Dezember 10th, 2014

DANCING IN THE DARK RECORDS (#105, 04-2004)

Posted in interview by Jan

Wer häufig – auch ausserhalb seiner oder ihrer Heimatstadt – auf Konzerte geht, kennt das Phänomen sicher: Es ist fast egal, wo man wie weit hinfährt, es gibt ein paar Nasen, die einem mit grosser Wahrscheinlichkeit über den Weg laufen. Und nicht selten kommt es vor, dass diese Nasen mehr machen, als auf Konzerte zu gehen und Platten zu kaufen. Und wenn die Nasen dann auch noch richtig nett sind, dann ist das eigentlich schon ein guter Anlass sich mal mit ihnen zu unterhalten – zumal wenn sie auch einiges zu erzählen haben…

***

Wir sind hier ja wohl erzogene Menschen. Daher wie es sich gehört: Stellt euch mal vor – wer seid ihr und was macht ihr bei Dancing In The Dark?

Gruni: Ja, hallo! Wir, das sind Oise Ronsberger und Stefan Grunwald. Wir betreiben das Label – Dancing In The Dark Records – und spielen bei Là Par Force. Oise am Bass und ich am Schlagzeug. Da wird im April unser erstes Album erscheinen und da wollen wir uns natürlich ins Zeug legen. Mit der Arbeitsaufteilung bei Dancing In The Dark geht es noch nicht so genau. Unsere Aufgabengebiete vermischen sich noch recht, wobei sich die Stärken des einzelnen schon gut rauskristallisieren.

Oise ist gut im schreiben von Infos. Er findet immer recht schnell die passenden Worte und somit überlasse ich das gerne ihm. Er ist auch der Mann für die Finanzen und führt das Kassenbuch. Ich bin ganz gut im organisieren, gestalten und mache deshalb die Homepage mit unserem Gestalter und Freund Flo Gleich. Ich bin kein Designer, aber mein Auge und Gefühl ist in der Ausführung ganz hilfreich.

Grundlegend werfen wir uns aber die Sachen gegenseitig zu und sprechen uns ab. Die „Hauptstelle“, so ausgedrückt, liegt bei mir zu Hause. Da steht mein Computer, da habe ich Ordner angelegt und von da aus wird das ganze dann organisiert. Gemeinsam kümmern wir uns um alles was mit Band und Label passieren soll und was nötig ist. Beim Label ist das die komplette Organisation für die Veröffentlichung des Albums. Da kommt die Kalkulation, Gestaltung, Presswerk, Presse für Anzeigen und Artikel, Homepage, Vertriebswege suchen und Bewerbung, etc.

Für die Band wollen wir dann dieses Jahr viel Konzerte kriegen, eine Tour zusammenstellen, damit wir das Album anständig bewerben können. Dies soll dann bei möglichst vielen Menschen ankommen, denn der ganze Aufwand soll schließlich auch für was gut sein. Darum hoffe ich, dass es möglichst viele Leute gut finden und wir genügend Unterstützung bekommen. Unsere einzelnen Aufgaben werden sich die nächste Zeit noch etwas ordnen, da noch vermehrt Sachen anfallen werden. Bisher hielt sich das Grenzen, aber es wird bestimmt intensiver.

Die Gretchenfrage: wie seid ihr drauf gekommen, ein Label zu starten. Oft ist das ja nur ein Ausweg, weil man niemanden findet, der was von einem rausbringen will.

Oise: Hm, das greift jetzt natürlich weit in die Vergangenheit. Ich habe ja damals mit Stefan Fuchs von Bad Influence Records auf engstem Raum gehaust. Stefan brachte sich dann selbst das Veröffentlichen von Platten bei: Er fand heraus wo man günstig pressen kann, was ein „Mastertape“ ist, wo man Filme für Druckvorlagen machen kann, wie man die Post mit eingeseiften Marken bescheisst… Für mich hat sich damals eine komplett neue Welt eröffnet. Plötzlich waren wir mitten drin, statt nur unsere Platten bei Lost & Found zu bestellen!

Ich habe ihm nächtelang beim Pakete verpacken geholfen, ihm dabei zugesehen wie er mit Leuten in Japan und Amerika getauscht hat, stapelweise Päckchen zum Postamt gefahren. Er hat dann auch die „Another Funeral“ 7″ unserer damaligen Band STATIC 84 veröffentlicht, die dann irgendwann ausverkauft war und er wollte sein Geld lieber in neue Sachen stecken.

Ich entschied mich also, die 7″ als Dance 000 nochmal mit neuem Cover nachzupressen. Daraufhin malte mir ein Bekannter ein Logo. Ich sagte nur: „es muss so aussehen wie das Workshed Logo von Dan O´Mahony (No For An Answer / 411)“. Ich hörte meine Lieblingsplatten durch und suchte nach einem Namen. Bruce Springsteen´s “ Dancing In The Dark“ blieb mir dann im Ohr hängen – ich mochte und mag den Namen immer noch sehr!

Dann hatten Freunde von uns, die in der Screamo Sensation STAGNATION´S END spielten, dieses grossartige Seitenprojekt KITTY EMPIRE. Ich drängte mich also auf, wollte auch endlich einer dieser Menschen sein, die aktiv eine Subkultur mitgestalten, nicht immer nur am Rande stehen und zuschauen.

KITTY EMPIRE waren also lange Zeit der einzige Grund für mich, das Label überhaupt zu machen, ich veröffentlichte eine 10″, LP sowie eine Split 7″ von KITTY EMPIRE und THE CHERRYVILLE.
Ich war aber nie ein besonders engagierter „Labelboss“, vernachlässigte meine Pflichten, hatte einfach zu viel zu tun, war zuviel als Fahrer anderer Bands unterwegs. So wurde das Label eingeschläfert.

Bis sich dann STATIC 84 auflösten und wir LÀ PAR FORCE gründeten… Wir standen ohne Label da und irgendwie war uns das auch alles zu kompliziert…Wir wollten nur aufnehmen und was rausbringen und so wurde auch Dancing In The Dark Records wieder reaktiviert.

Gruni und ich entschieden uns, den Arbeitsaufwand zu teilen und das Label gemeinsam zu betreiben.
Und um jetzt auf deine Eingangsfrage zurück zu kommen: Anfangs ging es mir nur um das aktive Teilnehmen an einer Subkultur, darum Freunden von mir zu helfen. Mittlerweile ist das Label halt ein gute Plattform für unsere eigene Band – es ist grossartig gemeinsam mit Gruni Pläne zu schmieden, hart zu arbeiten und dabei zu beobachten wie Projekte immer konkretere Formen annehmen!

Welche Scheiben würdet ihr jederzeit wieder machen, welche anders und welche gar nicht?

Oise: Ich mag jede Veröffentlichung auf dem Label – es sind ja noch nicht zu viele… – und würde auch jedes Release sofort wieder machen. Ich wünschte mir nur, das ich für manche einfach mehr getan hätte. Zum Beispiel die KITTY EMPIRE LP – diese Band hatte und hat noch immer so viel Potential – und das Album ging einfach in einer turbulenten Zeit meines Lebens ziemlich unter.

Schön wäre es auch gewesen, wenn sich Bands nach der Veröffentlichung nicht immer gleich aufgelöst hätten, z.B. THE CHERRYVILLE. Oder kaum das die LÀ PAR FORCE / THE_PYRO_TALE split raus war, bekam Robert das Angebot bei BOYSETSFIRE einzusteigen und damit waren THE_PYRO_TALE auch schon wieder Geschichte…Aber da steckt man ja leider nicht mit drin.

Die Arbeit an der „Im Dunkeln Compilation“ war wegen der vielen Beteiligten auch nicht einfach – ich glaube also nicht, das wir uns in Zukunft noch mal so ein Projekt antun werden, ha, ha. Obwohl hier eher das organisieren der Release Konzerte ziemlich nervenaufreibend war… Wie gesagt, jede Veröffentlichung hatte zu ihre Zeit eine absolute Berechtigung – wir bereuen nichts!

Im Hause Dancing In The Dark brummts ja zur Zeit mächtig. Erzählt, doch mal, was grad so alles bei euch passiert.

Gruni: „Brummt“ ist gut ausgedrückt! Für uns ist es in der Tat schon recht viel, was so ansteht. Alleine die Entscheidung, dass wir das Album von LÀ PAR FORCE nun tatsächlich selber rausbringen, ist schon ein relativ großer Schritt. Da die Band bisher sehr viel investiert hat, viel Arbeit in die Songs und das Album gesteckt hat, soll alles weitere dem auch entsprechend gerecht werden. So wollen wir uns mit dem eigenen Label so bewegen, wie wir uns es von anderen auch erwarten würden – mit den Mitteln die uns zur Verfügung stehen.

Das ist mehr Eigeninitiative als großes Budget, aber damit kann auch viel bewegt werden. Mit der Veröffentlichung von LÀ PAR FORCE haben wir uns gleichzeitig für die Weiterführung des Labels entschieden. Weiteres wird also folgen und wir sind schon damit in Planung. So soll noch Mitte des Jahres eine EP mit MUFF POTTER, THE ROBOCOP KRAUS, TOMTE, LÀ PAR FORCE, TAGTRAUM & EUROPEAN TRANSLATION OF…  Erscheinen.

Dann folgen bis Ende des Jahres noch Tagtraum mit einem neuen sowie einem wiederveröffentlichten Album. TAGTRAUM sind Freunde von uns und eine tolle Band, was leider viele im Indie-, Gitarren-, Punkspektrum noch nicht so erkannt haben. Wir hoffen Ihnen helfen zu können, dies noch mehr Menschen zu zeigen. Ganz aktuell läuft bei uns gerade noch die Compilation „Im Dunkeln“.

Gutes Stichwort: euer IM DUNKELN / BAYERN Sampler – was war der Grund für den Sampler? Solche lokalen Geschichten haben ja oft den Nachteil, dass halt recht gruselige Sachen draufgepackt werden, nur weil sie aus der Gegend sind… Ganz schlimm sind ja auch so Juze-sampler…

Gruni: Ja, das stimmt schon. Es sind schon oft ganz unhörbare Sachen dabei. Mit sowas ist das aber nicht zu vergleichen. An der Qualität der Compilation ist uns schon viel gelegen. Es sind einige Bands dabei, von denen wir sofort auch so was veröffentlichen würden. Die Auswahl war bei der Zusammenstellung nicht wahllos.

Wir hatten gleich recht viele Bands zusammen, die in Frage kamen. Die meisten kannten wir schon und kamen uns deshalb auch gleich in den Sinn. Nicht alle Bands auf „Im Dunkeln“ sind übrigens unbeschriebene Blätter, die das erste mal Töne außerhalb des Proberaums verlauten lassen. Viele haben schon einiges hinter sich gelassen und viel gespielt, einige Tonträger veröffentlicht etc..

Es gibt im regionalen Bereich ganz viel Gutes, was uns bei der Arbeit an der Compilation gleich noch viel besser aufgefallen ist. Es bewegen sich hier noch weit mehr Bands, aber unser Rahmen hatte seine Grenzen. Wir sind dann eigentlich auch schon bei der Idee des ganzen. Wir haben nicht überlegt, welche bekannten, auswärtigen und Ami-Bands wir fragen könnten um was tolles zu machen. Das hätte als nächste Handlung für das Label keinen Sinn gemacht, den wirtschaftlichen jetzt mal nicht mitbetrachtet.

Wir leben in Regensburg / Bayern und wollten hier agieren. Mit LÀ PAR FORCE und TAGTRAUM werden dieses Jahr noch weitere Veröffentlichungen aus der Gegend folgen. Es soll jetzt nicht heißen, dass andere nicht möglich sind, aber man kann hier was machen und darf Augen und Ohren offen halten.

„Im Dunkeln“ ist eine Bestandsaufnahme und Dokumentation der bayerischen Indie-/Gitarrenszene. Jede Band hat zwei Lieder darauf, wovon mindestens eines unveröffentlicht bleibt. 74 Minuten Musik und die Hälfte davon nur hier zu finden. Er ist gut gelungen, qualitativ sehr hochwertig und macht klar, dass sich hier niemand zu verstecken braucht. Kein Vergleich also mit Juzi, Open-Air, Bandwettbewerbs-Samplern.

In der Besprechung in einem anderen Fanzine wurde die Frage aufgeworfen, warum es gerade mal eine Frau (eure Sängerin / Gitarristin) auf die Scheibe gebracht hat, es gleichzeitig aber ein „Covergirl“ gibt.

Gruni: Interessant, auf was Ihr „Schreiberlinge“ so kommt, aber ich muss zugeben, dass es eine durchaus berechtigte Frage ist! Mittlerweile wünschte ich auch, dass die Frauenquote auf der Compilation höher wäre. Mir würden jetzt auch schon noch Bands einfallen, wo Frauen mitspielen und die ich mir auf der Compilation gut vorstellen könnte. Damals war der Rahmen allerdings gemacht und es hat uns gut gefallen.

Auf „die Quote“ haben wir dabei nicht so geachtet, dass ist mir jetzt erst bewusst. Allgemein muss ich aber sagen, dass sich die Musik, wo Frauen beteiligt sind, einfach im Verhältnis schon in Grenzen hält. So fällt mir in der Gegend eine Band mit zwei Frauen und eine mit nur Frauen ein. Dann war’s das aber auch schon wieder. Bei Là Par Force hätten wir auch liebend gern eine zusätzliche Gitarristin mit dabei gehabt. Da müssten wir aber schon eine bundesweite Ausschreibung machen um da überhaupt an ein paar Kandidatinnen zu kommen.

Ich kann es mir auch nicht richtig erklären, aber es ist einfach so. Die Frauen interessieren sich wohl eher für andere Dinge und setzen andere Prioritäten. Im Gegensatz zu früher ist es aber bestimmt schon um einiges besser geworden. Ich kann viele gute Musik, von und mit Frauen, zu meinen Favoriten zählen. Trotzdem wäre es sehr schön wenn noch mehr denn Weg zur Musik finden könnten. Bei Musik im allgemeinen kann man sich ja nicht beklagen. Nur bei der Art Rockmusik hält es sich halt in Grenzen.

Bei klassischer ist es gut, denk’ ich. Wenn ich dann aber wieder an andere modernere Musiksparten denke, ist es auch nicht so überragend. Vor allem bei so Instrumenten wie Gitarre oder Schlagzeug ist es eher gering. Wenn, dann spielen viele Bass oder Singen. Wie auch immer. Mehr Frauen an Gitarre, Schlagzeug und in den Rock!!.. Nicht etwa dahin wo viele Menschen sie noch immer haben wollen: an den Herd!

Oise: Man muss auch noch erwähnen, das z.B. eine der ersten Bands die wir bei der Compilation dabei haben wollten die SIGHS aus Nürnberg waren – die konnten zu dem Zeitpunkt leider nicht und haben sich ja auch vor kurzem schon wieder aufgelöst…

Es kam an dieser Stelle ja schon des öfteren die Sprache auf die neue LÁ PAR FORCE (mit Chad Istvan / Boysetsfire als Produzent und an der Gitarre)… Wie gross wird der Aufkleber „produced by…“ sein? Ausserdem: es gibt ja Stimmen, die sagen, ihr würdet auf Platte den Unterhaltungswert, den eure Konzerte haben nicht halten können…

Oise: Ha, ha – ich denke das mit dem Aufkleber lassen wir mal besser sein! Kann aber durchaus passieren, das die Tatsache das Chad Istvan das Album produziert hat, in der ein oder anderen Werbung seinen Platz findet 🙂

Die Sache mit dem Unterhaltungswert: Ich kann ja jetzt wirklich nicht genau sagen, inwiefern wir Live unterhaltsam sind, wir sind ja jetzt auch keine besonders lustige Band auf der Bühne. Live sind wir je nach Stimmung oft recht energisch – auf Platte kommt das ganze natürlich etwas sauberer und kontrollierter rüber – aber das ist für mich ja auch der Reiz bei der ganzen Sache.

Solange es da nicht gravierende Unterschiede gibt, bin ich persönlich der Meinung das einfach ein gewisser Unterschied zwischen Tonträger und Konzert bestehen muss. Sonst kann man ja zuhause bleiben und die perfekte Platte geniessen und muss sich nicht unnötig mit Eintrittsgeld, schlechter Luft und dem Quoten-Alki im örtlichen JUZ belasten 🙂

Bei LÀ PAR FORCE haben wir uns bei den Aufnahmen zum neuen Album auf alle Fälle bemüht, die Lieder kompakter, direkter aber auch abwechslungsreicher zu gestalten. Dafür haben wir aber auch viel mit zusätzlichen Instrumenten wie Cello, Piano, Lap Steel Gitarre, etc gearbeitet.

Das sind alles Dinge, die Live wohl nur schwer oder vielleicht auch gar nicht umzusetzen sind. Man darf sich also darauf einstellen, das es weiterhin einen Unterschied von LÀ PAR FORCE auf Platte und Live geben wird. Was schlussendlich dann besser oder unterhaltsamer ist, entscheidet dann der Hörer!

Eine weitere Baustelle, die auch schon Erwähnung fand ist die Benefitz-EP für die Selbstmord-Beratungsstelle in Regensburg mit MUFF POTTER, ROBOCOPS, TOMTE, LÃ PAR FORCE, TAGTRAUM. Von Deep Elm gab´s ja letztens auch so nen Sampler. Ich muss gestehen, als ich mir den zu Gemüte geführt hab, hatte ich so meine Bedenken, ob die Geschichte nicht kontraproduktiv sei. Der war vollgepackt mit Gewimmer, dass man eigentlich nur trübselig werden konnte…

Oise: Tja, ich kenne den angesprochenen Sampler auch nur flüchtig. So sehr ich die „100% Independent“ Philosophie von Deep Elm Records schätze – musikalisch ist das Label oft nicht besonders spannend. Leider habe ich die Beiträge von MUFF POTTER, THE ROBOCOP KRAUS, TOMTE, LÀ PAR FORCE, TAGTRAUM & EUROPEAN TRANSLATION OF selbst noch nicht gehört – ich kann also nicht sagen, ob wir dich damit in den Selbstmord treiben :)Nur soviel – jede Band wird eine exklusive (teilweise recht gewagte – Überraschung!) Coverversion für diese Benefitz EP aufnehmen.

Diese werden alle entfernt etwas mit dem Thema Selbstmord (sei es der gecoverte Künstler, Text des Liedes, etc) zu tun haben und so hoffentlich dieses ernste Thema von verschiedenen Seiten darstellen. Der Anstoss für die EP war der Selbstmord von ELLIOTT SMITH im letzten Jahr. Es ist ja irgendwie blöd, wenn dich der Tod von jemanden berührt, den man gar nicht kennt. Aber der kurz darauf folgende Suizid eines entfernten Bekannten hier in Regensburg hat mir mal wieder ins Gedächtnis gerufen, wie verzweifelt manche Leute sind, ohne das man es bemerkt.

Ich weiss nicht – bis jetzt war jeder Tag für mich vollgepackt mit Dingen, für die es sich zu leben lohnt… Wir wollten also Leuten, die in diesem Loch sitzen und keinen Ausweg mehr sehen, irgendwie weiterhelfen. Deshalb gehen Teile der Einnahmen an eine Telefonberatungsstelle für Selbstmordgefährdete hier in Regensburg.

Klar, viel Geld kann man mit so einem Projekt nicht auftreiben, aber ich denke das in diesen sparwütigen Zeiten der Kommunen jeder Cent hilft.

Und man vor allem ein Zeichen setzt: Du bist nicht der einzige dem es so geht und es gibt da jemanden, der dir vielleicht helfen oder zumindest zuhören kann! Für mich führen wir mit dieser Benefitz EP auch den Gedanken der „Im Dunkeln Compilation“ einen Schritt weiter: Nämlich das wir als Label und Individuen erstmal unsere nähere Umgebung betrachten und positiv beeinflussen wollen.

In wie weit besteht bei Dancing In The Dark die Gefahr, das euch das gleiche Schicksaal ereilt, wie ein anderes sympathisches Kleinlabel, das ja ende letzten Jahres pleite ging…

Oise: Oh je – du spielst bestimmt auf den traurigen Abschied von Scene Police an…ich habe leider keine Ahnung warum die pleite gingen. Hmm, ich denke, wir sind uns – was das finanzielle Risiko angeht – sehr wohl bewusst, das wir da auf dünnem Eis wandern… Aber wir wollen in diesem Jahr nur äusserst vorsichtig veröffentlichen. Man muss, auch wenn es einem schwer fällt, zu manchen Projekten einfach auch mal „nein“ sagen können und seine eigenen Möglichkeiten und Mittel realistisch einschätzen.

Ich denke unsere Pläne und Herangehensweise sind jetzt nicht soo utopisch, als das ständig das Damokles-Schwert des Konkurses über uns schweben würde. Für die LÀ PAR FORCE Cd zum Beispiel arbeiten wir ja auch mit unseren Freunden von Millipede Records/Nürnberg zusammen, was das Risiko auch nochmal stark verkleinert und es für alle Beteiligten etwas leichter macht. Wir wollen nicht auf Teufel komm raus ein erfolgreiches Label etablieren, sondern eine Sache die uns Spass macht und an der unser Herzblut hängt Schritt für Schritt weiterbringen.

Zu eurem Distro / Mailorder Eldorado gehört ja auch ein Plattenladen. Wie kann sich der in einer relativ kleinen Stadt wie Regensburg halten? Gerade in „unserer“ Sparte gibt es ja die Mailorder Tradition und gegen die könnt ihr preislich vermutlich ja nicht anstinken…

Oise: Tja, es gibt da natürlich schon Preisunterschiede, die dann besonders deutlich werden, wenn wir gemeinsam mit anderen Leuten bei einem Konzert verkaufen, die einen der punküblichen „Bauchläden“ haben. Diese Leute (ich habe das ja auch jahrelang so gemacht…) haben keine Ausgaben für Lademiete, Strom, Werbung, zahlen oft keine Mehrwertssteuer, etc. Dadurch sind die gleichen Platten bei denen halt oft extrem billiger, aber was sollen wir machen?! Ich bin da auch niemanden böse, der sich die Platten da besorgt, wo sie am günstigsten sind.

Wir haben ja auch einen Online-Shop, in dem die Platten noch mal billiger sind als im Laden – und wir die Sachen eben auf dem Preisniveau von anderen Mailordern verkaufen. Trotzdem bietet ein Plattenladen im Vergleich zum Mailorder ne Menge Vorteile: Nette Atomsphäre, Kaffee, Kontaktbörse, ha, ha. Man kann direkt in die Platten reinhören, ist nicht auf Beschreibungen und die dauernden Vergleiche angewiesen, es gibt die Möglichkeit sich auch vom visuellen Aspekt einer Platte begeistern zu lassen…für mich oft genau so wichtig wie die Musik, wenn ich ehrlich bin!

Wir haben halt viele Stammkunden, die gerne für eine CD auch etwas mehr bezahlen, als beim Müllermarkt und eben dort einkaufen, wo sie geschätzt und verstanden werden bzw. Leute hinter dem Tresen stehen, die Musik genauso lieben wie sie selbst. Das klingt jetzt vielleicht pathetisch, aber kommt der Wahrheit sehr nahe, ha, ha.

Ich selber kenne einige Leute, deren „Traum“ es ist, mal nen eigenen Plattenladen zu haben, oder zumindest in einem zu arbeiten. Wie sieht das einer, der tatsächlich in einem drinhängt? Hattest du eigentlich diesen Traum, oder hat sich das halt ergeben?

Oise: Es hat sich wirklich so ergeben! Christian Willnecker – der ja die Hauptarbeit im Laden/Mailorder macht – hat den Laden ja schon zwei Jahre alleine aufgebaut und betrieben. Über Gespräche beim Kaffeetrinken und Plattenkaufen haben sich immer konkrete Pläne für eine „gemeinsame Zukunft“ ergeben und irgendwann habe ich mein erspartes zusammengekratzt und bin mit eingestiegen. Für mich war das nie ein richtiger „Traum“ – ich bin ja in der Hinsicht manchmal eine sehr nüchterne Person…

Es war für mich ein Schritt mehr in die Richtung, wie ich mir mein Leben und das Ausschöpfen meiner Möglichkeiten und Interessen vorgestellt habe. Ich lerne jeden Tag etwas dazu, manche Sachen weil sie mich begeistern, manche weil sie essentiell sind, um so ein Geschäft am laufen zu halten. Um ehrlich zu sein – meine absoluten „Traumjobs“ sind noch immer Filmvorführer oder  in einer Bibliothek zu arbeiten. Ebenso wie das Arbeiten in einem Plattenladen werden auch diese beiden Berufe spätestens nach zwei Monaten ihren mysteriösen Reiz verlieren und zur Routine werden, ha, ha.

Also spare ich mir eine Umschulung in die Richtung! Viele Leute vergessen halt einfach auch, das dieser Traum halt oft nur verdammt viel Arbeit bedeutet. Es gibt da nicht die Möglichkeit sich mal krank zu melden oder mal einen Tag nur im Internet zu surfen, weil der Chef mal nicht im Büro ist… Ich wäre auch vorsichtig damit, sich seine Leidenschaft zum Beruf zu machen – denn dabei kann eine Menge der Faszination davon verloren gehen. Vor allem wenn man mal hinter die Kulissen der Musikindustrie geblickt hat – da wird´s echt duster, ha ha.

Gibt´s bei euch auch so komische Typen wie in „High Fidelity“, die den Laden als ihr zuhause sehen? Ich musste jedenfalls feststellen, dass es in dem Laden, in dem ich jobbe wirklich solche Gestalten gibt (zugegeben, bevor ich dort gearbeitet hab, war ich auch nicht seltener in dem Laden als jetzt 😉 ). Und natürlich jede Menge Musiknerds! Witzig ist, dass es die aus jedem Genre gibt, egal ob Punk, Metal, Jazz oder Klassik (oder Rock usw..). Was war die frage nochmal… Äh, ja: wie ist das bei euch so?

Oise: Oh ja! Diese Menschen gibt es definitiv. Ich dachte auch immer Punks seien kleinkariert – aber diese Freaks gibt es wirklich in jedem Lebensbereich… da ist Musik ja nur ein kleiner Ausschnitt. Aber diese Leute machen das ganze ja auch irgendwie schön: Wenn man sich darauf verlassen kann, das derjenige bestimmt noch vorbei kommt, einen Kaffee mittrinkt (wichtig!!!) Und mit mir dann über die unkundige Laufkundschaft lacht, die „was altes von den Onkelz“ kaufen wollte – oder vor der Tür die Burschenschaftler beschimpft, die sich das alte Römergemäuer gegenüber von unserem Laden anschauen – oder…..

Ohne diese Leute, die schon halb zum Inventar gehören, wäre das Arbeiten in einem kleinen Laden nur halb so lustig, das steht fest! ABER – und das muss mir jemand erklären der schlauer und studierter ist als ich – sind diese „Nerds“ ausschliesslich männlich… Was ich leider immer etwas schade finde. Unser Plattenladen wird nämlich zu 85% von Männern besucht und ich würde gerne mal wissen, wie man das ändern kann und/oder die Atmosphäre für weibliche Besucher angenehmer gestalten kann…Tips bitte per email an mich!

Ich finde es ja recht interessant, dass sich gerade in der Provinz so viel tut. Was sagt da jemand dazu, der aus Niederbayern stammt und jetzt in Regensburg lebt, aber halt auch schon einiges von der grossen weiten Welt gesehen hat 😉

Gruni: Es liegt eben manchmal an der Provinz, dass sich so viel tut, vorausgesetzt es leben noch genug Menschen dazu da. Der Grund ist, dass die Leute sich selber was schaffen, wenn nicht automatisch viel geboten ist. Das kann durchaus positiv sein, da sie damit was zu tun haben und selber an Entstehungsprozessen mitwirken. Siebringen selber ihre Energie und Kreativität in Projekte und wachsen damit.

Wenn viel geboten ist, entsteht so ein Überdruss und allgemein das Bedürfnis nach immer besseren Angeboten. Es entsteht eine Trägheit dadurch, dass man sich mehr auf andere verlässt. Andere machen das dann schon. Beschweren kann man sich dann auch leichter, wenn man nicht selbst daran beteiligt ist. In Regensburg geht das noch, wobei man das schon auch beobachten kann. Ich möchte fast behaupten, dass meistens die Leute von außerhalb in Regensburg was auf die Beine stellen.

Dieses „fast“ heißt, dass es natürlich auch Ausnahmen gibt. Wenn ich mich in meinem Kreise so umschaue, sind es jedenfalls hauptsächlich „zugereiste“, die was produktives leisten. Das haben sie eben da gelernt, wo sie nichts geboten bekamen, sondern sich selbst was bieten mussten. Wo wir herkommen, also aus der richtigen Provinz, nämlich Zwiesel, da war ne zeitlang echt viel im Gange. Ich bin froh, dass ich meine Jugend dort verbracht habe, auch wenn man natürlich in diesen jüngeren Jahren schon interessiert an den „größeren“ auswärtigen Dingen war.

In Zwiesel aber, musste man sich eben selbst was schaffen und das ist dann oft in Zusammenarbeit mit anderen Menschen passiert. Da war unser Jugendcafe mit der wichtigste Anlaufpunkt für Treffen und dort wurde auch viel gemacht. Es fanden viele Konzerte, schöne Parties, Montagsenglischstunden, Lesungen etc.., statt. Diese Mentalität prägt uns heute noch und so setzen wir uns eben jetzt nicht hin und heulen rum, dass nichts passiert, sondern nehmen unser Schicksal selber in die Hand, auch wenn das manchmal echt ganz schön schwer ist.

Da wir mit Là Par Force aber spielen und was schaffen wollen, da wir eben glauben das unsere Kunst gut ist, erarbeiten wir uns eben eine eigene Plattform um uns selbst weiterzubringen, da man auf andere erst mal weniger zu hoffen braucht. So gibt es Dancing In The Dark und wer weiß, diese Plattform kann auch anderen wieder behilflich sein. Etwas von der „großen weiten Welt“ zu sehen, ist bestimmt eine schöne Sache.

So bin auch froh bisher auf ein paar Touren, u.a. Mit The Locust und Darkest Hour, sowie mit den eigenen Bands Static 84 und Là Par Force gewesen zu sein, um andere Länder und Kulturen zu sehen und aber auch zu erkennen, dass es bei denen trotzdem nicht recht viel anders oder besser läuft. Viele nette Menschen habe ich bisher in der Provinz getroffen. In einer kleinen Stadt und zählbaren Einwohnern und dabei tollen Konzerten. Wenn man wo fremd unterwegs ist, schaut erst mal vieles beeindruckender aus.

Stellt man sich aber dann das Leben und den Alltag vor, so wie er zu Hause eben gewohnt ist, dann ist es auch nicht mehr so großartig, egal wo man ist. Große Städte können für vieles was man so machen will, von Vorteil sein, da die meisten Dinge dann eben „ausgewachsener“ sind. So kann es für Musiker durchaus interessant und Vorteil sein, sich mal in Berlin, London oder Los Angeles zu bewegen. Herzlicher, ist es aber definitiv wo anders! In der sog. „Provinz“….

Ein schönes Schlusswort…

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Interview: Sebastian

Kontakt:

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Phone: 0049 – (0) 941/567 47 12
Fax: 0049 – (0) 941/567 47 13

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