März 17th, 2007

BOY SETS FIRE (#74, 02-1999)

Posted in interview by andreas

BOY SETS FIRE

joshua charles latshaw, 22.06.72; gitarre, carpenter

nathaniel michael gray, 15.06.72; gesang, historic restoration

matthew jorin krupanski, 09.11.77; drums, CEO boy sets fire inc.

charles william istvan, 16.09.74; gitarre, gesang, cabinet maker

darrell louis hyde, 03.10.77; bass, gesang, webmaster

boy sets fire. eine band, deren musik für mich zum besten zählt was 98 aus amerika zu uns herüber schwappte. sehr viel gefühl, sehr viel druck, sehr viel power. schlicht und einfach sehr viel GUT. eine kategorisierung möchte ich mir und euch ersparen.

aber du solltest schon auf schwer rockende musik stehen und auch keine angst vor popanleihen haben, um den faden aufzunehmen, den dir boy sets fire zuwerfen. ich persönlich hatte schon 3 grosse spindeln voll mit feinstem faden, als ich mich entschloss schön früh zum konzert nach langenhagen zu fahren, um in aller ruhe ein nettes gespräch mit oben genannten herren zu führen. schön, zumindest der plan stimmte. sonntag…

19.00: langenhagen, cafe monopol. ich bin da, die band nicht.

20.00: die plattenkistenfritzen sind da, die band nicht.

21.00: der mob ist da, die band nicht

22.00: der veranstalter sagt den gig ab, die band nicht.

22.10: die band trifft ein, wurde beim hamburger zoll aufgehalten. da im monopol um 23.00 die lichter ausgehen müssen, wird der gig kurzerhand in die sturmglocke – sprengelgelände verlegt, und monika für soviel spontaneität und hilfsbereitschaft zu meiner persönlichen hardcorelerin des jahres ernannt.

22.20: ein tross aus publikum, veranstaltern, plattenfritzen und band bricht in einem konvoi zum sprengelgelände auf. ich greife mir nathan, stecke ihn in mein auto, erkläre ihm den plan. ich fahre, du redest.

22.40: 20 minuten später. dazwischen: eine autofahrt, ein interview, eine einfache rechnung.

23.00: die band steht auf der bühne und spielt. …hardcore

nun sicher hätte dieses interview unter günstigeren umständen stattfinden können, hätte hätte hätte. hätte war aber nicht. so bitte ich die zur abwechslung einmal fehlende tiefgründigkeit zu entschuldigen.

diese fiel der tatsache zum opfer, dass dem strassenverkehr eine gewisse aufmerksamkeit geschenkt werden wollte. so nimm denn, was da kommt und sei friedlich….

***

ok, what does boy set fire to?

Nathan: meinst du, wie wir zu dem namen gekommen sind?

nein, nicht ganz. in einem namen wie BOY SETS FIRE steckt ja schon eine gewisse aussage.

Nathan: ah, ok. richtig, dahinter steckt eine aussage. aber die ist natürlich nicht so simpel, dass sie sich darauf beschränken liesse, was jetzt im einzelnen abgefackelt werden soll. ich hatte mal ein buch von charles bukalski, welches auf der letzten seite eine liste weiterer titel dieses verlages enthielt. eines der gedichte hiess THE BOY WHO SET THE FIRE. am anfang hielten wir das für einen coolen namen, dachten dann aber doch, dass es besser wäre das ganze etwas zu kürzen. der name ist für uns so etwas wie ein symbol für das potential der jugend dinge selbst in die hand zu nehmen, um etwas in dieser welt zu verändern.

„…silence kills the revolution…“ (textauszug). welche revolution?

Nathan: was unsere politische haltung angeht, gründet sich da sehr viel auf sozialismus und anarchie. wir glauben, dass eine revolution immer erst eine persönliche ist. eine politische revolution wird niemals stattfinden, bevor wir es nicht geschafft haben, uns selbst zu ändern. bei SILENCE KILLS THE REVOLUTION, einer zeile unseres songs PURE, dreht es sich um das problem, dass wir in der punk und hardcore szene so sehr damit beschäftigt sind welche klamotten oder frisuren gerade hip sind, dass wir vergessen haben, was wirklich wichtig ist, what our messages are about.

viel zu häufig betrachten wir leute ausserhalb der hardcore szene und zeigen mit fingern auf sie, anstatt uns zu gruppieren, uns zusammen zu schliessen. um so zu sehen, welche probleme in der hardcore szene wir in den griff bekommen könnten. wir kamen alle aus einer ganz normalen welt, als dieses ganze hardcore ding entstand. diese subkultur entstand doch aus dem gefühl heraus, dass einen die gängigen normen, verhaltensweisen und machenschaften ankotzen.

das problem dabei war nur, dass es auch nach der bildung dieser subkultur die gleichen probleme in dieser szene gab wie zuvor, als da wären sexsimus, homophobie und rassismus. und wir müssen das erst einmal in uns selbst auslöschen, bevor wir auf andere zugehen können, um so vielleicht etwas zu erreichen.

was hältst du von folgendem statement `ZU VIEL GEQUAssEL ZWISCHEN DEN SONGS RUINIERT DEN DRUCK, RHYTHMUS UND FLUss EINES LIVE SETS`

Nathan: meine erste reaktion auf eine solche aussage wäre wohl, dass dies bullshit ist. normalerweise wissen die leute, die zu unseren shows kommen, dass wir viel zwischen den songs reden. sie wissen was uns bewegt, um was es uns geht. was mich richtig anpisst sind bands, die sich auf dem boden wälzen, die pissed as hell sind. bei denen du aber verdammt noch mal keine ahnung hast, was sie eigentlich so anpisst. weil du einfach nicht verstehen kannst was sie sagen und singen. ich bin nicht so arrogant zu denken, das leute ohne probleme verstehen welche inhalte wir bei shows transportieren wollen.

also ist es ein wichtiger punkt für uns zwischen den songs ansagen zu machen. wenn das dann den fluss eines sets ruiniert, ja mein gott, was soll`s. es ist wichtiger für uns, unsere message, und das was wir zu sagen haben, klar und deutlich rüber zu bringen, als einfach nur auf die bühne zu gehen um abzurocken. wir rebellieren quasi gegen dieses rockbusiness ding welches dir heute gerne als hardcore verkauft werden soll. wenn wir etwas auf die beine stellen, muss es sich von einem van halen oder def leppard konzert unterscheiden. so etwas interessiert uns nicht, wir müssen substanz haben, wenn wir irgend etwas anderes sein wollen, als eine blöde rock show.

aber genau das trifft doch heute auf einen grossteil sogenannter hardcore bands nicht zu. die kommen hier doch nur rüber um frauen zu poppen und kohle zu machen.

Nathan: ich habe auch ein problem damit solche bands als hardcore zu betrachten. es ist ok wenn eine band einfach nur abrocken will. it`s non of my business, really. wenn das eine band so möchte, fein. es gibt sogar solche bands die ich mag. aber unter punk-, hardcore- oder revolutionären gesichtspunkten ist es einfach nicht möglich so etwas als hardcore oder revolutionär zu akzeptieren.

auf eurer homepage bin ich mehrfach auf den begriff `COURAGE CREW` gestossen. was ist das?

Nathan: die courage crew ist eine gruppe von leuten die so etwas wie eine gang mentalität haben. es gibt ein paar solcher gruppen. das sind ein paar straight edge kids, die diesen gang-unity film fahren. ganz ehrlich, ich finde nichts schlimmes an diesem unity bla blah blah dingens. das problem beginnt, wenn gruppen wie die courage crew gewalttätig werden. wenn sie leute, die nicht ihrer meinung sind, zusammenschlagen.

und diese kids sind super gewalttätig, very in your face about shit. und ich denke nicht, dass dies irgendjemand braucht. niemand sollte solche bespiele als nachahmenswert vorgesetzt bekommen. das bringt nun wirklich keine menschenseele in irgendeiner art und weise weiter. und wenn wir tatenlos zusehen, wie eine szene mit dieser gang mentalität verseucht wird, dauert es nicht lange bis sie sich selbst zerstört.

ah, es ist also nur dieses alte `ICH BIN BEssER ALS DU` ding. wird dieser scheiss von bestimmten bands gepushed?

Nathan: ja, es gibt bands die mit diesen gangs assoziiert werden. für gewöhnlich versuchen wir… ich meine, wir hatten diskussionen mit der courage crew, die auch ganz ok waren, also die diskussionen. aber ich verstehe diese gang mentalität einfach nicht, werde das wohl auch niemals tun und definitiv werde ich solchem scheiss niemals unterstützen. keiner von uns würde das. für mich ist das nonsens. ich brauche keine schläger in der hardcore szene.

ist das ein nationales problem, oder handelt es sich dabei eher um eine lokale erscheinung?

Nathan: um ehrlich zu sein, es ist nur eine sehr kleine minderheit. eine menge leute nehmen das ganze ernster als sie sollten. viele dieser dinge sollten ganz einfach ignoriert werden. diese leute tun einen scheiss, im grunde gar nichts um die szene weiter zu bringen. these little bullshit factions don`t deserve the attention they are getting. das spielt sich auch nicht wirklich in delaware ab.

das passiert in einem anderen bundesstaat, in dayton ohio und einigen anderen orten. wir haben diesen scheiss in delaware nicht. aber durch das häufige touren sind wir ein paarmal auf diese leute getroffen. so wirklich viel weiss ich allerdings nicht über die ganze sache, da ich diese leute am liebsten ignoriere. ich kenne eine menge straight edger, unser bassist ist straight edge. und man kann dieses verhalten mit sicherheit nicht auf die ganze straight edge bewegung projizieren.

ihr seid doch eh keine straight edge band, oder?

Nathan: nein. niemand in der band ist straight edge, bis auf unseren bassisten halt.

aber dir ist schon klar, dass euch viele leute dafür halten?

Nathan: wenn leute das von uns denken werde ich ihnen mit sicherheit erzählen wie es wirklich ist. aber ich werde straight edge bestimmt nicht in den dreck ziehen. es ist ja keine schlechte sache. es ist eine absolut positive sache. blöd ist halt, wenn ein paar kids diese gewalttätigkeit und ignoranz in die szene bringen. aber im grunde ist es eine positive bewegung.

sicher richtig. aber heutzutage ist straight edge doch eher eine völlig pervertierte bewegung.

Nathan: oh ja. gruppen wie die courage crew haben den ursprünglichen straight edge gedanken sicherlich pervertiert, mit dieser schrecklichen gewalt und dem ganzen shit.

ok, das war`s eigentlich schon. ist halt blöd, das wir das interview auf diese nicht ganz glückliche weise führen mussten. aber das lässt sich ja nicht ändern. den ganzen standard fragen-kram spare ich mir mal. wer hat schon bock als band zum hundertsten mal das gleiche gefragt zu werden.

Nathan: wunderbar. ja, es gibt 2 fragen, die wir ständig gefragt werden und die uns somit schon zu den ohren raushängen. die eine ist `wenn ihr so politisch seid, warum raucht ihr dann?`. das ist so… oh my god, come on. wir ziehen nicht um die häuser und verkloppen straight edge kids. ich bin ja nicht so blöd, als dass ich keine antwort auf diese frage hätte. but it`s not that cotton dry. ich meine, dass ist ja wohl ein witz wenn dich das leute fragen, die nike turnschuhe tragen.

ich meine, hey, wir tun alle dinge, die wir vielleicht nicht unbedingt tun müssten, dinge die grosse konzerne unterstützen. manchmal ist das im leben eben so. und abhängigkeiten sind manchmal halt stärker als eine politische korrektheit bis ins detail. ich kann dir gar nicht sagen wie oft einige von uns schon versucht haben mit dem rauchen aufzuhören. verdammt, das ist hart. ich halte das aber nicht für etwas, das unseren politischen aktionismus abwerten könnte.

zu hause sind wir politisch sehr engagiert. es wäre völlig lächerlich, dies mit der tatsache, dass wir rauchen , diskreditieren zu wollen. das zum einen. 2 aus der band sind verheiratet. und ungefähr 4 leute haben uns gefragt, was wir über die besitzergreifung der gefühle anderer menschen denken. und wie schrecklich heiraten doch sei. das ist mit sicherheit das lustigste was wir bisher gefragt wurden. what the hell are you talking about. ich meine, was soll daran schrecklich sein.

klar haut das bei einigen leuten nicht so hin mit einer heirat. but owning someones emotions? what the fuck are you talking about? die sind beide glücklich verheiratet, ihre frauen sehen das genau so. beim besten willen kann ich nicht verstehen, wieso das so ein grosses politisches ding sein soll, nicht verheiratet zu sein. wenn es dich glücklich macht, dann tu es. das tut doch wirklich niemandem weh.

du hast ja schon von politischen aktivitäten ausserhalb der band gesprochen. um was handelt es sich dabei im detail?

Nathan: josh und ich sind beide in der amerikanischen kommunistischen partei organisiert. wir sind an vielen protest aktionen und petitionen beteiligt. jeder in der band hat politische sachen laufen. aber ich weiss gar nicht so genau wer jetzt was im detail macht, da wir diese dinge ja nicht notwendigerweise alle gemeinsam machen. aber wir sind alle politisch aktiv. irgendwie lustig. wenn josh und ich hier in europa über die kommunistische partei sprechen, scheint das kein grosses problem zu sein.

dieses thema scheint weitestgehend akzeptiert zu sein. in amerika ist das total anders. amerika betrachtet solche politischen haltungen sehr von oben herab und unterdrückt sie bis ins letzte. schon von schulbeginn an wirst du einer gehirnwäsche unterzogen, die dir weis machen will, dass kommunismus und sozialismus die grossen feinde der freien welt seien. dass beides menschen tötet und fürchterliche menschen aus armen unschuldigen bürgern macht. das ist total bescheuert.

klar, aber das ist doch logisch. soll amerika das gegenteil behaupten. amerika braucht einen grossen feind, damit es von dem beschissenen eigenen system ablenken kann. aber ich bin mir ja gar nicht mal so sicher, ob ich so etwas wie kommunistische parteien besonders klasse finde. betrachtet man sich mal die vergangenheit und was leute, die vorgaben kommunisten und sozialisten zu sein, in parteien des ehemaligen ostblocks (ups, ist das politisch korrekt ausgedrückt… keine ahnung, und es ist mir auch egal) verzapft haben, weiss ich ja nicht so richtig was ich von einer amerikanischen kommunistischen partei halten soll.

Nathan: ja richtig. aber das ist doch genau so wie bei straight edge. viele leute denken, dass straight edge etwas schrecklich gewalttätiges sei. und das nur weil einige idioten es pervertiert haben. genau wie den kommunismus. da gab es viele leute, die nur ihr persönliches machtbedürfnis ausgelebt haben. aber das hat doch nichts mit den ursprünglichen inhalten des kommunismus zu tun, nichts mit dem für was kommunismus wirklich steht.

und unter gar keinen umständen unterstützen wir die totalitären und diktatorischen regime in kuba, oder damals russland usw. was wir aber unterstützen ist purer kommunismus, wirklicher realer kommunismus. genauso unterstützen wir anarchie und sozialismus, denn alle 3 haben sich viel zu lange gegenseitig bekämpft, anstatt sich zusammen zu schliessen, um gegen den wirklich feind zu kämpfen, der ganz klar kapitalismus heisst. sowie natürlich auch die autorität der obrigkeit und andere dinger solcher art.

***

dieses interview ist für monika und helge. ohne sie hätte es nicht stattgefunden. DANKE

interview: torsten meyer

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