April 15th, 2016

Kolumnen (#55, 12-1995)

Posted in kolumne by Jan

Wenn einer eine Reise tut… Sitze mehr oder minder betrunken im Flugzeug. Neben mir, auf der anderen Seite des Ganges, schläft ein Pärchen. Beide haben aufblasbare Nackenkissen um ihren Hals geschnallt, beide haben ihre Augen mit Schlafmasken – so will ich sie mal nennen (s. Audrey Hepburn in Frühstück bei Tiffany’s) – also Stoff, damit sie es dunkel vor Augen haben. In ihrer Hand, glücklicherweise pennt sie jetzt, weil sie durch übersteigerte Hektik vorhin fast ihren Weißwein 2 m durch die Luft in meiner Fresse plaziert hätte (daher jetzt eine Art Pißpfütze links vor meinem Schuh), hält sie nichts, das Buch, welches sie vorhin las, darf nun von ihm gehalten werden. Es ist schon ziemlich zerfleddert, und auf den Seiten ist mit Bleistift viel angestrichen. Es heißt „Die 7 Wege zur Effektivität.“ Und da hast du dann die ganze Scheiße der Gesellschaft auf einem silbernen Tablett.

Für alles und jeden liefert eine Firma das optimierte Produkt. Jedem, was wer verdient (verbraucht?). Blind vor Augen, die Scheuklappen vorsichtshalber gleich darüber gezogen, starr im Nacken, und wenn sie mal die Augen aufmachen, dann schauen sie in ein esoterisches Buch. 7 leicht und über Nacht erlernbare Schritte zur Effektivitätssteigerung – garantiert bei der Arbeit und nicht dort, wo Du jetzt hindenkst. Später. Mehr als 4 Bier später. Bei den Yankees gibt es, wie ihr ja alle seit Jahren wißt, eine wiedererstarkte Bewegung, die sich den Moralvorstellungen des 18. Jahrhunderts verpflichtet fühlt. So sitze ich denn da vor’m Fernseher, und in einer Film-unterbrechung erklärt mir eine junge Frau / Mädchen bzw. sie erklärt es ihren Freundinnen bei der Schminkpause auf’m Klo, wo sie natürlich kein Dope rauchen oder Bier trinken, daß sie erst nach ihrer Hochzeit Sex haben möchte.

Dann großer Slogan, ich glaube, es war `You are to precious to be used’ versehen mit dem Hinweis darauf, daß Sex vor der Ehe entweder AIDS oder Vergewaltigung mit sich führt, und sponsored by irgendeiner Liga zur Aufrechterhaltung der amerikanischen Ideale oder sonstwas. 2 Wochen später höre ich das Gleiche noch einmal im Radio. Brr. Also, aufgepaßt: Wenn du verheiratet bist, kannst du kein AIDS mehr bekommen, alles paletti? Naja, darauf könnte man noch Stunden herumkochen. Zum Ex – Konzert (s. auch Interview): Einmal in meinem Leben möchte ich etwas zu Konzertpreisen sagen: 12 Mark sind für 2 Bands auf jeden Fall o.k., auch in einem unabhängigen, unkommerziellen Laden. Dann aber noch 3,50 DM für’n Bier zu verlangen ist eine Frechheit. Entweder Bier billig Eintritt hoch oder anders herum, sucht’s euch aus. Klar, jetzt kommen wieder die ach so großen Vorrechner, die mir erzählen, wie teuer alles sei. Na, da bleiben wir mal beim Bier (und DA kenn’ ich mich aus): Selbst wenn ihr keine Großhandelskonditionen bekommt: Warum muß Bier denn immer Markenware sein? Hä? 21.- im Supermarkt der Kasten, wo ihr doch sonst immer alle auf no name Produkte umsteigt?!

Jetzt kommen dann die schleimigen Hobbytrinker, und erzählen mir, sie würden unter 10 Pilssorten weiß der Teufel Warsteiner oder so was rausschmecken. Blödsinn. Den Sommer bis zur PopKomm habe ich alle möglichen Billigbiere getrunken. Neben den schlechten gibt’s aber halt auch sehr gute (Privat Pils, 11,95 der Kasten), die man eben finden muß. Damit wäre das Bier – und wie gesagt nicht im Großhandel – schon um die Hälfte billiger. Hmm. Nachschlag: Wenn ein Laden in argen Finanznöten ist, dann meinent-wegen 50 Pfg oder ne Mack als Soli – Beitrag auf’s Bier. Schreibt das wenigstens dann dran, es schmeckt dann besser! Briefkasten: Die Frankfurter Killrays, so Poppunk – Heimer, haben neben neuen Platten und Touren auch ein Anti – Rassismus – Video mit dem Mittelfeldstar der Frankfurter Eintracht, Jay Jay Okocha gedreht, welches es wohl auch irgendann und – wo zu bewundern gilt. Ach ja: Jay Jay, für all so Fußballuninteressierte wie Al, Kai oder Dolf, kommt aus Nigeria (und, auch das sollte man anmerken, hat hier schon Werbung für die SPD gemacht. Warum auch immer) und ist -trotz SPD- ein großartiger Sportler. Später.
(Daniel)

IT’S A BEAUTIFUL WORLD WE LIVE IN…..

Aber nicht im pulsierenden Frankfurt am Main! Den jetzt folgenden Text habe ich anläßlich der Schließung des Get Happy !! Schallplattenladens in Frankfurt geschrieben. Er erschien im „Nachlaßheft“, das Joachim Gaertner, einer der beiden Macher des Get Happy !!s herausgebracht hat. Nun gibt es in vielen Städten kleinere, unabhängige Platten-läden und ich glaube eine Vielzahl der Gründe, die zum Ende des Get Happy !!s geführt haben, bedrohen auch sie. Außerdem war das Get Happy !! – zumindestens für das Rhein-Main-Gebiet – wichtig, verkaufte es doch zum Beispiel als einziger Schallplattenladen im Umkreis diese wunderbare Publikation, die ihr gerade in der Hand haltet.

Sad to see you go…..

5 Jahre Get Happy!!

5 Jahre Get Happy!! 5 Jahre die Möglichkeit, zwischen Tausenden von Punk/Wave-Platten (später auch CDs) zu wühlen. 5 Jahre die Möglichkeit, am Nachmittag schon Bier zu trinken. 5 Jahre die Möglichkeit, Bands und Labels zu entdecken, die man vorher nicht oder nur vom Namen her kannte. 5 Jahre die Möglichkeit, am Donnerstag die beste aller Kneipen, die mit integriertem Plattenladen zu besuchen. 5 Jahre die Möglichkeit, sich an der Frage, ob es diesen oder jenen Tonträger auch als rotvinylige Brasilien-Pressung gibt, aufzu-geilen. 5 Jahre die Möglichkeit, seine patholo-gische Plattensammelsucht zu befriedigen. 5 Jahre Spaß an der Sache Musik, das ist/war das Get Happy !! für mich und für die meisten, die dies hier lesen, wohl auch!

Außer dem Laden ist da auch noch das Label Get Happy !!, das versuchte, Bands aus der Umgebung zu featuren. Aber was taten Frankfurts Platten-käufer bzw. die lokalen Bands? Nun, die Bands lösten sich auf oder versuchten ihr Glück beim „K-Tel des Punks“. Was taten die Plattenkäufer? Als der Laden eröffnete, sprengten Nirvana gerade die Hitparaden und auch die Köpfe der Konsumenten. Dies wurde zumindest von der Presse und dem Fernsehen behauptet. Keine schlechte Situation, einen Punk-/Wave-Plattenladen zu eröffnen, oder? So gegen 1993 fingen Bands wie Bad Religion oder No FX an, Plattenumsätze in den Hun-derttausenden zu verzeichnen. Keine schlechte Zeit, einen Punk-/Wave-Plattenladen zu betreiben, sollte man meinen! 1995 verkaufen Green Day 10 Millionen Platten. Offspring bald auch, Rancid platinieren und Punk ist das angesagteste Ding von allen.

Genau der Moment, einen Punk-/Wave-Plattenladen zu schließen….. Halt, das ergibt doch keinen Sinn?!? Leider doch, denn dieser Laden steht in Frankfurt und nicht in Hamburg, London oder L. A. und leider schreiben wir das Jahr 1995 und nicht 1980. Ich kenne die Situation: Man sitzt hinter der Theke und wartet auf Kunden. – 1. Kunde betritt den Laden. – „Habt ihr Tekkkno?“ – Ich antworte: „Nein, wir verkaufen eigentlich nur Independent und Punk-Sachen.“ Kunde Nummer 1 schaut mich an, als ob ich japanisch spreche und geht, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Etwas später kommt Kunde Nummer 2. – „Ich suche die neue No FX.“ – Ich sage: „Ist, glaube ich, im Moment nicht da, aber schau‘ mal in die Punk-Kisten, vielleicht ist doch noch eine hier.“ – Kunde Nummer 2 schaut ca. 10 Minuten auf die Kisten und meint dann: „Ach nö, keine Lust“ und geht. Sehr schön, denke ich mir, und erwarte Kunde Nummer 3.

Der erscheint auch prompt und sagt: „Ich brauche die neue Pearl Jam.“ – Ich erkläre ihm, daß die noch nicht 2nd Hand reingekommen ist und verweise: „Wir haben aber die Green River-LP da, das ist die Vorläuferband von Pearl Jam.“ Als Antwort bekomme ich: „Nee, kenn‘ ich nicht, ich will die neue Pearl Jam.“ Und nach diesem Satz ist er auch schon verschwunden. Ich war zwar nur knapp ein Jahr und dann auch nur einmal die Woche im Laden als Verkäufer tätig, doch hatte ich oft das Gefühl, daß nur Psychopathen und Menschen mit einem IQ um die 45 in den Laden kamen, wenn ich da war. Und auch der Grunge bzw. neue Punkboom änderte nichts, denn die Kids von heute, die im

MTV oder in VIVA eine neue Band aufschnappen, wollen dann auch nur diese Band und keine andere. Dieses nicht über den Tellerrand der Videokanäle Hinausschauen ist das Hauptproblem.

Also Fuck Off Frankfurt. Fuck Off Tekkkno, Fuck Off MTV/VIVA und Fuck Off alle Kapuzenpulliträger, die im WOM die neue Rage against the Biorollins für 38,– Mark kaufen.

Hoch die Tassen und hört mehr DEVO.
(Al)

 

Ein Fisch beim Angeln

Konzerte, gesehen und gehört von kai pir@nha

„This world was only the first rude essay of some infant deity, who afterwards abandoned it, ashamed of his lame performance.“ (D. Hume)

28. 9. Atari Teenage Riot, Ballroom

4. 10. Steak Knife, Kerosin

8. 10. Lazy Cowgirls, Kerosin

21. 10. P.D. & Zeni Geva, Kerosin

25., 26. 10. Ed Hall, Cat Café, Substanz

27.10. Alice Donut & Ultra Bidé, Kerosin

1., 5. 11. Love 666, Cat Café, Kerosin (& Guts Pie Earshot)

2. 11. Kepone & Robert, Kerosin

Seit ich selber als Konzertveranstalter aktiv geworden bin (pir@nha ~ konzerte), habe ich mich ab und zu gefragt, ob es eigentlich legitim ist, diese Kolumne weiterzuführen, und wenn ja, ob ich auch über eigene Konzerte berichten soll. Mir ist aber kein Argument eingefallen, das mich davon abbringen würde und also geht’s weiter. Und zwar gleich mit einem Quereinstieg zu einer Zwitterband: Atari Teenage Riot, die Ende September im geschätzen Ballroom (Esterhofen bei Dachau/München) auftraten. Zwitterband einerseits, weil sie an Techno mit dem (alten, englischen) Anspruch von Punk herangehen und andererseits, weil sie sich zumindest nach diesem Auftritt nicht mit „gut“ oder „schlecht“ beurteilen lassen. Denn das gewünschte Chaos war perfekt, schon weil sich ein Bandmitglied nach dem dritten Titel wütend von der Bühne verdrückte und die Übriggebliebenen besoffen weiterimprovisierten.

Es war aber wohl kein inszeniertes Chaos, sondern eher eine Krisensituation innerhalb der Band, die wir miter-lebten, und die vielleicht mehr über die Unausgegorenheit der Musiker aussagt, als über die Umsetzung des Programms: „Der totale Rave“, mit dem die Band etwas wirr zwar, aber schön provokativ die Erinnerung an Nazideutschland und die Gegenwart der Neofaschisten hochhalten will. Die Frage heißt also: „Sind Massenbewegungen wie Techno schon deshalb protofaschistisch weil sie keine einzelne Stimme mehr zu Wort kommen lassen? Weil sie ‚Bewegung‘ sein wollen?“ Wo ist dann der Unter-schied zu den Hippies und den Arenakonzertbesu-chern von heute? Aha, Chaos als Programm und die Bezugnahme auf Punk sind also ein Schrei nach Individualität und Selbstbestimmung. Soweit gut, nur steht in meinen Ohren dem schon die Lautstärke des Konzerts entgegen, die körperverletzend war.

Das ist doch ein alter Hut, Lärm mit Lautstärke gleichzusetzen! Insofern geht das Riot-Konzept nicht auf und verweist wohl doch wieder auf die Unausgegorenheit einer Band, die vielleicht nur momentane Berühmtheit erlangt, weil sie ein bißchen anders ist, und weil sich Techno schon so zombiemäßig überlebt hat, daß er langsam Barock wird. Wie steht es dann um Steak Knife, den „deutschen Dead Kennedys“ (Dead Barschels?) aus dem Saarland? Zur Vorgeschichte: Als 2 Bad sind die Jungs lebende Legenden geworden. Auf ihrer letzten Tour als solche, überraschten sie schon mal, weil sich die Band für den Zugabenteil in eine ganz andere verwandelte, nämlich in Ankry Simons. Das war genial, aus eins mach zwei und dann auch noch sowas: Explodierender Punkrock in kalifor-nischer Manier mit einem (von 2-Bad-Banden) entfesselten Lee Hollis überm Pit. Die wirkliche Reinkarnation fand dann mit der Umbenennung in Steak Knife statt, wo jetzt die Seele von 2 Bad mit eigener Persönlichkeit/eigenen Songs weiterlebt.

Als solche spielten sie am 4. Oktober das zweite pir@nha~konzert im Augsburger Kerosin. (Das erste war Splitter & Loudspeaker, siehe Interview). Naja, um ehrlich zu sein, war der Gig mit 40 Zahlenden noch nicht der durchschlagende Erfolg für pir@nha, aber darum geht es hier nicht. Schließlich war die Stimmung völlig gut die Band gab trotzdem drei Zugaben. Die Frage hieß, ob Steak Knife sich in ähnlich trüben Fahrwasser bewegen wie ATR. Und da denke ich wird ein Unterschied deutlich, der was mit Alter und Erfahrung zu tun hat. Den dieser Punkrock ist reif und abgehangen, hat seine besten Originale und seine schlimmsten Plagiate erlebt und darf im Gegensatz zum frühreifen Techno schon als (historische) Plattform gelten. Auf der lassen Steak Knife die Puppen mit voller Wucht tanzen und spielen einen „klassischen“ Sound so, als hätten sie ihn neu erfunden! Mozart ist auch schon lange tot, aber es gibt immer wieder Dirigenten, die ihn neu auferstehen lassen – der Fernseher ist schon lange erfunden, aber wenn du es selbst noch mal probie-ren willst, dann kommt es vor allem darauf an, daß das Ding erstklassige Bilder liefert. Von daher volle Punktzahl für Steak Knife: They rock!

Und ich komme wohl kaum von meinem roten Faden los, wenn ich ein paar Worte über die Lazy Cowgirls suche. Denn auch die bestechen ja nicht gerade durch innovative Elemente. Aber sie sind gut. Sackig, scheppernd, krachend – gut. Wenn eine Band es schafft, mich an einem Sonntagabend mit verkaterten Gliedern in meinem Stammklub für eine volle Konzertlänge beim Tanzen zu halten und nicht zum Saufen zu zwingen, muß sie einfach Charisma und Groove haben. Einziger – biologischer – Zweifel: Man merkte den Kuhmädchen ihr Alter an, denn ihr Punkrock’n’Roll war zwar immer auf dem Punkt und schnurgerade, aber niemals explosiv. Viele Jahre Whisky und Winstons sind halt nicht gut für die Kondition. Themawechsel. Welche Rolle spielt der Zufall in deinem Leben? In meinem erscheint mir manchmal alles zufällig zu sein, bis zu dem Moment, wo mir die verborgenen Zusammenhänge klarwerden und alles wieder völlig beabsichtigt aussieht. Ist doch klar: da höre ich über Jahre hinweg Musik, lerne Leute kennen, schreibe für dieses Heft und fange also logischer-weise irgendwann an, selber Konzerte zu veranstalten – oder es taucht an einem heißen Sommerabend die Idee auf, ein Redaktionstreffen für die verstreute TRUST-Crew zu veranstalten und direkt im Anschluß die Frage „Und was machen wir dann am Abend?“

Naja, laden wir uns halten ein paar Bands ein und machen aus dem Treffen eine Party. Bei der einen Party blieb es nicht, denn kaum eine Neuigkeit spricht sich so schnell herum, wie die Telefonnummer eines „neuen“ Veranstalters. So kam pir@nha auf die Welt und der befruchtende Zufall blitzte an diesem heißen Sommerabend wohl zwischen Waldmanns und meiner Bierflasche hin und her. Am 21. Oktober hatte wir also seit Jahren zum ersten Mal wieder ein Treffen von nicht-Augsburger TRUST-Schreibern (und einer -Schreiberin) und im Verbund eine Party, auf der Martin Büsser las und danach Party Diktator und Zeni Geva abrockten. Zum Treffen am Nachmittag waren elf Leute erschienen und es war klasse zu sehen, daß wir uns spontan einiges zu sagen hatten, obwohl wir uns größerenteils noch nicht persönlich kennengelernt hatten. Ein paar Ergebnisse aus diesem Redaktionstreffen könnt ihr schon in diesem Heft realisiert sehen – nicht viele, denn im Tenor waren wir uns einig, daß wir das Heft, so wie es ist, gut finden und es so belassen wollen.

Die Komik der Situation, mit Martin Büsser einen langjährigen ZAP-Autor auf unserem Treffen und auf der Party zu haben, könnt ihr euch ausmalen! Am Abend las er vor den ersten 50 bis 70 Besuchern im Kersosin aus seinem empfehlenswerten Buch „…if the kids are united: Von Punk zu Hardcore und zurück“. Mehr zum Buch gibts an anderer Stelle zu lesen, hier nur soviel, daß ich die Lesung und anschließende kurze Diskussion eine gelungene Eröffnung für einen Konzertabend empfunden habe, denn so wird daraus wieder ein Ereignis mit mehr als nur Unterhaltungscharakter – Musik und Text, Text und Musik verweisen aufeinander. Kluge oder kritische oder lustige Worte zu hören oder zu lesen ist ja auch eine Bewußtseinsveränderung. Als unsere Freunde aus Bremen loslegten war das Kerosin mit fast 200 Leuten schon gut gefüllt und es machte sich eine richtige schöne Partystimmung „breit“. Party Diktator die wievielte? Ich will es gar nicht zählen, denn tatsächlich ist jedes Konzert anders und fast immer besser als das vorangegangene. Hallo Jungs, ich schreib’s gerne nochmal für euren Promozettel: PeDe für mich nach wie vor beste Band des Landes!

Als die bessere Band des Abends haben sie auch die meisten Zuschauer bezeichnet, denn Zeni Geva waren den meisten zu unzugänglich. Ich fand sie Klasse, auch wenn K.K.Null nichts Gutes ausstrahlte und nur scharfe Worte für die Raucher im Publikum fand. Trotzdem: Wie ein Block steht diese Band vor dir und erzählt ‚was vom hin und her zwischen Ordnung und Chaos, zwischen Aufbau und Untergang, Schöpfung und Zerstörung. Ihr Problem ist sicher, daß sie naiv mit musikali-schen Versatzstücken umgehen als seien diese völlig neu, während sie in unseren Ohren oft nach Zitaten klingen. Aber selbst wenn Zeni Geva auf ’ne Art auch „den Fernseher neu erfinden“ – sie zeigen ungesehen Bilder darin und die sind brutaler als bei etlichen Ami-HC-Bands. Von purer Gewalt zu reiner Liebe (und gleich auf den ersten Blick!): Ed Hall waren da und ihr wart alle nicht dabei! Ich sah sie in Ulm vor 40 und in München vor 30 Leuten und es waren zwei fantastische Abende. Die Band hatte Verstärker und Instrumente etc inklusive sich selbst mit fluoreszierenden Farben angemalt und es gab natürlich nur Schwarzlicht auf der Bühne – knallig!

Der Mid-Tempo Lärmrock kam so swingend rüber, daß die Tanzbeine sofort loshüpften und nicht mehr aufhörten. Als dann auch noch eine Tänzerin und ein Tänzer ins Publikum gingen und die Leute da auch anmalten gab’s kein Halten mehr: Rumsauen, feiern, tanzen, Spaß haben wie im Kindergarten! Gegen Ende des Sets kam Gitarrist Gary grinsend ins Publikum und hängte seine Gitarre dem erstbesten um, zum weiterspielen oder rumalbern. So stand ich auf einmal auf der Bühne und war der Gitarrist für Ed Hall! (Leider gibt’s kein Foto) Nach stundenlangem Plaudern nach dem Gig in Ulm fuhren wir nach A. zurück und wußten: Morgen müssen wir nach München kommen, diese Band noch einmal treffen. Die coolen Münchner hätten der Band auch sonst den Abend verdorben, denn niemand wollte sich so richtig sein Designerjäckchen einsauen lassen, sodaß das Auto aus A. den Abend wohl gerettet hat. An der selben Schlußstelle des Sets kam Gary dann wieder von der Bühne, diesmal schon grinsend und direkt auf mich zu. Okay, hab‘ ich also für die Münchner nochmal den Kasperle gespielt und ich sage euch, es hat tierischen Spaß gemacht.

Wenn das nicht mal ein uralte Punkidee wieder zum Leben erwecken heißt, nämlich daß jeder irgendwas kann, und das jeder mitmachen kann – auch wenn Tänzerin Kelly hinterher meinte, Punk sei schon lange tot: ich glaube, Ed Hall haben das Beste daraus mitgenommen. So wie Alice Donut? Deren Sänger Tom meinte jedenfalls, er sei nie Punk gewesen, und nachdem ich entdeckt hatte, daß er Kubaner ist, haben wir gleich mal von Englisch zu Spanisch gewechselt und uns ausführlich über die Jazz- und Salsaszene im New York der 50er Jahre unterhalten. Die neue Platte, „Pure Acid Park“, ist voll von solchen Zitaten und Anlehnungen und wenn sie oft in den Kritiken mit den Beatles und Sgt. Peppers verglichen wird, kann ich darin absolut nichts negatives finden, denn die Beatles waren nun mal genial und haben es – wie Alice Donut – geschafft, niemals stehen zu bleiben. Eigentlich waren es unglückliche Umstände, die die Band nach Augsburg gebracht hatten, aber wir konnten spontan das beste daraus machen, nämlich ein Konzert im Kerosin. ein Klub-Gig also, wie man ihn mit Alice Donut in Europa wohl schon lange nicht mehr erleben konnte.

Höhepunkte waren sicher das Posaunensolo von Steve und die anschließende TexMex-Version von „Ring of Fire“. Hey, was kann es besseres geben als eine Band, die mit ihrer Musik und ihrer Ausstrahlung 180 Leute in beste Partylaune versetzt?! Dagegen wirken härtere und agressivere Bands manchmal seltsam unreif. Es gehört ja auch ein gutes Stück Selbsterkenntnis dazu, vom „Ich-hasse-die-Welt“-Teenager zum genügsamen Musiker zu werden, der nicht mehr jeden Tag gegen alles rebellieren muß… womit ich sicher keinem selbstzufriedenen Spießertum das Wort reden will, sondern künstlerische Ausdrucksmittel jenseits der Aggressivität zulassen möchte. Wie echt ist eigentlich der haßverzerrte Gesichtsausdruck irgendeines Shouters, der sich nach dem Song mit einem Grinsen bedankt? Ich kann das einigen Weltverbesserwisserbands immer weniger abkaufen und denke, auch und gerade im Musikbereich gilt „It’s not what they’re selling, it’s what you’re buying!“ – im Falle eines Konzertes wäre das wohl ein Lebensgefühl, da stimme ich mit Waldmann voll überein.

Und eines ist mir gerade im Kontakt mit Alice Donut wieder mal ganz klar geworden, nämlich daß eine gute Band nicht nur wegen ihrer Musik gut ist, sondern auch weil sie über ihre Branche Bescheid weiß, weil sie ‚was für ihr Umfeld tut, weil sie realistisch ist, weil die Leute in und um die Band nett und offen sind und weil alle etwas zu sagen haben und nicht nur auf der Bühne ihre niedlichen Psychosen dem Unverständnis eines passiven Publikums vorheulen. Das gehört alles untrennbar zusammen und war so auch bei der Donut-Begleitband Ultra Bidé vorhanden: Drei Japaner, die unabhängig voneinander nach New York emigriert waren und sich erst dort kennenlernten. Comic-Rock wäre wohl die passende Bezeichnung, die mir erst recht in den Sinn kam, nachdem Bassist Hide ganz pauschal meinte, die gesamte aktuelle japanische Kultur sei Comic-Kultur. Und dann stehen da drei Gestalten in Pyjamas auf der Bühne, liefern sich Feedbackorgien an denen Neil Young seine Freude hätte und reißen die Gitarren in die Luft um ein für alle Mal alle Rockstars dieser Welt damit von der Bühne zu fegen. Beim zweiten Konzert im Münchner Nachtwerk waren sie dann punkiger, schneller und kompakter aber genauso gut. Eine gute und nette Band, die auch hervorragend zu Alice Donut passen, weil sie im spielerischen Umgang mit 70er-Jahre-Art-Rock-Zitaten einen ähnlichen Rückbezug auf den Ursprung aller westlich-weißen Massen-jugendkulturen schaffen, wie A.D. selbst.

Ich meine natürlich die Hippiekultur, in deren kom-merziellen Potential vermutlich der Urgrund aller darauffolgenden weltumspannenden „Jugendbewegungen“ lag. Deshalb gilt umso mehr das alte Lieblingszitat Waldmanns: „Never TRUST a Hippie“! (Wobei es natürlich ohne Hippies keinen Punk und Hardcore gegeben hätte und also auch nie ein TRUST, oder? Ich möchte übrigens nicht „Teil einer Jugendbewegung“ sein – ich bin ja schon Teil einer Naturkatastrophe). Die nächste Kapelle kommt im Interview ausführlicher zu Wort, hier nur der Hinweis, daß LOVE 666 als Band auf jeden Fall alle Kriterien für eine „gute“ Band erfüllen – wenn man ihre Musik mag (oder besser: versteht). In Augsburg wurden sie begleitet von Guts Pie Earshot, die ich so zum ersten Mal zu Gehör bekam. Und es war, wie ich nach Plattenhören, Flex-Digest-Interviewlesen und einigen Telefonaten erwartet hatte: Hart und herzlich, energisch und besessen, exzessiv und dann wieder verhalten, wie man der Band überhaupt das Potential anmerkt, daß in ihr steckt und noch raus will, noch auf seinen Moment wartet. An musikalischen Ideen mangelt es überhaupt nicht und obwohl die Stilvielfalt in manchen Stücken schon fast verschwenderisch wirkt, wird doch alles durch die eigenwillige Rhythmik und durch die Bühnenpräsenz von Sängerin Aneke zusammengehalten.

Da steht ein Mensch vor dir, sieht dir in die Augen, tanzt ohne zu posieren und ist schlicht sie selbst, ohne das auch noch besonders hervorheben zu müssen. Das Cello spielt, wenn unverzerrt, allein wegen seines satten Klangs direkt auf all den Gefühlen die wir immer „im Bauch“ vermuten. Verzerrt kommt es dann als Wolf im Schafspelz daher. So richtig ‚was sagen kann ich über Guts Pie Earshot dennoch nicht, denn das Konzert war leider nicht so gut besucht und ich bin mir sicher, daß die Band andere Live-Qualitäten hat, die diesmal noch nicht zum Vorschein kamen. Ähnlich geht’s mir auch mit Robert, einem Trio aus München, das gerade seine zweite LP „Steine“ herausgebracht hat. Ich hatte die Band gebucht, weil mir eben dieses Album gut gefällt, mit seinem eigenwilligen feinpolierten Metall-Sound, das ebensogut auf Dischord passen könnte… Es war nicht ihr Abend, sagten die Jungs hinterher mit hängenden Köpfen und ich laß das mal so stehn, da ich eh mehr mit dem abkassieren der viel zu wenigen Zuschauer beschäftigt war um richtig dabei zu sein.

Auch hier sicher ein nächstes Mal. Super-Special-Show-Biz-Giant-Top-Act des selben Abends waren meine geliebten Kepone… und sie haben mich nicht enttäuscht, trotz der kaum sichtbaren 26 zahlenden Gäste: Nicht nur, daß das Songmaterial anspruchsvoll und sehr ausgereift ist. Auch die Livepräsentation läßt ständig die pure Musikalität und Genialität dieses flotten Dreiers spüren. Kepone benutzen absolute Perfektion nicht zum Selbstzweck, sondern als Mittel, sich auszudrücken; wie wenn jemand beim Reden ganz bewußt deutlich und gut betont spricht, um sicher zu sein, daß der Inhalt ankommt. Mich haben sie musikalisch gesehen von allen genannten Bands am meisten umgewuchtet. Um so trauriger, daß sie bisher in Deutschland total unterbewertet wurden (Es war ihre dritte Europatour aber das erste Mal, daß sie auch in Deutschland spielten).

Aber ich bin sicher, daß sie wachsen werden… Soweit dies. Zum Schluß noch die Bemerkung, daß ich nichts langweiliger finde als die gegenwärtige Mode, sich in den Kolumnen wohlmeinender Hefte gegenseitig vorzuwerfen, langweilig zu sein und nichts zu sagen zu haben. Erstens ist das noch kein Argument, sondern erst ein Anpöbeln auf dem Weg zum Argument, zweitens ist damit keine Diskussion begonnen und drittens fand ich keines der Hefte, die sich solche Sätze einschreiben, inhaltsvoller oder interessanter als eines der angepöbelten. Fanzine-Machen ist halt zum Großteil auch (nur) Berichterstattung, aber wo nichts passiert kann man auch nichts berichten. Und nichts ist langweiliger als anderen Leuten immer wieder dieselbe altbackene Ideologie vorzupredigen an die man nur noch glaubt, weil einem im Leben nichts mehr einfällt.

Schluß jetzt, Reden ist Silber – Abrocken ist Gold! Bis bald.
(Kai)

Alles unter Kontrolle, wie? Scheint ja ringsherum alles prima zu laufen, mir geht’s blendend, die Zukunft ist ungewiß, sämtliche Politikernasen machen sich konsequent zum Narren, rechtzeitig zum Weihnachtsfest bekommen wir eine soge-nannte Friedenslösung in Bosnien, das Ozonloch wird größer, die Öl&Energiemultis haben weiter das sagen, wie man grade wieder in Nigeria sehen konnte, das Trust blüht und gedeiht, die Genie-Band Sielwolf bringt demnächst ’ne neue Platte raus, ansonsten bricht die Musikszene immer weiter zusammen, von wenigen Ausnahmen (Stuttgart) abgesehen. Is‘ ja auch klar. Zum einen fehlt Musiker wie auch Plattenkäufern/Konzertgängern ganz platt die Kohle, zum andern fischen die Medienkonzerne mit immer engmaschigeren Netzen und fangen/fressen selbst kleine und geringpop-kompatible Bands auf. Und sei es nur, um die Software für ihre Consumer-electronic-produkte bereitzustellen. Stichwort Punkrevival. Ha HaHa. Damit ihr’s wißt: Green Day und Offspring sind langweilig und schlecht. Industrie-Dosenfutter. McPunkburger. Aber soweit ist es mit der Szene wohl noch nicht, daß eine neue Haßbewegung nach dem seligen Entschlafen des Hardcore-ismus entstehen könnte. Grund genug zum Sauersein gibt es nach wie vor. Natürlich hat das auch sein Gutes, keine Frage.

Zum einen sehe ich mit wachsendem Vergnügen, daß altgediente Hardcore-Schlachtschiffe wie X-Mist oder We Bite immer noch offenere und wildere Musik rausbringen, zum andern könnte ich mich kringlig lachen über die peinlich-krampfhaften Versuche der Majors, auf sämtliche Züge gleichzeitig aufzuspringen. Stichwort Medien: Ich hab‘ mir neulich wieder mal ’ne TAZ gekauft, einfach um zu sehen wie die im Moment so drauf sind. Super! Ich war richtig begeistert. Lauter Meldungen, die man in anderen, bürgerlichen Zeitungen vermißt! Genau das Zeug, das ich wissen will. Das ist ja so eine Sache mit der Information. „ismirallesegaley“ schön und gut, aber ich will nicht völlig den Anschluß an die Restwelt verlieren. Da winkt natürlich der goldene Schein des freien und allesumfassenden Computernetzes am Horizont. Naja!

Klar werden wir da, und zwar energisch, am Ball bleiben, aber ich bin mir völlig sicher, daß sich das Internet genauso entwickeln wird wie der Rest der Welt. Im Moment ist ja dort alles noch etwas konfus, aber in Kürze wird sich das Geschehen aufteilen in zum einen von den Medienkonzernen beherrschte Massenkanäle und zum andern in den Untergrund, zu dem immer noch jeder Zugang hat, so wie es bisher auch schon ist, siehe Fanzines, zB Trust. Das Netz wird aber, da bin ich mir sicher, NICHT zu einer besseren Verbreitung von Informationen, im besten Fall Wahrheiten führen, weil man sich dies Informationen selbst dann, mit der jeweils modernsten Technik, mühevoll holen muß. Und das macht auch nicht jedem Spaß. Wer gräbt sich denn gerne durch Berge von Publikationen und zerbricht sich vorher, während und nachher den Kopf, was denn davon zu halten ist. Und der Bildschirm IST nichts anderes als bedrucktes Papier, es sieht nur anders aus. Der Kapitalismus scheint sich immer weiter zu stabilisieren. Es macht nichts, daß die Wahrheit zugänglich ist. Es hat keine Breitenwirkung, außer wenn Aktivistengruppen wie Greenpeace eine Öffentlichkeit für ein Problem herstellen.

Und selbst dann ändert es bestenfalls nur eine Detail-frage und berührt bei weitem nicht die Wurzel des Problems. Ich denke, die post-kapitalistische Zivilisation, um es mal ganz farbig zu formulieren, wird immer offener. Wir können nicht siegen, aber wir können kämpfen. Wir brauchen an die westliche Leistungsreligion nicht länger zu glauben. Nicht das Ziel rechtfertigt den Einsatz, sondern die Richtung. Wenn ich weiß, daß ich das richtige tue, ist alles OK. Auch wenn ich weiß, das ich das Ziel (Weltrevolution etc) nicht erreichen KANN. Das ist übrigens das Gegenteil von Resignation, falls das irgendeiner meiner geliebten Leser bisher nicht begriffen haben sollte. Also los. Weiter. Wir sehen uns dann an der polit-kulturellen Frontlinie (nicht sichtbar für Idioten). Viele Grüße von Hasso übrigens. Er hat sich in den Keller zurückgezogen und bastelt dort an einer Kombination von Briefbomben, Computerviren und mehrfarbigen Tomaten. Jeder, der sie ißt, wird von körpereigenen Halluzinogenen überschwemmt, die ihn veranlassen, sich an seinen Computer zu setzen und dort………….
(Fritz)

Lese ich doch neulich in einem anderen Fanzine das ich nichts zu sagen hätte – lustig ist das, bullshit sage ich! Natürlich hab ich was zu sagen aber des öfteren fehlt mir die Zeit um all die Gedanken & Geschehnisse in Worte zu fassen und deshalb schreib ich dann halt so drauf los. Kommt vor. Diesmal hab ich zwar die Zeit auch nicht wirklich – nehm sie mir aber, da es soweit ist mal wieder zu sagen was Sache ist – dazu später mehr. Kai geht ja in seiner Kolumne schon näher auf unser Redaktionstreffen und die darauffolgende Party ein. Von mir soviel, es war klasse all die Leute mal auf einem Haufen zu haben und direkt zu kommunizieren. Wie einfach wäre es wenn wir alle in einer Stadt wohnen würden, so ist es aber nicht und deshalb lebe ich mit der vorhandenen Situation. Alles in allem war der Tag/Abend in doppelter Hinsicht ein voller Erfolg. Zum einen mal Leute, die teilweise doppelt/halb so alt sind wie die anderen, miteinander reden und feiern zu sehen und zum anderen natürlich der Spaß und Sinn gefüllte Abend. Wann sieht man schon Al und Martin selig pennend morgens um 2.00 Uhr auf der selben Couch im Kerosin in Augsburg – na bei der TRUST Party, wo sonst. Der Spaß hat auch ein bißchen „Trinkgeld“ gekostet, dafür wurde aber auch getrunken – und gespieben. Wir machen dann am 2. Februar weiter, wer wieder nicht kommt ist selbst schuld. Für den 2. hat auch Waldmann sicher zugesagt, da kommt also dann einiges auf uns zu.

Bei den Medien Feinden wurde ja auch alles versucht um den letzen Rest des Sommerlochs zu stopfen, diesmal lies sich ein uns allen bekannter Mann vor deren Karren spannen, naja, so ist das bei denen eben, die Medien brauchen Helden – und auch Arschlöcher. Punkt. Alles nicht weiter wichtig, was ich viel trauriger finde und auch bezeichnend für die Situation ist folgendes: Da gibt es für Leute (40) die auf ein Konzert gehen, ein Textblatt mit der Option, daß, wenn sie das Ding an eine bestimmte Adresse schicken dafür eine 7″ kostenfrei zugestellt bekommen!!! Super, was kann man noch an Service bieten?! Naja, ganze fünf machen von dem Angebot gebrauch. Ätzend, die Leute wollen nur noch konsumieren ohne selbst nur einen Finger zu krümmern. Die sind dann wohl besser mit der (tatsächlich existierenden!) K-Tel Punk Cd bedient die auch noch ein Sück von den Dead Kennedys enthält. Scheiße, wo führt das noch alles hin? Zu immer mehr Cd’s die nichts weiter sind als ein Gimmick?

Wird ja mittlerweile auch schon von immer mehr Fanzines praktiziert, was mal als gute Idee entstand, so mit umsonst Flexis (kennt das noch jemand?) um Bands vorzustellen und das Heft akustischer zu machen, ist heute nur noch ein Fake. Jeder der zahlt kommt drauf, die Auflage steigt und, ja, der Kunde bekommt mehr für sein Geld – keine Frage – aber wo führt das hin? Spätestens wenn man dann mal Entsorgungsgebühr für die Plastikscheiben zahlen muß wißt ihr was ich meine. Ich kann das ja verstehen, warum die Fanzines das machen – verrats aber nicht. Wir machen das nicht, das Trust läßt sich nicht auf ein Überraschungsei reduzieren. Deshalb gibts auch keine umsonst Cd, es gibt zwar jetzt eine, die kann man aber kaufen, wenn man will, wenn nicht, dann eben nicht, selbst Schuld seht zu wo ihr bleibt – das hat auch schon Waldmann gesagt. Keine Überleitung sondern einfach weiter: hast du schon das neue Windows 95? Bist du damit auch schon Online gegangen? Viel Spaß! Wenn du nämlich all das machst was die wollen, haben sie dich auch schon (Stichwort: „Registration Wizard“), sobald du eine Raubkopie von Herrn Gates auf deiner Festplatte laufen läßt wissen sie Bescheid – aber wer benutzt schon Raubkopien, nicht wahr? Ok, kommen wir zu meinem diesmaligen Schwerpunkt: Es scheint mir das in letzter Zeit immer mehr vergessen wird um was es hier überhaupt geht.

Man erinnere sich, Anfang der achtziger, Punk Rock war destruktiv, ohne Zukunft, Leute verliessen verletzt die Tanzfläche, es wurde langweilig. Wir hatten Bock zu leben und was zu tun. Kreativ zu sein, Dinge selbst in die eigene Hand zu nehmen, bewußt zu leben – anders zu sein wie die anderen – besser zu sein. Scheiß auf die Hippies, scheiß auf die destruktiven alt-punks. Hardcore-Punk war da, Ideale waren da, Energie war da. Es wurde klar das wir nicht die „bad guys“ sein müssen, die Gesellschaft hat diese Funktion schon gut genug im Griff, das System/Gesellschaft ist das schlechte/böse, dem kann man nur was entgegen-setzen, nämlich uns, – gutes! Kein Hippietum, man konnte die positiven Dinge übernehmen ohne gleich Öko-Nazi zu sein, trotzdem wurden aber bewußte Lebensweisen erlernt oder zum Teil auch übernommen. Es war selbstverständlich sich vegetarisch zu ernähren, Dinge wie Umweltschutz – mit all seinen Facetten von Recycling über Tierrechte und Bio-was weiß-ich-was zum Energiesparen waren obligatorisch. Bewußtes und faires Umgehen mit den Mitmenschen, unabhängig von Rasse, Geschlecht oder „Stand“ wurden diskutiert und gelebt.

Man war natürlich gegen Prolls, Machos, Nazis und was da sonst noch an Scheiße von der Gesellschaft/System produziert wurde. Gleichzeitig war man aber auch weit davon entfernt sich wie die heutigen moralverseuchten Pc’ler zu benehmen oder Humor als was böses abzutun. Daran hat sich für mich auch nichts geändert. Nur weil sich heute einige Leute gegen diese Ideale/Werte stellen (ihr wart noch nie anders!) und es plötzlich bei einigen wieder als akzeptabel gilt Fleisch zu fressen oder dumm rumzupöbeln, einfach destruktiv/negativ zu sein, heißt das noch lange nicht das alles akzeptiert wird. Toleriert – ja, auf jeden Fall, denn man weiß ja das man nichts im großen Stil ändern kann, aber ich bin mir immer noch bewußt welche Leute einfach Teil vom Problem sind, die einen mehr die anderen weniger. Es ging/geht hier auch nicht darum mit Mülltrennung die Welt zu retten, das man es aber trotzdem macht, darum gehts. Nur wer verstanden hat kann auch entsprechend Leben und Teil von einer existierenden Gegenströmung sein.

Wenn diese Gegenströmung Teile von zur Zeit herrschenden Trends beinhaltet (gesunde Ernährung, Gegen Nazis, oder was auch immer), teilweise vermeint-lich konservative Inhalte hat (Ehrlichkeit, Vertrauen & Disziplin, wie wärs mit revolutionäre) oder Spaß (wollen ja alle haben), heißt das noch lange nicht das man sich dann wieder so benimmt wie der Rest der Gesellschaft – nämlich Scheiße. Heute sind manche Leute ja stolz drauf sich mit ihrer Dummheit zu brüsten oder finden es ganz geil, ach so punkige, sexistische Scheiße von sich zu geben oder stumpf „Hauptsache Randale“ zu propagieren. Punk & Hardcore wurde damals (und ist es heute noch) zu einer Herangehensweise, einem bestimmten Bewußtsein sowie einer Haltung, also mehr als nur eine musikalische Spielart. Begreift ihr das! Für mich hat sich bei diesen grundlegenden Dingen nichts geändert, es hat sich weiterentwickelt. Davon ist zwar in der, eigentlich nicht mehr existierenden Szene, nicht mehr viel zu merken, aber was macht das, es gibt schon noch einen Haufen Leute die so denken und auch so Leben. (und auch neue) Alle in gewissen selbstgesteckten Rahmen, logo, aber das wir nicht alle in Erdlöchern hausen können/wollen ist ja auch klar, insofern ist das ok.

Wie ich ein paar Zeilen weiter oben schrieb, es herrscht ja zum Glück Toleranz – aber eben nicht Gleichgültigkeit – und das ist ein großer Unterschied, denn wenn die Toleranz zur Gleichgültigkeit verkommt dann ist sie nicht mehr vorhanden. Ich kann eben den veganen-intoleranten-Pc’ler genauso belächeln wie den saufenden-hauptsache-Spaß-rumproll-Punk oder den macho-tough-ich-denke-ich-bin-HC-youngster/ oldster. Alle drei Beispielsgruppen sind keine echten „Feinde“ aber genauer betrachtet doch Teil vom Problem, auch wenn sie das meist nicht wahrhaben wollen. Genauso wie die Gesellschaft einige Teile enthält die ok, sind, genauso haben die eben genannten drei Gruppierungen Teile die auch in Ordnung sind, mit denen ich mich identifizieren kann – nur mit dem Rest eben nicht. Das ist auch ok so, nur wird es von diesen Leuten eben nicht eingesehen.

Was ja auch verständlich ist, es fällt nicht leicht sich selbst zuzugestehen das man eigentlich Scheiße ist. Trotzdem zählt der Versuch, nein mehr, es zählt wie sich jeder einzelne definiert und sich auch bewußt in der Gesellschaft/System bewegt. Und, auch das hab ich schon des öfteren gesagt, nicht nur am Wochenende oder auf der Bühne oder in bestimmten Situationen, sondern immer, überall. Ist ein Mensch ernstzunehmen der sich zu bestimmten Zeiten völlig anders verhält wie zu anderen? Nein, gar nicht, sag ich nur. Klar auch hier steckt sich jeder seine Grenzen, was auch wiederum ok ist – wenn man sich dessen bewußt ist. Aber da fehlts wohl bei einigen, das hat nicht nur Waldmann gechekt. So, das dazu. Mist jetzt hab ich gar nichts über die Musik gesagt, da hätte ich auch noch einges zu sagen, aber das spar ich mir für ein andermal auf. Noch einfacher hört euch den Trust-Cd Sampler an, immer über Musik zu schreiben muß ja auch nicht sein. Wir sehen uns dann am zweiten Februar bei der Release Party im Kerosin. Nächstes Jahr wird noch besser wie dieses, das seh ich schon kommen. Den Abschlußsatz hab ich auch schon mal verwendet – aber wie ich sagte, manche Dinge brauchen eben nicht geändert werden. TRY TO STOP US IT’s NO USE!! In diesem Sinne: Fick Dich!
(Dolf)

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