollten kein „Tough-Foto“ auf dem Cover…

Dan: Ich glaube unterbewußt wollen wir, daß die Cover lächerlich wirken..

https://www.youtube.com/watch?v=cbAbMZEt4Uw

Al: Ihr habt eine Split Single mit der US-Country Größe Jimmy Dale Gilmore gemacht. Ich habe jetzt das Problem, daß für mich jede Art von Country-Musik grauenhaft klingt. Wo ist, musikalisch gesehen, die Trennung zwischen „gutem Country“ und „schlechtem Country“? Für mich klingt das alles wie Garth Brooks?

Matt: Na, da hast du schon mal ein Beispiel für schlechten Country.. Man kann eigentlich sagen, daß fast alle neuen Sachen, das, was man „Young-Country“ nennt, Scheiße ist. Das ist leichte Unterhaltungsmusik mit gelegentlich mal ein bißchen Gitarre. Ich würde sagen, alles, was ein gutes Stück Alter hat, ist guter Country..

Dan: Die Sachen aus den 50er und 40er Jahren… Johnny Cash, Hank Williams..

Andrea: Aber ist Johnny Cash und der ganze Country Kram im Moment nicht nur einfach hip?

Matt: Oh ja, oh ja….

Andrea: Also habt ihr das gemacht, weil es angesagt ist?

Dan: Nein…ääääh…er ist ja nun auch nicht unbedingt ein Star…

Matt: Er ist eher ein Kritikerliebling als ein echter Star..

Al: Als ich vor ca. einer Stunde einem Kumpel von mir gesagt habe, daß ich euch nachher interviewen würde, war seine Reaktion: „Wer will denn die heute noch sehen?“. Freut ihr euch, die einzig übriggebliebene Grunge-Band zu sein?

Dan: Wir haben erst einmal nie geplant, eine Grunge-Band zu sein, das haben die Medien für uns getan. Als wir anfingen, haben wir uns als Punkband gefühlt und die Medien machten Grunger aus uns. Jetzt ist es cool, ein Punk zu sein, ich bin mal gespannt, wie die Medien uns jetzt nennen.

Al: Im „Spiegel“ stand vor kurzem im Rahmen eines Berichtes über Hole, daß ihr Courtney Love nahegelegt hattet, sich auch den Kopf wegzublasen. Wie war bzw. ist euer Verhältnis zu Nirvana ….

Dan: Das haben wir nie gesagt!….Ganz sicher nicht!

Al: Als Nirvana euch erfolgmäßig überholt haben, habt ihr jemals das Gefühl gehabt, daß ihr diesen Erfolg……

Dan: Sie haben uns nicht überholt, sie wurden echte Rockstars!

Al: Und wenn die Geschichte anders gelaufen wäre….

Matt: Aber hör dir doch Nirvana an und dann hör dir uns an, der normale Mainstream-Hörer hätte….

Dan: …unser Zeug ist nicht soo leicht zu verdauen, Nirvana haben tolle Pop-Songs geschrieben. Wir haben auch gute Popsongs, aber Nirvana haben Songs gemacht, die fast allen gefallen haben.

Al: Jetzt nur mal angenommen ihr hättet diesen Erfolg gehabt, denkt ihr, ihr wärt damit besser zurechtgekommen?

Dan: Ich glaube schon! Kurt war schon ziemlich depressiv die ganze Zeit.

Al: Also hat ihn doch nicht der Erfolg fertig gemacht, sondern einfach nur das Leben.

Matt: Es war die Kombination.

Dan: Wir sind vier verschiedene Typen, aber ich glaube, falls das mal passieren sollte, würden wir es mit klarem Kopf bewältigen.

Matt:Wir versuchen, aus fast jeder Situation das beste zu machen.

Dan: Es ist schwer zu sagen was passiert wäre, wenn wir den Erfolg gehabt hätten…….

Al: Was mich gewundert hat war, daß ihr, nachdem ihr bei der Wea unterschrieben hattet, in Deutschland nicht mehr auf Tour gegangen seid. Als ihr noch bei Sub-Pop wart, habt ihr in vier Jahren fünfmal in Deutschland getourt. Warum?

Matt: Wir hatten einfach die Staaten vernachlässigt. Wie Du schon sagtest, wir waren in kürzester Zeit sechsmal in Europa. Als „Piece Of Cake“ rauskam dachten wir uns, daß Europa ziemlich gesättigt sein müßte und machten einige US-Touren. Danach haben wir auch einige Zeit garnichts gemacht.

Al: Es ist mir nur aufgefallen, daß das gleiche mit Henry Rollins passierte, als er zu einem Major ging. Ich hatte den Verdacht, daß, durch das doch teilweise sehr gute Netzwerk von alternativen Auftrittsmöglichkeiten in Europa, es als Major-Band vielleicht schwerer wäre, eine Tour zu machen, wenn man für richtig große Hallen noch nicht groß genug ist?

Matt: Das ist bei uns nicht der Fall. Die Platten-firma hat mit unseren Tourneen sowieso nichts zu tun. Es ist alles wie vor unserem Wechsel.

Dan: Ich glaube sogar, daß, wenn es nach der WEA ging, wir dauernd hier wären.

Al: Auf der „Your Gone“ Single habt ihr mit Billy Childish zusammen gearbeitet. Der Track ist mit einer eurer besten, warum gab es da nicht mehr Zusammenarbeit, er hätte doch etwas von euch produzieren können?

Matt: Ersteinmal wohnt er in England und wir in Seattle und zum anderen hat er ja auch noch seine eigenen Bands. Wir haben in England eine Woche mit ihm getourt.

Andrea: Also ich muß jetzt nochmal auf der alten Frage rumreiten, wart ihr nicht verdammt neidisch auf den Erfolg von Nirvana? Also ich hätte mich totgeärgert!

Dan: Es war doch fair…

Matt: Also wenn ich mir das alles anschaue, was wir davon mitbekommen haben, bin ich eigentlich ganz froh, daß es nicht wir waren…

Dan: Wir haben uns für sie gefreut und es ihnen gegönnt, es wäre doch richtig blöde gewesen, es ihnen zu neiden.

Al: Seid ihr schon mal in die Situation gekommen morgens aufzuwachen und zu merken, daß die Musik doch nur „ein Job“ geworden ist?

Dan: Es ist unsere Einnahmequelle, ich meine, so machen wir unser Geld! Aber es ist immer noch bei weitem der beste Job, den ich mir vorstellen kann. Ich nenne es nicht gerne einen Job….

Matt: Es ist aber ein Job…. Es gibt immer Aspekte, die du gerade nicht magst, aber……

Al: …blöde Interviews machen zum Beispiel…

Matt: Ja, das auch, aber ich meine mehr so Sachen wie die Fürze der anderen im Tourbus ertragen zu müssen oder so.

Dan: Die Tour-Sache ist sowas… Wir haben nie so richtig lange Tourneen gemacht. Ich glaube, wenn wir jetzt für sechs oder sieben Monate auf Tour gehen würden, dann wäre es ein Job. Und dann würde ich anfangen, ihn zu hassen.

Matt: Wir versuchen, nie länger als fünf bis sechs Wochen von zu Hause weg zu sein.

Dan: Diese Tour dauert einen Monat, danach sind wir eine Woche daheim und spielen dann noch einen Monat in den Staaten. Das wird die längste Tour sein, die wir je gemacht haben.

Andrea: Ihr seid mit einem Song, in dem ihr den Seattle-Hype angreift, auf dem „Singles“-Soundtrack vertreten. Der Soundtrack und auch der Film war aber ein wichtiger Teil des Seattle-Hypes…

Dan: (lacht) Es war eine schöne, lustige Rock’n’Roll Sache, die von anderen – völlig aus dem Zusammenhang gerissen – zur größten Sache der Welt gemacht wurde: Grunge.

Andrea: Ich habe gelesen, daß ihr ins Weiße Haus eingeladen wurdet, um Bill Clinton kennenzulernen, wie war das denn so?

Matt: Wir wurden nicht persönlich eingeladen, sondern Pearl Jam wurden eingeladen. Wir haben dort einen Gig mit ihnen gespielt. Sie sagten, sie würden spielen, wenn wir auch kommen könnten, so kamen wir ins Weiße Haus, aber wir wurden von der Pearl Jam-Gruppe getrennt und auf einer anderen Route durchs Haus geführt bis zu einem eigenartigen Konferenzraum, aber Bill war gerade kurz vorher rausgegangen.

Al: Was? Keinen warmen Händedruck?

Matt: Nein! Kein Bill für uns! Ich glaube, wir haben ihn erschreckt.

Al: Und was haben Pearl Jam erzählt, hat er sich richtig schön dämlich gegeben?

Dan: Nein, sie meinten, er hätte einen ganz netten Eindruck gemacht, hätte ihnen die Hand gegeben, ein paar Stories erzählt und wär wieder gegangen.

Matt: Aber es war doch lustig….. Man kann ja Teile des Weißen Hauses als Tourist besuchen und als man uns durch das Haus schleifte, hatten wir ein Paar Secret Service Typen dabei, die uns ein bißchen „hinter die Kulissen“ geführt haben oder hinter Absperrungen ließen. Als wir dann so durch irgendwelche Räume liefen, kamen zwei Grunger-Kids auf uns zu und wollten unsere Autogramme. Also haben wir ihre Zettel, oder was auch immer, unterschrieben. In der Presse stand ja, daß Chelsea (Clintons Tochter) Pearl Jam eingeladen hatte und auf einmal dachte jeder, daß wir Pearl Jam seien. Alle Frauen haben sofort irgendwelche Zettel rausgekramt und kamen auf uns zugerannt. Wir haben uns dann schnell verzogen, aber sobald man uns sichtete, fing das Geschrei wieder an: „Pearl Jam, ihr Schweine, kommt her!“ Und wir haben immer nur gesagt, daß wir nicht Pearl Jam seien, aber natürlich hat uns niemand geglaubt.

Al: Ich hätte doch einfach mit „Eddie Vedder“ unterschrieben und fertig.

Dan: Ich glaube Steve und Mark haben sogar ein paarmal so unterschrieben.

Matt: Ich habe nichts gegen Leute, die sich Autogramme holen, nur sollten sie wissen, von wem sie sich welche holen, sonst sage ich mir „Du willst also mein Autogramm, dann sag mir doch erstmal wer ich bin.“ „Du bist Pearl Jam!!!“ „Nein, bin ich nicht.“ „DOCH !!!!!“

Andrea: Ich habe noch eine indiskrete Frage: Im Promo-Zettel zur neuen CD steht, daß Mark Arm jetzt als letzter in der Band geheiratet hat. Ist Heiraten an sich nicht ein großer Schritt in Richtung Establishment bzw. hat es noch was mit einer Punk-Attitude zu tun?

Matt: So kann man es sehen, ich weiß nicht, ich lebe meine Ehe genauso wie ich vorher mit meiner Freundin gelebt habe. Es ist nicht so, daß ich nach Hause komme, mich in den Sessel setze, sie mir die Slipper anzieht, ich dann Pfeife rauche und TV gucke, es ist genauso wie vorher.

Andrea: Was ich eigentlich wissen wollte…..

Dan: Warum? ….oder…wer will denn so Typen wie uns heiraten?….

Andrea: Ich habe letztlich gelesen, daß der Sänger von Green Day verheiratet ist……

Dan: Und ein Kind hat!

Matt: Der hat wahrscheinlich seine 16jährige Freundin geschwängert…

Andrea: …….aber der Typ ist gerade mal 22……

Dan: Es ist so: Du wirst älter, es wäre schrecklich, wenn wir uns jetzt so aufführen würden, als ob wir 18 wären. Außerdem wirst du ruhiger, wenn du verheiratet bist…

Matt: …ich bin auf jeden Fall ruhiger geworden seit meiner Heirat…

Dan: …..es ist einfach so, daß du jemanden gefunden hast, den du ganz toll findest und den heiratest du jetzt. Fertig…

Matt: …und dann bist du in der Falle…ha ha….

Al: Da ihr ja nun nicht unbedingt auf den Erfolg aus seid, wer oder was zwingt euch zur Arbeit?

Matt: Niemand, es gibt keinen Druck. Das schlimmste, was ich mir vorstellen könnte, wäre, daß wir jetzt von der neuen CD drei oder vier Millionen verkaufen, von der Platte danach jedoch nur eine Million. Dann würde diese Platte als Flop eingestuft. Wir haben das Glück, nicht genug Platten zu verkaufen um entweder als Erfolg oder als Flop zu gelten.

***

Nach der Einleitung von Al muß ich mir doch noch eine Nachbemerkung einfallen lassen, die wahrscheinlich eher in Richtung Rechtfertigung geht, weil meine Fragen übers Heiraten total peinlich rübergekommen sind. Also damit wollte ich auf keinen Fall einen Hauch von „Yellow Press“ ins Trust bringen, sondern es wurde im Promo-Zettel sooooo explizit erwähnt, daß „Mark-Babe“ nun schließlich und endlich wie alle anderen Bandmitglieder auch unter der Haube ist, daß ich es mir nicht nehmen lassen konnte, diese saublöde Frage zum Mythos Ehe zu stellen. Also das nächste Mal werde ich mich ganz sicher nicht mehr auf den Promo-Wisch beziehen, denn die Antworten von Dan und Matt haben mir (als angehende „Hobby-Musikjournalistin“) hautnah demonstriert, daß das, was in den Waschzetteln verbraten wird, wohl meistens kompletter Bullshit ist…..

Interview/Text/Fotos: Andrea Stork & Al Schulha

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